Diese Hausarbeit liefert einen Beitrag zur Übersicht von aktuellen Erkenntnissen, Theorien und Modellen in Bezug auf Auslandsentsendungen und stellt die Relevanz von damit oftmals einhergehenden Kulturschocks heraus.
Der Erasmus-Traum, Menschen zusammen zu bringen um Diversität zu zelebrieren, spiegelt sich vor allem bei den sogenannten Millenials wider: Reisen, Auslandserfahrungen, Work and Travel, Sprachreisen – das alles wird bei der jungen Generation als essentieller Baustein für die eigene Karriere gesehen. Neben diesem studentischen Traum wächst das unternehmerische Interesse an diesen Erfahrungen, um davon lernen und profitieren zu können. Im Zuge der Digitalisierung, dem Fachkräftemangel und dem steigenden Wettbewerbsdruck steigt die Anzahl der Auslandsentsendungen von Mitarbeitern in den letzten Jahren weiter an. Erhofft werden sich neben Fachkompetenz auch interkulturelle Kompetenz, ein internationales Netzwerk, die Besetzung von Managementpositionen im Ausland und vieles mehr.
Auf Grund der hohen Relevanz und Aktualität dieses Sujets beschäftigen sich zahlreiche Autoren mit unterschiedlichen Aspekten der Auslandsentsendung. Von statistischen Erhebungen, über Personalentwicklungsmaßnahmen bis hin zur Formulierung von spezifischen Trainings findet sich eine Vielzahl an teilweise unüberschaubarem Informationsmaterial in der einschlägigen Literatur.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Auslandsaufenthalt im Arbeitskontext
2.1 Zum Begriff „Expatriate“: Definition und Eingrenzung
2.2 Ziele und Formen der Auslandsentsendung
2.3 Prozess der Auslandsentsendung
2.4 Erfolgskritische Aspekte der Auslandsentsendung
3 Kulturelle Begegnung als Herausforderung
3.1 Zum Begriff „Kultur“
3.2 Bedeutung und Phasen des Kulturschocks
3.3 Chancen des Kulturschocks
4 Der Re-Integrations-Schock und seine Folgen
5 Arbeitspsychologische Maßnahmen zur Vorbereitung und Verarbeitung eines Kulturschocks
6 Fazit
II. Literaturverzeichnis
III. Anhangsverzeichnis
Anhang:
1 Einleitung
Als 1993 die ersten Erasmus-Studierenden Europa innerhalb ihrer Studienzeit für sich entdeckten, konnte damals keiner erahnen welch starkes Fundament dieser kulturelle Austausch bei den späteren Generationen bilden würde (Apostolidis & Aristomenopoulos, 2019). Der Erasmus-Traum, Menschen zusammen zu bringen um Diversität zu zelebrieren, spiegelt sich vor allem bei den sogenannten Millenials wider: Reisen, Auslandserfahrungen, Work and Travel, Sprachreisen – das alles wird bei der jungen Generation als essentieller Baustein für die eigene Karriere gesehen (ebd.). Neben diesem studentischen Traum wächst das unternehmerische Interesse an diesen Erfahrungen, um davon lernen und profitieren zu können. Im Zuge der Digitalisierung, dem Fachkräftemangel und dem steigenden Wettbewerbsdruck steigt die Anzahl der Auslandsentsendungen von Mitarbeitern in den letzten Jahren weiter an (Cartus, 2016). Erhofft werden sich neben Fachkompetenz auch interkulturelle Kompetenz, ein internationales Netzwerk, die Besetzung von Managementpositionen im Ausland und vieles mehr. Auf Grund der hohen Relevanz und Aktualität dieses Sujets beschäftigen sich zahlreiche Autoren mit unterschiedlichen Aspekten der Auslandsentsendung. Von statistischen Erhebungen, über Personalentwicklungsmaßnahmen bis hin zur Formulierung von spezifischen Trainings findet sich eine Vielzahl an teilweise unüberschaubarem Informationsmaterial in der einschlägigen Literatur.
Diese Hausarbeit liefert einen Beitrag zur Übersicht von aktuellen Erkenntnissen, Theorien und Modellen in Bezug auf Auslandsentsendungen und stellt die Relevanz von damit oftmals einhergehenden Kulturschocks heraus.
Das Ziel ist es, die Essenz und Erfolgskriterien von Kulturschocks während und nach der Auslandsentsendung zu skizzieren. Dazu wird zunächst der Terminus Expatriate, Formen und Prozess der Auslandsentsendung sowie deren unterschiedlich gearteten Folgen erläutert. Im Anschluss daran werden die Begriffe Kultur und Kulturschock terminologisiert, damit ein einheitliches Verständnis gegeben ist und nachfolgend auf die Chancen und Risiken eines Kulturschocks eingegangen werden kann. Danach beschäftigt sich diese Hausarbeit speziell mit dem Re-Integrations-Schock und seinen Risiken für den Expatriate und die gesamte Auslandsentsendung, da dieser einen Schlüsselaspekt der erfolgreichen Entsendung darstellt. Zum Schluss werden Maßnahmen zur Vorbereitung und Verarbeitung eines Kulturschocks aus arbeitspsychologischer Sicht vorgestellt, die sich in der Praxis bereits bewährt haben. Alle Erkenntnisse werden anschließend im Fazit noch einmal festgehalten. In dieser Hausarbeit bleibt eine detaillierte Betrachtung der Mitarbeitersicht aus, da dies den Rahmen überschreiten würde. Der Fokus liegt speziell auf der Unternehmenssicht.
2 Auslandsaufenthalt im Arbeitskontext
Mit dem Fortschritt an Technologien, Mobilitätsmöglichkeiten und globaler Vernetzung haben sich eigentlich inhaltsklare Begriffe wie Heimat und Immigration verändert. Im 21. Jahrhundert scheinen die Grenzen von Ländern, Netzwerken und sogar von Lebenskonzepten flüssiger und weniger trennscharf zu werden (Spinks, 2013). Die Expansion großer Unternehmen ins Ausland ist längst kein Einzelfall mehr und wird mit zunehmendem Wettbewerbsdruck ein Instrumentarium der Wettbewerbsfähigkeit (Cartus, 2016). Deutlich wird dies vor allem an der steigenden Anzahl an Auslandsentsendungen von Mitarbeitern (Ackermann & Wehner, 2010; Cartus, 2016). Dies hat zur Folge, dass in Abteilungen, in Teams oder Meetings mehr kulturelle Diversität herrscht. Nicht nur die Unternehmen sind mit den Entsendungen bestrebt kulturelle und politische Ziele zu verfolgen, sondern auch Arbeitnehmer sehen darin eine Chance der besseren Positionierung auf dem Arbeitsmarkt und der persönlichen Entwicklung (Cartus, 2016)
2.1 Zum Begriff „Expatriate“: Definition und Eingrenzung
Unter dem Begriff Expatriate wird ein Erwerbstätiger verstanden, der für einen befristeten Zeitraum, jedoch nicht länger als fünf Jahre, in einer Niederlassung im Ausland arbeitet, dessen Arbeitsvertrag im Herkunftsland weiterhin fortbesteht und welcher auch von dort sein Gehalt bezieht (Minssen & Schmidt, 2008). In der Literatur werden, je nach Autor, zusätzliche Merkmale hinzugefügt, wie beispielsweise die obligatorische Mitreise der gesamten Familie (Mayerhofer, 2006). Weiterhin abzugrenzen ist der Expatriate von den Impatriate und Flexpatriate (Schwuchow, 2016). Nicht selten kommt es vor, dass Unternehmen, nachfolgend Mutterkonzern genannt, Führungskräfte zur Besetzung von Managementpositionen aus den ausländischen Tochtergesellschaften einreisen lassen. Dieser Impatriate ist eine Art ressourcenschonende und interne Lösung bei Besetzungsmängeln (ebd.). Der Flexpatriate spiegelt den modernen Erwerbstätigen wider, da dieser Begriff international tätige Arbeitnehmer und Pendler mit festem Wohnsitz im Herkunftsland umfasst (ebd.). Laut dem Sozialgesetzbuch besteht eine Versicherungspflicht beim Expatriate und demnach bei befristeten Entsendungen weiterhin fort. Eine Personalentsendung wird dort definiert als eine Beschäftigung, die im Rahmen des Geltungsbereiches in ein Gebiet außerhalb dieses befristet entsendet wird (§ 4 Abs. 1 SGB IV) und bildet die Definitionsgrundlage der vorliegenden Hausarbeit für die Auslandsentsendung. Diese ist eindeutig abzugrenzen von der Dienstreise, welche sehr vereinfacht als Arbeitstätigkeit an einem anderen Ort definiert wird (Dautzenberg, 2018). Diese beiden Arten von Auslandsaufenthalten werden aus rechtlicher Sicht gleich gehandhabt, da die Auslandsaufenthaltsdauer von zwei Tagen oder bis zu fünf Jahren hierbei keine Rolle spielt. Entscheidend ist dabei nur, ob der Arbeitsvertrag mit dem Unternehmen im Herkunftsland weiterhin besteht. Der Unterschied zwischen der Auslandsentsendung und der dauerhaften Versetzung besteht darin, dass der Auslandseinsatz für mehrere Jahre vorgesehen ist und der Arbeitsvertrag im Gastland abgeschlossen wird, wodurch für den Expatriate die Versicherungspflichten des Herkunftslandes entfallen (Blom & Meier, 2017). Mit allen Arten der Entsendungen gehen unterschiedliche Erwartungen und Ziele einher (Blom & Meier, 2017). Während eine Dienstreise kurzfristige Ziele im Blick hält, wie der persönliche Kontakt in Meetings oder Standortbesichtigungen, steht hinter der Auslandsentsendung ein Prozess mit langfristigen Zielen. Diese Ziele sind abhängig von der Dauer und somit der Form des Aufenthaltes.
2.2 Ziele und Formen der Auslandsentsendung
Trotz der zunehmenden Diversifikation an Entsendungsarten (Meier & Weiß, 2019) wird weiterhin zwischen Kurzzeit- und Langzeitaufenthalten unterschieden. Der Kurzzeitaufenthalt ist auf Tage oder wenige Wochen beschränkt und impliziert Unterformen, wie die Dienstreise, Pendlereinsätze oder Meetings in Konferenzräumen an Flughäfen und Bahnhöfen (Blom & Meier, 2017). Unter einem Langzeitaufenthalt wird ein dauerhafter Verbleib oder Rotationszuweisungen (Cartus, 2016) mit einer Aufenthaltsdauer von mehreren Monaten bis zu Jahren (Blom & Meier, 2017) verstanden. Die Entscheidung zur Form der Auslandsentsendung ist abhängig vom Ziel und Zweck der Reise. Grundsätzlich ergeben sich dabei zwei Ebenen der Zielsetzung, einerseits die dominanten Unternehmensinteressen und andererseits die Individualinteressen des Expatriates. Eine Orientierung zu den unternehmenspolitischen Ansätzen bietet das sogenannte „ERPG-Modell“ nach Perlmutter (1969), in welchem die vier politischen Ausrichtungen der Stellenbesetzung im Ausland definiert werden. Die Kernaussage jeder Ausrichtung liegt dabei auf dem Verhältnis zwischen dem Mutterkonzern im Herkunftsland und der Tochtergesellschaft im Ausland. Die Ethnozentrische Entsendungspolitik kennzeichnet sich durch das Streben nach dem kulturellen und wissenstechnischen Stand des Mutterkonzerns sowie den Ausbau der Kommunikation und Koordination zwischen den beiden (Blom & Meier, 2017). Die Polyzentrische Entsendungspolitik beinhaltet die Anpassung der Tochtergesellschaft an die Gegebenheiten des Gastlandes sowie die Bekanntmachung der Tochtergesellschaft im Gastland (ebd.). Die Regiozentrische Entsendungspolitik zeichnet sich durch die Ausarbeitung von regionaler Personalarbeit aus und verfolgt das Ziel der wirtschaftlichen Regionalisierung gegenüber den nationalen Landesgesellschaften und dem globalen Mutterkonzern (ebd.). Die Geozentrische Entsendungspolitik beinhaltet die Verschmelzung von Tochter- und Muttergesellschaft zu einer Einheit mit der Folge einer hohen Flexibilität bei der Rekrutierung und einem starken Kommunikationsfluss auf Grund der vielen Entsendungen (Blom & Meier, 2017). Generell sind die Interessen der verschiedenen Unternehmen vielfältig, diese haben jedoch gemeinsam, dass die Auslandsentsendung bei einem global agierenden Unternehmen eine Vereinheitlichung in den Bereichen Wissen, Kultur und Strategie erreichen soll (Scheible, 2017). Dabei spielen Ziele wie die Sensibilisierung und der Umgang mit kultureller Diversität nur eine sekundäre Rolle, wodurch diese wichtigen Erfolgsfaktoren oft unberücksichtigt bleiben. Die Cartus Cooperation (2016) stellte in ihrer Befragung von insgesamt 176 Managern mit Auslandseinsätzen fest, dass die primären Gründe für eine Auslandsentsendung mit 82 Prozent die Besetzung von Management- und Führungspositionen und mit 52 Prozent die Entwicklung von neuen Geschäftsaktivitäten sind. Die Befragten gaben mit etwa 43 Prozent an, die Auslandsentsendung zur Karriereentwicklung des Mitarbeiters und zum Wissens- und Kulturtransfer zu nutzen. Dies deckt sich in etwa mit den Beweggründen des Expatriates. Die attraktiven Jobmöglichkeiten, die sich aus der Auslandsentsendung ergeben, sind mit 82 Prozent der am häufigsten genannte Grund. Die Entwicklung der eigenen Karriere (78 Prozent) und die attraktiven Entschädigungsleistungen (42 Prozent) folgen darauf. Doch nur etwa 14 Prozent der Befragten gaben an, aus der Eigeninitiative heraus eine Auslandsentsendung in Bewegung gebracht zu haben. Dies zeigt, welche Diskrepanz zwischen den Erwartungen des Unternehmens und denen des Expatriates an die Entsendung herrscht, worauf im Verlauf dieser Hausarbeit noch weiter eingegangen wird.
2.3 Prozess der Auslandsentsendung
Blom und Meier (2017) teilen den Entsendungsprozess in vier Phasen ein: die Auswahl des Expatriates, die Vorbereitung der Entsendung, die Entsendung selbst und die Re-Integration. Der Entsendungsprozess startet mit dem Auswahlprozedere und erfolgt unternehmensseitig anhand von bestimmten Auswahlkriterien. Zunächst wird unterschieden, ob sich ein Mitarbeiter freiwillig zu einer Entsendung bewirbt, die Entsendung im Rahmen eines Trainee-Programms oder der Einsatz von Führungskräften im ausländischen Tochterunternehmen stattfinden soll (Fischlmayr & Kopecek, 2015). Im Fall einer eigeninitiierten Entsendung stellen die Unternehmen oft keinen eigenen Bedarf fest und Auswahlschritte, wie die Eignungsprüfung des Mitarbeiters und entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen, entfallen (ebd.). Findet die Entsendung im Rahmen eines Trainee-Programms statt, wurden bereits erste Selektionsprozesse bei der Trainee-Rekrutierung durchgeführt. Diese sind jedoch häufig nicht speziell auf die Auswahlkriterien der Auslandsentsendung ausgelegt (ebd.). Ein typischer Selektionsprozess findet sich bei den klassischen Entsendungen von Fach- und Führungskräften wieder. Die Fachkräfteentsendung unterscheidet sich von den anderen Auslandsentsendungen maßgeblich in dem Punkt der Unvorhersehbarkeit des gefragten Einsatzes und somit einer kaum planbaren Entsendung. Auch werden Führungskräfte nicht nur nach der fachlichen Kompetenz, sondern auch nach interkulturellen und sozialen Kriterien ausgewählt (ebd.; Ackermann & Wehner, 2010). Dabei richten sich die spezifischen Auswahlkriterien nach dem Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle im Ausland, jedoch auch nach der kulturellen Sensibilität und Mobilitätsbereitschaft (Fischlmayr & Kopecek, 2015). Stahl (1998) betont, dass die jeweilige Passgenauigkeit zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Umweltfaktoren des Gastlandes einen entscheidenden Beitrag zur erfolgreichen Auslandsentsendung liefern würde. Doch welches Instrumentarium dazu am sinnvollsten erscheint, ist in der Literatur wie auch in der Praxis bisher nicht eindeutig geklärt (Festing, Dowling, Weber & Engle, 2011). Die Vorbereitungsphase der Entsendung verfolgt das Ziel der Vermeidung vorzeitiger Abbrüche und beinhaltet Maßnahmen zur Vorbereitung auf die Gastlandkultur und den damit oftmals einhergehenden Kulturschock (Blom & Meier, 2017). Typische Maßnahmen sind unter anderem Interkulturelle Handlungstrainings, Sprachtrainings, Informationen über den Aufenthaltsort oder Austauschtreffen mit Rückkehrer, demnach Repatrianten (ebd.). Die bisher noch wenig angewandten Vorbereitungskonzepte stellen eine Schwachstelle des Auslandsentsendungsprozesses dar. In Zusammenarbeit mit der ISPA Consult befragten Ackermann und Wehner im Jahr 2010 insgesamt 41 Experten aus verschiedenen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen zum Thema internationales Personalmanagement. Sie stellten fest, dass nur 31 Prozent der Unternehmen über ein ausgereiftes Konzept zur Vorbereitung der Auslandsentsendung für die Expatriate verfügten. Zwar gaben 46 Prozent an Einzelmaßnahmen für spezielle Gastländer zu haben, doch der Anteil derjenigen Unternehmen ohne jegliche Maßnahmen lag mit 23 Prozent immer noch sehr hoch. Für die Re-Integrationsphase des Expatriates wird bisher wenig Aufwand betrieben. Nach Ackermann und Wehner (2010) führen die meisten befragten Unternehmen Standardmaßnahmen auf, doch wird dieser Prozess weitestgehend in der Selbstverantwortung des Expatriates gesehen. Grundsätzlich gehören zum Re-Integrationsprozess die Nachbereitung des Erlebten, die Wiedereingliederung in politische, ökonomische, unternehmerische und kulturelle Gegebenheiten des Herkunftslandes sowie die Verarbeitung des sogenannten Eigenkulturschocks.
2.4 Erfolgskritische Aspekte der Auslandsentsendung
Bei einer Auslandsentsendung kommen häufig mehrere erfolgskritische Faktoren zusammen, die auf der individuellen wie auch unternehmerischen Seite liegen. Alle Phasen der Entsendung sollten entsprechend geplant und vorbereitet sein, da die Entsendung an sich schon einen Belastungsfaktor für den Expatriate darstellt. Zunächst wird in der Fachliteratur von einem Zusammenhang zwischen bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen und einer erfolgreichen Auslandsentsendung ausgegangen. Kritische Persönlichkeitscharakteristika sind nach Shaffer, Ferzandi, Harrison, Gregersen und Black (2006) die Big-Five-Persönlichkeitsmerkmale Extraversion, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit, welche bei hoher Ausprägung zu einer erfolgreichen Entsendung beitragen. Sie gehen auch davon aus, dass eine weniger stark ausgeprägte emotionale Stabilität die Wahrscheinlichkeit des Abbrechens erhöht. Neben den notwendigen Sprachkenntnissen wird ein gewisser Grad an vorhandener kultureller Sensibilität, demnach an interkultureller Kompetenz, ebenfalls als hilfreich definiert. Kühlmann und Stahl (2001) haben darunterfallende Charakteristika identifiziert: Ambiguitätstoleranz, Kontaktbereitschaft, Unvoreingenommenheit, Verhaltensflexibilität, Empathie, Kommunikationssteuerung und Zielorientierung. Wie groß die Belastung sein kann und welche Folgen mangelnde Unterstützung haben können, spiegelt sich noch immer in den hohen Abbrecherquoten von Auslandsentsendungen wider. Die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie von Deller, Kusch und Meyer (2006) zum Thema Mitarbeiterentsendungen mit 31 deutschen Unternehmen zeigen dies deutlich: „Die durchschnittliche Abbrecherquote in den ersten fünf Jahren der Entsendung beträgt laut Angaben der befragten Unternehmen knapp 5%. Jedes fünfte Unternehmen berichtete eine Fluktuationsrate der Expatriates im ersten Jahr nach der Rückkehr von mindestens 10%.“ (ebd., S. 18). Die Gründe für diese Abbrüche sahen die befragten Unternehmen mit 38 Prozent auf individueller Ebene und weniger auf der kulturellen (ebd.). Dies deckt sich mit den aktuelleren Daten von Cartus (2016), bei der die Befragten überwiegend persönliche Abbruchgründe als Misserfolgsfaktor angaben. Am häufigsten wurden für einen Abbruch der Auslandsentsendung familiäre oder persönliche Umstände (69 Prozent) sowie Probleme mit der Arbeitsstelle des Lebenspartners angegeben (Cartus, 2016). Zu den persönlichen Abbruchgründen gehören häufig die fehlende Eingewöhnung des Expatriates an die neue Umgebung, emotionale Instabilität, die Unfähigkeit mit der größeren Verantwortung in der ausländischen Tochtergesellschaft umzugehen sowie Probleme mit den klimatischen, kulturelle oder sozioökonomischen Gegebenheiten. Darüber hinaus beeinflussen personenexogene Faktoren den Anpassungs- und Leistungserfolg des Expatriates, wie beispielweise die familiäre Einbindung. Oft werden die Ehe- und Lebenspartner im Entsendungsprozess nicht berücksichtigt. Nur 29 Prozent der befragten Unternehmen von Deller, Kusch und Meyer (2006) gaben an, den Partner miteinzubeziehen. Dies sind Gründe, die sich mit einer entsprechenden Vorbereitung und Unterstützung des Expatriates vermeiden ließen. Besonders in der Auswahlphase des Expatriates können Unternehmen für eine Reduktion der Abbruchsfaktoren sorgen, indem sie den potenziellen Expatriate genau auswählen und bei der Vorbereitung auch die Familie berücksichtigen (Lee, 2007). Die einschlägige Literatur ist sich dabei einig: eine entsprechende Unterstützung bei der Jobsuche des Lebenspartners, Wohnungssuche oder bei Freizeitangebote im Gastland sollten neben der fachlichen und kulturellen Vorbereitung beachtet werden. Des Weiteren spielen das Entsendungsland und die entsprechende Vorbereitung eine maßgebliche Rolle bei der erfolgreichen Entsendung. Laut Deller und Kollegen (2006) gaben 31 Prozent der Befragten aus deutschen Unternehmen Asien als das Gastland mit der höchsten Abbrecherquote an. Im Gegensatz nannten die befragten Unternehmen für Europa eine niedrige Abbrecherquote.
3 Kulturelle Begegnung als Herausforderung
Aus den bisherigen Erläuterungen wird deutlich, welchen maßgeblichen Stellenwert Auslandsentsendungen für Unternehmen haben. Dabei bleibt die größte Herausforderung für Arbeitnehmer das Verständnis der fremden Kultur und die Reflexion der eigenen mitgebrachten Kultur. Oft entsteht hier eine weitreichende Diskrepanz, sodass der Erfolg der interkulturellen Zusammenarbeit auf mehreren Ebenen ausbleiben kann. Demnach ist eine erfolgreiche Entsendung mit der Fähigkeit der kulturellen Anpassung und kognitiven Flexibilität eng verbunden. In der einschlägigen Literatur sind viele Erklärungsansätze zum Prozess der kulturellen Anpassung und den Folgen zu finden. Ein Verständnis und Sensibilität dafür zu schaffen ist notwendig, damit die internationale Zusammenarbeit weniger zur Herausforderung und mehr zu einer gewinnbringenden Erfahrung wird.
3.1 Zum Begriff „Kultur“
Um die Vielschichtigkeit der Dimensionen von Kultur und deren Einflüsse auf ein Individuum zu verstehen, sollte zunächst ein einheitliches Verständnis von dem Begriff Kultur geschaffen werden. Ein dabei entstehendes Problem sind die unterschiedlichen Perspektiven, da jede wissenschaftliche Disziplin eine andere Begriffserläuterung bietet (Molzbicher, 2005). Der Begriff Kultur ist grundsätzlich abstrakt und wird nur durch menschliches Verhalten sichtbar (Blom & Meier, 2017). Im Rahmen der Definitionsversuche zum Begriff Kultur und Kulturerwerb, werden die Ansätze von Hofstede, Hofstede und Minkov (2017) in der Literatur oft repliziert, da diese eine gute Orientierung bieten. Sie bedienen sich dabei der Lernerwerbsprozesse von Piaget und der Analogie des Computers. Zunächst wird davon ausgegangen, dass jedem Menschen eine Art mentale Programmierung, ähnlich wie der eines Computer, zugrunde liegt. Diese Programmierung beinhaltet bestimmte Wertesysteme, Denkmuster und Handlungsschemata, die das Individuum in seinem Handeln beeinflussen. Diese werden im Kindesalter durch den Lernprozess der Assimilation nach Piaget, der Einordnung von Umwelterfahrungen in schon vorhandene subjektive Bezugssysteme, gebildet (Sodian, 2008). Hervorzuheben ist, dass jeder Mensch seine einzigartige Programmierung besitzt. Zu den sogenannten Quellen dieser Programmierung gehören das soziale Umfeld, die Religion, das Geschlecht oder die Generationsmerkmale (Molzbicher, 2005). Hofstede und Kollegen (2017) betonen, dass ein einmal angelegtes Muster schwer abzulegen ist, insbesondere wenn das Individuum sich neuen Mustern anpassen muss. Kultur impliziert für sie nicht nur Bildung, Anhäufung von Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten, sondern vielmehr „(…) ein kollektives Phänomen, da man sie zumindest teilweise mit Menschen teilt, die im selben sozialen Umfeld leben oder lebten, d.h. dort, wo diese Kultur erlernt wurde.“ (Hofstede et al, 2017, S. 18). Eindeutig abzugrenzen ist Kultur von Persönlichkeit und menschlicher Natur. Die menschliche Natur ist vererblich, wohingegen Kultur nur erlernbar und darüber hinaus Persönlichkeit eine Mischung aus Umwelt und Genen ist (Hofstede et al, 2017). Andere Autoren beschreiben Kultur mit einer funktionalen Definition, demnach verhilft Kultur zur Organisation von kollektiven Lebensräumen, schafft ein Spektrum an alltäglichen Verhaltensmöglichkeiten und sorgt für eine Reduktion der Interpretationen von Verhaltensweisen (Baldwin, Faulkner, Hecht und Lindsley, 2006). Kulturstandards, wie zum Beispiel Begrüßungsrituale, sind unbewusst und werden durch den Prozess der Sozialisation erlernt (Stroppa, 2011). Die Fachliteratur ist sich darüber einig, dass jedem Standard eine Skala der akzeptierten Verhaltensvariationen innewohnt und alle Mitglieder dieser Kultur müssen sich zur Erlangung sozialer Akzeptanz innerhalb dieser bewegen. Nach diesem Ansatz werden Werte an diejenigen Mitglieder weitergegeben, die neu in diese kulturelle Organisation eintreten (ebd.).
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