Der Machtbegriff bei Max Weber und Michel Foucault
Ein Vergleich
Zusammenfassung
Eine der zentralen Fragen der Soziologie bleibt, was Gesellschaften bestimmt. Denn die Soziologie ist, nach Weber, eine „Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will“ und dies bleibt unmöglich, ohne die gesellschaftlichen Umstände des Handelnden Individuums zu kennen. Fragt man also was die Gesellschaft bestimmt, was sie formt, kommt man um die Frage der Macht nicht herum. Denn die Frage nach dem Was fragt auch nach dem Wer und so zeigt sich, dass seit jeher jedem Motiv, welches als Gesellschaften bestimmend bezeichnet wurde, die Kultur, die Politik, die Religion, eine Machtstruktur zuzuordnen ist. Spätestens mit Marx hat die Frage nach der Macht oder der Herrschaft auch namentlich eine dominantere Rolle in der Soziologie eingenommen.
Und so ist es interessant zu schauen, wie sich das Verständnis und der Ansatz der Untersuchung der Macht in der Soziologie verändert hat. Anhand der Perspektiven von Max Weber, auf dessen Definition von Macht und Herrschaft sich bis heute bezogen wird und Michel Foucaults, welcher mit seinen Untersuchungen der wohl modernste Vertreter der „Machtfrage“ ist und welcher mit seinen Werken eine ganze Generation diese sich stellen ließ.
Beide sind hierbei Grenzgänger der Wissenschaft, Max Weber als Soziologe, Sozialhistoriker, Nationalökonom und Jurist ebenso interdisziplinär wie Michel Foucault als Historiker, Psychologe, Philosoph und Soziologe. Gerade dies macht ihre Perspektive auf ein so allesumfassendes Thema so interessant, ebenso wie die historischen Veränderungen, die zwischen ihnen liegen. Der antiautoritäre und linksintellektuelle Zeitgeist, der Foucaults Umfeld prägte ist weit entfernt von Max Webers bürgerlich-liberalem Umfeld der Jahrhundertwende, umso interessanter ist die Frage nach möglichen Gemeinsamkeiten und Vereinbarkeiten. Inwiefern ähneln sich also die Machtbegriffe bei Max Weber und Michel Foucault und wo sind methodologische und theoretische Gegensätze aufzufinden?
Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Der Machtbegriff in Webers verstehender Soziologie
2.1. Webers als „Arbeitsdefinition“
2.2. Theoretischer Ansatz
2.3. Macht und Herrschaft
2.4. Ordnung, Sitte und Beziehung
3. Der Machtbegriff in Foucaults Werken
3.1. Eingrenzung des Werkes
3.2. Machtbeziehungen, Machtnetze und positive Macht
3.3. Macht, Wissen und Diskurs
3.4. Macht und Individuum
4. Ansatz und Anspruch beider Autoren
4.1. Ebenen der Untersuchung
5. Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Definitionen
6. Mögliche Vereinbarkeit
7.Fazit
1.Einleitung
Eine der zentralen Fragen der Soziologie bleibt, was Gesellschaften bestimmt. Denn die Soziologie ist, nach Weber, eine „Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will“ und dies bleibt unmöglich, ohne die gesellschaftlichen Umstände des Handelnden Individuums zu kennen. Fragt man also was die Gesellschaft bestimmt, was sie formt, kommt man um die Frage der Macht nicht herum. Denn die Frage nach dem Was fragt auch nach dem Wer und so zeigt sich, dass seit jeher jedem Motiv, welches als Gesellschaften bestimmend bezeichnet wurde, die Kultur, die Politik, die Religion, eine Machtstruktur zuzuordnen ist. Spätestens mit Marx hat die Frage nach der Macht oder der Herrschaft auch namentlich eine dominantere Rolle in der Soziologie eingenommen.
Und so ist es interessant zu schauen, wie sich das Verständnis und der Ansatz der Untersuchung der Macht in der Soziologie verändert hat. Anhand der Perspektiven von Max Weber, auf dessen Definition von Macht und Herrschaft sich bis heute bezogen wird und Michel Foucaults, welcher mit seinen Untersuchungen der wohl modernste Vertreter der „Machtfrage“ ist und welcher mit seinen Werken eine ganze Generation diese sich stellen ließ.
Beide sind hierbei Grenzgänger der Wissenschaft, Max Weber als Soziologe, Sozialhistoriker, Nationalökonom und Jurist ebenso interdisziplinär wie Michel Foucault als Historiker, Psychologe, Philosoph und Soziologe. Gerade dies macht ihre Perspektive auf ein so allesumfassendes Thema so interessant, ebenso wie die historischen Veränderungen, die zwischen ihnen liegen. Der antiautoritäre und linksintellektuelle Zeitgeist, der Foucaults Umfeld prägte ist weit entfernt von Max Webers bürgerlich-liberalem Umfeld der Jahrhundertwende, umso interessanter ist die Frage nach möglichen Gemeinsamkeiten und Vereinbarkeiten. Inwiefern ähneln sich also die Machtbegriffe bei Max Weber und Michel Foucault und wo sind methodologische und theoretische Gegensätze aufzufinden?
2. Der Machtbegriff in Webers verstehender Soziologie
Zu dem Verständnis des Weber´schen Machtbegriffes ist das zentrale Werk wohl „Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie“, welches zum einen Webers Handlungstheoretischen Ansatz zeigt, zum anderen die Begrifflichkeiten und Systematiken seiner Untersuchungen mit hoher Präzision aufführt.
Für ein breiteres Verständnis und für einen angemessene Vergleichbarkeit mit den Theorien Michel Foucaults betrachten wir neben den Definitionen von Macht und Herrschaft ebenso die Begriffe Ordnung, Sitten und Beziehung.
2.1. Weber als „Arbeitsdefinition“
In den Feldern der Soziologie sowie der Sozialgeschichte und den Politikwissenschaften haben sich Webers Definitionen von Macht und Herrschaft etabliert und bis heute gehalten. Ebenso für politische Bildung wie innerhalb der Fachbereiche dient Weber als eine „Arbeitsdefinition“ um Begriffliche Einigkeit zu wahren und blieb er bis in die 1960er-Jahre weitgehend unangefochten. Speziell diese in der Soziologie mutmaßlich einzigartige Rolle macht Weber für einen Vergleich mit modernen soziologischen Konzepten interessant.
2.2. Theoretischer Ansatz
Webers verstehende Soziologie und ihr Handlungstheoretischer Ansatz fokussieren in der Untersuchung von gesellschaftlichen Phänomenen die Individuen, ihre Handlungen und ihre Beweggründe. Dabei beschreibt Weber Zusammenhänge, Ereignisse und Entwicklungen in seinen eigenen Begrifflichkeiten, welche er mit individuellen Definitionen belegt. Damit ermöglicht er zum einen zwar eine präzise Analyse seines soziologischen Verständnisses, zum anderen zeigt dies aber auch schon seine methodologische Distanz zu Michel Foucault und dessen historischem Ansatz. (vgl. Szakolczai, 1998, S.5)
2.3. Macht und Herrschaft
“Mach bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“ (Weber, 1990, S.28)
Diese Definition Webers zeigt die Weitläufigkeit seines Machtbegriffes, eingebettet in Webers handlungstheoretischen Ansatz durchzieht Macht in seinem Verständnis die Gesellschaft, welche durch soziale Beziehungen geformt wird. Macht besteht und entsteht also in sozialen Beziehungen.
Weber erkannte jedoch, dass eine so breite Definition von Macht für eine Untersuchung der Gesellschaft mit nötiger, ihm so lieber, Präzision ungeeignet sei, beschrieb Macht als „soziologisch amorph“, da „alle denkbaren Qualitäten eines Menschen und alle denkbaren Konstellationen […] jemand in die Lage versetzen [können], seinen Willen in einer gegebenen Situation durchzusetzen“. (Weber, 1990, S.28f)
Stattdessen betont Weber Herrschaft als präzise zu untersuchendes Phänomen. Diese definiert er als „die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden“. (Weber, 1990, S.28)
Ihr setzt Weber keine direkte Institutionalisierung voraus, so sagt er sie sei „weder unbedingt an die Existenz eines Verwaltungsstabes noch eines Verbandes geknüpft“. (Weber, 1990, S.29)
In der Regel jedoch institutionalisiere sich Herrschaft. (ebenda) Um dies zu tun und langfristigen Bestand zu haben benötigt Herrschaft jedoch Legitimation, also eine Anerkennung des „Herrschers“ und der Herrschaft selbst durch die „Beherrschten“. So gilt die Anerkennung der Beherrschten als Bedingung für stabile Herrschaft. (vgl. Weber, 1990, S.122) Gleichzeitig ist Herrschaft damit eine Form der Macht, die greifbarer und nachvollziehbarer zu strukturieren ist. Dies tut Weber, indem er zwischen verschiedenen Formen der Herrschaft unterscheidet: der traditionalen, charismatischen und legalen Herrschaft. Alle verbindet, dass die Beherrschten dem Herrschenden eine Legitimation zusprechen, die aus rationalen Abwägungen oder Werteorientierungen entspringen. (vgl. Weber,1990, S.123ff)
Weber spricht von innerem oder äußerem Interesse an einer Herrschaft, das zu Gefolgschaft führt. Damit schließt Weber zum Beispiel Märkte als Herrschaftsformen aus. Er sieht Gehorsam aus rein wirtschaftlichen Beweggründen dabei grundsätzlich als Ausnahmefall, sagt: „Rein materielle und zweckrationale Motive der Verbundenheit zwischen Herrn und Verwaltungsstab bedeuten hier wie sonst einen relativ labilen Bestand dieser.“ (Weber, 1990, S.122)
2.4. Ordnung und Sitte
Da Macht als Element zur Untersuchung von gesellschaftlichen Zusammenhängen für ihn ungeeignet scheint nutzt Weber andere Phänomene zur Beschreibung. So spricht er von Ordnungen, welche gesellschaftlich verankerte „Normalitäten“ sind, an denen Individuen ihr Handeln ausrichten, sofern sie ihnen Legitimität zusprechen. Daneben stehen Sitten, welche all solche „Normalitäten“ sind, welche im Gegensatz zu Ordnung und Recht nicht gesellschaftlich eingefordert werden, sondern denen aus den eigenen Entscheidungen heraus gefolgt wird. (vgl. Weber, 1990, S. 14ff/S.19)
Die Grenzen zwischen beidem sind nach Weber fließend, so sagt er: „Überall ist das tatsächlich Hergebrachte der Vater des Geltenden gewesen“. (Weber, 1990, S.15)
Beides, Ordnung und Sitte, bestimmen den Charakter einer Gesellschaft und der Positionen der Individuen in ihr. Sie sind daher für einen Vergleich mit Foucault nicht zu vernachlässigen.
So steht zusammenfassend für Weber fest, dass für alle Mittel der Machtverteilung beziehungsweise der gesellschaftlichen Ordnung ein Interesse des Beherrschten an dieser Ordnung beziehungsweise einer Herrschaft bestehen muss.
3. Der Machtbegriff in Foucaults Werken
Foucaults Werk ist geprägt von einem Stil der stetigen Selbstrevidierung, einem Stil, der es gerade in der Frage seines Machtbegriffes erschwert, seine Konzepte in ihrer Gesamtheit abzudecken ohne Widersprüche zu erkennen. (vgl. Ruoff, 2013, S.5)
Foucaults Selbstwahrnehmung, nicht als ein Philosoph oder Soziologe, sondern primär als ein analytischer Historiker ist bei der Bewertung seiner Aussaggen ebenso zu beachten wie die Tatsache, dass er nie den Anspruch erhob, Produzent einer Gesellschaftstheorie zu sein, sich vielmehr als Beschreiber geschichtlicher Entwicklungen sah. (vgl. Powell, 2013, S.1ff) Es ist also klar, dass wir im folgenden Text die verschiedenen Fragmente des Werkes Foucaults nicht als lückenlos ineinander greifende Theorieaspekte behandeln können, sie uns jedoch zum Ersten einen Eindruck verschaffen können, wie Michel Foucault Macht und Geschichte betrachtet und im Zweiten was dies über seinen Blick auf Gesellschaft verrät.
3.1. Eingrenzung des Werkes
Gerade mit Hinblick auf den Wandel, den Foucaults Machtverständnis durchlaufen hat, ist es für uns sinnvoll den Umfang seines Werkes, den wir für einen Vergleich mit Weber betrachten, einzugrenzen. Dabei lassen wir speziell Foucaults Frühwerk außen vor, welches vor allem von einem restriktiven Machtverständnis geprägt ist.
Als Wendepunkt dieses Verständnisses steht „Surveiller et punir“, Überwachen und Strafen, welches uns damit auch als biografische Grenze dient, um unsere Betrachtung einzukreisen. (vgl. Ruoff, 2013, S.45)
Ebenso außen vor behalten wir weite Teile der „Sexualität und Wahrheit“, welche als Untersuchungen und historische Diskursanalysen einer Vertiefung des Verständnisses von Foucaults Deutung der Macht durchaus dienlich wären, speziell zum Vergleich mit Weber jedoch ungeeignet sind.
Unser Fokus liegt vor allem auf Aufsätzen, Vorlesungen, und Interviews des Autors, sofern sie geeignet sind das Gesamtkonstrukt seiner Idee von Macht zu erklären oder zu veranschaulichen. So hoffe ich, den Kern dieser Idee mit ihrem Facettenreichtum anschaulich beschreiben zu können.
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