Im heutigen globalisierten Zeitalter rückt die Bildungsfrage im Zuge von Wanderungen und Bewegungen der Menschen erneut in den Mittelpunkt pädagogischer und bildungspolitischer Dimensionen. So konstatierte auch die Zuwanderungskommission seit einiger Zeit, „dass Deutschland de-facto ein Einwanderungsland geworden ist“ (Süssmuth 2001). Dementsprechend sind damit verbundene Begriffe wie Bildung, Migration, Flüchtlinge und Kultur aktuell sehr präsent. Die große Zuwanderung aus den unterschiedlichen Staaten Asiens und Afrikas, stellte sich teilweise als Überforderung für die vorhandene Infrastruktur des Bundes, der Länder und der Kommunen heraus. Aber auch die Geflüchteten fühlen sich oftmals mit der Situation überfordert und müssen über die Lebensbedingungen in Deutschland und die Möglichkeiten aufgeklärt werden. Demnach fordert auf langer Sicht die Migration durch soziale und strukturelle Integration noch eine Reihe weiterer Anstrengungen. Insofern bekommt gerade das Bildungssystem eine entscheidende Bedeutung für die gesellschaftliche Lösung auf die Herausforderungen der Geflüchteten in Deutschland, zugetragen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffliche Vorerklärungen
2.1 Erwachsenenbildung
2.2 Geflüchtete oder Flüchtlinge?
3. Bildung für alle - Bildung im Spannungsfeld von Inklusion und Exklusion
3.1 Recht auf Bildung und ihre explizite Notwendigkeit in der Migrationsgesellschaft
3.1 Erwachsenenbildung als Wegbereiter der Integration
4. Zugangsmöglichkeiten für Geflüchtete zur Erwachsenenbildung
4.1 Institutionelle Bildungs- und Lernangebote
4.2 Ansatzmöglichkeiten für Pädagogen in der Erwachsenenbildung
5. Ausblick
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im heutigen globalisierten Zeitalter rückt die Bildungsfrage im Zuge von Wanderungen und Bewegungen der Menschen erneut in den Mittelpunkt pädagogischer und bildungspolitischer Dimensionen. So konstatierte auch die Zuwanderungskommission seit einiger Zeit, „dass Deutschland de-facto ein Einwanderungsland geworden ist“ (Süssmuth 2001). Dementsprechend sind damit verbundene Begriffe wie Bildung, Migration, Flüchtlinge und Kultur aktuell sehr präsent. Die große Zuwanderung aus den unterschiedlichen Staaten Asiens und Afrikas, stellte sich teilweise als Überforderung für die vorhandene Infrastruktur des Bundes, der Länder und der Kommunen heraus. Aber auch die Geflüchteten fühlen sich oftmals mit der Situation überfordert und müssen über die Lebensbedingungen in Deutschland und die Möglichkeiten aufgeklärt werden. Demnach fordert auf langer Sicht die Migration durch soziale und strukturelle Integration noch eine Reihe weiterer Anstrengungen (vgl. Haverkamp 2016, S.17). Insofern bekommt gerade das Bildungssystem eine entscheidende Bedeutung für die gesellschaftliche Lösung auf die Herausforderungen der Geflüchteten in Deutschland, zugetragen.
Eine misslungene Integration von Geflüchteten wird oft als Bedrohung empfunden, weil sie zur Entstehung von Parallelgesellschaften beiträgt. Sie ist jedoch auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, denen man anhand bildungstheoretischer Maßnahmen vorbeugen kann. In diesem Kontext sollte die Antwort auf die Frage, inwieweit die Erwachsenenbildung zur Sozialisation und Integration von Erwachsenen mit Fluchterfahren beitragen kann, erörtert werden. Sprachliche Barrieren aber auch mangelnde Informationen über den kulturellen Hintergrund und Ausgangssituationen von Geflüchteten sind Stolpersteine für eine gelingende Integration. Zumal die Flucht auch auf individueller Ebene für die betroffene Person mehr als nur eine Bewegung im geographischen Raum darstellt. Nach dem deutschen Kulturdezernenten Hoffmann Hilmer (1981) ist gerade deswegen Bildung die Nahtstelle, an der individuelle und gesellschaftliche Kräfte ineinanderwirken können (vgl. Hoffmann 1981, S.100). Vor diesem Hintergrund gewinnt interkulturelle Bildungsarbeit im Verhältnis Erwachsenen- und Weiterbildung heutzutage auf mehreren Ebenen des sozialen Systems an großer Bedeutung. In dieser Situation sollte Erwachsenenbildung daher auch als Reaktion auf eine kulturelle Pluralität unserer heutigen Gesellschaft verstanden werden. Bildung fungiert hier wie ein Schlüssel der den geflüchteten Erwachsenen Türen zu anderen Lebensbereichen eröffnet, die für die Geflüchteten ohne Hilfe geschlossen bleiben würden. Sie trägt dazu bei den Geflüchteten Kompetenzen beizubringen, mit denen sie die Probleme in der Arbeits- und Lebenswelt sowie ihren Lebensübergang nach Deutschland besser bewältigen können. Das Ziel des Erwachsenenbildners im interkulturellen Kontext sollte es daher sein Geflüchtete als lern- und handlungsfähige Erwachsene zu verstehen, die nicht durch ihre soziale Herkunft determiniert werden, sondern zur Intersubjektivität und Verantwortungsübernahme befähigt werden können. Letzteres sollte von Erwachsenbildner anhand bildungstheoretischen Annäherungen gefördert werden. Die Notwendigkeit einer verstärkten Hinwendung zur Förderung einer Bildung für geflüchtete in Deutschland kann auch als gesellschaftspolitische Unterstützung angesehen werden. Schließlich wirkt die Bildungsbeteiligung an einer gelingenden Integration von Menschen mit Migrationshintergrund mit.
„ Schaffen wir das ?“ - Die folgenden Ausführungen sollen Möglichkeiten und Chancen sowie Probleme und Konflikte von Bildung, Migration und Flucht reflektieren. Hierbei sollen insbesondere migrationspädagogische Argumente für die Erwachsenenbildung gesammelt werden, die auf eine gleichberechtigte Teilhabe an den gesellschaftlichen Bildungsprozessen in Deutschland abzielen.1
2. Begriffliche Vorerklärungen
2.1 Erwachsenenbildung
Ein einheitliches Bild der Erwachsenenbildung zu zeichnen fällt vor dem Hintergrund vieler unterschiedlicher Definitionen und diverser Konzepten schwer. Der Ausdruck Erwachsenenbildung bleibt aufgrund der Uneinigkeit über eine teilbare Definition und der vielfältigen Vorstellungen begrifflich unbestimmt. Doch selbst wenn einzelne Ziele und Begründungen von Erwachsenenbildung umstritten werden, bleibt ihre prinzipielle Berechtigung und Sinnhaftigkeit trotzdem unantastbar (vgl. Nolda 2008, S. 123). Eine neuere begriffliche Bestimmung lässt den Schluss zu, dass es in der Erwachsenenbildung mehr als um eine Darstellung dessen geht, was aus pädagogischer Sicht von Relevanz wäre.
„Erwachsenenbildung als Prozess bezieht sich auf institutionalisierte und nicht institutionalisierte Wege der Erweiterung oder Erhaltung von Wissen und Kompetenzen, der Verbesserung der Lebensführung und der Entwicklung der Persönlichkeit während des gesamten Lebenslaufs des erwachsenen Menschen. Strukturell ist die Erwachsenenbildung mit vielfältigen Gebieten verbunden: mit Politik, Beruf, Kultur, Kunst, Religion. In der politischen, beruflichen, kulturellen, künstlerischen, religiösen Erwachsenenbildung werden Aufgaben sichtbar, deren Bewältigung sowohl für die Gesellschaft als auch für das Individuum von elementarer Bedeutung ist.“
(Ralf Koerrenz, Elisabeth Meilhammer, Käthe Schneider 2007, S.9)
Die Wahl dieser Definition wurde gerade deswegen getroffen, weil hier die Bemühung stattfindet, Erwachsenenbildung in all seinen Facetten umfassend zu beschreiben. Der aufgeführten Definition ist vor allem auch aus dem Grund zuzustimmen, weil sie den Aspekt aufnimmt, Wissen weiterhin aufrechterhalten zu wollen. Damit strebt sie die Unterstützung bei der Bewältigung individueller als auch gesellschaftlicher Lebensaufgaben an. Die Gegenstände der Erwachsenenbildung umfassen ein breites Spektrum, weil sie im weitesten Sinne alle, die zur erwachsenen Bevölkerung gehören, erreichen will. Dies erstreckt sich von der Ebene der Lernenden, über die Programme und Institutionen bis hin zu der die Entwicklung des Systems regulierenden Politik und Ökonomie (vgl. Faulstich und Zeuner 2008, S. 9). Koerrenz et. al. (2007) schaffen es in einer ausführlichen Beschreibung der Erwachsenenbildung all die gesamtgesellschaftlichen Ebenen in ihrer Begriffserklärung zu integrieren. Dieses Ergebnis erweist sich deswegen im Vergleich zu anderen Definitionen als besonders zitierfähig. Ein Beispiel für eine „klassischere“ Bestimmung der Erwachsenenbildung ist die Definition nach dem Deutschen Ausschuss für Erziehungs- und Bildungswesen (1960).
„Gebildet im Sinne der Erwachsenenbildung wird jeder, der in der ständigen Bemühung lebt, sich selbst, die Gesellschaft und die Welt zu verstehen und diesem Verständnis gemäß zu handeln.“
In dieser Beschreibung wird die Annahme dargestellt, dass die Erwachsenenbildung eine Eigenleistung des Individuums ist. Der Erwachsenenbildner kann den Lernenden demnach fördern aber letztendlich nicht bilden. Es ist ein ständiges Arbeiten an der eigenen Weiterentwicklung, welchen Prozess der Lehrende nicht für den Lernenden übernehmen kann. Er sollte um gebildet zu werden unter Bezugnahme auf sich selbst, die Gesellschaft und die Welt, sich ständig darum bemühen dementsprechend verstandesgemäß zu handeln. Diese teilweise idealisierte Vorstellung, erweist sich bei genauerem Hinsehen als Trugschluss, da in der Realität nicht immer Menschen nach ihren eigenen Ansichten handeln und aufgrund besonderen Lebensumstände in manchen Situationen anders agieren. Zudem fehlen wichtige Aspekte, die klären was es den Einzelnen bringt in den Genuss von Erwachsenenbildung zu kommen. Koerrenz et. al. bringen dagegen in diesem Zusammenhang auch persönliche Lebenssituationen der Menschen mit ein, die durch Erwachsenenbildung verbessert werden könnten. Daher erreicht die Definition nach Koerrenz et. al. die in dieser Arbeit betroffene Zielgruppe, die geflüchteten Erwachsenen, viel mehr und soll im Folgenden die Basis für die vorausgehenden Erläuterungen bilden.
2.2 Geflüchtete oder Flüchtlinge?
Der gebräuchliche Begriff „Flüchtling“ wird zwar bis heute überwiegend benutzt, ruft bei den Betroffenen jedoch unschöne Erinnerungen auf, der Art, dass sie von so einer Benennung absehen. Gegen diese sozialen Kategorisierungen folgt ein Argument, das auch die Gesellschaft für deutsche Sprache teilte. Nach ihr würde das Substantiv „Flüchtling“ tendenziell abschätzig klingen und sind wie analoge Begriffe, die auf der Silbe „-ling“ enden, wie Eindringling oder Emporkömmling, negativ konnotiert. Neuerdings ist daher alternativ von Geflüchteten die Rede (vgl. Gesellschaft für deutsche Sprache 2015).
Da in dieser vorliegenden Arbeit negative und passiv-diskriminierende Deutungen nicht vermittelt werden sollen, wird auf die Bezeichnung der Betroffenen als „Flüchtling“ verzichtet und mit dem Begriff der „Geflüchteten“ ersetzt.
Nach dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wird im Asylverfahren über vier Schutzarten entschieden: Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz und Abschiebungsverbot. Entsprechend der Schutzart erhalten diese Personen eine Aufenthaltserlaubnis, die sich über einem oder bis drei Jahren erstreckt, mit der Möglichkeit auf Verlängerung oder einem unbefristeten Aufenthalt. Nach Art. 1, Nr. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) – dem Abkommen der Vereinten Nationen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 – ist ein Flüchtling
„jede Person, die infolge von Ereignissen, die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten sind und aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will.“
Anerkannte Asylbewerberinnen und -bewerber, die vom Bundesamt einen positiven Bescheid erhalten haben, dürfen grundsätzlich uneingeschränkt als Beschäftigte arbeiten und auch einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen. Ihnen liegt eine Migration zugrunde die auf ihre Zuwanderung zurückzuführen ist, weswegen sie auch zu den Migranten bzw. Menschen mit Migrationshintergrund zählen. Die Definition von Migrationshintergrund basiert auf dem Vorschlag der Konferenz der für Integrationsfragen zuständigen Ministerinnen und Minister. Demnach zählen nach der Definition für Migration im Mikrozensus:
„alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil“
zu den Menschen mit Migrationshintergrund. In Deutschland leben heute gemäß dieser Definition ungefähr 11,5 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund (vgl. Statistisches Bundesamt 2016, S. 4). Angesichts dieser gesellschaftlichen Ausgangslage, die von einer Vielfalt und Heterogenität geprägt ist, müssen die sozialen Chancen und Probleme von geflüchteten Erwachsenen sehr differenziert betrachtet werden. Wobei im Folgenden von den geflüchteten Personen die Rede ist, die als anerkannte Asylbewerber vom Bundesamt in Deutschland eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten haben und uneingeschränkt als Beschäftigte arbeiten dürfen.
3. Bildung für alle - Bildung im Spannungsfeld von Inklusion und Exklusion
3.1 Recht auf Bildung und ihre explizite Notwendigkeit in der Migrationsgesellschaft
„Die letzte Aufgabe unseres Deseyns: dem Begriff der Menschheit in unsrer Person, sowohl während der Zeit unsres Lebens, als auch noch über dasselbe hinaus, durch die Spuren des lebendigen Wirkens, die wir zurücklassen, einen so grossen Inhalt, als möglich, zu verschaffen, diese Aufgabe löst sich allein durch die Verknüpfung unsres Ichs mit der Welt zu der allgemeinsten, regesten und freiesten Wechselwirkung.“
(Wilhelm von Humboldt)
„Bildung für alle“ ist ein berühmtes Diktum, das von der Vergangenheit, beginnend mit Platon über Comenius sowie Humboldt, bis in die Gegenwart reicht. In Humboldts Worten zusammengefasst ermöglicht eine allgemeine Bildung eine Weltoffenheit und die Auseinandersetzung des Individuums mit der Welt. Jeder Mensch soll entsprechend seinen Anlagen sein volles Potenzial ausschöpfen können, denn darin liegt nach Humboldt (ca. 1793) der wahre Sinn des Lebens. Bildung muss jedem erlauben diesen Sinn zu realisieren und sollte daher jedem Menschen – unabhängig von seiner Religion, sozialen Herkunft oder Geschlecht zugänglich gemacht werden.
Die Integration von Geflüchteten ist ein komplexer Prozess, der auf unterschiedlichen Ebenen geschieht. Gerade in Gesellschaften, die von einer heterogenen Zusammensetzung und von Vielfalt geprägt sind, ist das Recht auf Bildung sehr stark mit dem Anspruch auf Chancengleichheit und sozialen Teilhabe verbunden. Die gewünschte Partizipation in das Berufsleben ist für viele geflüchtete Erwachsene aufgrund der familiären und kulturellen Umstände ohne der Hilfe von Bildung kaum möglich. Sie haben es im Alltag in mehrfacher Hinsicht schwer, da aufgrund ihrer geringer schriftlicher wie mündlicher deutscher Sprachkompetenzen es für sie sowohl auf beruflicher als auch auf sozialer Ebene nicht einfach ist. Die Voraussetzung um sich an soziale Beziehungsgeflechten zu beteiligen und sich in diesen Netzen zu integrieren ist die Teilhabe an Bildung. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte nach den Vereinten Nationen 1948 (Artikel 26) wirft jedem Menschen das Recht auf Bildung zu:
„Jeder hat das Recht auf Bildung. Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung. […] Fach- und Berufsschulunterricht müssen allgemein verfügbar gemacht werden, und der Hochschulunterricht muss allen gleichermaßen entsprechend ihren Fähigkeiten offenstehen.“
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1 In der vorliegenden Arbeit sind die Begriffe Migrant(en) und Geflüchtete(r) als geschlechtsneutrale Bezeichnung von Menschen mit Migrationshintergrund, die sowohl das weibliche als auch das männliche Geschlecht einschließen, zu verstehen.