In dieser Arbeit soll eine Antwort gefunden werden, ob die EU in den Verhandlungen zum Freihandels- und Investitionsschutzabkommen, als kollektiver oder korporativer Akteur im Sinne des akteurzentrierten Institutionalismus auftritt.
Der akteurzentrierte Institutionalismus nach Renate Mayntz und Fritz Scharpf soll als Grundlage dienen. Ihr Buch "Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung" sowie das von Scharpf verfasste Buch "Interaktionsformen Akteurzentrierter Institutionalismus in der Politikforschung" sind die wichtigsten Quellen.
Zunächst wird der allgemeine theoretische Rahmen und die Grundannahmen der Theorie vorgestellt um im Anschluss genauer zu definieren, nach welchen Kriterien der Ansatz die einzelnen Typen von Akteuren unterscheidet. Im zweiten Schritt wird das Abkommen vorgestellt. Darauf folgend wird vorgestellt, wie die Verhandlungen zum Abkommen in der Empirie ablaufen. Für diesen Teil ist das Mandat der EU-Mitgliedstaaten zentral, sowie die Information die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Online zur verfügung gestellt werden. Im dritten und letzten Schritt werden Theorie und Empirie zusammengeführt.
Die Europäische Union befindet sich auf dem Prüfstand. Die politische Integration scheint rückwärts zu steuern. Nicht selten ist bereits vom Scheitern des Projekts Europäische Union die Rede. Ob die EU ein Gebilde mit 28 Staaten ist die jeweils ihr eigenes nationales Süppchen kochen, oder ob sie auf supranationaler Ebene grundlegende Entscheidungen treffen kann, ist aktuell kaum zu beantworten. Mitten in dieser Phase führt die Europäische Gemeinschaft Verhandlungen mit den USA, um das transatlantische Handels- und Investitionsabkommen, genannt TTIP. Wenn die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden, würde damit das größte Freihandelsabkommen der Welt entstehen. Die Handlungsfähigkeit und das Auftreten als Einheit könnten für die EU wieder einen sinnstiftenden Impuls darstellen. Es ist folglich von Interesse, wie sich die Europäische Union in den TTIP-Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika präsentiert.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der akteuzentrierte Institutionalismus
2.1. Grundannahmen der akteurzentrierten Institutionalismus
2.2. Der Akteur im akteurzentrierten Institutionalismus
2.2.1 Der kollektive Akteur
2.2.2 Der korporative Akteur
3. Die empirische Sichtweise auf die TTIP-Verhandlungen
3.1. Inhaltlicher Überblick über die TTIP-Verhandlungen
3.2. Die Verhandlungen der Kommi ssion
4. Der Akteurcharakter der Europäischen Union in den TTIP-Verhandlungen
4.1. Die Verteilung der Handlungsressourcen
4.2. Die Festlegung der handlungsbestimmenden Präferenzen
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
6.1. Buchquellen
6.2. Internetquellen
6.3. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Die Europäische Union (EU) befindet sich momentan auf dem Prüfstand. Eine Flüchtlingskrise, eine sogenannte Eurokriese und Identitätskrise stellen die EU vor bisher unbekannte Probleme. Die politische Integration scheint eher Rückwärts zu steuern als eine Tiefere Kooperation zwischen den Ländern entstehen zu lassen. Nicht selten ist bereits vom Scheitern des Projekts Europäische Union und dessen Ende die Rede. Etwas mildere Stimmen sprechen von einer Sinnkrise. Ob die EU ein Gebilde mit 28 Staaten ist die jeweils ihr eigenes nationales Süppchen kochen, oder ob sie auf supranationaler Ebene grundlegende Entscheidungen treffen kann, ist aktuell kaum zu beantworten.
Mitten in dieser schwierigen Phase führt die Europäische Gemeinschaft Verhandlungen mit den USA, um das transatlantische Handels- und Investitionsabkommen, genannt TTIP (transatlentic Trad and Investment Partnership). Wenn die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden, würde damit das größte Freihandelsabkommen der Welt entstehen. Man kann also von einem Großprojekt der angeblich scheiternden EU sprechen. Die Handlungsfähigkeit und das Auftreten als eine Einheit könnten für die supranationale Organisation wieder einen sinnstiftenden Impuls darstellen. Es ist folglich von Interesse, wie sich die Europäische Union in den TTIP-Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika präsentiert.
In dieser Arbeit soll eine Antwort auf die Frage gefunden werden, ob die EU in den Verhandlungen zum Freihandels- und Investitionsschutzabkommen, mit Namen als kollektiver oder korporativer Akteur im Sinne des akteurzentrierten Institutionalismus auftritt.
Wie im vorhergehenden Abschnitt bereits angedeutet, handelt es sich bei dem Abkommen um ein äußerst bedeutendes und umfangreiches Unterfangen. Wenn alle EU-Mit- glieder hauptsächlich intergouvernemental handeln würden, wären derartige Verhandlungen unmöglich zu führen. Es müssten die Präferenzen von insgesamt 29 Verhandlungspartnern gehört, diskutiert und zusammengebracht werden. Bei derartigen Voraussetzungen wären die Verhandlungen wohl nach kurzer Zeit wieder eingestellt worden. Die Vermutung liegt folglich nahe, dass die EU als ein korporativer Akteur auftritt, der unabhängig von den Partikularinteressen der einzelnen Mitglieder agiert.
Der akteurzentrierte Institutionalismus nach Renate Mayntz und Fritz Scharpf soll als Grundlage dienen. Ihr Buch „Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung“ sowie das von Scharpf verfasste Buch „Interaktionsformen Akteurzentrierter Institutio- nalismus in der Politikforschung“ sind die wichtigsten Quellen. Zunächst wird der allgemeine theoretische Rahmen und die Grundannahmen der Theorie vorgestellt um im Anschluss genauer zu definieren, nach welchen Kriterien der Ansatz die einzelnen Typen von Akteuren unterscheidet. Im zweiten Schritt wird das Abkommen „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ vorgestellt. Darauf folgend wird vorgestellt, wie die Verhandlungen zum Abkommen in der Empirie ablaufen. Für diesen Teil der Arbeit ist das Mandat der EU-Mitgliedstaaten zentral, sowie die Information die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Online zur verfügung gestellt werden. Im dritten und letzten Schritt werden Theorie und Empirie zusammengeführt. Dabei wird diskutiert, welche beobachteten Verhandlungselemente auf welchen Akteurcharakter hindeuten um abschließend eine Gesamtbewertung abzugeben.
2. Der akteurzentrierte Institutionalismus
Der Institutionalismus findet sich seit jeher in den Sozialwissenschaften wieder. Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts rückte die Institution wieder ins Zentrum des wissenschaftlichen Interesses.1
In dieser Zeit entstand auch der akteurzentrierte Institutionalismus. Entwickelt wurde dieser von Renate Mayntz und Fritz W. Scharpf am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung. Das Institut verfolgt das Ziel, das Zusammenwirken zwischen politischer Steuerung und der gesellschaftlichen Selbstorganisation zu erforschen. Um das zu verwirklichen wurde als theoretisches Instrumentarium der akteurzentrierte Institutiona- lismus entwickelt und später von Fritz Scharpf noch weiter ausgearbeitet. Es ist zu beachten, dass es sich nicht um eine vollständige ausgearbeitet Theorie handelt, die es ermöglicht Entscheidungserwartungen zu formulieren. Der akteurzentrierte Institutionalis- mus ist eine Forschungsheuristik die als Orientierung bei der Untersuchung von Policy- Entscheidungen dient.2
2.1 Grundannahmen des akteurzentrierten Institutionalismus
Der akteurzentrierte Institutionalismus, wie ihn Mayntz und Scharpf entwickelten, fußt auf einer Ausprägung des Neo-Institutionalismus, der mit dem Begriff der „Institution“ die zentralen politischen Einrichtungen meint. Diese Definition wurde von den beiden Autoren etwas abgeändert. Ihnen zufolge meint eine Institution formelle und informelle Regelungssysteme, welche die einzelnen Handlungsmöglichkeiten für die betroffenen Akteure strukturieren. Auch soziale Normen finden hier Beachtung.3
Die Subjektsqualität, die den Akteuren von den Autoren zugeschrieben wird unterscheidet den Ansatz von anderen, wie beispielsweise der neoklassischen Ökonomie oder der neorealistischen Theorie, die davon ausgehen, dass alle Akteure dieselben Interessen und Ziele haben. Hier wird dem Umstand Rechnung getragen, dass alle Akteure unterschiedlich auf äußere Einwirkungen reagieren. Der eine Akteur lässt sich von einem aggressiven Verhandlungsstil des Gegenübers einschüchtern, während der andere gereizt reagiert und daraufhin weitere Kommunikation verweigert. Dies veranschaulicht die Bedeutung persönlicher Merkmale.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Unterscheidung zwischen dem Handeln der Akteure und dem institutionellen Kontext, in dessen Rahmen eine politische Entscheidung getroffen wird. Den Institutionen wird auch Einfluss auf die innere Strukturiertheit, die Wahrnehmungen und Präferenzen der Akteure zugeschreiben. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass der Ansatz die Informationen über den institutionellen Rahmen von Akteuren nutzt, um so ihre Beweggründe und Wahrnehmung zu erkennen.4
In der Darstellung der Grundzüge des akteurzentrierten Institutionalismus lassen sich drei zentrale Elemente herauslesen: Akteure, Akteurkonstellationen und Interaktionsformen. Auf jedes dieser Elemente hat der institutionelle Kontext Einfluss.
Für diese Arbeit ist der Akteur wichtig. Im weiteren Verlauf werden seine möglichen Eigenschaften genauer beleuchtet.
2.2 Der Akteur im akteurzentrierten Institutionalismus
Als Akteure im Sinne des akteurzentrierten Institutionalismus sind nicht einzelne Individuen zu betrachten. Der Fokus liegt auf Personengruppen, welche als eine Einheit angesehen werden.5
Eine Unterscheidung dieser Akteure findet in Hinblick auf ihre Komplexität und innere Kohäsion statt. Hier finden auch Einzelpersonen Beachtung. Sie werden als Bestandteil der komplexen Akteure betrachtet. Der institutionelle Handlungskontext, in dem sich die jeweilige Einzelperson bewegt, wird von dem übergeordneten Akteur vorgegeben. Es ergeben sich zwei mögliche Betrachtungsweisen. Zum einen kann man die innere Struktur des Akteurs betrachten, also eine innere Ansicht, und zum anderen kann der Akteur als Ganzes von außen betrachtet werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Interaktion innerhalb des Akteurs dessen Handlungen nach außen erzeugt.6
Ein komplexer Akteur kann durch die Beschreibung seiner Fähigkeiten, Wahrnehmungen und Präferenzen charakterisiert werden. Fähigkeiten meinen Handlungsressourcen, die der Akteur zur Verfügung hat. Das können neben Charaktermerkmalen wie Intelligenz und körperlicher Stärke auch Geld, Militärmacht oder umfangreicher Informationszugang sein. Für die Policy-Forschung ist aber besonders die institutionelle Stärke von Bedeutung. Damit ist beispielsweise die Kompetenzzuweisung durch ein Regelungssystem, der Umfang der Partizipationsmöglichkeiten, Vetorechte oder alleinige Entscheidungsbefugnis gemeint. Die jeweilige Wahrnehmung ist ein erwachsenes Strukturierungssystem von Personen. Meist ist dies ein stabiles Konstrukt, welches nur durch Lernen oder Überzeugung veränderbar ist. Sie haben großen Einfluss auf die Interpretation von Situationen und somit, zusammen mit den Präferenzen des Akteurs, auch auf den Entscheidungsfindungsprozess. Zusammengefasst werden Wahrnehmung und Präferenzen als Handlungsorientierungen bezeichnet.7
Als Minimalanforderung, um das akteurtheoretische Konzept anwenden zu können setzt Scharpf voraus, dass das gesetzte Ziel auf einen Output ausgerichtet ist, das heißt es muss etwas schaffen wollen und darf nicht ausschließlich aus Tauschhandlungen bestehen. Über diese Anforderung hinaus kann der Grad der Integration innerhalb eines Akteurs jedoch stark variieren. Es wird demnach weiter Differenziert.8 Die beiden zentralsten Akteurstypen sind der kollektive und der korporative Akteur. Diese werden in den folgenden Kapiteln geschildert.
2.2.1 Der kollektive Akteur
Bei dieser Form wird anhand zweier Dimensionen Unterschieden. Zunächst wird betrachtet wie die Handlungsressourcen (Möglichkeiten und Mittel um jeweilige Aktion auszuführen) innerhalb verteilt sind. Es ist zu prüfen ob diese in der Hand einzelner Individuen sind oder ob sie dem Akteur als Ganzes zur Verfügung stehen. Zweitens muss man die Festlegung der handlungsbestimmenden Präferenzen betrachten. Konkret muss untersucht werden, ob die Ziele von jedem Mitglied individuell formuliert werden oder ob dies auf der kollektiven Ebene geschieht. Auf Grund dieser Teilung lässt sich ein Gitternetz mit vier Untertypen spannen.9
[...]
1 Mayntz, Renate; Scharpf, Fritz (1995): Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung. Frankfurt/Main; New York: Campus Verlag, 43-47.
2 Treib, Oliver (2015): Akteurzentrierter Institutionalismus, in: Wenzelburger, Georg; Zohlnhöfer Reimut (Hrsg.): Handbuch Policy-Forschung. Wiesbaden: Springer Fachmedien, 277-278
3 Scharpf, Fritz (2000): Interaktionsformen - Akteurzentrierter Institutionalismus in der Politikforschung. Opladen: Leske + Budrich Verlag, 77
4 Scharpf, Fritz (2000): Interaktionsformen - Akteurzentrierter Institutionalismus in der Politikforschung. Opladen: Leske + Budrich Verlag, 76
5 Ebd. S 95
6 Ebd. S 97
7 Scharpf, Fritz (2000): Interaktionsformen - Akteurzentrierter Institutionalismus in der Politikforschung. Opladen: Leske + Budrich Verlag, 86
8 Ebd., 101
9 Ebd., 101-104