Das filmische Stilmittel der Zeitlupe findet seit Anbeginn der Filmindustrie Anwendung. Konkret gesagt wird es dazu verwendet, eine Filmszene in verlangsamter Geschwindigkeit darzustellen. Dies kann einige verschiedene Funktionen haben und erzielt je nach narrativer Einbindung in den Kontext des Filmes eine bestimmte Wirkung.
Um eine allgemeine Einführung in die Thematik der Zeitlupe zu erhalten wird in dieser Arbeit zunächst eine grundlegende Definition des Begriffes dargelegt, worauf eine Darstellung der technischen Aspekte beim Dreh einer Zeitlupeneinstellung folgt, die weiterhin zu der allgemeinen Einführung beiträgt. Zudem wird, um tiefer in das Thema einzudringen, eine Darstellung der narrativen Funktionalität der Zeitlupe im erzähltechnischen Kontext eines Spielfilmes vorgenommen. Daraus resultierend kann auch die Leitfrage dieser Arbeit gestellt werden, nämlich, welche Funktionen die Zeitlupe in Spielfilmen annehmen kann
Schlussendlich werden, um das Erfahrene exemplarisch auf konkrete Filmbeispiele anzuwenden, Szenenanalysen von Szenen aus den Filmen "Fast & Furious 7" und "Sherlock Holmes" vorgenommen. Im Fazit wird schließlich, anhand der erlangten Erkenntnisse, in einem argumentativen Schlusstext versucht, herauszufinden, ob zu der Leitfrage eine zufriedenstellende Antwort gefunden werden kann.
Inhalt
1. Einleitung
2. Einführung in die Thematik der Zeitlupe
2.1 Definition
2.2 Filmtechnische Voraussetzungen
2.3 Narrative Funktionen
2.3.1 Sichtbarmachung und Akzentuierung
2.3.2 Nostalgie, Verklärung
2.3.3 Gewaltdarstellung
2.3.4 Spektakularisierung
3. Exemplarische Analyse von Zeitlupenszenen aus verschiedenen Filmen
3.1 Fast & Furious
3.2 Sherlock Holmes (2009)
4. Fazit
5. Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Das filmische Stilmittel der Zeitlupe findet seit Anbeginn der Filmindustrie Anwendung. Konkret gesagt wird es dazu verwendet, eine Filmszene in verlangsamter Geschwindigkeit darzustellen. Dies kann einige verschiedene Funktionen haben und erzielt je nach narrativer Einbindung in den Kontext des Filmes eine bestimmte Wirkung.
Um eine allgemeine Einführung in die Thematik der Zeitlupe zu erhalten werde ich zunächst eine grundlegende Definition des Begriffes darlegen, worauf eine Darstellung der technischen Aspekte beim Dreh einer Zeitlupeneinstellung folgt, die weiterhin zu der allgemeinen Einführung beiträgt. Desweiteren wird, um tiefer in das Thema einzudringen, eine Darstellung der narrativen Funktionalität der Zeitlupe im erzähltechnischen Kontext eines Spielfilmes vorgenommen. Daraus resultierend kann auch die Leitfrage dieser Arbeit gestellt werden, nämlich welche Funktionen die Zeitlupe in Spielfilmen annehmen kann.
Schlussendlich werde ich, um das Erfahrene exemplarisch auf konkrete Filmbeispiele anzuwenden, Szenenanalysen von Szenen aus den Filmen Fast & Furious 7 und Sherlock Holmes vornehmen. Im Fazit wird schließlich, anhand der erlangten Erkenntnisse, in einem argumentativen Schlusstext versucht herauszufinden, ob zu der Leitfrage eine zufriedenstellende Antwort gefunden werden kann.
2. Einführung in die Thematik der Zeitlupe
Im folgenden Abschnitt der Arbeit findet eine Einführung in das Thema Zeitlupe statt, wobei zunächst versucht wird, eine Definition zu finden. Desweiteren wird es sich im darauffolgenden Abschnitt um die technischen Aspekte und Voraussetzungen drehen, woran sich letztendlich die narrativen und ästhetischen Funktionen der Zeitlupe anschließen.
2.1 Definition
Es ist nicht unüblich, dass sich bei verschiedenen Thematiken verschiedene Ansätze zur Definition anbieten, die ihrerseits jeweils auch Vor- und Nachteile aufweisen. Ebenso ist es bei der Definition des Begriffes Zeitlupe. Einer der verschiedenen Ansätze, Zeitlupe zu definieren, bezieht sich auf den Vergleich mit der Realität.
„[Slow motion is] a motion-picture effect in which images are shown at a moving speed that is slower than that of a natural movement.“1
Dieses Zitat sagt also aus, dass die Bewegung bei einer Aufnahme in Zeitlupe langsamer abläuft, als wir es gewohnt sind. Es geht jedoch bei der Bewertung eines Filmes weniger darum, ihn mit unseren Erfahrungen aus dem Alltag zu vergleichen, da Filme von uns eher weniger mit der Realität in Verbindung gebracht werden. Daher ist der Vergleich eines Filmes mit einem anderen eher entscheidend, die Zuschauer besinnen sich also auf ihre vergangenen Rezeptionserfahrungen. Solche Erfahrungen wirken sich nämlich auf unsere Erwartungen aus, was dazu beiträgt, was wir in einem Film als realistisch oder unrealistisch erachten.
Als Beispiel kann hierbei die Vertonung eines Filmes genannt werden, da wir beispielsweise das Geräusch von quietschenden Reifen bei einer Verfolgungsjagd zumeist als realistisch einstufen, wobei dies durch die Vertonung häufig überzeichnet wird und daher nur wenig mit der tatsächlichen Realität zu tun hat. Jedoch bildet dies für den Rezipienten keinen allzu markanten Eingriff, da es für ihn einen festen Bestandteil der filmischen Welt darstellt.
Anders ist es wiederum bei der Zeitlupe oder auch beim Zeitraffer, die eine offensichtlichere und merklichere Intervention in einen Bewegungsablauf eines Filmes vornehmen und von uns deshalb eher als Unnatürlichkeit bewertet werden als beispielsweise eine veränderte Tonspur.
Dieser Ansatz, Zeitlupe zu definieren hat jedoch einige Nachteile. Zum Einen stützt er sich auf die individuelle, subjektive Wahrnehmung der Rezipienten, was zu dem Problem führen kann, dass zwei verschiedene Zuschauer geteilter Meinung bezüglich der Unnatürlichkeit oder Natürlichkeit eines spezifischen Bewegungsablaufes sind. Zum anderen muss eine auffällig langsame Bewegung in einer Filmszene nicht automatisch auf eine Zeitlupeneinstellung hinweisen, es ist auch möglich, dass es auf eine besondere Regieanweisung zurückzuführen ist.2
Der andere mögliche Ansatz, Zeitlupe zu definieren, fokussiert sich auf den technischen Prozess, die Produktion von Zeitlupensequenzen.
„The speed of motion we see on the screen depends on the relation between the rate at which the film was shot and the rate of projection. Both rates are calculated in frames per second.“3
Auch diese Definition weist einige Vor- und Nachteile auf, wobei die Tatsache, dass hierbei keine subjektiven Faktoren eine Rolle spielen einen großen Vorteil darstellt. Desweiteren sind technische Daten überprüfbar, was den Sachverhalt zu einer messbaren Größe macht. Jedoch wird die emotionale und psychologische Ebene der Zeitlupe außer Acht gelassen und es erfordert ein gewisses Maß an filmtechnischem Vorwissen. Außerdem geht die technische Definition auf eine extratextuelle Information zurück anstatt auf eine textuelle Analyse, was bedeutet, dass jemand, der in einer Arbeit präzise Angaben zu einer Zeitlupeneinstellung (beispielsweise zur Verlangsamungsrate) machen oder beweisen möchte, ob in einer Szene überhaupt eine Zeitlupe angewendet wurde, müsste derjenige entweder bei dem Produktionsvorgang beteiligt gewesen sein oder aber in Sekundärliteratur nach benötigten Informationen suchen.4
Es lässt sich also erkennen, dass sowohl die perzeptive als auch die technische Definition ihre Vor- und Nachteile aufweisen, die sie jeweils mehr oder weniger geeignet für spezifische Sachverhalte machen.
2.2 Filmtechnische Voraussetzungen
Der technische Entstehungsprozess eines Filmes mit Szenen in Zeitlupe hat viele verschiedene Facetten, die ihrerseits für das Endprodukt eine große Rolle spielen. Da wären zum Beispiel die Arbeit, die während der Aufnahme am Filmset geleistet wird, die maßgebend für die spätere Qualität ist, sowie der Einsatz von Licht und die zahlreichen Arten von Kameras, die in der Lage sind, Aufnahmen in erhöhter Geschwindigkeit zu machen. Jedoch würde die Darstellung all dieser Facetten den Rahmen dieser Arbeit überschreiten, weshalb sich der folgende Abschnitt hauptsächlich auf den grundlegenden technischen Prozess hinter einer Zeitlupenaufnahme fokussieren wird.
Der grundlegende technische Vorgang, der für die Produktion einer Szene in Zeitlupe angewendet wird beinhaltet lediglich die Aufnahme der Szene mit einer höheren Framerate (aufgenommene Bilder pro Sekunde) als der Standard Bildfrequenz von 24 Bildern pro Sekunde. Hierbei kann die Anzahl der Frames von 120 bis zu 10000 Bildern pro Sekunde variieren. Wenn diese Aufnahme später mit der Standardrate abgespielt wird entsteht demnach eine Verlangsamung der Geschwindigkeit. Dies kann natürlich auch in umgekehrter Weise durchgeführt werden, was dann logischerweise zu einem beschleunigten Bewegungsablauf führen würde, also Zeitraffer.5
Zwar ist die oben erklärte Methode zur Erzeugung des Zeitlupeneffekts die am weitesten verbreitete, jedoch gibt es auch einige Möglichkeiten eine Zeitlupe in der Postproduktion eines Filmes aus dem Material in Normalgeschwindigkeit herzustellen. Hierbei wäre der einfachste Weg, das fertige Material in verminderter Geschwindigkeit abzuspielen, der auch in der Zeit der Stummfilme so angewendet wurde. Im Fernsehen wird diese Methode auch heute noch angewendet, beispielsweise im Zusammenhang mit Reportagen oder Dokumentationen, bei denen altes Filmmaterial in verlangsamter Geschwindigkeit abgespielt wird um bestimmte Abläufe der Geschichte deutlicher sehen und bewerten zu können. Ein sehr populäres Beispiel dafür ist eine Aufnahme, die das Attentat auf den ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy zeigt. Diese Szene ist seitdem in jeder erdenklichen Geschwindigkeit abgespielt worden, was uns direkt zu einem Nachteil dieser Methode führt. Ab einem bestimmten Grad der Verlangsamung einer Aufnahme verliert diese ihre Geschmeidigkeit, die Grenze zwischen Fotografie und Film verschwimmt also mehr und mehr. Zwar muss dies nicht unbedingt als Nachteil gesehen werden, wenn in Dokumentationen beispielsweise auf eine Stelle besonders hingewiesen werden soll, allerdings ist es für die Ästhetik einer Aufnahme nicht zuträglich.6
Eine andere Möglichkeit, eine Aufnahme nachträglich in verminderter Geschwindigkeit zeigen zu können ist das im Englischen sogenannte Step Printing. In diesem Verfahren wird eine Vervielfältigung von Einzelbildern vorgenommen, man kopiert demnach jedes einzelne Bild einer in Standardgeschwindigkeit aufgenommenen Einstellung. Dies erzeugt beim Abspielen später einen ähnlichen Effekt, als sei die Szene mit 48 statt den normalen 24 Bildern pro Sekunde gedreht worden. Hierbei stellt sich allerdings das Problem, dass wir nun nur noch 12 der ursprünglichen 24 Bilder in der gleichen Zeit sehen. Unser Sehapparat ist jedoch nicht in der Lage, alles was unter eine Frequenz von 12 Bildern pro Sekunde liegt als zusammenhängenden Bewegungsablauf wahrzunehmen, was wiederum bedeutet, dass es für den Rezipienten sehr auffällig wirkt, sieht er eine Szene, die mit Step Printing bearbeitet wurde.7
Man sieht also, es gibt einige Methoden, die angewendet werden können um eine Zeitlupe herzustellen, die konventionellste bleibt aber dennoch die Aufnahme mit erhöhter Geschwindigkeit und spätere Projektion mit Standardgeschwindigkeit.
2.3 Narrative Funktionen
Die Zeitlupe ist wie wir wissen ein in Filmen gern und oft verwendetes Stilmittel, was nicht zuletzt an den zahlreichen Möglichkeiten, sie in das narrative Sujet des Filmes einzubinden und es damit zusätzlich zu unterstützen liegt. Eine Zeitlupeneinstellung, die in das Umfeld einer Narration eingebunden ist, kann unterschiedliche Effekte hervorrufen, kann beispielsweise die Bedeutung einer bestimmten Szene unterstreichen und zum Verständnis von Figuren und Situationen beitragen. Allerdings beschränkt sich die Verwendung von Zeitlupe nicht auf einzelne Filmgenres, was bedeutet, dass sich die Funktionen in den einzelnen Genres wiederum unterscheiden können. Desweiteren haben Zeitlupeneinstellungen zumeist weit mehr als nur eine Funktion, sie sind also multifunktional. Es wird also schnell klar, dass die Funktionalität der Zeitlupe in gewisser Weise ein sehr komplexes Thema ist, das nicht in einem Kapitel vollkommen abgehandelt werden kann, was auch der Grund ist, weshalb in folgendem Abschnitt nur die grundlegenden Funktionen dargelegt werden.
2.3.1 Sichtbarmachung und Akzentuierung
Der ursprünglichste und offensichtlichste Grund, Zeitlupe zu verwenden ist wohl die Sichtbarmachung und Akzentuierung eines besonders schnell ablaufenden Ereignisses. Oft tritt auch der Fall ein, dass Zeitlupe einen Prozess überhaupt erst sichtbar macht, den ein Mensch mit bloßem Auge nicht wahrnehmen könnte. Hierzu zählen beispielsweise das Abfeuern einer Gewehrkugel, der Biss einer Schlange oder die schnell flatternden Flügel eines Kolibris. Jedoch ist Zeitlupe auch ein beliebtes Mittel zur Aufmerksamkeitslenkung, da sie zum Beispiel häufig Anwendung findet, wenn ein oder mehrere Objekte zu Boden fallen. In dem Film The Real Blonde (Tom DiCillo, USA 1998) sieht man beispielsweise in Zeitlupe, wie jemandem ein Stück Papier mit einer wichtigen Telefonnummer aus der Hand und auf den Boden fällt. 8
2.3.2 Nostalgie, Verklärung
Die Anwendung von Zeitlupe in einem Film erzielt einen sehr ähnlichen Effekt wie ein Weichzeichner oder eine Überbelichtung, sie haben also eine in gewisser Weise verklärende Wirkung. Aus diesem Grund werden Zeitlupeneinstellungen oft dann eingesetzt, wenn etwas nostalgisch wirken soll, wenn sich jemand beispielsweise an seine Kindheit erinnert oder generell an vergangene Zeiten.
[...]
1 Brockmann, Till (2014): Die Zeitlupe; Anatomie eines filmischen Stilmittels. Marburg: Schüren. S. 12
2 Vgl. Brockmann, Till (2014): Die Zeitlupe; Anatomie eines filmischen Stilmittels. Marburg: Schüren. S. 12-16
3 Brockmann, Till (2014): Die Zeitlupe; Anatomie eines filmischen Stilmittels. Marburg: Schüren. S. 15
4 Vgl. ebd. S. 12-16
5 Vgl. http://www.aspekteins.com/slow-motion-filmproduktion/ (letzter Zugriff 15.03.2016)
6 Vgl. Brockmann, Till (2014): Die Zeitlupe; Anatomie eines filmischen Stilmittels. Marburg: Schüren. S.63/64
7 Vgl. ebd.
8 Vgl. Brockmann, Till (2014): Die Zeitlupe; Anatomie eines filmischen Stilmittels. Marburg: Schüren. S. 222-228