Lade Inhalt...

Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs. Die Offensive gegen die Sowjetunion

©2018 Seminararbeit 15 Seiten

Zusammenfassung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Anfang des Krieges zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob dieser als Wendepunkt des Zweiten Weltkrieges angesehen werden kann.

Zunächst wird die Vorgeschichte des "Unternehmen Barbarossas" dargestellt. Daraufhin folgt eine militärhistorische Schilderung des Frontverlaufs im Zeitraum des ersten Angriffs im Juni 1941 bis zur Niederlage der Wehrmacht vor Moskau im Dezember desselben Jahres. Es folgt die Darstellung der Verbrechen der deutschen Soldaten in den eroberten Gebieten im Osten. Um diese Darstellungen zu unterfüttern, wird im darauffolgenden Kapitel der ideologische Hintergrund geschildert.

Leseprobe

Inhalt

I. Einleitung und Aufstellen der Fragestellung

II. Der Frontverlauf und die Ziele der Nationalsozialisten
II.1. Zur Vorgeschichte der Ost- Offensive
II.2. Die Verbrechen der Wehrmacht

III. Ideologischer Hintergrund

IV. Resümee

V. Literatur und Quellenverzeichnis

I. Einleitung und Aufstellen der Fragestellung

Es gibt wohl kaum ein Ereignis der neuzeitlichen Geschichte, welches, trotz seiner faktisch kurzen Zeit von sechs Jahren, eine so hohe Aufmerksamkeit in der breiten Öffentlichkeit auf sich zieht, wie der Zweite Weltkrieg. An die damaligen Ereignisse wird regelmäßig erinnert und er hat, in Kombination mit seiner Vorgeschichte, einen hohen Stellenwert in den Lehrplänen der Schulen, sowohl in Deutschland, als auch international. Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass dieser Krieg vollends erforscht sei. So beschreibt es Michael Wildt in seinem Standardwerk: „Mit einer Fülle von Darstellungen und Einzelanalysen sei es gelungen, eine nahezu lückenlose Anschauung vom NS- Regime in Deutschland und Europa zu gewinnen. Dieses Urteil erwies sich offenkundig als eklatante Fehleinschätzung“1

Fragt man einen allgemein gebildeten Bürger der Vereinigten Staaten, wo er den Wendepunkt des Zweiten Weltkrieges sehe, würde er vermutlich mit dem so genannten „D-Day“, also dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg am 06.06. 1944, antworten, ein Russe würde diese Aussage jedoch bestreiten. Ist dieser „Wendepunkt“, welcher einen hohen militärhistorischen Stellenwert besitzt denn auf einen Tag genau zu bestimmen und wie sollte man einen solchen überhaupt charakterisieren?

Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Frage beschäftigt sich diese Seminararbeit mit dem Anfang des Krieges zwischen dem Deutschen Reich, samt seiner Verbündeten und der Sowjetunion.

Zunächst wird die Vorgeschichte des „Unternehmen Barbarossas“ kurz dargestellt, samt der Ziele des Deutschen Reiches. Daraufhin folgt eine militärhistorische Schilderung des Frontverlaufs im Zeitraum des ersten Angriffs im Juni 1941, bis zur Niederlage der Wehrmacht vor Moskau im Dezember desselben Jahres, samt eines kurzen Ausblicks in den weiteren Verlauf des Zweiten Weltkrieges an der Ostfront. Im nächsten Kapitel folgt ein ziemlich aktueller Bereich der Wehrmachtsforschung, nämlich die Verbrechen der deutschen Soldaten in den eroberten Gebieten im Osten. Dieser ist in zwei Unterpunkte gegliedert, zunächst werden diese Verbrechen auf der militärischen Ebene präsentiert und im zweiten Schritt die Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung in der Sowjetunion. Um diese Darstellungen zu unterfüttern, wird im darauffolgenden Kapitel der ideologische Hintergrund, sowohl des Kriegseintritts gen Osten an sich, als auch der der dort begangenen Verbrechen geschildert. Zuletzt folgt ein Resümee, welches nach der Darstellung des „Unternehmens Barbarossa“ in mehreren Aspekten unter Einbeziehung von aktueller Forschungsliteratur, die zweigeteilte Leitfrage: „Erster Wendepunkt? Wie ist die Kriegsoffensive gegen die Sowjetunion zu charakterisieren und in welchen Punkten unterscheidet sie sich von anderen Unternehmungen des Zweiten Weltkrieges“, objektiv beantwortet.

II. Der Frontverlauf und die Ziele der Nationalsozialisten

Am 22.06.1941 begann das Deutsche Reich mit Unterstützung von Finnland, Italien, Ungarn und der Slowakei die Kriegsoffensive auf etwa 2000 Kilometern Front, von der Ostsee, bis zur Schwarzmeerküste. Auf deutscher Seite wurden etwa 3,3 Millionen Soldaten an die Front entsendet, welche in drei Heeresgruppen untergliedert waren (Heeresgruppe Nord, Süd und Mitte), wovon die Heeresgruppe Mitte die stärkste war. Sie traten zu Kriegsbeginn gegen fünf sowjetische Fronten an.2

Dieser Angriff geschah ohne offizielle Kriegserklärung. In der Nacht des 22.06.1941 erreichte diese Nachricht Moskau. Josef Stalin, so drückt es Richard Overy aus, „war von der Nachricht schockiert, aber nicht wie häufig behauptet gelähmt. Eine Zeit lang klammerte er sich an die Hoffnung, es handle sich um eine begrenzte Provokation“3 Nachdem sein damaliger Verteidigungsminister S.K. Timoschenko jedoch einwandte, dass eine derartige Bombardierung keine reine Provokation sein kann, verkündete Stalin: „Wir werden den Feind auf ganzer Linie schlagen“4

In den ersten Monaten des Krieges musste Russland, welches trotz Stalins Entschlossenheit nicht komplett auf einen derartigen Feldzug der Wehrmacht vorbereitet war, herbe Niederlagen hinnehmen. Im Sommer 1941 schien die Blitzkriegsstrategie der Wehrmacht, welche ihr bereits den Sieg über Frankreich gesichert hatte, aufzugehen. In nur wenigen Tagen durchbrachen die motorisierten Kräfte der Wehrmacht die erste Staffel der Roten Armee. In den ersten sechs Tagen des Krieges legten sie bereits 300 Kilometer in Richtung Moskau zurück.5

Moskau, Hauptstadt der Sowjetunion war das ausgegebene Hauptziel des „Unternehmens Barbarossa“. Man glaubte, die Rote Armee würde kapitulieren, sobald Moskau gefallen sei. Da die Wehrmacht nicht über ausreichend Winterbekleidung verfüge, müsse Moskau bereits im Herbst erobert sein. In den ersten Tagen des Krieges schien dieses Ziel auch äußerst realistisch. Selbst internationale Militärexperten „, teilten damals solche Erwartungen; ein deutscher Sieg- zumindest im Gebiet westlich des Urals- erschien in den Sommertagen nur noch als eine Frage der Zeit“6. Wichtig zu beachten ist hier jedoch, dass die Wehrmacht früh erkannte, dass man den Feind sowohl in seiner Qualität, als auch seiner Quantität unterschätzt habe und zunehmend unterlegen war. Dies konnte man zu Beginn des Kriegseinsatzes jedoch durch taktische Manöver kompensieren.7

Unausweichlich schien jedoch, dass das Von Hitler ausgegebene und von Goebbels proagierte Ziel, nämlich Moskau im Spätherbst 1941 zu erobern, nicht zu erreichen sei. Man habe die Rote Armee vor allem in ihrer Truppenstärke und auch in ihrer Vorbereitung auf den Kampf im Winter unterschätzt.8 So beschreibt der Wehrmachtsgeneral Gotthard Heinrici es am 16. Dezember 1941 in einem Brief an seine Frau:

Ich schreibe Dir in größter Sorge um die Dinge, die sich hier abspielen. Der Russe ist in den großen Lücken, die unsere dünne Front allenthalben hat, an mehreren Stellen durchgestoßen und hat uns zum Rückzug gezwungen. Er vollzieht sich unter den gleichen Begleitumständen wie im Jahre 1812, tiefem Schnee, fast ungangbaren Wegen, Schneetreiben, Sturm u. Kälte. Welches Ende diese Dinge nehmen werden, weiß ich nicht, man kann nur hoffen, dass es gelingt die Sache noch zum Stoppen zu bringen. […] 9

Heinricis Vergleich zwischen der damaligen Lage der Wehrmacht und des Feldzuges Napoleons in Russland 1812 wird auch in der aktuellen Militärforschung häufig gezogen10. General Heinrici erlebte hier die erste große und verheerende Niederlage der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg überhaupt. In Zahlen bedeutet dies, dass die Wehrmacht, welche bis Ende Juli 1941 mit 46000, im Verhältnis zu ihrem Feind, wenig Gefallene zu beklagen hatte, bis Ende November desselben Jahres bereits 25 Prozent ihrer Streitmacht verlor. Allein die Schlachten um Leningrad, Kiew und Moskau brachten etwa 118000 Tote.11 Die Rote Armee hatte auf der anderen Seite ebenfalls herbe Verluste zu verzeichnen. Diese sind trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit nicht außer Betracht zu ziehen und auch dem geschuldet, dass sie in den ersten Kriegsmonaten bis zum Winter die meisten bedeutenden Schlachten verlor. Somit kommt Richard Overy auf die Rechnung, dass für jeden gefallenen deutschen Soldaten bis Dezember 1941 etwa 20 Rotarmisten ihr Leben verloren.12

Als Zwischenfazit lässt sich hier festhalten, dass Hitler sein Ziel, Russland bis zum Herbst 1941 zu erobern, nicht erreichte. Diese erste große Niederlage hat, im Vergleich zur Schlacht um Stalingrad im Februar 1943, welche gerade in diesem Jahr anlässlich ihres Jubiläums wieder in den Fokus rückt13, eine geringe mediale Aufmerksamkeit. Sie ist jedoch äußerst bedeutend. Nicht nur die militärischen, sondern auch die ideologischen Ziele dieses Krieges, mehr hierzu in Kapitel IV, wurden hier erstmals angegriffen und ihre Erfüllung konnte in Frage gestellt werden. Bevor sich dieser Aufsatz nun den Kriegsverbrechen, welche dort begangen wurden, widmet, muss ein Exkurs in die Vorgeschichte des „Unternehmen Barbarossa“ gemacht werden.

II.1. Zur Vorgeschichte der Ost- Offensive

Am 24.08.1939, also knapp zwei Jahre vor dem Beginn des „Unternehmen Barbarossa“ beschlossen der Außenminister des Deutschen Reiches Joachim von Ribbentrop und der Volkskommissar für Äußere Angelegenheiten der Sowjetunion Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow den Nichtangriffspakt zwischen den beiden Reichen, welcher zunächst auf zehn Jahre befristet war. Umgangssprachlich wurde dieser Vertrag als „Hitler-Stalin- Pakt“ bezeichnet, obwohl Hitler bei seiner Unterzeichnung (im Gegenteil zu Josef Stalin) nicht anwesend war.14 Mit diesem Pakt beschlossen die beiden Nationen auch in einem Geheimprotokoll die Aufteilung Polens und weiterer Gebiete. Doch wieso haben die Nationalsozialisten diesen Pakt bereits zwei Jahre später gebrochen und fielen in so einem enormen Maße in die Sowjetunion ein?

Diese Frage ist aktuell immer noch nicht eindeutig zu beantworten, da dort sehr viele Komponenten eine Rolle spielen, welche nicht exakt gewichtet werden können. Im Folgenden werden einige wichtige Gesichtspunkte kurz geschildert.

Der erste Aspekt ist, dass die Nationalsozialisten von ihren effizienten und vor allem schnellen Siegen im Westen beflügelt waren. Man hat Frankreich, Belgien und die Niederlande schnell erobert. Zu diesem Zeitpunkt sah die Wehrmacht sich unbesiegbar. Das erfolgreiche Gelingen der Blitzkriegsstrategie ließ darauf schließen, dass man diese auch gegen weitere Staaten einsetzen würde, um das Deutsche Reich zu vergrößern.15 Der Erfolg der Eroberung Polens mit Hitlers Ziel des „Lebensraum im Osten“ lässt ebenfalls darauf schließen, dass der Diktator diese Expansion gen Osten noch nicht als abgeschlossen sah.

Eine weitere Theorie, jedoch äußerst umstritten, ist, dass der Einmarsch der Wehrmacht auf sowjetischem Gebiet als Präventivschlag zu verstehen sei. Die Theorie, dass Stalin einen Krieg gegen das Deutsche Reich plante ist jedoch nicht ausreichend belegt.16 Zwar lassen einige Dokumente, wie beispielsweise Gesprächsaufzeichnungen Stalins, darauf schließen, allerdings ist es im Anbetracht dessen, dass die Sowjetunion an der Front zunächst schlecht aufgestellt war, eine im Geheimen geplante Offensive ausschließen. Dennoch ist es möglich, dass Hitler sich von der Sowjetunion bedroht sah.

[...]


1 Wildt, Michael: Geschichte des Nationalsozialismus, Göttingen 2008. S.8.

2 Vgl. Hartmann, Christian: Wehrmacht im Ostkrieg. Front und militärisches Hinterland 1941/42, München 2009, Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 75. S.246 f.

3 Overy, Richard: Russlands Krieg. 1941-1945 ( Aus dem Englischen von Kober, Hainer) Hamburg 2003. S.126.

4 Spahr, William J.: Zhurkov. The Rise and Fall of a Great Captain, Novato/ Kalifornien 1993. S. 49.

5 Vgl. Hartmann: Wehrmacht. S.253f.

6 Hartmann: Wehrmacht S. 254.256

7 Vgl. Hartmann: Wehrmacht. S.257

8 Vgl. v. Schwerin, Joachim: „Bewährung, Bedrängnis und Verhalten der Fronttruppe“. Ein Bericht aus eigenem Erleben am Beispiel des Ostfeldzugs, in: Poeppel, Hans (u.A.) (Hg.):Die Soldaten der Wehrmacht, München 1998, S. 163f.

9 Hürter, Johannes (Hg.): Notizen aus dem Vernichtungskrieg. Die Ostfront 1941/42 in den Aufzeichnungen des Generals Heinrici, Darmstadt 2016. S. 118

10 Vgl. hierzu: Hartmann: Wehrmacht. S. 348 f.

11 Zu den Zahlen vgl. Schramm, Percey Ernst(Hg.): Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht Bd.1, Frankfurt am Main 1965 S. 1120f.

12 Vgl. Overy: Russlands Krieg. S. 188f.

13 Bspw. Vgl. Artikel aus der Welt: https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article172991314/Kapitulation-in-Stalingrad-So-kaempften-die-Generaele-bis-zur-letzten-Patrone.html. 21.02.2018, 12:30

14 Vgl. Wildt: Nationalsozialismus. S. 143ff.

15 Vgl. Willdt: Nationalsozialismus. S. 154f.

16 Vgl. Strauss, Wollfgang: Unternehmen Barbarossa und der russische Historikerstreit, München 1998, S.45-47.

Details

Seiten
Jahr
2018
ISBN (eBook)
9783346028211
ISBN (Buch)
9783346028228
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ruhr-Universität Bochum – Historisches Institut
Erscheinungsdatum
2019 (Oktober)
Note
2,0
Schlagworte
2.Weltkrieg Barbarossa Nationalsozialismus Wehrmacht Kriegsverbrechen Sowjetunion Wendepunkt Deutschland 1939-45 Deutsches Reich Hitler Stalin Militär Militärgeschichte
Zurück

Titel: Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs. Die Offensive gegen die Sowjetunion