Medien der psychologischen Kriegsführung anhand des NATO-Afghanistan-Einsatzes
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsbestimmung
2.1 Entstehung des Begriffes
3. Medien in der psychologischen Kriegsführung
3.1 Rundfunk
3.2 TV und Video
3.3 Flugblätter
4. PSYOPS in Afghanistan
4.1 ‚Operation Enduring Freedom‘
4.2 Aufgaben von PSYOPS innerhalb der ISAF
5. Analyse eingesetzter PSYOPS-Flugblätter
6. Conclusio
7. Abkürzungsverzeichnis
8. Abbildungsverzeichnis
9. Quellenverzeichnis
Abstract
Das Thema dieser Seminararbeit behandelt das Wirksamwerden von psychologischen Operationen (PSYOPS) im Rahmen des NATO-Afghanistan-Einsatzes. In den nachstehenden Kapiteln wird sowohl die Entstehung des Begriffes ‚PSYOPS‘ als auch die verschiedenen Medien mit denen PSYOPS-Einheiten arbeiten erläutert. Im dritten Kapitel liegt der Fokus besonders auf den Medien Rundfunk und Fernsehen und dem Einsatz von Flugblättern. Hierbei wird bereits der Konnex zu einer der bekanntesten NATO-Missionen – ‚Operation Enduring Freedom‘ durch ausgewählte Beispiele gelegt. In Kapitel vier werden die Aufgaben und Einsatzmittel der NATO-PSYOPS-Kräfte in Afghanistan beschrieben und anhand einzelner Armeen des internationalen Bündnisses aufgezeigt. Abschließend wird im fünften Kapitel die Analyse einzelner in Afghanistan verwendeter Flugblätter thematisiert, um dadurch die Wirksamkeit psychologischer Kriegsmittel durch Anschauungsmaterial zu verdeutlichen.
1. Einleitung
Psychologische Kriegsführung wurde in nahezu allen Epochen der Erdgeschichte von den verschiedensten Streitkräften eingesetzt. Der Grund dafür liegt in der Effektivität, mit vermeintlich wenigen Mitteln und einem geringen Risiko Schlachten und Kriege gewinnen zu können. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges etablierte sich in diesem Zusammenhang ein neuer Begriff, der bis heute immer mehr an Präsenz innerhalb der Armeen gewinnt. Die Rede ist von den sogenannten PSYOPS und stellt die Abkürzung für den englischen Begriff ‚psychological operations‘ dar. Im 21. Jahrhundert besitzen Streitkräfte nahezu aller Länder PSYOPS-Truppen, um Aufgaben erfüllen zu können, die sich in ihrem Kern kaum verändert haben. Das Ziel ist es, sich in die Köpfe der Gegner zu setzen und diese durch verschiedenste Medien und Mittel ohne direkte Waffengewalt zu schlagen. Auch die NATO nutzt die Erkenntnisse über die Möglichkeiten der psychologischen Kriegsführung und versucht dadurch möglichst große Erfolge innerhalb ihrer Missionen zu erzielen.
Diese vorwiegend auf Literaturrecherche basierende Arbeit soll einen Überblick über den Begriff PSYOPS schaffen und in weiterer Folge konkret auf den Einsatz spezieller Medien der psychologischen Kriegsführung eingehen. Durch die Verknüpfung mit historischen Hintergründen soll erläutert werden, warum gewisse Medien sich im Laufe der Zeit innerhalb der PSYOPS etabliert haben. Der Bezug zur Gegenwart ist durch das konkrete Beispiel des NATO-Afghanistan-Einsatzes gegeben, wobei auch hier auf ausgewählte Mittel und Medien eingegangen wird.
Forschungsleitende Frage:
Welche Medien wurden im NATO-Afghanistan-Einsatz für die psychologische Kriegsführung verwendet?
Unterfragen:
Warum kommt es zum Einsatz spezifischer Medien in moderner psychologischer Kriegsführung?
Welche historischen Hintergründe gibt es für den Einsatz spezifischer Medien im Rahmen der PSYOPS?
2. Begriffsbestimmung
Um zu verstehen, wie psychologische Kriegsführung funktioniert und warum der Einsatz von PSYOPS immer mehr in den Fokus der Streitkräfte rückt, muss zunächst geklärt werden, was dieser Begriff bedeutet und wie er entstanden ist. Die Autoren Wenninger und Pfeffer definieren den Begriff PSYOPS in ihrem Handbuch für psychologische Kriegsführung wie folgt: „Der Begriff psychologische Kriegsführung bezieht sich in diesem Handbuch auf alle Formen der Subversion außer physischer Gewalt, die dazu dienen, mit allen Mitteln Verwirrung und Uneinigkeit zu schüren, um die Moral und die politische Einheit des Feindes zu unterminieren.“.[1] Zusätzlich kann der Begriff mit Schlagwörtern wie ‚Terror‘ oder ‚Propaganda‘ eng in Verbindung gebracht werden. Der Grund dafür liegt in der Entstehung des Begriffes, denn auch wenn es das Wort PSYOPS erst seit dem Jahr 1945 gibt, wurde diese Art der Kriegsführung schon lange zuvor praktiziert.
2.1 Entstehung des Begriffes
Die ersten Gedanken zur psychologischen Kriegsführung entstanden im 4. Jh. v. Chr. und wurden von dem damaligen chinesischen General und Philosophen Sun Zi in einer Form von Führungsgrundsätzen niedergeschrieben. Diese waren sehr allgemein formuliert und legten noch keine konkreten Ziele der psychologischen Komponente am Schlachtfeld fest. Ab dem 17. Jahrhundert entstand durch die katholische Kirche und den von ihnen durchgeführten Missionen der Begriff ‚Propaganda‘, der zunächst nicht mehr bedeutete, als für ein religiöses, politisches oder wirtschaftliches Ziel zu werben. Erst mit Beginn des Ersten Weltkrieges und der dort angewendeten Propaganda bekam der Begriff sein negatives Image, welches er bis heute trägt. Die ‚psychologische Kriegsführung‘ löste seit 1920 nach und nach die Propaganda ab und im Jahr 1945 wurde durch den ehemaligen Admiral Ellis M. Zacharias[2] erstmalig der Ausdruck ‚PSYOPS‘ verwendet. Im Vergleich zu den bis dorthin verwendeten Begriffen, wendet sich PSYOPS mit seiner Wirkung ausnahmslos an die Gegenseite. Eine Anwendung innerhalb der eigenen Bevölkerung oder Streitkräfte ist nicht vorgesehen und in einigen Nationen wie zum Beispiel den USA und Deutschland ausdrücklich verboten.[3]
3. Medien in der psychologischen Kriegsführung
Durch den gezielten Einsatz der verschiedensten Medien haben PSYOPS-Truppen die Möglichkeit adäquat auf die Konfliktpartei oder zivile Bevölkerung reagieren zu können. Einer der Schwerpunkte, die sich dadurch innerhalb der psychologischen Kriegsführung ergeben, ist die Vorbereitung auf einen Einsatz.[4] Durch genaue Analysen der eigenen Absenderin oder Absenders und dessen Möglichkeiten, der zu vermittelten Botschaft und vor allem wer die Empfängerin/der Empfänger der Nachricht ist, kann der größte mögliche Erfolg erzielt werden. Des Weiteren wird im Rahmen der Vorbereitung festgelegt, welche Arten von Medien zu verwenden sind und welche Wirkung diese auf die Zielgruppen haben sollen, um somit einen effizienten Einsatz des Mediums zu gewährleisten.[5]
3.1 Rundfunk
Der Einsatz von Radiogeräten zur Beeinflussung der Konfliktpartei passiert innerhalb aktueller Kriegsschauplätze zunehmend unter dem Deckmantel eines sogenannten ‚Freiheitssenders‘. Diese Sender sind meist getarnte Sprachrohre von subversiven Kräften oder gegenteilig offiziell anerkannten Institutionen der gegnerischen Partei. Unabhängig davon besteht die Funktion eines solchen Senders darin, möglichst viele potentielle Hörerinnen und Hörer mit Hilfe von demoralisierenden Gerüchten und zensierten Nachrichten zu erreichen. Des Weiteren haben Freiheitssender die Möglichkeit, die Sendungen der Konfliktpartei durch Zwischenrufe zu unterbrechen und dadurch die Verbreitung unerwünschter Information zu hemmen. Um möglichst viele Hörerinnen und Hörer zu erreichen, verwenden die Betreiber verschiedenste Methoden wie etwa Umgangssprache, gezieltes Ansprechen von Personengruppen oder wiedererkennbare Parolen. Die Sendungen selbst sind so kurz wie möglich gehalten, um die Kernbotschaft möglichst schnell an die Zielgruppe zu transportieren.[6] Ein Beispiel für den Einsatz des Rundfunks in der psychologischen Kriegsführung, lässt sich anhand des Radiosenders Sada-e Azadi aufzeigen.
Die Schutztruppe ISAF (International Security and Assistance Force) betreibt im Rahmen des NATO-Afghanistan-Einsatzes den landesweiten Radiosender Sada-e Azadi. Übersetzt bedeutet der Name ‚Stimme der Freiheit‘ und hat den Auftrag die Bevölkerung Afghanistans über die aktuellen Ereignisse in ihrem Land zu informieren. Zusätzlich soll durch den Betrieb des Senders das Verständnis der Zivilbevölkerung für den NATO-Einsatz erhöht und die Fortschritte der Mission mitgeteilt werden. Der Chefredakteur des Radiosenders David Bailey beschreibt Sada-e Azadi unter anderem auch als Gegenmaßnahme der Taliban-Propaganda, die vor allem im Süden des Landes durch Verbreitung von Falschinformationen agiert.[7]
3.2 TV und Video
Der Einsatz von Filmen zur psychologischen Kriegsführung geht zurück in die Zeit des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Die heute genannten Propagandafilme traten sowohl auf Seiten der Alliierten als auch bei den Nationalsozialisten auf. Diese hatten ähnliche bis nahezu idente Ziele, die eigene Bevölkerung durch Emotionalität, gemeinsame Wertevorstellungen aber vor allem einen gemeinsamen Gegner zu manipulieren. Beispiele sind die aus den USA stammende Satire ‚The Great Dictator‘ von Charlie Chaplin oder die deutsche Produktion aus dem Jahr 1935 ‚Tag der Freiheit – Unsere Wehrmacht‘ von Leni Riefenstahl. Die Glaubwürdigkeit ist der entscheidende Faktor bei der Propaganda durch Filme. Hierzu muss beachtet werden, dass sich das Gezeigte mit der vom Absender empfundenen Realität identifizieren kann. Zensur und Übertreibungen in Filmen können in diesem Zusammenhang kontraproduktiv sein. Des Weiteren werden in Filmen mehrere Medien miteinander kombiniert, weshalb es nicht nur wichtig ist, welche Wörter gesprochen werden, sondern auch, was dabei getan wird. Dieser Faktor stellt gleichzeitig auch den erfolgversprechendsten dar. Im Vergleich zur Radiosendung bleiben Informationen bei Filmen durch das Ansprechen mehrerer Sinne länger im Gedächtnis des Adressaten.[8]
Im 21. Jahrhundert reformierte sich der Einsatz von Filmen innerhalb der psychologischen Kriegsführung durch das produzieren von Imageserien statt Propagandafilmen. Mit der Erstausstrahlung im Jahr 2007 startetet die Deutsche Bundeswehr eine sechsstellige Filmreihe mit dem Titel ‚Operation Afghanistan – Die Bundeswehr im Einsatz‘. Thematisiert wird die seit 2002 laufende Unterstützung des Wiederaufbaus Afghanistans im Rahmen der internationalen Schutztruppe ISAF. Durch die Ausstrahlung im deutschen Sender DMAX sollte vor allem der deutschen Bevölkerung gezeigt werden, wie der Einsatz ihrer Soldatinnen und Soldaten im Ausland aussieht und welche Aufgaben von den Truppen erfüllt werden müssen. In den jeweils 50 Minuten dauernden Folgen wird die Überlegenheit der Bundeswehr gegenüber den Aufständischen durch anschauliches Filmmaterial deutlich gemacht. Den Wandel in der Ästhetik militärischer Imagefilme ergibt sich darin, dass der humanitäre Aspekt des Einsatzes mit großem Stellenwert behandelt wird. Dadurch werden innerhalb der Filmreihe vor allem die Ausbildung des afghanischen Militärs, die Wiederherstellung der Infrastruktur und das Ausliefern humanitärer Hilfsgüter gezeigt.[9]
3.3 Flugblätter
Das Flugblatt hat eine lange Tradition in der psychologischen Kriegsführung. Der Einsatz von diesem bedruckten Stück Papier wurde speziell während des Zweiten Weltkrieges perfektioniert. Diese Art von Medium agiert in seiner Wirkung im Wesentlichen in zwei verschiedenen Zielvorstellungen. Einerseits kann das Ziel darin liegen, den Gegner glauben zu lassen, dass die Botschaft aus den eigenen Reihen der Landsleute stammt und die Information daher eher eine Art der Warnung darstellt. Andererseits können gezielte Fehlinformationen und Gerüchte eingesetzt werden, um den Gegner zu verwirren.[10]
Bei der Gestaltung eines Flugblattes werden gewisse Grundregeln der Erstellung eingehalten, um eine möglichst effiziente und zielführende Wirkung zu erlangen. Das erste Kriterium besteht in der richtigen Wahl des Layouts. Durch dieses soll einerseits die Aufmerksamkeit der Leserinnen/des Lesers erregt und in die gewünschte Richtung gebracht werden, andererseits durch einfache Lesbarkeit die Aufnahmebereitschaft gesteigert werden. Das zweite Merkmal sind die Adresse und die Absenderin/der Absender. Durch diese Elemente werden die Zielgruppe und die Verfasserin/der Verfasser festgelegt. Neben den Bildern, welche die Leserinnen/der Leser im Unterbewusstsein bereits in die gewünschte Richtung des Denkens steuern sollen, ist es als wichtigstes Rahmenelement der Text selbst, der die Wirkung eines Flugblattes definiert. Um die Propaganda authentisch wiedergeben zu können, kommen bei den Texten Schlagwörter zum Einsatz, welche bei der Zielgruppe je nach Wunsch der Verfasserin/des Verfassers positive oder negative Assoziationen hervorrufen sollen. Die Prinzipien eines effektiven Textes umfassen die Lesbarkeit, Verständlichkeit, Glaubwürdigkeit und Argumentation.[11]
[...]
[1] Wenninger, F. & Pfeffer, J. (2018). Sabotage und psychologische Kriegsführung – Ein Handbuch. Wien. Czernin Verlag. S. 43.
[2] Ellis Mark Zacharias (1. Januar 1890 - 27. Juni 1961) war ein Admiral und Marineattaché für Japan, der im Ersten Weltkrieg und Zweiten Weltkrieg diente. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er zum stellvertretenden Direktor der US Naval Intelligence ernannt.
[3] Vgl.: Müller, T. (2011). Von Troja bis PSYOPS – Facetten der psychologischen Kriegsführung. Stuttgart. Ibidem-Verlag. S. 20-23.
[4] Vgl.: Zazworka, G. (1962). Psychologische Kriegsführung – Eine Darlegung ihrer Organisation, ihrer Mittel und Methoden. Berlin. Deutscher Militärverlag. S. 30.
[5] Vgl.: Müller, T. (2011). A.a.O. S. 37-38.
[6] Vgl.: Wenninger, F. & Pfeffer, J. (2018). A.a.O. S. 74-77.
[7] Vgl.: Homepage Augen Geradeaus!. Seite Augen Geradeaus Schlagwort PSYOPS URL: https://augengeradeaus.net/2010/10/wenn-die-nato-radio-macht-propaganda-oder-nicht/. [24.03.2019]
[8] Vgl.: Müller, T. (2011). A.a.O. S. 147-150.
[9] Vgl.: Homepage Bundeszentrale für politische Bildung. Seite Vom Ersten Weltkrieg bis heute: Propaganda im Film. URL: https://www.kinofenster.de/themen-dossiers/alle-themendossiers/erster-weltkrieg-im-film/erster-weltkrieg-im-film-propaganda/. [26.03.2019]
[10] Vgl.: Wenninger, F. & Pfeffer, J. (2018). A.a.O. S. 69-70.
[11] Vgl.: Buchbender, O. & Schuh, H. (1974). Heil Beil! – Flugblattpropaganda im II. Weltkrieg - Dokumentation und Analyse. Stuttgart-Degerloch. Seewald Verlag. S.24-30.