In der vorliegenden Arbeit wird es um drei von Roberto Arlts "Aguafuertes porteñas" zur Immigration gehen. Dafür wird im ersten Abschnitt die Einwanderungswelle nach Argentinien von 1830 bis 1930 dargestellt, um eine Grundlage für die Analyse der "Aguafuertes porteñas" zu schaffen. In der Lektüre wird die Immigration nach Argentinien oft als "Chance" oder als "Ziel" für Ausländer dargestellt. Was und wie Roberto Arlt, selbst Sohn von Einwanderern, zur Immigration in seinen "Aguafuertes porteñas" schreibt, wird fortfolgend analysiert.
Wohl kaum ein anderes Land erlebte eine solch enorme Migrationswelle wie Argentinien gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhundert. Von 1870 bis 1930 kamen rund sechs Millionen Immigranten aus Europa. Doch das geschah nicht zufällig. Nach der Wiedereroberung der Unabhängigkeit Argentiniens 1816 spielten die Immigranten eine große Rolle für die Wirtschaftsentwicklung, das Wirtschaftswachstum und damit die Armutsbekämpfung in Argentinien. Daher sorgte die Regierung für ideale Bedingungen für eine Einwanderung, auf die später noch genauer eingegangen werden.
So wanderten auch die Eltern Roberto Arlts (die Mutter eine Italienerin und der Vater Deutscher) nach Argentinien aus. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und die Beziehung zu seinen Eltern, besonders zu seinem gewalttätigen Vater, war sehr schlecht. Er brach in frühen Jahren die Schule ab und merkte zeitig, dass er sich zur Literatur hingezogen fühlte. Gegen Ende der 1920er erschienen seine ersten "Aguafuertes porteñas" in der Zeitschrift "El Mundo", noch ohne seinen Namen und Titel.
"Aguafuertes porteñas" sind kurze Zeitschriftenartikel, die Roberto Arlt erstmals 1928 als tägliche journalistische Notiz veröffentlichen durfte und welche danach bis 1942 zum festen Bestandteil der Zeitschrift zählt. Normalerweise wurden journalistische Texte zu der Zeit immer ohne Namen veröffentlicht, doch Roberto Arlt durfte in späteren Aguafuertes porteñas seine Initialen R. A. daruntersetzen und danach seinen ganzen Namen, was ihn sehr berühmt machte. Er schrieb in den Artikeln oft humorvoll und sozialkritisch in der Ich-Form über das Großstadtleben in Buenos Aires und wie er es wahrnahm.
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Einwanderungswelle nach Argentinien von 1830 bis 1930
3. Drei Aguafuertes porteñas von Roberto Arlt
3.1 „Las cuatro recovas“
3.2 „El turco que juega y sueña”
3.3 „Comerciantes de Libertad, Cerrito y Talcahuano”
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Wohl kaum ein anderes Land erlebte eine solch enorme Migrationswelle wie Argentinien gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhundert. Von 1870 bis 1930 kamen rund sechs Millionen Immigranten aus Europa.1 Doch das geschah nicht zufällig. Nach der Wiedereroberung der Unabhängigkeit Argentiniens 1816 spielten die Immigranten eine große Rolle für die Wirtschaftsentwicklung, das Wirtschaftswachstum und damit die Armutsbekämpfung in Argentinien. Daher sorgte die Regierung für ideale Bedingungen für eine Einwanderung, auf die später noch genauer eingegangen werden. So wanderten auch die Eltern Roberto Arlts2 (die Mutter eine Italienerin und der Vater Deutscher) nach Argentinien aus. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und die Beziehung zu seinen Eltern, besonders zu seinem gewalttätigen Vater, war sehr schlecht. Er brach in frühen Jahren die Schule ab und merkte zeitig, dass er sich zur Literatur hingezogen fühlte. Gegen Ende der 1920er erschienen seine ersten Aguafuertes porteñas in der Zeitschrift „El Mundo“, noch ohne seinen Namen und Titel. Aguafuertes porteñas sind kurze Zeitschriftenartikel, die Roberto Arlt erstmals 1928 als tägliche journalistische Notiz veröffentlichen durfte und welche danach bis 1942 zum festen Bestandteil der Zeitschrift zählt. Normalerweise wurden journalistische Texte zu der Zeit immer ohne Namen veröffentlicht, doch Roberto Arlt durfte in späteren Aguafuertes porteñas seine Initialen R. A. daruntersetzen und danach seinen ganzen Namen, was ihn sehr berühmt machte. Er schrieb in den Artikeln oft humorvoll und sozialkritisch in der Ich- Form über das Großstadtleben in Buenos Aires und wie er es wahrnahm3.
In der vorliegenden Arbeit wird es um drei von Roberto Arlts Aguafuertes porteñas zur Immigration gehen. Dafür wird im ersten Abschnitt die Einwanderungswelle nach Argentinien von 1830 bis 1930 dargestellt, um eine Grundlage für die Analyse der Aguafuertes porteñas zu schaffen.
In der Lektüre wird die Immigration nach Argentinien oft als „Chance“ oder als „Ziel“ für Ausländer dargestellt. Was und wie Roberto Arlt, selbst Sohn von
Einwanderern, zur Immigration in seinen Aguafuertes porteñas schreibt, wird fortfolgend analysiert.
2. Die Einwanderungswelle nach Argentinien von 1830 bis 1930
Bereits um 1830 kamen die ersten Immigranten aus den Vereinigten Staaten Amerikas nach Argentinien, um dort ihr Glück zu finden und ein neues Leben anzufangen. Diese merkten aber schnell, dass das Land selbst noch in tiefen Unruhe steckte, da immer noch Uneinigkeiten herrschten, wie der Staat nach seiner neu gewonnen Unabhängigkeit um 1816 geführt werden solle. Die Meinungen schieden sich zwischen einem zentralisierten Staatssystem mit dem Hauptsitz in Buenos Aires oder einem dezentralisierten System. Durch diese Streitigkeiten gab es von 1840 bis 1860 keine weiteren Einwanderungsströme. Das durch den Eroberungskrieg stark geschwächte, bevölkerungsschwache und wirtschaftlich äußerst instabile Argentinien war jedoch auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Daher gründete die Regierung 1857 eine staatlich gestützte Einwanderungskommission, die Maßnahmen treffen sollte, um die Immigration zu fördern und somit Argentinien wieder wirtschaftlich stärken sollte. Sie lockten unter anderem mit flächenmäßig großem, günstigem und fruchtbarem Boden. Sie setzen eine Leitlinie in der Migrationspolitik, indem sie zusätzlich die Suche nach dem (kulturellen) Konsens zwischen Her- kunfts- und Zielland der Immigranten unterstützten.4
Das Hauptaugenmerk der Politik lag mittlerweile hauptsächlich bei den „derechos humanos de los migrantes, la migración laboral e irregular y los desplazamientos forzosos, el tráfico y trata de personas, la seguridad nacional e internacional y la gobernabilidad de las migraciones”5. Zusätzlich wurde 1870 das “Hotel de Inmigrantes” gegründet. Mithilfe dieser kostenlosen Unterbringung für die ersten Tage wollte man den Immigranten einen einfacheren Start in ihre neue Heimat ermögli- chen.6
Dank der vielen Maßnahmen und des Entgegenkommens der Regierung startete gegen Ende des 19. Jahrhunderts die bisher größte Einwanderungswelle Argentiniens. Immigranten aus ganz Europa strömten nach Argentinien mit der Hoffnung, dort ein neues und besseres Leben anfangen zu können. Schnell stellten sich die ersten sichtbaren Erfolge und Fortschritte ein: Der Export von Vieh und landwirtschaftlichen Produkten stieg rasant an und förderte dadurch das Wachstum der internationalen Wirtschaft und ermöglichte damit die Integration in den globalen Weltmarkt.7
Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts schien es, als gäbe es nur Vorteile der immensen Einwanderungswelle. Jedoch mit Beginn des ersten Weltkrieges wurden auch die negativen Aspekte sichtbar. Obwohl die Regierung den Bewohnern Argentiniens die Wichtigkeit der Einwanderer für den wirtschaftlichen Wideraufbau erklärte, standen diese zwiespältig dem enormen Wachstum gegenüber. Sie hatten Angst vor eingeschleppten Krankheiten und Arbeitslosigkeit. Besonders unbeliebt waren die turcos - Einwanderer aus dem osmanischen Reich, da sie auch unter anderem schmutzige Geschäfte wie die Prostitution nach Argentinien brachten.8 Schon seit Beginn der Migrationswelle versuchte die Regierung die Immigranten zu selektieren. Gern gesehen waren Migranten aus den fortschrittlichen nordeuropäischen Ländern; nicht gewollt hingegen waren jene aus Ost- und Südeuropa. Jedoch wurde die angestrebte Selektion relativ schnell durch eine unkontrollierbare Autonomie der Ankömmlinge zerschlagen.9 Lieber gesehen als Einwanderer aus dem osmanischen Reich, waren Juden, auch „gaucho judío“ genannt. Sie kamen nur aus einem Grund nach Argentinien: aus Angst. Durch Pogrome und Hunger in ihren Heimatländern hatten sie keinen Grund, länger dort zu verweilen und wollten nach Argentinien in die Freiheit10. Für Argentinien waren sie eine Bereicherung, besonders für die Literatur. Somit wurden Autoren, wie Maimonides, Spinoza, Marx und Freud Teil der argentinischen Literatur. Die Juden gründeten, wie sie es auch schon in anderen Ländern taten, ihre eigene kleine Welt. Aufgrund von Misstrauen gegenüber der immer noch instabilen und angespannten politischen Lage in Argentinien, gründeten sie neue Schulen, Bibliotheken, Zeitschriften und viele andere Institutionen. Dies brachte aber auch negative Seiten mit sich. Durch diese Autonomie war es fast unmöglich, sich an ihre neue Umgebung und deren Bewohner anzupassen. Daher scheiterte damals der Versuch, eine eindeutige jüdische oder argentinische Identität zu finden.11
Auch gab es sogenannte golondrinas. Das waren Einwanderer, die Land in Argentinien besaßen und somit die Erntezeiten in Argentinien verbrachten, danach aber wieder zurück in ihr Herkunftsland reisten. Die Bezeichnung fällt auf die Schwalbe zurück, welche Jahr für Jahr aus- und wieder einwandert, ohne sich in eine Gemeinschaft zu etablieren.12
Mit dem Beginn des ersten Weltkrieges und dem Rückgang der Einwanderung von 1915 bis 1917 zeigte sich endgültig, dass das Projekt „Einwanderung“ zu wackeln begann. Die Weltwirtschaftskrise 1929 erzwang das Ende der Einwanderungswelle. Niedrige Löhne und wachsende Arbeitslosigkeit waren nur die ersten von vielen weiteren Folgen. Die wachsende Fremdenfeindlichkeit und der Antisemitismus der Ureinwohner zwangen die Regierung zur Handlung. Durch die 1930 und 1938 festgelegten Einwanderungsbeschränkungen und die hohe Arbeitslosigkeit kehrten immer mehr in ihr Heimatland zurück. Im Jahr 1949 gab es bereits nur noch 148.000 Neuankömmlinge und 133.00 Rückkehrer.13
Einige weitere Versuche, Immigranten anzulocken, scheiterten. Die anfänglich so hochgelobte und bewunderte Einwanderungspolitik Argentiniens endete schließlich für viele der Immigranten in Armut und Arbeitslosigkeit. Diejenigen, die sich die Rückreise in ihr Herkunftsland leisten konnten, kehrten zurück. Die anderen hatten entweder Glück und behielten ihre Jobs, wenn auch mit niedrigerem Lohn oder mussten fortan in Armut und Arbeitslosigkeit leben.
[...]
1 Vgl. Eduardo E. Domenech, “La agenda política sobre migraciones en América del sur”, S. 3.
2 geb. 1900, gest. 1942.
3 Wichtig ist hierbei zu beachten, dass immer die persönliche Meinung Roberto Arlts in den Zeitschriftartikeln geschrieben wurde.
4 Vgl. Eduardo E. Domenech, “La agenda política sobre migraciones en América del sur”, S. 32ff.
5 Eduardo E. Domenech, “La agenda política sobre migraciones en América del sur”, S. 3.
6 Vgl. Eduardo E. Domenech, “La agenda política sobre migraciones en América del sur”, S. 4f.
7 Vgl. Roberto Cortés Conde, The Political Economy of Argentina in the Twentieth Century, S. 53.
8 Vgl. Jeffrey Williams, Migration and the international Labor Market 1850-1939, S. 182f.
9 Vgl. Eduardo E. Domenech, “La agenda política sobre migraciones en América del sur”, S. 7.
10 Vgl. Donald S. Castro, The Development and Politics of Argentine Immigration Policy, S. 168f.
11 Vgl. Eduardo E. Domenech, “La agenda política sobre migraciones en América del sur”, S. 43ff.
12 Vgl. Jeffrey Williams, Migration and the international Labor Market 1850-1939, S. 184.
13 Carolina Biernat, ¿Buenos o útiles? La política inmigratoria del peronismo, S. 127.