Illegales Filesharing von Kindern. Unter welchen Voraussetzungen haften die Eltern?
Zusammenfassung
Heutzutage gehört der kabellose Internetanschluss in privaten Haushalten zum nicht mehr wegzudenkenden Inventar. Dabei wird dieser in einem privaten Haushalt meist nur einfach installiert und wie selbstverständlich unter allen, insbesondere unter Familienmitgliedern, geteilt. Was hierbei jedoch in den Hintergrund tritt ist, dass derjenige, der den privaten Internetanschluss einrichtet, die Gefahr trägt, für eventuelle Urheberrechtsverletzungen anderer Anschlussnutzer haftbar gemacht zu werden. In einem familialen Haushalt werden dies meistens die Eltern sein. Für die Rechteinhaber bleibt im Zuge der Anonymität des Internets kaum eine andere Möglichkeit, als zu versuchen, den Anschlussinhaber ausfindig zu machen und diesen zur Haftung zu ziehen. Dabei entstehen Haftungssituationen, in denen die Eltern als Haftungsadressat in Betracht kommen, obwohl die unmittelbare Verletzungshandlung nicht von ihnen ausgeht, sondern oftmals von den eigenen Kindern. Dies ist dem Umstand geschuldet, da der Rechteinhaber nicht hinter den Internetanschluss blicken kann un den unmittelbar Verletzenden unmittelbar identifizieren kann.
Unter dem Vorgang des illegalen Filesharings versteht man, dass jemand eine Datei innerhalb sogenannter "Tauschbörsen" zum Download zur Verfügung stellt, obwohl jemand anderes ein ausschließliches Verwertungsrecht an dieser Datei hat. Viele wissen bei der Nutzung von Tauschbörsen nicht, dass auch wenn man dort nur Dateien herunterlädt, diese automatisch von einem selbst wieder hochgeladen werden, wodurch erst die Rechtsverletzung entsteht. Zu einem viel diskutierten Thema ist das illegale Filesharing zudem durch die massenhaften Abmahnungen geworden, wo Forderungen, teilweise von mehreren hundert Euro für eine Rechtsverletzung, verlangt wurden. Wann der elterliche Anschlussinhaber, auch wenn er selbst nicht der unmittelbare Täter der Urheberrechtsverletzung ist, haftet, wurde im Laufe der Zeit durch Gerichte und Literatur beantwortet.
Leseprobe
INHALTSVERZEICHNIS
A. EINLEITUNG
B. HAFTUNG DER ELTERN ALS MITTELBARE STORER UND NACH § 832 BGB
I. ,MILDE" BESTREBUNGEN
1. Haftung fiir volljahrige Kinder
a. Eigenverantwortlichkeit volljahriger Kinder
b. Schutz der Familie Art. 6 Abs. 1 GG
2. Haftung fiir minderjahrige Kinder
a. Rechtsprechung
b. Literatur
II. ,STRENGE" BESTREBUNGEN
1. Belehrungspflichten
2. Uberwachungs- und Kontrollpflichten
3. ,Hamburger Linie"
a. Entscheidungen des LG Hamburg
b. Bestatigung durch andere Gerichte und Literatur
III. ANSICHT DES BGH UND ENTWICKLUNG DER RECHTSPRECHUNG
1. Morpheus
a. Priif- und Verhaltenspflichten
aa. Vorhersehbarkeit der Verletzungshandlung
bb. Wertung des § 1626 Abs. 2 BGB
cc. Ausma6 der Gefahr fiir Rechtsgiiter Dritter
b. Ubertragung auf die Storerhaftung der Anschlussinhaber
2. BearShare
3. Tauschborse
IV. AUSWIRKUNGEN DER ANDERUNG DES TMG
C. DIE TATERSCHAFTLICHE HAFTUNG DES ELTERLICHEN ANSCHLUSSINHABERS
I. TATSACHLICHE VERMUTUNG
II. ANFORDERUNGEN AN DIE SEKUNDARE DARLEGUNGSLAST
1. Nachforschungspflicht
2. Mitteilungspflicht
3. Konsequenzen fiir die Haftung des elterlichen Anschlussinhabers
a. Befragungen der Kinder
b. Untersuchung von Computern
c. Nachforschungspflichten gegeniiber Minderjahrigen .
4. EuGH-Entscheidung im Vorlageverfahren des LG Miinchen I
a. Sachverhalt
b. Vorlagefragen des LG Miinchen
c. Beantwortung der Vorlagefragen
D. ZUSAMMENFASSUNG UND STELLUNGNAHME
LITERATURVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A. Einleitung
Schlagzeilen wie ,Eltern haften beim Filesharing fiir ihre Kinder"1, ,Wer sein Kind nicht verpfeift haftet selbst"2 oder ,Sippenhaftung beim Filesha- ring"3 machten die Haftung der Eltern fiir illegales Filesharing ihrer Kinder in der Offentlichkeit zu einem heiklen und stark diskutierten Thema. Auf der anderen Seite zeigten aber auch Artikel wie ,Eltern haften laut BGH nicht immer fiir ihre Kinder"4, dass es zu dieser Frage keine einheitliche Antwort gibt und dass eine kontroverse Diskussion zu dieser Haftungsfrage nicht nur im gesellschaftlichen, sondern auch im rechtlichen Bereich vor- herrscht.
Heutzutage gehort der kabellose Internetanschluss in privaten Haushalten zum nicht mehr wegzudenkenden Inventar. Dabei wird dieser in einem pri- vaten Haushalt meist nur einfach installiert und wie selbstverstiindlich unter allen, insbesondere unter Familienmitgliedern, geteilt. Was hierbei jedoch in den Hintergrund tritt ist, dass derjenige, der den privaten Internetan- schluss einrichtet, die Gefahr triigt fiir eventuelle Urheberrechtsverletzun- gen anderer Anschlussnutzer haftbar gemacht zu werden. In einem familia- len Haushalt werden dies meistens die Eltern sein. Fiir die Rechteinhaber bleibt im Zuge der Anonymitiit des Internets kaum eine andere Moglichkeit, als zu versuchen den Anschlussinhaber ausfindig zu machen und diesen zur Haftung zu ziehen. Dabei entstehen Haftungssituationen, in denen die Eltern als Haftungsadressat in Betracht kommen, obwohl die unmittelbare Verlet- zungshandlung nicht von ihnen ausgeht, sondern oftmals von den eigenen Kindern. Dies ist dem Umstand geschuldet, da der Rechteinhaber nicht hin- ter den Internetanschluss blicken kann und den unmittelbar Verletzenden unmittelbar identifizieren kann.
Unter dem Vorgang des illegalen Filesharings versteht man, dass jemand eine Datei innerhalb sogenannter ,Tauschborsen" zum Download zur Ver- fiigung stellt, obwohl jemand anderes ein ausschlieBliches Verwertungsrecht an dieser Datei hat. Viele wissen bei der Nutzung von Tauschborsen nicht, dass auch wenn man dort nur Dateien herunterliidt, diese automatisch von einem selbst wieder hochgeladen werden, wodurch erst die Rechtsverlet- zung entsteht. Zu einem viel diskutierten Thema ist das illegale Filesharing zudem durch die massenhaften Abmahnungen geworden, wo Forderungen, teilweise von mehreren hundert Euro fiir eine Rechtsverletzung, verlangt wurden. Wann der elterliche Anschlussinhaber, auch wenn er selbst nicht der unmittelbare Tiiter der Urheberrechtsverletzung ist, haftet, wurde im Laufe der Zeit durch Gerichte und Literatur beantwortet.
Zuniichst sei aber darauf zu hinzuweisen, dass den Anschlussinhaber mit Eroffnung eines Internetzugangs eine groBe Verantwortung trifft. Stimmen in Literatur und Rechtsprechung fordern fiir den Anschlussinhaber dabei, neben der ausreichenden Sicherung des Anschlusses an sich, ein hohes Pflichtenprogramm gegeniiber den Mitnutzern. Urheber befiirworten ein solches hohes MaB an Pflichten gegeniiber dem Anschlussinhaber, um sich so einen Haftungsadressaten sichern zu konnen. Auf der anderen Seite sind die geforderten Pflichten fiir den familialen Anschlussinhaber meist schwer umsetzbar. Zum einen sind die Eltern oftmals nicht technisch so versiert, dass diese Sperren auf den Computern ihrer Kinder einrichten konnen. Zum anderen miissten die Eltern in tatsiichlicher Weise eingreifen und etwa das Internetnutzungsverhalten ihrer Kinder nachverfolgen oder iiberwachen. Die Kinder, meistens fast volljiihrig, sind dabei gerade in der Phase des Er- wachsenwerdens und streben nach Unabhiingigkeit. Ein Vordringen der El- tern in deren Internetverhalten stellt dabei ein Betreten des personlichen Be- reichs der Jugendlichen dar. Ein hohes Pflichtenprogramm des familialen Anschlussinhaber bedeutet dabei zwangsliiufig einen Eingriff in den priva- ten Bereich. In einer Familie, wo die im Haus lebenden Kinder volljiihrig sind, findet dieselbe Situation statt. Ein Internetanschluss wird auch hier un- ter allen Angehorigen geteilt. GleichermaBen argumentieren die Urheber fiir eine Haftung des Anschlussinhabers, sofern der unmittelbare Tiiter nicht feststeht. Gefordert wird auch hier ein strenges Pflichtenprogramm. Ebenso wie in einer Familie mit noch minderjiihrigen Kindern sollen die Eltern als ,Aufseher" gegeniiber den Kindern agieren. Was grundsiitzlich gegen den Auftrag der Eltern, gemiiB § 1626 Abs. 2 BGB, ihre Kinder zu verantwor- tungsvollem und selbstiindigem Handeln zu erziehen, zu sprechen scheint. Betrachtet man diese Situation genauer stehen sich zwei Rechtsgiiter gegen- iiber. Auf der einen Seite sind Immaterialgiiterrechte, also das Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 GG, der Rechteinhaber betroffen. Auf der anderen Seite steht der Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG. Die Haftungsfrage wirft also ein Spannungsverhiiltnis zwischen diesen beiden Rechtsgiitern auf, welches nur gelost werden kann, wenn einem der Rechtsgiiter auf Kosten des anderen ein gewisser Vorrang eingeriiumt wird.
Im Laufe der immer weiter fortschreitenden Digitalisierung und den damit auftretenden Urheberrechtsverletzungen, durch Filesharing, haben sich Ge- richte und Literatur nun mit der Frage auseinandersetzen miissen, wann der familiale Anschlussinhaber haftet, wenn iiber dessen Anschluss eine Rechtsverletzung festgestellt wird. Dabei beginnen solche Verfahren mit ei- ner Abmahnung und den damit einhergehenden Kosten. Adressat ist immer der Anschlussinhaber, der hinter der IP-Adresse steckt, auf welche die Rechtsverletzung zuriick zu fiihren ist. Die Ermittlung durch die IP-Adresse wird grundsiitzlich nicht in Frage gestellt, da ihr eine hohe Beweiskraft zu- kommt.5 Im Bereich der Familie sind dies grundsiitzlich die Eltern und so- mit werden diese auch zuniichst zum einzigen Haftungsadressaten. Dabei kommen mehrere Anspruchsgrundlagen in Betracht. Zum einen gibt es die Tiiter- und Teilnehmerhaftung gemiiB § 97 Abs. 1, Abs. 2 UrhG, welche auf Unterlassung und Schadensersatz gerichtet ist. Falls die im Haus lebenden Kinder noch minderjiihrig sind kommt eine Haftung, gemiiB § 832 BGB, in Betracht. Zusiitzlich hat sich die Storerhaftung, nach § 1004 Abs.1 BGB (analog), entwickelt, welche grundsiitzlich subsidiiir zur Tiiter- und Teilneh- merhaftung ist, jedoch vor allem anfangs groBe Bedeutung hatte. Mittler- weile nach der Novellierung des TMG, gemiiB § 8 Abs.1 S.2 TMG ist dieser Anspruch nahezu ausgeschlossen.6 Sofern einer der Anspriiche begriindet ist, konnen iiber § 97a Abs. 3 UrhG oder vorher iiber §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB auch die Abmahnkosten verlangt werden. Die Rechtsprechung entwi- ckelte sich anfangs fast ausschlieBlich zur Storerhaftung und zur Haftung nach § 832 BGB. Dies war dem Umstand geschuldet, da Beweisschwierig- keiten eine Tiiterhaftung des Anschlussinhabers zuniichst ausweglos er- scheinen lieBen. Mit der Entwicklung einer tatsiichlichen Vermutung der Tii- terschaft des Anschlussinhabers durch den BGH traten daraufhin die Haf- tungsvoraussetzungen der Eltern als Tiiter in den Vordergrund. Im Laufe der Rechtsprechung haben sich Kriterien entwickelt, die zu einer Haftung des familialen Anschlussinhabers fiihren konnen, obwohl diese die Rechtsver- letzung nicht unmittelbar herbeigefiihrt haben. Es stehen sich dabei fortset- zend in allen Haftungssituation des familialen Anschlussinhabers auf der ei- nen Seite die Befiirworter des Eigentumsschutzes, welche ein strenge Ver- haltenspflichten vorsehen und auf der anderen Seite die des Familienschut- zes, welche Verhaltenspflichten nur in abgeschwiichter Form fiir notig hal- ten, gegeniiber.
Diese Arbeit soll die einzelnen Sichtweisen soweit wie moglich chronolo- gisch darstellen, um so die Entwicklung der Voraussetzungen fiir eine Haf- tung der Eltern fiir illegales Filesharing ihrer Kinder umfassend aufzuzeigen. Wobei im ersten Teil die Konzentration auf der Entwicklung der Storerhaf- tung und der Haftung nach § 832 BGB liegen soll. Im Zweiten Teil wird daran anschlieBend auf die Frage nach der Tiiterhaftung der Eltern einge- gangen. AbschlieBend werden die Ergebnisse zusammengefasst und kritisch Stellung genommen.
B. Haftung der Eltern als mittelbare Storer und nach § 832 BGB
Da die Beweislast im Zivilprozess grundsiitzlich auf Kliigerseite liegt, war es fiir die Urheber kaum moglich erfolgreich gegen die Eltern als Tiiter vor- zugehen, da in einem familialen Haushalt immer mehrere Anschlussnutzer vorhanden sind.7 Somit war es fiir die Rechteinhaber zu Beginn kaum mog- lich nach § 97 Abs. 1, Abs. 2 UrhG gegen die Eltern als Anschlussinhaber- vorzugehen. Man wollte Urheberrechtsverletzungen jedoch trotzdem nach- gehen und diese ahnden. Es entwickelten sich folglich die Voraussetzungen zuniichst zu der Frage, ob die Eltern durch zur Verfiigung stellen des Inter- netzugangs haften sollen. Dabei kamen als Anspruchsgrundlagen die soge- nannte Storerhaftung nach § 1004 BGB (analog) in Betracht und falls min- derjiihrige Kinder den Anschluss benutzten eine Haftung aus § 832 Abs. 1 BGB. Erst im Zuge der ersten BGH-Entscheidungen wurde auch die Frage gekliirt, wann die elterlichen Anschlussinhaber als Tiiter, fiir illegales File- sharing ihrer Kinder, haftbar zu machen sind.
Als mittelbarer Storer, nach § 1004 BGB (analog), haftet derjenige, der we- der Tiiter noch Teilnehmer ist, jedoch willentlich einen adiiquat kausalen Beitrag zur Verletzung des geschiitzten Rechts leistet.8 Ferner miisse die Haupttat durch den Storer vermeidbar gewesen sein und dieser miisse eine bestehende Priifpflicht verletzt haben.9 Der Anspruch gegeniiber dem Storer war grundsiitzlich auf Unterlassung, wie auf Beseitigung gerichtet. Dieser war fiir die Urheber deshalb interessant, weil dieser einen Aufwendungser- satzanspruch aus § 97a Abs. 3 UrhG oder vorher iiber §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB ermoglichte, sodass die Urheber auf jeden Fall ihre Rechtsverfol- gungskosten geltend machen konnten.10 Bei der Entwicklung der Vorausset- zungen dieses Anspruchs sind in Literatur, wie auch in Rechtsprechung, von den Eltern als Anschlussinhaber verschiedene Priif- und Verhaltenspflichten gefordert worden. Wie genau diese auszusehen hatten, wurde jedoch nicht einheitlich beantwortet. Was man aber feststellen konnte ist, dass sich eine ,milde" und eine ,strenge" Haltung zu den Anforderungen an die Priif- und Verhaltenspflichten abgezeichnet haben. Im Rahmen der Haftung der Eltern nach § 832 Abs. 1 BGB wurden im gleichen Kontext auch Priif- und Ver- haltenspflichten hinsichtlich der elterlich obliegenden Aufsichtspflicht dis- kutiert.
I. ,Milde" Bestrebungen
Bis zu den ersten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs herrschte Unei- nigkeit in Rechtsprechung und Literatur wann eine Haftung der Eltern ge- miiB der Storerhaftung nach § 1004 BGB (analog) oder bei minderjiihrigen Kindern nach § 832 Abs. 1 BGB in Betracht kommt. Unter den Befiirwor- tern der ,milden" Auffassung wird zwischen einer Haftung der Eltern fiir ihre volljiihrigen und fiir ihre minderjiihrigen Kinder unterschieden. Dies kommt nicht nur deshalb in Betracht, da eine Haftung nach § 832 Abs. 1 BGB fiir volljiihrige Kinder ausscheidet, sondern da der Aspekt des eigen- verantwortlichen Handelns volljiihriger Personen hinzukommt. Deshalb werden also verschiedene Priif- und Verhaltenspflichten gefordert, je nach- dem, ob minderjiihrige oder volljiihrige Kinder den Anschluss mitnutzen.
1. Haftung fiir volljahrige Kinder
Innerhalb der ,milderen" Ansichten seien Priif- und Verhaltenspflichten fiir volljiihrige Kinder nicht einzufordern, ohne dass konkrete Anhaltspunkte fiir eine rechtsverletzende Handlung bestiinden.11 Dies wird mit unterschiedli- chen Ansatzpunkten belegt.
a. Eigenverantwortlichkeit volljahriger Kinder
Zum einen wird dies damit begriindet, dass volljiihrige Kinder nach allge- meiner Lebenserfahrung einen technischen Wissensvorsprung gegeniiber den Eltern hiitten, weshalb eine Unterscheidung zwischen volljiihrigen und minderjiihrigen Kindern angebracht sei.12 Halte man an einer Belehrung ei- nes technisch weniger versierten Anschlussinhabers fest, so sei diese obsolet und liefe giinzlich ins Leere.13 Es sei anzunehmen, dass volljiihrige normal entwickelte Kinder bereits wiissten, dass man auch im Internet Rechtsver- letzungen begehen konne, auch wenn die Eltern es versiiumt hiitten ihr Kind dariiber aufzukliiren.14 Zusiitzlich sei sich ein Volljiihriger seiner Handlun- gen bewusst und habe die Moglichkeit sich iiber drohende Rechtsverletzun- gen im Internet selbstiindig zu informieren, zumal die Presseberichterstat- tung in den Fiillen des illegalen Filesharings kaum zu iibersehen sei.15 Die Eltern diirften also deshalb darauf vertrauen, dass ihre volljiihrigen Kinder keine Rechtsverletzungen, wiihrend der Nutzung des familialen Internetan- schlusses, begingen. 16 Zudem gingen mit Kontroll- und Dberwachungs- pflichten auch Einschriinkungen der informationellen Selbstbestimmung, gemiiB Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, der volljiihrigen Kinder einher, sodass der Schutz der Urheberrechte nicht bedingungslos durchgesetzt wer- den konne.17
b. Schutz der Familie Art. 6 Abs. 1 GG
Als weiteres Argument wird der grundrechtliche Schutz der Familie, gemiiB Art. 6 Abs.1 GG, herangezogen. Aus Art. 6 Abs. 1 GG entstehe eine beson- dere Schutzwiirdigkeit des Vertrauensverhiiltnisses innerhalb der Familie.18
Dabei werde der Internetanschluss innerhalb der Familie aufgrund der fami- lialen Verbundenheit an die Kinder iiberlassen.19 Der Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG umfasse dabei nicht nur das hiiusliche Zusammenleben, sondern auch einen fiir alle zugiinglichen Internetzugang.20 Fordere man nun Priif- und Verhaltenspflichten gegeniiber seinen volljiihrigen Kindern untergrabe dies das familiiire Vertrauensverhiiltnis, sowie die Solidaritiit und die Gleichbe- rechtigung der volljiihrigen Familienmitglieder.21
2. Haftung fiir minderjahrige Kinder
Die ,milderen" Ansichten fordern zwar fiir volljiihrige Kinder keine Beleh- rungs-, Kontroll- oder Dberwachungspflichten, sofern keine Anhaltspunkte fiir eine konkrete Rechtsverletzung bestehen. Jedoch wird in der Situation, wo minderjiihrige Kinder einen Zugang zum Internet iiber den familialen Anschluss erhalten, unterschieden. Insbesondere ist die mediale Aufmerk- samkeit in dieser Haftungssituation besonders intensiv gewesen.22 Dabei sind die Besonderheiten des Familienrechts und der gesetzlich geregelten Beziehung zwischen den Kindern und Eltern, gemiiB §§ 2, 1591, 1592 BGB, zu beriicksichtigen, welche die Haftungsvoraussetzungen und die notwen- digen Priif- und Verhaltenspflichten beeinflussen.23 Neben den Anspriichen aus dem UrhG kommt nun auch ein Schadensersatzanspruch aus § 832 Abs. 1 BGB in Betracht. Bis hin zur Volljiihrigkeit stehen die minderjiihrigen Kin- der niimlich, gemiiB § 1626 Abs. 1 S. 2 BGB, unter der elterlichen Aufsicht, welche dabei die Personen- wie auch die Vermogenssorge umfasst.24 Somit wird die Haftung ausgelost, wenn die Eltern gegeniiber ihrem Kind eine die- ser Aufsichtspflichten nach den §§ 1626 Abs.1 S.1, 1631 Abs. 1 BGB ver- letzen.25 Es entstehen hier also zwei Haftungssituationen des Anschlussin- habers.
a. Rechtsprechung
In Anbetracht der Haftung fiir minderjiihrige Kinder tendiert ein groBer Teil der Rechtsprechung zu einer ,strengen" Handhabung. Das LG Mannheim etablierte bis zu den Entscheidungen des BGH eine etwas ,mildere" Linie. Zum einen basiere die Dberlassung des Internetanschlusses gerade auf dem familialen Verbund, was es nicht zulasse, Dberwachungs- und Kontroll- pflichten zu etablieren, sondern vielmehr miisse eine Reduktion auf Beleh- rungspflichten gegeniiber minderjiihrigen Kindern ausreichen.26 Wenig spii- ter schloss sich auch das OLG Frankfurt dieser Meinung an und konstatierte, dass ohne konkrete Anhaltspunkte fiir eine Rechtsverletzung, eine Beleh- rung seiner minderjiihrigen Kinder ausreiche.27
b. Literatur
In der Literatur sind insbesondere Stimmen aufgekommen, die sich gegen Überwachungspflichten gegeniiber minderjiihrigen Kindern aussprachen.
Man wiirde eine Situation einfiihren, welche die Kinder unter eine Art all- gemeinen Generalverdacht stelle.28 Dass man seinen minderjiihrigen Kin- dern Zugang zum Internet verschaffe, diirfe nicht unmittelbar zu einem Ver- dacht einer unerlaubten Handlung fiihren.29 Eine Dberwachung wiirde nicht nur das Erlernen mit dem Umgang heutzutage giingiger Medien gefiihrden, sondern widerspriiche auch dem Sinn und Zweck des § 1626 Abs. 2 S. 1 BGB, welcher die Entwicklung zur Selbstiindigkeit und zum Verantwor- tungsbewusstsein fordere.30 Man konne nicht ausnahmslos verlangen, dass die Kinder iiberwacht werden, zumal hier grundrechtlich geschiitzte Positi- onen kollidieren wiirden, die es gerade im Zuge der praktischen Konkordanz zu losen gelte.31 Auf der einen Seite stehe das elterliche Erziehungsrecht ge- miiB Art. 6 Abs. 2 GG gegeniiber der informationellen Selbstbestimmung der Kinder, gemiiB Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.32 Kontroll- oder DberwachungsmaBnahem, ohne einen Verdachtsmoment, wiirden zu stark in den privaten Bereich der Kinder eindringen und konnten somit keinen adiiquaten Ausgleich der Grundrechte rechtfertigen.
Zwar erkannten Stimmen in der Literatur das gegeniiberliegende Problem der Risiken fiir Urheberrechtsverletzungen, jedoch wollte man trotzdem keine anlasslosen Kontrollpflichten akzeptieren. Die Dberlassung des Inter- netzugangs an minderjiihrige Kinder stelle nicht einmal eine relevante, iiber das iibliche Lebensrisiko hinausgehende, Ursache dar, welche zu Urheber- rechtsverletzungen fiihren konnte. 33 Das Argument, dass kostengiinstig MaBnahmen ergriffen werden konnten, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern, konne demnach nicht greifen, da bereits der Ankniipfungspunkt, mangels relevanter Ursache fehle.34
Andere versuchten Priif- und Verhaltenspflichten nur im Einzelfall zu be- griinden. Dabei sei auf die Einsichtsfiihigkeit des Kindes, gemessen am Al- ter, dem Bildungsstand, sowie dem Verhalten in anderen Situationen, abzu- stellen.35 Sofern keine Rechtsverletzung wahrscheinlich sei, miisse das min- derjiihrige Kind nicht belehrt werden.36 Dementsprechend seien die minder- jiihrigen Kinder umso ausfiihrlicher zu belehren, falls Anhaltspunkte fiir eine Urheberrechtsverletzung vorliigen.37 Innerhalb der ,milden" Bestre- bungen wird gerade im Rahmen der mittelbaren Haftung des Anschlussin- habers nach den unterschiedlichen Situationen differenziert. Es wird aber beriicksichtigt, dass minderjiihrige Kinder eine besondere Aufsicht benoti- gen, was aber nur Belehrungspflichten rechtfertigen liisst.
II. ,Strenge" Bestrebungen
Begutachtet man die ,strengen" Ansichten fiillt zuerst auf, dass ein GroBteil iiberhaupt keine Unterscheidung zwischen minderjiihrigen und volljiihrigen Kindern hinsichtlich der benotigten Priif- oder Verhaltenspflichten der An- schlussinhaber macht. Es spiele keine Rolle, ob ein Internetanschluss an ei- nen 17-jiihrigen einen 18-jiihrigen oder einen 19-jiihrigen Kind iiberlassen wird, da sich das Nutzungsverhalten nicht gravierend unterscheide.38 Als Begriindung wird dafiir unter anderem § 1618a BGB angefiihrt, der in dem Verhiiltnis Eltern-Kind rechtliche Pflichten in Form von Zusammenhalt und Riicksichtnahme begriindet.39 Folglich entstiinde sogar eine strafrechtliche Garantenstellung, welche erst recht eine Haftung der Eltern als Anschluss- inhaber nach dem UrhG eroffnen wiirde.40
Insbesondere hat sich das LG Hamburg in mehreren Entscheidungen zu den notigen Priif- und Verhaltenspflichten der Anschlussinhaber gegeniiber ih- ren minderjiihrigen Kindern geiiuBert. In der Literatur ist die Rechtspre- chung als sogenannte ,Hamburger Linie" bekannt, zu der sich auch andere Gerichte bekannt haben. 41 Dabei bevorzugen einige Belehrungspflichten (dazu unter a.), andere fordern daneben Dberwachungs- und Kontrollpflich- ten (dazu unter b.). Als gesonderten Punkt herauszuheben ist die bereits er- wiihnte ,Hamburger Linie", da sich diese insbesondere zu den Verhaltens- pflichten gegeniiber minderjiihrigen Kindern entwickelt hat (dazu unter c.).
1. Belehrungspflichten
Das OLG Koln forderte ebenfalls fiir volljiihrige Familienmitglieder eine Belehrungspflicht seitens des Anschlussinhabers.42 Zwar bezieht sich der Beschluss auf ein volljiihriges Kind, jedoch kann man im Zuge eines Erst- Recht-Schlusses darauf schlieBen, dass wenn schon Volljiihrige belehrt wer- den miissen, minderjiihrige Kinder erst recht eine Belehrung zu erfahren ha- ben. Das OLG Koln hatte in dem Verfahren dariiber zu entscheiden, ob der 40-jiihrige Sohn des Anschlussinhabers belehrt werden muss, um der Sto- rerhaftung entgehen zu konnen.43 Die Belehrung miisse explizit darauf ge- richtet sein die Teilnahme an Tauschborsen zu untersagen, allgemeine War- nungen, dass man nichts illegales im Internet machen solle, reichen dem- nach nicht.44 Dies bestiitigte das OLG Koln auch in einem Fall, wo ein 20- Jiihriger Dateien an Tauschborsen zur Verfiigung gestellt hat. Das Gericht betont, dass der 20-Jiihrige nicht innerhalb von zwei Jahren nach der Voll- jiihrigkeit bereits ein solches Wissen erworben habe, dass ihm der familiale Internetanschluss ohne konkrete Instruktionen zur Verfiigung gestellt wer- den konne. 45 Insgesamt schaffe der Anschlussinhaber dementsprechend eine Gefahr, dass seine Kinder durch die Teilnahme an Tauschborsen Urhe- berrechtsverletzungen begehen konnten, wenn diese den familialen Internet- anschluss ohne priiventive Instruktionen nutzen konnten.46
[...]
1 Janisch, Siiddeutsche.
2 Bohm, Spiegel.
3 Miiller, LTO.
4 https://www.zeit.de/digital/internet/2015-06/filesharing-bgh-urteil-eltern-haftung-downloads; Erscheinungsdatum: 11.06.2015; abgerufen am 26.01.19.
5 Hennemann, S. 118.
6 Kohler, S. 212 ff..
7 Kohler, S. 26.
8 Dreier/Schulze, Specht, § 97, Rn. 28.
9 Fromm/Nordemann, Nordemann, § 97, Rn. 156.
10 BeckOK-UrhR, Reber, § 97a, Rn. 17; BGH 15.11.2012 - I ZR 74/12, GRUR 2013, 511, Rn. 8.
11 Köhler, S.64.
12 Kohler, S. 63.
13 LG Mannheim 29.9.2006 - 7 O 76/06, MMR 2007, 267, 267 f.; LG Mannheim 30.1.2007 - 2 O 71/06, MMR 2007, 459 , 460f..
14 OLG Diisseldorf 5.3.2013 - 20 U 63/12, ZUM 2014, 406, 408.
15 Siehe Fn. 14.
16 LG Hamburg 21.6.2012 - 308 O 495/11, BeckRS 2012, 15689.
17 Solmecke, MMR, 616, 617 f..
18 Rathsack, jurisPR-ITR, S. 3.
19 Siehe Fn. 16.
20 Leupold/Glossner, Leupold, Rn. 707.
21 Siehe Fn. 20.
22 Siehe S. 1.
23 Kohler, S. 71.
24 Jauernig, Budzikiewicz, § 1626, Rn. 1.
25 Schulze BGB, Staudinger, § 832, Rn. 7.
26 LG Mannheim 29.9.2006 - 7 O 76/06, MMR 2007, 267, 268 f..
27 OLG Frankfurt 20.12.2007 - 11 W 58/07, MMR 2008, 169, 170 f..
28 Lapp, ITRB, 2008, 54, 55; Leistner/Stang, WRP, 533, 549.
29 Siehe Fn. 28.
30 Heckmann, Specht, jurisPK, Rn. 109; Wenn, jurisPR-ITR, S. 3.
31 Miihlberger, GRUR, 1022, 1026.
32 Solmecke, MMR, 616, 617.
33 Leistner/Stang, WRP, 533, 549 f..
34 Siehe Fn. 33.
35 Kohler, S. 78.
36 Siehe Fn. 31.
37 Miihlberger, GRUR, 1022, 1026.
38 LG Frankfurt 25.5.2007 - 2-03 O 409/06, ZUM-RD 2008, 370, 372.
39 Fromm/Nordemann, Nordemann, 10. Aufl., § 97 Rn. 172.
40 Siehe Fn. 39.
41 Heckmann, Specht, jurisPK, Rn. 107; Krieg, jurisPR-ITR, S. 3.
42 OLG Koln 9.9.2010 - 6 W 114/10, 6 W 115/10, BeckRS 2011, 19880.
43 OLG Koln 9.9.2010 - 6 W 114/10, 6 W 115/10, BeckRS 2011, 19880.
44 OLG Koln 21.4.2011 - 6 W 58/11, MMR 2012, 184, 185.
45 OLG Koln 17.8.2012 - I-6 U 208/10, juris Rn. 21.
46 OLG Koln 17.8.2012 - I-6 U 208/10, juris Rn. 20.