Das Thema wird eingeleitet mit einer kurzen Erklärung des "Doning Gender" Begriffs von Judith Butler, darauf folgt dann eine kurze Thematisierung des Geschlechteralltags in der Schule, sowie Herausforderungen für Lehrkräfte. Der zweite Teil beschäftigt sich mit einer Analyse zweier Diktate aus einem Deutschlernmaterial von PONS, welches viele Geschlechterklischees beinhaltet.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Doing Gender
4 Geschlechteralltag in der Schule
5 Herausforderungen fur die Lehrkrafte
6 Anwendungsbeispiel: Diktathefte von PONS
7 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Der Alltag ist von Geschlechterstereotypisierungen gekennzeichnet. GrundschullehrerInnen ubernehmen einen groRen Teil der Verantwortung, Kindern Geschlechtergerechtigkeit aufzuzeigen und sie zu selbststandigen und in der Gesellschaft zurechtfindenden Wesen zu erziehen. Dabei spielt nicht nur die Geschlechtergerechtigkeit eine Rolle, sondern auch die Geschlechterzuordnung. Insofern es uberhaupt sinnvoll ist, sich einer Rolle zuzuordnen. Stereotypisierungen und Rollenzuschreibungen sind also Bestandteile der Bildung, die jedoch nicht im schleswig-holsteinischen Curriculum abgedruckt sind. Auch in vielen Bildungsmaterialien sind die typischen Rollenzuschreibungen mit dessen Merkmalen zu finden. Ziel dieser Hausarbeit ist es anhand der Doing Gender Theorie aufzuzeigen, dass Geschlecht durch soziale Prozesse hergestellt wird. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Schulbildung und Bildungsmaterialien und thematisiert, warum die Schuldbildung gendersensibel sein sollte. Deshalb schlieRt die Arbeit mit einem Anwendungsbeispiel ab, das ein geschlechtergeteiltes Bildungsmaterial zeigt.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich nach einer Einleitung in funf Abschnitte und schlieRt anschlieRend mit einem Fazit ab. Um ein erstes Verstandnis zu schaffen, werden zuerst theoretische Grundlagen erlautert. Kapitel 2 fuhrt somit kurz und knapp in die Theorie des Doing Gender ein. Weiterfuhrend wird die Gendersensible Bildung, deren Wichtigkeit, und der Geschlechteralltag in der Schule thematisiert. In Kapitel 5 werden die damit verbundenen Herausforderungen fur Lehrkrafte aufgezeigt. AbschlieRend folgt ein Beispiel anhand zwei Aufgaben aus zwei geschlechtergetrennten Deutschdiktatheften. Im Fazit wird das wichtigste der Hausarbeit zusammengefasst und weist darauf hin, dass es wichtig ist, Geschlechterrollen und Geschlechterherstellung zu bemerken.
2 Doing Gender
Doing Gender geht davon aus, dass das Geschlecht bzw. die Geschlechtszugehorigkeit keine Eigenschaft oder ein Merkmal von Individuen sind. Sondern ein sozialer Prozess, in dem Geschlecht durch soziale Unterscheidungen hervorgebracht und reproduziert wird.
Die Geschlechtszugehorigkeit und Geschlechtsidentitat ist ein fortlaufender Herstellungsprozess, der zusammen mit faktisch jeder menschlichen Aktivitat vollzogen wird und in der unterschiedliche institutionelle Ressourcen eingehen.1 Die Herstellung von Geschlecht passiert auf vielen Ebenen wie z.B. der Wahrnehmung, Interaktion, oder auch in der Alltagspolitik. Bestimmte Handlungen werden mit Bedeutungen versehen, die den Ausdruck weiblicher, oder mannlicher „Natur" zu sein scheinen. So sind es in gewisser Weise wir selber, die Geschlecht herstellen. So zu handeln und zu tun, wie es dem gesellschaftlich erstellten Geschlecht gerecht wird, ist in den Menschen fest verankert. Geschlecht entsteht also in sozialen Situationen, um so soziale Arrangements zu rechtfertigen und die Teilung der Gesellschaft zu legitimieren.2
Candace West und Don Zimmermann formulieren drei Kategorien bezuglich des Geschlechts. „Sex" bezeichnet die Geburtsklassifikation des korperlichen Geschlechts, die anhand so zial vereinbarter biologischer Kriterien zugeordnet wird. „Sex-category" ist das im Alltag zugeordnete Geschlecht. Diese Zuordnung geschieht auf Grund sozial geforderten Darstellungen zu einer, oder anderen erkennbaren Kategorie. So ist es moglich, dass die sex- category nicht der Geburtsklassifikation entspricht. Die dritte Kategorie nennt sich „gender". Dieser Begriff meint das situationsbedingte Handeln und Verhalten, dass der jeweiligen Gegebenheit unter Berucksichtigung normativer Vorgaben in Anspruch genommenen Geschlechtskategorie angemessen ist. Die drei Kategorien sind analytisch unabhangig voneinander gedacht, aber bewahren gleichzeitig davor, Geschlecht als etwas zu denken was man hat und im Alltag ausdruckt.3 So formuliert Hirschhauser, dass man ein Geschlecht erst „hat", wenn man es fur andere hat.4 Geschlechtszugehorigkeit wird erst dann zentral, wenn man sich in einer sozialen Interaktion befindet und sich dieser auf Grund von Zwangen zur kategorialen und individuellen Identifikation einordnet. Jede Interaktion basiert auf solchen Typisierungen und Klassifikationen. Nicht nur man selber analysiert die Erwartungen der Anderen, auch das Gegenuber erwartet VerhaltensregelmaRigkeiten und der Situation entsprechende Handlungsmuster. Somit ist „Geschlecht" also ein komplexreduzierendes Klassifikationsschema, mit dem die Welt geordnet und das Gegenuber zugeordnet wird. Andersherum bringen die institutionellen Arrangements und das Wissen um die damit verbundenen Verhaltens- und Handlungsmuster den Klassifikationsprozess mit sich. Geschlecht bildet sich also so in sozialen Situationen, dass es genau die Merkmale entwickelt, die der Situation angeblich angemessen sind.5
Geschlechtsidentitat ist somit eine kulturelle Konstruktion und unabhangig davon, welche biologische Zuordnung dieses in der Gesellschaft zugeschrieben bekommt. Da sie kulturell hergestellt ist, entsteht sie auch nicht aus dem biologischen Geschlecht.6 Die Kategorie der Manner muss also nicht nur dem mannlichen Korper zukommen, sowie „Frau" nicht nur den weiblichen Korper beschreibt. AuRerdem ist anzumerken, dass es auch nicht nur bei zwei Geschlechtsidentitaten bleiben muss.7 „Die Geschlechtsidentitat darf nicht nur als kulturelle Zuschreibung von Bedeutung an ein vorgegebenes autonomisches Geschlecht gedacht werden [...]. Vielmehr mu[R] dieser Begriff auch jenen Produktionsapparat bezeichnen, durch den die Geschlechter (sexes) selbst gestiftet werden (Butler: Das Unbehagen der Geschlechter, S.24).8
3 Gendersensible Bildung und warum wir sie brauchen
Bevor Barbara Rendtorff mit ihrer Definition beginnt, erlautert sie den Begriff „gendersensibel". Sie halt ihn fur problematisch und nicht hilfreich. Zuerst nennt sie den Wortteil „sensibel". Sie ubersetzt sensibel mit empfindsam und empfindlich, was ihr erstes Problem aufweist. Fur Gender sensibel sein, oder dagegen? Das Wort stellt also alleine keinen Bezug her und ist somit vielfaltig auslegungsfahig. So betrachtet sie danach das Wort „Gender", welches sie als das soziale Geschlecht ubersetz t. Es beschreibt das Ausdrucksverhalten und Zuschreibungen, die die Individuen annehmen um sich einer Geschlechtsposition zuzuordnen. Dies sagt nur aus, meint Rendtorff, dass das Geschlecht nicht angeboren ist. Somit ist die Verwendung des Wortes „Gender" gegen zweigeschlechtliche Vereindeutigungen nicht effektiv. Denn wenn jemand annimmt, dass Madchen und Jungen von Verhaltensweisen unterschiedlich sind, auch mit dem Wissen, dass dieses im Sozialisationsprozess erworben ist, so kann das gendersensible Verhalten fur denjenigen unterschiedlich ausfallen. Einerseits kann er/sie die Interessen der Geschlechtergruppen aufnehmen und bedienen9, um die „Kinder da ab[zu]holen, wo sie stehen" (Glockentoger u. Adelt: Gendersensible Bildung und Erziehung in der Schule, S.17)10. Die Schulerinnen und Schuler konnten so besser, oder lieber lernen, da die Aufgaben ihren vermeintlichen Interessen entsprechen. So wurden fur die Jungen dynamische Aufgaben mit Bezug zu Sport, oder Technik formuliert. Und die Madchen sollten beziehungsorientierte Aufgaben bekommen, die etwas mit Menschen, oder Tieren zu tun haben.
Eine andere Art gendersensibel zu handeln ware, dass die Lehrperson die vermeintlichen Interessen der Madchen und Jungen gerade nicht bedient, um „eine Verstarkung der bereits erzeugten Festlegungen zu vermeiden" (Glockentoger u. Adelt: Gendersensible Bildung und Erziehung in der Schule, S.17)11. So kann man Texte und Aufgaben verwenden, die nicht geschlechterbetonend sind. Sowie keine verschiedenen Perspektiven und Herangehensweisen aufzeigen. So will die erste Annahme von Gendersensibel die Identifizierung mit Geschlechtszuschreibung unterstutzen, wo hingegen die andere sie negiert und damit abmildern mochte.12
Gendersensible Padagogik ist wichtig, weil Veranderungsprozesse in Bezug auf Geschlechtervorstellungen nicht von selbst geschehen. Eine erste Voraussetzung dafur ist das Bewusstsein der Lehrkrafte fur das oben genannte zu aktivieren. Die Gesellschaft selbst ist Verursacher ihrer Unbewusstheit uber Geschlechterzuschreibungen und Geschlechterverhaltnisse. Geschlechterstereotype sind ein zentrales Element der gesellschaftlichen Struktur. Um den sozialen Frieden und die Bestandigkeit gesellschaftlicher und symbolischer Strukturen aufrechtzuerhalten, ist die Gesellschaft daran interessiert Geschlechterstereotype aufrecht zu erhalten. Es gibt wohl Veranderungsbemuhen, diese reichen aber nicht bis unter die Oberflache. Die Grundstruktur der Geschlechterordnung bleibt unangetastet. In der Geschlechterforschung nennt man das „rhetorische Modernisierung". Bewusstheit soil demnach ein Gesellschaftsbezug sein und nicht nur die individuelle Wahrnehmung und Einstellung umfassen.13
4 Geschlechteralltag in der Schule
Eine Studie von Georg Breidenstein und Helga Kelle untersucht die Bedeutsamkeit der Geschlechterunterscheidung als empirische Frage. Sie versucht die Situationen herauszuarbeiten, in denen die Geschlechterunterscheidung geschieht.14 Ein Aspekt der Studie behandelt die Sortierung der Schulerinnen und Schuler in Madchen und Jungen. Ziel ist herauszufinden, in welchen Situationen sich die Kinder selbst in die Geschlechtskategorien zuordnen.15
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1 Gildemeister, Regine. Doing Gender: Soziale Praktiken der Geschlechterunterscheidung. In: Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Empirie, Methoden.3. Aufl. Hrsg. v. Becker, Ruth u. Kortendies, Beate. Wiesbaden 2010, S.137
2 Ebd., S.137
3 Ebd., S.138
4 Gildemeister, Regine. Doing Gender: Soziale Praktiken der Geschlechterunterscheidung. In: Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Empirie, Methoden.3. Aufl. Hrsg. v. Becker, Ruth u. Kortendies, Beate. Wiesbaden 2010S. 138 zit. n. Hirschhauser 1993, S. 53f.
5 Gildemeister, Regine. Doing Gender: Soziale Praktiken der Geschlechterunterscheidung. In: Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Empirie, Methoden.3. Aufl. Hrsg. v. Becker, Ruth u. Kortendies, Beate. Wiesbaden 2010, S.138 zit. n. Kotthoff 1994, S. 162
6 Butler, Judith. Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt a.M. 1991, S.22
7 Ebd., S.23
8 Ebd., S.24
9 Rendtorff, Barbara. Was ist eigentlich „gendersensible Bildung" und warum brauchen wir sie? In: Glockentoger, Ilke; Adelt, Eva. Gendersensible Bildung und Erziehung in der Schule. Grundlagen - Handlungsfelder - Praxis. Gottingen 2017, S.17
10 Ebd., S.17
11 Ebd., S.18
12 Rendtorff, Barbara. Was ist eigentlich „gendersensible Bildung" und warum brauchen wir sie? In: Glockentoger, Ilke; Adelt, Eva. Gendersensible Bildung und Erziehung in der Schule. Grundlagen - Handlungsfelder - Praxis. Gottingen 2017, S.18
13 Ebd., S.21
14 Breidenstein, Georg; Kelle, Helga. Geschlechteralltag in der Schulklasse. Ethnographische Studien zur Gleichaltrigenkultur. Reihe Kindheiten Bd. 13. Weinheim 1998, S.15
15 Ebd. S.37