Die Arbeit thematisiert die Frage, wie sich die deutschen Vergangenheitsformen im grammatischen Fremdsprachenunterricht erfolgreich vermitteln lassen. Diese Arbeit möchte also einen Beitrag zu der Diskussion leisten, die sich die Frage stellt, wie Vergangenheitsformen methodisch vermittelt werden können und auf welchen lerntheoretischen Grundlagen die im Unterricht anwendbaren Methoden fußen.
Um dem wissenschaftlichen Anspruch gerecht zu werden, sind im Verlauf dieser Arbeit keine konkreten Übungsmaterialien zu erwarten. Vielmehr steht eine theoretische Diskussion im Mittelpunkt. Es werden Form und Funktion der Vergangenheitsformen unterschieden und die formale Bildung der Vergangenheitsformen des Deutschen erklärt. Es schließt sich eine Debatte über die gängigen Lerntheorien an, auf deren Grundlage die Methoden der Vermittlung vorgestellt werden. Hierzu werden verschiedene Forschungsansätze und lerntheoretische Perspektiven dargestellt, sowie methodische Ansätze erklärt.
Neben der Wahrnehmung des Raumes ist die Erfahrung von Zeit eine der grundlegenden Dimensionen, der sich kein Mensch entziehen kann. Die Sprache ist die Form, in der sich Wahrnehmungen und Erfahrungen ausdrücken lassen. Hierfür ist das Beherrschen der Vergangenheitsformen eine nötige Voraussetzung. Ein wichtiger Punkt des modernen Fremdsprachenunterrichts ist dessen Fokussierung auf die kommunikative Kompetenz. Diese wird nicht nur von einer Vielzahl von Wissenschaftlern gefordert, sondern ist ebenso im Europäischen Referenzrahmen der Sprachen formuliert.
Einleitung
1. Vorstellung der Vergangenheitsformen des Deutschen aus fachwissenschaftli- cher Perspektive
1.1 Perfekt
1.2 Präteritum
1.3 Plusquamperfekt
2. Begründung und Arten der Vermittlung der Vergangenheitsformen aus fachdi- daktischer und methodischer Perspektive
2.1 Unterscheidungskriterien für die Vermittlung aus fachdidaktischer Perspekti- ve
2.2 Methoden zur Vermittlung
Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Einleitung
Neben der Wahrnehmung des Raumes ist die Erfahrung von Zeit eine der grundlegenden Di- mensionen, denen sich kein Menschen entziehen kann. (Vgl. Granzow-Emden 2014: 157) Die Sprache ist die Form, in der sich Wahrnehmungen und Erfahrungen ausdrücken lassen. Hier- für ist das Beherrschen der Vergangenheitsformen eine nötige Vorraussetzung.
Die dieser Arbeit zugrunde liegende Frage ist: Wie können die deutschen Vergangenheitsfor- men im grammatischen Fremdsprachenunterricht1 erfolgreich vermittelt werden? Diese Arbeit möchte also einen Beitrag zu der Diskussion leisten, die sich die Frage stellt, wie Vergangen- heitsformen methodisch vermittelt werden können und auf welchen lerntheoretischen Grund- lagen die im Unterricht anwendbaren Methoden fußen. Um dem wissenschaftlichen Anspruch gerecht zu werden, sind im Verlauf dieser Arbeit keine konkreten Übungsmaterialien zu er- warten.2 Vielmehr steht eine theoretische Diskussion im Mittelpunkt.
Der Aufbau der Arbeit ist so gestaltet, dass zunächst Form und Funktion der Vergangenheits- formen unterschieden und die formale Bildung der Vergangenheitsformen des Deutschen er- klärt werden. Es schließt sich eine Debatte über die gängigen Lerntheorien an, auf deren Grundlage das darauffolgende Kapitel, das sich den Methoden der Vermittlung widmet, for- muliert ist. Hierzu werden verschiedene Forschungsansätze und lerntheoretische Perspektiven dargestellt, sowie methodische Ansätze erklärt.
Ein wichtiger Punkt des modernen Fremdsprachenunterrichts ist dessen Fokussierung auf die kommunikative Kompetenz. Diese wird nicht nur von einer Vielzahl von Wissenschaftlern gefordert, sondern ist ebenso im Europäischen Referenzrahmen der Sprachen formuliert.
Es werden im Verlauf unterschiedliche Ansätze gezeigt, wie die kommunikative Kompetenz bezogen auf die Vergangenheitsformen in den Unterricht integriert und geübt kann. Eine der in dieser Arbeit diskutierten Fragen ist die des induktiven und deduktiven Vermittlungsansat- zes. Ebenso wird implizites und explizites Lernen und Wissen thematisiert und mit dem in- duktiven und deduktiven Vermittlungsansatz in Verbindung gebracht. Es werden Unterrichts- sequenzen und Lernfelder (Nation 2001) analysiert und ein beispielhafter Unterricht nach dem induktiven Ansatz und dem Thema Perfekt dargestellt.
Am Ende der Arbeit steht in einer Abschlussbetrachtung die Zusammenführung der fachdi- daktischen und methodischen Perspektiven, sowie ein Ausblick zum weiteren Verfolgen des Themas.
1. VorstellungdeVr ergangenheitsformendesDeutschen ausfachwissenschaftlichePr erspektive
Bestimmte Wörter, wie bald, heute, nachdem, u.v.w. sind lexikalische Mittel, die einen zeitli- chen Bezug direkt zum Ausdruck bringen. Der Terminus „Zeitwort“, der vor allem in der Grundschule zur Verwendung kommt, ist jedoch irreführend. „Den Zeitbezug bewirken Ver- ben an erster Stelle durch die Tempusformen, die seit jeher zum schulgrammatischen Wissen gehören.“ (Granzow-Emden 2014: 157) Bei der Differenzierung ist Wert auf die Unterschei- dung zwischen Form und Funktion zu legen:
Formal finden sich in der deutschen Sprache, wie in vielen anderen Sprachen, mehrere Term- pora (Tempusformen). Tempora werden Finitumformen und Verbalkomplexe genannt, die in Paradigmen die gleiche grammatische und (neutrale) Stammbedeutung haben. (Vgl. Karolak 2015: 89).
Wie viele Tempora das Deutsche genau umfasst, ist umstritten. „Bartsch (1980) befürwortet nur zwei Tempora: `Präsens` und Präteritum. Vater (1983: 206) und Schulz / Griesbach (1978: 43) plädieren für ein System von vier Tempora: Präsens, Präteritum, Perfekt und Plusquam- perfekt.“ (Karolak 2015: 89).
„In den meisten Gebrauchsgrammatiken folgt man der grammatischen Tradition, nach der es im Deutschen nach dem Vorbild der lateinischen Grammatik sechs Tempora gibt: Präsens, Präteritum, Perfekt, Plusquamperfekt, Futur I und II.“ (Karolak 2015: 90).
Das Präsens soll als Beispiel dienen: „Das Präsens kann zwar einen Bezug zur Zeit herstellen. Es ist aber keine Zeit; es ist auch keine Zeit, in der das Verb steht, sondern eine Form.“ (Gran- zow-Emden 2014: 157).
Auf funktionaler Ebene kann ein Satz jedoch auf Zeitliches verweisen. Es kommen im Deut- schen drei Zeitstufen zur Anwendung. Diese sind Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Warum die Unterscheidung zwischen funktionaler und formaler Ebene wichtig ist, zeigen fol- gende Beispiele:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Granzow-Emden 2014: 158)
Im Text finden sich die Tempora Präsens (Z. 1-5, Z. 6, Z. 8), Präteritum (Z. 6) und Perfekt3 (Z. 8). Auch die Zeilen, die im Präsens geschrieben stehen, werden Leser jedoch in der Ver- gangenheit einordnen. „Eine solche Präsensverwendung wird auch als narratives oder histori- sches Präsens bezeichnet. Damit lässt sich ein Geschehen aus der Vergangenheit vergegen- wärtigen.“ (Granzow-Emden 2014: 159)
„Die Zeitreferenz eines Tempus hängt vom Inhalt der Äußerung und ihrem Ko(n)text, vor allem von den Termporalangaben ab. Zum Beispiel ist in den Äußerungen:
(1) Jetzt fährt er nachhause.
(2) Morgen fährt er nachhause.
(3) 1990 fährt er nachhause.
die Temporalform fährt gleich: Alle drei Äußerungen stehen im Präsens. Die Zeitreferenz ist aber ver- schieden: In der Äußerung (1) bezieht sich der Sprecher auf die Gegenwart, in (2) auf die Zukunft und in (3) auf die Vergangenheit.“ (Karolak 2015: 186)
Die dargestellten Beispiele zeigen exemplarisch, dass Zuordnungen wie `Präsens = Gegen- wart` unangemessen sein können. Für den weiteren Verlauf dieser Arbeit wird sich dem for- malen Teil des eben Dargestellten gewidmet. Es soll für diese Arbeit gelten, dass Präteritum und Perfekt als Tempora angesehen sind, sodass diese in ihrer Bildung analysiert werden kön- nen. Auch das Plusquamperfekt soll als Form, nämlich als zusammengesetzte (Vor-)Vergan- genheitsform, gelten. Im weiteren Verlauf werden zunächst diese drei Formen formal darge- stellt.
1.1 Perfekt
Das Perfekt ist die in der deutschen Verbalsprache am häufigsten zur Anwendung kommende Vergangenheitsform. (Vgl. Granzow-Emden 2014: 174) Entsprechend der Priorisierung der Kommunikationskompetenz im modernen DaZ/F-Unterricht, sollte es als erste Vergangen- heitsform gelehrt bzw. gelernt werden. Das Perfekt kann in zwei Varianten gebildet werden: in einem Aktivsatz und in einem Passivsatz.
In einem Aktivsatz wird das Perfekt gebildet, indem das finite Hilfsverb haben oder sein in konjugierter Form im Präsens mit einem Vollverb im Partizip II verbunden wird oder das fini- te Hilfsverb haben im Präsens mit einem Vollverb im Infinitiv und einem Modalverb im Infi- nitiv verbunden wird. (Vgl. Granzow-Emden 2014: 174) Zwei Beispiele sollen das Erklärte darstellen:
Bsp. 1: Der frühe Vogel hat den Wurm gefangen. (haben + Partizip II)
Bsp. 2: Der frühe Vogel hat den Wurm fangen können. (haben + Infinitiv + Modalverb im Infinitiv)
Ein Passivsatz steht im Perfekt, wenn sich die finite Verbform des Hilfsverbs sein im Präsens mit einem Vollverb im Partizip II und dem Passivhilfsverb worden verbindet. Die zweite Möglichkeit des Passivsatzes im Perfekt ist gegeben, wenn das finite Hilfsverb haben im Prä- sens mit einem Vollverb im Partizip II und dem Passivhilfsverb werden im Infinitiv und einem Modalverb im Infinitiv verbunden wird. (Vgl. Granzow-Emden 2014: 174) Auch diese Aus- führung des Perfekts sollen mit Hilfe zweier Beispielsätze dargestellt sein:4
Bsp. 3 (Grafik: Granzow-Emden 2014: 174):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bsp. 4 (Grafik: Granzow-Emden 2014: 174):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Perfekt kommt vor allem dann zur Anwendung, wenn Vergangenes in die Gegenwart hin- einwirkt.
1.2 Präteritum
Wie für das Perfekt, gelten auch für das Präteritum unterschiedliche Varianten in der Bildung. Diese Varianten sind erneut im Unterschied zwischen Aktivsatz und Passivsatz zu finden. „Ein Aktivsatz steht im Präteritum, wenn die finite Verbform ein Vollverb im Präteritum ist oder die finite Verbform ein Modalverb im Präteritum ist und im rechten Verbfeld (siehe Gra- fik) ein Vollverb im Infinitiv erscheint.“ (Granzow-Emden 2014: 180)
Bsp.1 (Grafik: Granzow-Emden 2014: 180):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bsp. 2 (Grafik: Granzow-Emden 2014: 180):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Für die Bildung eines Passivsatzes muss das finite Passivhilfsverb werden im Präteritum mit einem Vollverb im Partizip II gebildet werden oder ein finites Modalverb im Präteritum mit einem Vollverb im Partizip II und dem Passivhilfsverb werden im Infinitv verbunden werden. (Vgl. Granzow-Emden 2014: 180) Die folgenden Beispielsätze drei und vier veranschaulichen dies:
Bsp. 3 (Grafik: Granzow-Emden 2014: 180):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bsp. 4 (Grafik: Granzow-Emden 2014: 180):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Präteritum verweist auf funktionaler Ebene auf Vergangenes. Es wird in der Verbalspra- che deutlich seltener angewendet als das Perfekt. In Berichten, Sagen und Märchen ist das Präteritum hingegen der Standardtempus.
1.3 Plusquamperfekt
Das Plusquamperfekt, auch Präteritumperfekt genannt, ist die letzte Vergangenheitsform, die im Rahmen dieser Arbeit vorgestellt werden soll. Was die formale Bildung des Plusquamper- fekts anbelangt, so ist die Namensgebung Präteritumperfekt wohl nicht unbedingt als geeigne- ter, jedoch als verständlicher anzusehen, da sich aus diesem Namen die Bildung der Form leichter schließen lässt. In dieser Arbeit soll weiter der Name Plusquamperfekt gelten.
Auch in der Bildung des Plusquamperfekts werden Aktiv- und Passivsatz unterschieden. Ein Aktivsatz steht im Plusquamperfekt, „wenn sich das finite Hilfsverb haben oder sein im Präte- ritum mit einem Vollverb im Partizip II im rechten Verbfeld (Bsp. 1) verbindet oder das finite Hilfsverb haben im Präteritum mit einem Vollverb im Infinitiv und einem Modalverb im Infi- nitiv verbindet (Bsp. 2).“ (Granzow-Emden 2014: 181)
Bsp. 1 (Grafik: Granzow-Emden 2014: 181):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 ab hier: FSU
2 Trotzdem sind einige Beispielübungen im Anhang beigelegt. Mehr dazu in Kapitel 2.2.
3 Manche Wissenschaftler nennen das Perfekt auch Präsensperfekt. In dieser Arbeit soll die Form Per- fekt gelten.
4 Aufgrund des Rahmens, der diese Arbeit beschränkt, sollen Ausnahmen in der richtigen Wahl der Hilfsverben bei vermeintlich gleichem Partizip II, wie beispielsweise in den Sätzen „Anne ist nach Berlin gezogen“ und „Kevin hat die Notbremse gezogen“ nicht näher dargestellt werden. Für das Nachlesen dieser und weiterer Ausnahmen empfiehlt sich Granzow-Emden 2014, sowie Karolak 2015.