Diese Arbeit vergleicht die Italienische Küche mit der Deutschen. Doch kann man überhaupt von der italienischen Küche reden, wenn die Gerichte von einer Region zur anderen und sogar von Dorf zu Dorf so stark variieren? Kann sich "regionale Küche" im globalisierten Zeitalter überhaupt noch behaupten? Welche Küchen haben die so begehrte Italienische Küche beeinflusst? Welche Formen der Haupt- und Nebenmahlzeiten haben sich im Laufe der Zeit entwickelt? Und inwiefern unterscheiden sich die Essgewohnheiten, Traditionen und Gerichte von der deutschen Küche?
Pizza, Pasta, Panna cotta. Sugo, Saltimbocca und Salsiccia. Diese sind unsere ersten Gedanken, wenn wir la cucina italiana, "die Italienische Küche" hören. Wir denken an die reifen Früchte und an das frische Gemüse, an die deliziösen Aromen und an den Geruch, der uns das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Regionale Vielfalt, hohe Qualität der Produkte und Traditionsbewusstsein sind die Säulen der Italienischen Küche. Eine vierte nicht weniger wichtige stellt die Einstellung der Italiener zum Essen dar. Essen dient in Italien nicht einfach nur als Lebensmittel zur Lebenserhaltung, sondern gilt in Italien vielmehr als eine Kunst und als eine der schönsten Ausdrucksformen der italienischen Kultur, welche die Geschichte und Traditionen des Landes widerspiegelt. Für die Italiener ist Kochen immer gleichbedeutend mit gutem Essen, gutem Wein und guter Gesellschaft. Ob mit der Familie zuhause, in einer bescheidenen Trattoria oder in einem Luxusrestaurant – viele Gänge sind die Norm.
Des Weiteren wird dieses Thema im Hinblick auf die Übersetzung von Speisekarten und Rezepten erarbeitet. Es reicht nämlich nicht aus, die genannten Textsorten Wort für Wort zu übertragen, da man in Italien ganz anders ans Kochen herangeht als in Deutschland. Deutsche Kochbücher enthalten in der Regel viel detailliertere Anweisungen als italienische. Dazu kommt, dass nicht alle italienischen Zutaten überall in Deutschland erhältlich sind. Deshalb sollte man neben den Originalzutaten außerdem noch leichter erhältliche Alternativen vorschlagen.
INHALTSVERZEICHNIS
1 Einleitung
2 Geschichtlicher Hintergrund
3 Kulturvergleich
4 Die Entwicklung der Kochterminologie
5 ÜBERSETZUNG
6 SCHLUSSWORT
LlTERATURVERZEICHNIS
Anhang
1 EINLEITUNG
Pizza, Pasta, Panna cotta. Sugo, Saltimbocca und Salsiccia. Diese sind unsere ersten Gedanken, wenn wir la cucina italiana,,die italienische Küche' hören. Wir denken an die reifen Früchte und an das frische Gemüse, an die deliziösen Aromen und an den Geruch, der uns das Wasser im Mund zusammenlaufen lasst. Regionale Vielfalt, hohe Qualitat der Produkte und Traditionsbewusstsein sind die Saulen der italienischen Küche. Eine vierte nicht weniger wichtige stellt die Einstellung der Italiener zum Essen dar. Essen dient in Italien nicht einfach nur als Lebensmittel zur Lebenserhaltung, sondern gilt in Italien vielmehr als eine Kunst und als eine der schönsten Ausdrucksformen der italienischen Kultur, welche die Geschichte und Traditionen des Landes widerspiegelt. So wie der Volkskundler Konrad Köstlin einst schon sagte: „Essen ist nicht nur eine Notwendigkeit, Essen ist ein Akt, an dem Kultur sich entzündet, ...“ 1 Für die Italiener ist Kochen immer gleichbedeutend mit gutem Essen, gutem Wein und guter Gesellschaft. Ob mit der Familie zuhause, in einer bescheidenen Trattoria oder in einem Luxusrestaurant - viele Gange sind die Norm.
Doch kann man überhaupt von der italienischen Küche reden, wenn die Gerichte von einer Region zur anderen und sogar von Dorf zu Dorf so stark variieren? Kann sich „regionale Küche“ im globalisierten Zeitalter überhaupt noch behaupten? Welche Küchen haben die so begehrte italienische Küche beeinflusst? Welche Formen der Haupt- und Nebenmahlzeiten haben sich im Laufe der Zeit entwickelt? Und inwiefern unterscheiden sich die Essgewohnheiten, Traditionen und Gerichte von der deutschen Küche? Diese Fragen und noch viel mehr möchte ich in meiner Hausarbeit erörtern.
Des Weiterem möchte ich dieses Thema im Hinblick auf die Übersetzung von Speisekarten und Rezepten erarbeiten. Es reicht namlich nicht aus, die genannten Textsorten Wort für Wort zu übertragen, da man in Italien ganz anders ans Kochen herangeht als in Deutschland. Deutsche Kochbücher enthalten in der Regel viel detailliertere Anweisungen als italienische. Dazu kommt, dass nicht alle italienischen Zutaten überall in Deutschland erhaltlich sind. Deshalb sollte man neben den Originalzutaten auBerdem noch leichter erhaltliche Alternativen vorschlagen. Doch dazu spater mehr.
2 GESCHICHTLICHER H INTERGRUND
„Der Mensch ist, was er isst“, hierbei handelt es sich um den weltweitbekannten Ausspruch von Ludwig Feuerbach aus dem Jahre 1850, der einst für Furore sorgte. Oder „Der Mensch ist, wie er isst.“ Dies ist die nicht unwesentliche Veranderung von Fellmann. Beide Behauptungen drücken aus, dass Ernahrung mehr ist, als den Körper mit Nahrstoffen zu versorgen und bringen zum Ausdruck, dass Ernahrung auch soziale, politische, geschichtliche, ökonomische, psychologische und kulturelle Dimensionen hat. Das bedeutet, dass Essen eine kulturell gepragte symbolische Form darstellt, die neben Kleidung und Sprache für die soziale und personale Identitatsbildung von elementarer Bedeutung ist.2 Das Phanomen der Nahrung ist in besonderer Weise geeignet, soziale Zugehörigkeit zu markieren.3 Nationen, Religionen, Klassen und Geschlechter unterscheiden sich durch ihre Essgewohnheiten. Doch im Laufe der Jahre erlitten die verschiedenen Küchen einen Prozess der Zivilisation. Norbert Elias erklart in seinen sozio- und psychologenetischen Untersuchungen zum Prozess der Zivilisation, dass erst Ende des 18. Jahrhunderts jener Standard der Essgebrauche erreicht wird, der in der zivilisierten Gesellschaft der Neuzeit als selbstverstandlich gilt. Es entwickelte sich eine Reihe von Geboten und Verboten, die darauf abzielten die Notwendigkeit der Ernahrung durch die Àsthetisierung des Prozesses in den Hintergrund zu stellen. Beispielswiese galt die Zurschaustellung des zubereiteten, aber unzerlegten Tieres auf dem Tisch als Zeichen für Reichtum und Adel. In der Neuzeit ware dies ein Fauxpas! Dasselbe gilt auch für die Zivilisierung der Nahrungsaufnahme. Der Gebrauch von Geschirr und Besteck ersetzt das Essen mit den Handen.4 Tatsachlich hat Katharina von Medici (Caterina de' Medici) den Gebrauch von Messer und Gabel, den sie aus Italien kannte, nach Frankreich gebracht. Und dies bringt uns schon zur ersten zentralen Frage. Wo und wie fand die italienische Küche im heutigen Sinne ihren Ursprung?
Das Belpaese, “schönes Land“, ist ein Land mit unterschiedlichsten klimatischen und geografischen Verhaltnissen. Die einzelnen Regionen hatten eine oft voneinander unabhangige historische Entwicklung. Dies erklart, warum einzelne Regionen verschiedene kulinarische Spezialitaten hervorgebracht haben und sich die regionalen Küchen so sehr unterscheiden, so vielfaltig sind, dass eigentlich von einer „italienischen Küche“ gar nicht gesprochen werden kann. In der nördlichen Region Italiens rund um den Fluss Po wird ein berühmtes rundes Reiskorn in langer Tradition angebaut - der risotto (Reisgericht). Wendet man sich der nordwestlichen Küstenregion Ligurien zu, befindet man sich schon mitten in der Heimat des pesto alla genovese ! Obwohl der Rest Italiens widersprechen würde, gilt die nördliche Region Emilia Romagna als kulinarisches Zentrum, da sie so viele Spezialitaten der italienischen Küche hervorgebracht hat wie z.B. Parmesankase, mortadella und aceto balsamico. Denkt man an Mittelitalien, kommt sofort das Bild der wunderschönen toskanischen Landschaft mit ihren Olivenplantagen und Weinreben in den Sinn. Hier hat die italienische Küche die Spezialitaten wie den Chianti-Wein und das Original Native Olivenöl hervorgebracht. Ein Glas Rotwein gehört zum italienischen Essen genauso dazu so wie das Olivenöl zum antipasto. Nun kommen wir zum Süden. Die sizilianische Küche hat die uns allen bekannten italienischen Rezepte bedeutend beeinflusst. Die Sizilianer kochen bevorzugt mit sonnenverwöhnten Zutaten wie Tomaten, Paprika, Zucchini und Auberginen, denn diese Zutaten wachsen praktischerweise in Süditalien in jedem Garten. Aber auch mediterrane Gewürze wie Basilikum und Oregano profitieren von der warmen Sonne Süditaliens und sind in vielen Gerichten der italienischen Küche wiederzufinden. Auch wenn sich Pizza, Pasta, Mortadella als typisch italienische Speisen etabliert haben, ist es, wie eingangs erwahnt, schwer, von der italienischen Küche zu sprechen. Denn aufgrund seiner erheblichen regionalen Unterschiede, die auf unterschiedliche agrarische und industrielle Strukturen zurückzuführen sind, hat das Land eine auBerst vielfaltige Esskultur zu bieten.
Wenn man die historische Betrachtung weiter zurückverfolgen wollte, würde auffallen, dass die unterschiedlichsten Volks- und Kulturgruppen Einfluss auf die so beliebte cucina italiana genommen haben. Hierzu zahlen vor allem die Römer, die einen groBen Teil ihrer Speisen mit in das heutige Italien gebracht haben. Die Zubereitung einfacher, aber dennoch raffinierter Gerichte, sah man zu der Zeit als eine eigene Kunst an. Aber auch Griechen, Etrusker, Kelten, Normannen, Araber, Wikinger und Spanier haben einen nicht unbedeutenden Anteil an der uns bekannten italienischen Esskultur. Vor allem wurde der Süden von der arabischen Küche beeinflusst, da Sizilien im 9. Jahrhundert von den Phönizier erobert und insgesamt 250 Jahre lang beherrscht wurde. Laut Clifford Wright, Essenshistoriker und Kochbuchautor, verdankt also Sizilien, das „ Land, wo die Zitronen blühen", seine liebevolle Bezeichnung den Arabern, denn diese bauten neue Kulturpflanzen an, wie eben Zitronen, aber auch Orangenbaume, Dattelpalmen, Zuckerrohr, Reis, Baumwolle, Pistazien und Melonen. Der Einfluss der Araber in der süditalienischen Küche ist bis heute offensichtlich. Selbst das Nationalgut, die italienische Pasta, soll ihren Ursprung woanders haben. Hier spalten sich die Meinungen. Fest steht aber, dass die Araber die Methode der Nudeltrocknung und den HartweizengrieB nach Sizilien brachten. Der Einfluss der arabischen Küche ist auch in Rezepten wie gefülltes Fleisch oder Gemüse bemerkbar, sowie auch in SüBspeisen wie z.B. die berühmten sizilianischen sfogliatelle (wobei die Neapolitaner dem sicherlich widersprechen würden), ein muschelförmiges Geback, gefüllt mit Ricotta, Orangeat und manchmal auch mit Marzipan.
Doch wenden wir uns nun den Kochrezepten zu. Die Italiener sind schon früh auf den Gedanken gekommen, ihr Wissen für die Nachwelt festzuhalten und die verschiedenen Rezepte an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Bereits im ersten Jahrhundert nach Christus verfasste der Römer Marcus Gavius Apicius ein Kochbuch, welches als das alteste seiner Zeit gilt5. Einen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung der italienischen Küche stellt zweifellos die Renaissance dar, da sich wahrend dieser Zeit zwei unterschiedliche Entwicklungsstrange etablierten. Zum einen gab es die cucina povera, die vor allem für das normale Volk gedacht war und hauptsachlich aus regionalen bauerlichen Zutaten bestand. Zum anderen gab es die cucina alto borghese, die sich insbesondere an die wohlhabende Schicht richtete und als besonders exklusiv galt. Jedoch hat sich gerade die einfache Küche bis heute durchgesetzt und wird mittlerweile in allen italienischen Restaurants - auch den teuren - serviert. Die fundamentale Eigenschaft der traditionellen Küche ist schlichtweg ihre Einfachheit. Die meisten Gerichte bestehen nur aus wenigen Zutaten. Die heutzutage uns bekannte „italienische Küche“ verlasst sich mehr auf die Qualitat der Zutaten als auf deren aufwendige Zubereitung. Daraus kann man schlieBen, dass die weltberühmten italienischen Rezepte wahrscheinlich eher von GroBmüttern und Müttern erschaffen wurden als von renommierten Köchen.
Doch als Schöpfer der italienischen Nationalküche wird Pellegrino Artusi angesehen, ein italienischer Literaturkritiker und Feinschmecker. Durch sein Kochbuch ,La scienza in cucina e l'arte di mangiar bene' (Von der Wissenschaft des Kochens und der Kunst des Geniefiens) wurde er berühmt und schuf ein nationales Gründungsdokument. Artusi ist als Seidenhandler reich geworden und reiste geschaftlich viel durch Italien. Im 19. Jahrhundert sammelte er Rezepte im ganzen Land und schrieb dieses berühmte Werk. Nach anfanglichen Schwierigkeiten, da er die erste Auflage von 1000 Exemplaren 1891 auf eigene Kosten publizierte, wurde das Buch dann ein groBer Erfolg und wird bis heute verkauft. Drei Jahrzehnte nach der italienischen Einigung führte Artusi Rezepte aus ganz Italien zusammen und spielt somit eine wichtige Rolle in der Einigung Italiens und der italienischen Sprache. Als er sein Kochbuch verfasste, war Italien zwar politisch geeinigt, es fehlte aber das Gefühl nationaler Gemeinsamkeit. Also verfasste Artusi sein Buch in der Sprache Dantes und Boccaccios, dem Idiom der Toskana, das sich schlieBlich als Landessprache durchsetzen sollte. Man behauptet sogar, dass Artusis Werk genauso viel zur Landessprache beigetragen hatte, wie das berühmte italienische Werk „I promessi sposi“6 von Manzoni.7
Weltbekannt ist jedoch auch die französische Küche. Böse Zungen behaupten sogar, dass die gehobene französische Küche der Neuzeit auf italienische Einflüsse zurückzuführen ist, bzw. auf die italienischen Köche von Caterina de' Medici. Die Debatte ist also langst nicht neu und Kulturhistoriker teilen diese Meinung heutzutage nicht mehr. Dennoch ist in der Sprache ein Einfluss erkennbar. Alice Vollenweider, eine berühmte literarische Übersetzerin, unterstreicht den „bedeutenden Einfluss, den die verfeinerte, von der mittelalterlichen Tradition emanzipierte italienische Kochkunst nach Frankreich ausstrahlte und der in einer groBen Zahl von Lehnwörtern seinen sprachlichen Niederschlag fand.“8 Ein paar Beispiele: artichaut, bergamotte, brocoli, chou de Milan (Wirsing), fenouil de Florence (Fenchel) - bis heute bedeutet à la florentine mit Spinat.9 Auch wenn die Meinungen sich spalten, Fakt ist, dass Katharina von Medici, die der einflussreichsten florentinischen Familie der Medici entstammte, anlasslich ihrer Heirat mit Heinrich II, dem spateren König von Frankreich, im Jahr 1547 die gesamte Schule der toskanischen Küche, die zu jener Zeit bereits hoch entwickelt war, an den französischen Hof brachte. Bzw. 50 florentinische Köche, Nahrungsmittel und Gerichte wie Artischocken, Blatterteig, Brokkoli, Erbsen, kandierte Früchte, Pasta, Kopfsalat und vieles mehr. Des Weiterem führte sie am französischem Hofe die Reihenfolge der Gange und das heute noch übliche Besteck ein.
3 KULTURVERGLEICH
Die italienische Esskultur unterscheidet sich sehr von der deutschen, allein schon, wenn man die Mahlzeiten miteinander vergleicht. Wahrend man in Deutschland ein recht üppiges Frühstück gewohnt ist, fallt das Frühstück in Italien sehr viel kleiner aus. Die Italiener frühstücken tendenziell schnell und essen wenig: eine Tasse Cappuccino oder Kaffee (caffè) und dazu meistens ein süBes Geback (Beispiel: biscotti/ brioche). Gefrühstückt wird des Öfteren auf dem Weg zur Arbeit in einer Bar, wo man Espresso stehend an der Theke trinkt.
Die Kaffeekultur in Italien ist eine Philosophie für sich. Denn wenn man in Italien den in Deutschland als Espresso bekannten kleinen, starken Kaffee bestellen will, sagt man am besten einfach un caffè. Für den doppelten Schuss Koffein bestellt man einen caffè doppio. Das Wort Espresso klingt zwar so schön italienisch, aber kein Italiener würde diesen im Italienischen doppeldeutigen Begriff bei der Bestellung des besagten Kaffees verwenden. Der caffè wird in Italien zu jeder Tages- und Nachtzeit getrunken. Zu beachten gilt aber, dass Kaffee mit Milch in Italien nur morgens oder am frühen Vormittag getrunken wird. In Deutschland haben wir den Filterkaffee, den es in Italien zum Beispiel gar nicht gibt. Fehlt es dem Deutschen in Italien an der Menge, könnte man einen caffè americano (Espresso mit mehr heiBem Wasser) oder einen caffè lungo (mit der doppelten Wassermenge zubereiteten Espresso) bestellen.
Dem Deutschen mag das magere Frühstück wohlmöglich komisch vorkommen aber das liegt vermutlich daran, dass die Italiener spat und ausgiebig Abendessen und deswegen morgens nach dem Aufwachen keinen allzu groBen Appetit haben. Das Mittagessen p ranzo nimmt der Italiener normalerweise zwischen 12.30 Uhr und 14 Uhr zu sich.10 Aber wie der italienische Schriftsteller Alessandro Barbero schon sagte, ist es sehr schwer, die Uhrzeiten der Speisen zu pauschalisieren. «La realtà è che gli orari dei pasti sono una costruzione culturale e cambiano non solo da un paese all'altro, ma da una classe sociale all'altra e anche da un'epoca all'altra.» (dt. Die Wahrheit ist namlich, dass die Uhrzeiten der Speisen eine kulturelle Erfindung sind, die sich nicht nur von einem Land zum anderen unterscheiden, sondern auch innerhalb eines Landes variieren können, beispielsweise von einer Epoche zur anderen oder zwischen den Gesellschaftsklassen).
Je nachdem wie viel Zeit man hat, besteht die Mahlzeit dann auch aus mehreren Gangen. Typisch italienisch ist auch die merenda, bei uns bekannt als Snack. Gerade in den südlichen Regionen Italiens wird am Nachmittag eine Zwischenmahlzeit verzehrt. Das kann ein Sandwich (tramezzino), ein süBes Geback (biscotti) oder eine kleine Pizza sein. In Deutschland gibt es dafür aber die Tradition des Kaffee & Kuchens. Natürlich nur zu besonderen Anlassen.
Wahrend man es in Deutschland gewohnt ist, recht früh zu Abend zu essen (cena), meistens zwischen 18 und 19 Uhr, essen die Italiener - wie gesagt - sehr spat zu Abend, soll heiBen gewöhnlich zwischen 20 und 22 Uhr. Das ist für die Italiener die Hauptmahlzeit, bei der die ganze Familie zusammenkommt und bis zum spaten Abend beisammenbleibt.
Da das Abendessen in Italien zeitlich so spat liegt, gibt es noch den aperitivo, diese Erfindung, die die Zeit zwischen Feierabend und Abendessen überbrückt. Das Wort stammt vom Lateinischen aperire (dt. öffnen) und erklart damit schon die Funktion des Aperitifs, namlich den Appetit anzuregen. Das Prozedere ist folgendes: man zahlt einen festgelegten Preis für das erste alkoholische (oder anti-alkoholische) Getrank und bekommt dazu kleine Happchen oder in manchen Lokalitaten kann man sich sogar an einem kalt-warmen Buffet lokaler Köstlichkeiten bedienen: crostini (geröstete Brotscheiben mit allerlei SoBen), Schinken und Salami, Gemüse, Reis- und Kartoffelgerichte, Pasta, das berühmte vitello tonnato, Pizzahappchen und bruschetta. Als Getrank wahlt man entweder ein Glas Wein, eine Aperol- Mischung oder einen der klassischen Aperitif-Cocktails wie zum Beispiel den Negroni, bestehend aus Gin, Wermut und Campari. Der aperitivo wird natürlich nicht jeden Tag gemacht, sondern eher, wenn man sich mit den Kollegen oder Freunden nach der Arbeit noch auf ein Glaschen treffen möchte.
Nachdem man also mit dem aperitivo fertig ist, wartet zu Hause das Abendessen, welches in Italien sehr üppig ausfallt, das heiBt mit mehreren Gangen. Wie der Soziologe und Philosoph Georg Simmel11 beschrieben hat, stellt die Mahlzeit eine kulturelle Inszenierung dar, die sich nicht mit naturalen Kategorien beschreiben lasst. Diese Inszenierung auBert sich in den drei Phasen, nach denen eine gute Mahlzeit ablauft: Anfang, Mitte und Ende. Ihr entsprechen die drei Gange: Vorspeise, Hauptgericht und Nachspeise. Das gilt natürlich auch in Italien. Angefangen wird mit einem Antipasto. Es ist üblich verschiedene kleine, meist leichte Gerichte zum Einstieg zu servieren. Meistens beginnt man mit kalten Antipasti, worauf dann warme Antipasti folgen. Hierbei ist es von Region zu Region unterschiedlich. In Küstengebieten werden oft Antipasti auf Basis von Meeresfrüchten serviert, wahrend ansonsten Wurst- und Schinkenaufschnitt üblich sind. Anders als in anderen Landern zahlt auch Kase zu den Antipasti. Zusatzlich gibt es zahlreiche Vorspeisengerichte, die auf Gemüse basieren. Beispielsweise caprese (Tomate Mozzarella Basilikum), bruschetta (geröstetes Brot mit verschiedenen Belagen), bresaola (Schinkenspezialitat aus der Lombardei), vitello tonnato (dünn geschnittene Kalbfleisch-Scheiben mit Thunfisch-Sauce) oder haufig sind auch t artine oder s tuzzichini bei uns bekannt als Appetithappchen, das heiBt Salami, Schinken mit in Olivenöl eingelegtem Gemüse (Auberginen, Zucchini, Paprika, Pilze...). Zum Essen trinken die Italiener am liebsten Wein - überwiegend italienischen Wein. AnschlieBend wird der primo piatto serviert, der eher kohlenhydratbetont ist. Der erste Hauptgang besteht zumeist aus einem Pasta- oder Gnocchi-Gericht. Vor allem im Norden Italiens wird oft ein risotto (Reisgericht) serviert. Auch verschiedene Suppen - zuppe oder minestre - können als erster Gang serviert werden. Zu den primi piatti werden ebenfalls Salate aus Pasta oder Reis gezahlt. Nach dem Verzehr des primo piatto wird der secondo piatto serviert, der eher proteinreich ist. Meistens ist das ein Fleischgericht oder eines mit Fisch oder anderen Meerestieren. Auch Frittiertes oder Gebratenes, z. B. gebratene Steinpilze können als secondo piatto gereicht werden. Der contorno ist in Italien die Beilage meistens handelt es sich hierbei um einen Teller mit rohem Gemüse, ein Salat, oder gekochtem Gemüse, beispielsweise der caponata. Die caponata ist ein süBsaures Gemüsegericht aus der sizilianischen Küche. Hierbei handelt es sich um gebratenes Gemüse in Tomatensauce. Kalt wird es als antipasto serviert und warm als contorno. Traditionell ist der Salat eine Beilage in manchen Restaurants werden ausgefallene Salate heutzutage aber auch als Vorspeise serviert. In Frankreich dagegen wird der Salat oft nach dem Hauptgericht gegessen, viel auch in Kombination mit einer Kaseplatte. In Restaurants in Deutschland sind - anders als in Italien - die Beilagen in der Regel im Gesamtpreis eines Essens enthalten. Die wichtigste Beilage ist die Kartoffel. Es gibt sie in vielen Variationen, wie als Salzkartoffeln, Pellkartoffeln, Knödel, Kartoffelpuffer, Bratkartoffeln, Kroketten oder Kartoffelpüree. Auch Reis wird, besonders zu Fisch und Geflügel, als Sattigungsbeilage genommen. In Italien kostet die Beilage zusatzlich. Nach dem Hauptgericht kommt die Nachspeise, der sogenannte dolce. Meistens werden Eis oder Früchte serviert. Ausgefallenere Nachspeisen sind z.B. tiramisù, panna cotta, cassata oder zuppa inglese. Üblich ist es auch Kase anzubieten bevor man sich über die eigentliche Nachspeise hermacht. Für die Verdauung gibt es anschlieBend einen espresso und/oder einen digestivo, beispielsweise einen grappa oder amaro. Natürlich ist so ein umfangreiches Abendessen nicht jeden Abend möglich, vor allem nicht unter der Woche. Laut einer Studie der Accademia Italiana della Cucina aus Mailand, die 1834 Italiener aus ganz Italien befragt hatte, bevorzugen 52% Sonntags innerhalb der Familie zu essen mit einem üppigem Menü: antipasto di salumi misti, pasta asciutta o ripiena, arrosto, patate und eine torta di mele.12
[...]
1 Köstlin 1972, S.74
2 Vgl. Fellmann 1997, S.27-28.
3 Vgl. Barlösius 1999, S.96f.
4 Vgl. Elias, Norbert 1978 S.110-174 (Kap. „Über das Verhalten beim Essen").
5 Das Apicius-Kochbuch aus deraltrömischen Kaiserzeit, ins Deutsche übersetzt und bearbeitet von Richard Gollmer, Breslau und Leipzig 1909.
6 Der Roman wird als das reprâsentativste Werk der italienischen Romantik und des „Risorgimento" (der politischen Bewegung, die die Vereinigung Italiens anstrebte) angesehen und als eines der hôchsten Werke der italienischen Literatur. Das Werk hatte eine herausragende Bedeutung bei der Entstehung einer italienischen Literatursprache.
7 Vgl. Marazzini 2015, S.106
8 Vgl. Vollenweider (1963) S. 64 ff.
9 Peter (2006) S. 83-85.
10 Barbero 2017
11 Simmel 1957, S.243-250
12 siehe URL von corriere.it [Stand: 28.Oktober 2008]