Die Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Zustand der Wissenschaft im Nationalsozialismus. Nach einem allgemeinen Teil zu den Deutschen Universitäten im Nationalsozialismus geht es im weiteren um die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel im Dritten Reich und dann im speziellen um das Historische Seminar der Universität zwischen 1933 und 1945.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Deutsche Universitäten im Nationalsozialismus
3. Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel in der Zeit des Nationalsozialismus
4. Das Historische Seminar der Christian-Albrechts-Universität 1933-1945
4.1 Carl Petersen
4.2 Otto Scheel
5. Schlussbemerkungen
6. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Wenn man über das Thema Wissenschaft im Nationalsozialismus spricht kommt den meisten Menschen zuerst der Name Mengele in den Kopf. Die grausamen Experimente des Mediziners an KZ-Gefangenen gehörten zu den größten Verbrechen, die während der NS-Diktatur geschehen sind. Doch nicht nur in der Medizin stellte man sich in den Dienst des Regimes. In so gut wie allen Wissenschaftsbereichen, von der Musikwissenschaft bis zur Geographie, fanden sich Unterstützer der nationalsozialistischen Wissenschaftsideologie.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit genau dieser Entwicklung in der deutschen Wissenschaftsgeschichte und möchte am Beispiel der Kieler Christian-Albrechts- Universität untersuchen, ob, und wenn ja, wie sich die Forschung in den Jahren zwischen 1933 und 1945 dem Dritten Reich andiente.
Hierzu beschäftige ich mich im speziellen mit dem Kieler Historischen Seminar und werde dazu zwei der Professoren von damals näher untersuchen. Dies hat vor allem auch damit zu tun, dass sich kaum eine andere Wissenschaftsdisziplin so ausgiebig mit ihrer NS-Vergangenheit auseinandergesetzt hat wie die Geschichtswissenschaft. Nachdem lange Zeit die Forschung eher die Augen vor ihrer Verantwortung zu Bewältigung der Geschehnisse verschloss, setzte spätestens in den 1990er Jahren ein Wandel ein und das Thema Wissenschaft in der NS-Zeit wurde quasi salonfähig. Im Zuge dessen haben sich auch viele verschiedene Institute mit der eigenen Vergangenheit beschäftigt und es liegen mittlerweile viele Studien zur NSVergangenheit an den deutschen Universitäten vor. Dies sorgt für eine Fülle an Literatur auf die ich für diese Arbeit zurückgreifen konnte.
Als Quellen dienten wissenschaftliche Veröffentlichungen der in der Arbeit erwähnten Professoren. Zum einen eine 1933 von Carl Petersen herausgegebene Schrift über „Die Stellung der Natur- und Geisteswissenschaften in der neuen Universität und die Aufgabe ihrer Fachschaften“ und zum anderen die 1940 erschienene „Festschrift zum 275 jährigen Bestehen der Christian-Albrechts- Universität Kiel“, aus der ein Beitrag von Otto Scheel über die Geschichte der Christiana Albertina sowie einen Text vom damaligen Rektor der Universität, Paul Ritterbusch, über die Entwicklung der Universität seit dem Jahr 1933 verwendet wird. Jede der drei Quellen zeigt das Bild von überzeugten Verfechtern der nationalsozialistischen Ideologie. Dies muss jedoch kritisch hinterfragt werden, denn es besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Verfasser sich aufgrund der Umstände ihrer Zeit dazu genötigt sahen derlei Texte zu schreiben. Betrachtet man jedoch frühere Publikationen der ausgewählten Personen, so fällt auf, dass sie bereits lange vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten in ihren Arbeiten und Reden völkisches Gedankengut vertraten. Dementsprechend sind die ausgewählten Quellen als repräsentativ für die allgemeine Einstellung der Verfasser zum NS-Regime zu bewerten.
2. Deutsche Universitäten im Nationalsozialismus
Will man die Entwicklungen in der Wissenschaft und an den Universitäten im Nationalsozialismus betrachten, ist es hilfreich zunächst einmal davon Abstand zu nehmen, dass es eine grundsätzliche Trennung von politischem Geschehen und der Wissenschaft gibt. Beide Bereiche sind nicht per se Gegensätze. Sie bedingen sich gegenseitig. Dies spiegelt sich auch in der heutigen Forschung zur Universität im Nationalsozialismus wider. So stehen im Gegensatz zu vor 20 Jahren heute eher die Funktionsmechanismen im Blickfeld der Forschung, mit denen sich die Universitäten an das neue Regime angepasst haben, da die Wissenschaft für die nationalsozialistische Diktatur notwendig war, um ihre Ziele zu erreichen und nicht einfach abgeschafft werden konnte.1
Natürlich gab es ausgehend vom neuen Regime einen erheblichen Druck sich an die neuen Verhältnisse anzupassen, doch an den Universitäten fand durchaus auch eine effektive Selbstnazifizierung satt. Um die Gründe hierfür näher zu beleuchten, bietet sich ein Blick in die Zeit vor der Machtergreifung Hitlers an. Die deutschen Universitäten entwickelten nach der Niederlage im ersten Weltkrieg zunehmend eine Ablehnung gegen die neue Weimarer Republik und die damit verbundene Demokratisierung. Es entwickelte sich an fast allen 23 deutschen Universitäten ein antidemokratisches Denken (zum Teil auch begleitet von einem antijüdischen Denken), was sich auf den vermeintlichen Verlust des bisherigen hervorgehobenen Status der Lehrenden und Lernenden zurückführen lässt. Gleichzeitig entstand der Wunsch, zur früheren Großmachtstellung Deutschlands zurückzukehren. Diese Abkehr der Hochschulen vom Staat wurde in den zwanziger Jahren noch durch die Weltwirtschaftskrise begünstigt, da man davor Angst hatte staatliche Finanzierungen zu verlieren.2
Im Zuge dieser Entwicklungen wurde die Forderung laut, die Wissenschaft mit der sozialen Gemeinschaft zu verbinden, da man eine drastische Lebensabgewandtheit der Wissenschaft auszumachen glaubte. Hierin zeigt sich eine Abkehr von den liberalen Wissenschaftswerten des 19. Jahrhunderts, welche Wertfreiheit der Wissenschaft zum Ziel hatten. Man wollte „Objektivität mit Parteinahme [und] Denken mit Handeln verknüpfen.“3
Der Kieler Historiker Carl Petersen schrieb hierzu 1933:
„Das Zeitalter des Liberalismus mit seinem – ihm durchaus gemäßen – Schlagwort von der„Wertfreiheit der Wissenschaft“, wie es am nachdrücklichsten von Max Weber formuliertworden ist, drohte mit der Vernichtung der Geisteswissenschaft überhaupt. Diese Tendenzendete in der vollkommenen Standpunktlosigkeit und Richtungslosigkeit des kritischenAnalytikers, für den es nur eine einzige Sünde gab, die glaubensmäßige Bindung anirgendetwas, an irgendeine ihn beherrschende geistige Wesenheit.“>4
Die oben beschriebene antidemokratische Entwicklung schlug sich auch in der Studentenschaft nieder. Bereits 1927 stimmte die Deutsche Studentenschaft (DSt) für einen Arierparagraphen, woraufhin sie ihre staatliche Anerkennung verlor. Hierin zeigt sich eine starke völkische Ausrichtung der DSt. Aus dieser Entwicklung heraus gründete sich der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB), der in den kommenden Jahren immer mehr an Einfluss gewann und bereits 1932 vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten 49,1% der deutschen Studentenschaft hinter sich versammeln konnte.5
An der Gleichschaltung der Universitäten nach 1933 waren letztlich drei Gruppen beteiligt: Erstens die staatlichen Behörden, zweitens die Lehrenden und drittens die Studentenschaft. Im Gegensatz zur früheren Auffassung geht man mittlerweile davon aus, dass es keinen allzu großen staatlichen Anpassungsdruck gab, sondern eher eine Selbstgleichschaltung der Universitäten von statten ging. Dieser Willen zu Anpassung an das neue Regime zeigt sich auch in der „Würzburger Erklärung“ des Verbandes der Deutschen Hochschullehrer vom 12.04.1933, in der es heißt, dass die „Wiedergeburt des deutschen Volkes und der Aufstieg des neuen Deutschen Reiches […] für die Hochschulen unseres Vaterlandes Erfüllung ihrer Sehnsucht und Bestätigung ihrer stets glühend empfundenen Hoffnung [bedeutet].“6
Die Gleichschaltungspolitik der staatlichen Führung zeigte sich spätestens am 07.04.1933 mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, in dessen Folge eine Entlassungswelle die Universitäten überrollte, der ein Sechstel der Lehrenden an den deutschen Universitäten zum Opfer fiel (vor allem jüdische Professoren, jedoch auch politisch unliebsame Angestellte). Hierzu sei gesagt, dass die Gleichschaltung der Hochschulen sehr rasch ablief, was nicht allein auf des erwähnte Gesetz zurückzuführen ist, sondern vornehmlich auf dem Selbstgleichschaltungswillen des Lehrkörpers und im Besonderen der Studierendenschaft. Dementsprechend handelt es sich bei dem gesamten Ablauf eher um eine Gleichschaltung von unten und nicht von oben durch staatliche Behörden.7
3. Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel in der Zeit des Nationalsozialismus
Auch für die Christian-Albrechts-Universität war die Zeit des Nationalsozialismus von 1933-1945 eine Zeit der großen Umwälzungen und Veränderungen. Um die Verhältnisse an der Kieler Universität näher zu betrachten, empfiehlt es sich zunächst die politische Lage des Landes Schleswig-Holstein vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 genauer zu beleuchten. Während bei den Wahlen zur Nationalversammlung 1919 noch mehr als Dreiviertel der Wahlberechtigten sich für die linksliberale DDP, der USPD und der SPD ihre Stimme gaben, veränderte sich die politische Stimmung in Schleswig-Holstein in den kommenden Jahren drastisch. Die Gunst der Wähler verschob sich stark hin zum rechten Lager. So gab es bei den Reichstagswahlen am 31.07.1932 in Schleswig eine Mehrheit von 51% für die NSDAP. 8
Als Begründung für diesen Rechtsschwenk der Bevölkerung müssen mehrere Umstände herangezogen werden. Zum einen waren die Landwirte Schleswig- Holsteins damals in einer äußerst prekären wirtschaftlichen Lage und orientierten sich deshalb in eine andere politische Richtung. Zum anderen muss diese Entwicklung unter dem Aspekt der Landesgeschichte betrachtet werden. Die Abstimmung über die Zugehörigkeit Schleswigs von 1920, genauer der Verlust Nordschleswigs an Dänemark, war sicherlich auch ein Grund für viele Schleswig- Holsteiner, ihr Wahlverhalten so drastisch zu verändern. Hinzu kommt noch eine allgemeine Antihaltung im Land, vor allem in Bezug auf den Kapitalismus, Sozialismus und gegenüber der Urbanisierung. Weiterhin können die Wahlergebnisse als ein Protest gegen die Vereinbarungen des Versailler Vertrages angesehen werden.9 Die Entwicklung in Schleswig-Holstein ist auch für die Christian-Albrechts- Universität besonders wichtig, denn seit 1924 bestand zwischen der Universität und der bürgerlichen und landwirtschaftlichen Bevölkerung eine enge Verbundenheit. Dies ist vor allem auf das politische Wirken der Schleswig-Holsteinischen Universitäts-Gesellschaft zurückzuführen, die im ganzen Land viele Veranstaltungen durchführte. Besonders die Einschätzung des Versailler Vertrages durch die Professorenschaft waren in vielen Teilen mit denen der Bevölkerung deckungsgleich. Das Selbstverständnis der Christian-Albrechts-Universität als Vorposten deutscher Kultur im Norden beruhte dabei auf der Meinung, dass man Schleswig-Holstein gegen den Einfluss Dänemarks verteidigen müsse und die beschlossene Grenzziehung rückgängig gemacht werden müsse.10
Wie bereits oben erwähnt, erfolgte die Gleichschaltung der Universitäten in Deutschland nicht durch einen Erlass von oben sondern wurde von unten (Studierendenschaft und Lehrpersonen) vorangetrieben. Dies lässt sich auch an der Christian-Albrechts-Universität beobachten. Besonders eindrucksvoll kann man dies an der Forderung der „Freien Kieler Studentenschaft“ vom 19.04.1933 festmachen, in der vom Rektor der Universität die Beurlaubung von 28 Professoren verlangt wird, mit dem Hinweis, dass sie „Quertreibereien unterbinden [und] nötigenfalls zu den schärfsten Maßnahmen greifen“ werde.11
Wie diese „schärfsten Maßnahmen“ aussahen soll an zwei Beispielen genauer betrachtet werden. Als erstes ist der Direktor des Tierseucheninstituts Walter Kießig zu nennen. Dieser hatte an der Christian-Albrechts-Universität einen Lehrauftrag und wurde 1933 von einem seiner Assistenten beschuldigt nicht die Hakenkreuzfahne auf dem Dach des Instituts wehen zu lassen. Als Reaktion hierauf wurde er sofort von seinem Amt beurlaubt und seine Lehrtätigkeit an der Universität fand ein Ende, während sein Assistent als neuer Direktor des Tierseucheninstituts eingesetzt wurde.12
[...]
1 Sabrow 2009, S. 380.
2 Ebd. 2009, S. 381f.
3 Sabrow 2009, S. 382.
4 Wolf/Petersen 1933, S. 17.
5 Sabrow 2009, S. 382f.
6 Zitiert nach Sabrow 2009, S. 384.
7 Sabrow 2009, S. 386.
8 Jessen-Klingenberg 1997, S.8.
9 Jessen-Klingenberg 1997, S. 8f.
10 Ebd., S. 9.
11 Zitiert nach Sabrow 2009, S. 389.
12 Fouquet, S. 4