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Einfluss von Ehrenamt und sozialer Integration auf die subjektive Gesundheit im Rentenalter

von Rubi Mauer (Autor:in)
©2019 Hausarbeit 38 Seiten

Zusammenfassung

Ziel dieser Arbeit ist es, herauszufinden, ob sich gesellschaftliche Partizipation und Ehrenamtsausübung auf die subjektive Gesundheit auswirken. Dabei werden eventuelle vorhandene Unterschiede zwischen Nationen mit unterschiedlichen Gesundheitssystemen innerhalb Europas untersucht.

Zu Beginn werden die Begriffe freiwilliges Engagement bzw. Ehrenamt, gesellschaftliche Partizipation im Alter und subjektive Gesundheit definiert und näher erläutert. Besonders Engagement und soziale Partizipation sind unter Synonymen benannt, werden teilweise verwechselt und bestehen uns mehrdimensionalen Aspekten. Subjektive Gesundheit als Konzept ist nicht leicht zu operationalisieren und wird ebenfalls unterschiedlich definiert und verstanden. Aus diesem Grund ist eine ausführliche Begriffserläuterung und die Art deren Verwendung in der vorliegenden Arbeit notwendig. Für Deutschland, Großbritannien und Schweden erfolgt ein internationaler Überblick der Gesundheitssysteme, welche zwar nicht gänzlich kontrastieren, aber doch Unterschiede aufweisen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

TABELLENVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

1 Einleitung

2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Freiwilliges Engagement und Ehrenamt
2.2 Gesellschaftliche Partizipation im Alter
2.3 Subjektive Gesundheit
2.4 Internationaler Vergleich
2.5 Fragestellung

3 Methodisches Vorgehen
3.1 Datenaufbereitung
3.2 Statistisches Vorgehen

4 Ergebnisse

5 Diskussion

6 Fazit

LITERATURVERZEICHNIS

ANHANG

TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1: Stichprobenbeschreibung

Tabelle 2: Einfluss des Ehrenamts auf die subjektive Gesundheit. Logistische Regressionen

Tabelle 3: Einfluss sozialer Integration auf die subjektive Gesundheit. Logistische Regressionen

Tabelle 4: Marginale Effekte für subjektive Gesundheit und uV Ehrenamt

Tabelle 5: Marginale Effekte für subjektive Gesundheit und uV Partizipation

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Partizipationsmodell

Abbildung 2: Prozess der Einschätzung subjektiver Gesundheit

1 Einleitung

Die Folgen des demografischen Wandels in Europa sind zwischen den Ländern, oft sogar zwischen Regionen ungleich verteilt. Eine Gemeinsamkeit besteht in der Alterung der Gesellschaft sowie der zunehmenden Stagnation der Bevölkerung. Infolge ökonomischer, sozialer und medizinischer Fortschritte steigt die Lebenserwartung seit einigen Jahrzehnten an und damit auch das Durchschnittsalter der Bevölkerung. Die Todesursachen der Zukunft sind nicht mehr Infektionen, Unfälle, Krebs oder Herz-/Kreislauferkrankungen, sondern alterskorrelierte Erkrankungen wie Herzversagen oder Demenz in allen europäischen Ländern. Ländliche Gebiete, Regionen mit schlechter Infrastruktur sowie schlechte klimatische und wirtschaftliche Bedingungen werden davon vorrangig betroffen sein. Die europäische Binnenwanderung verteilt dabei nur Vorteile und Nachteile zwischen den Ländern und Regionen, auch Migration wird den demografischen Wandel nur bedingt abfedern, da sich die Fertilitätsraten schnell dem neuen Heimatland anpassen. Doch selbst wenn die Bevölkerungsgröße durch Zuwanderung nicht so schnell schrumpft, hält sie doch den Alterungsprozess nicht auf (Habekuß, 2017).

Gesetzliche Kranken- und die soziale Pflegeversicherung sind vom demografischen Wandel durch Kostenanstiege langfristig betroffen, was neben dem niedrigen Alterseinkommen auch an sich verschlechternder Gesundheit im Alter liegt. Direkte und indirekte Krankheitskosten aufgrund der zukünftigen Demografie könnten durch verbesserte Gesundheit gesenkt werden. Vor allem der indirekte Anteil könnte kostentreibend wirken, da die Erwerbsbevölkerung abnimmt. Durch bessere Gesundheit lassen sich im Vergleich zu gleichbleibender Gesundheit in der Zukunft Kosten einsparen (Bräuninger et al., 2007). In vorliegender Arbeit soll analysiert werden, ob Ehrenamt und gesellschaftliche Partizipation einen Einfluss auf die subjektive Gesundheit haben und somit einen Beitrag leisten können.

Das Konzept des aktiven Alterns bezieht sich neben der individuellen auch auf eine gesellschaftliche Ebene, da ein individuelles gesundes und aktives Altern an strukturelle Voraussetzungen und Möglichkeiten gebunden ist. Aktives Altern umfasst nicht nur körperliche Aktivitäten, sondern auch die Beteiligung an sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen, intellektuellen und öffentlichen Prozessen. Vor allem Risikogruppen (Verlust des Partners oder der Erwerbstätigkeit) könnten durch individuelle Aktivierung profitieren und ihre Lebensqualität steigern (Knesebeck, 2006: 82-89).

Sozialgerontologische Forschungsergebnisse zeigen, dass sich der produktive Aspekt ehrenamtlicher Tätigkeiten besonders auf ältere Aktive bezüglich ihrer Lebenszufriedenheit sowie ihres gesundheitlichen Wohlbefindens positiv auswirkt (Siegrist et al., 2004: 308-318). Gleichzeitig stellt die Bereitschaft der älteren Generation, sich zu engagieren und zu beteiligen, eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Chance dar.

Die politisch-administrative Wahrnehmung von sozialer Integration, auf welche sich auch die verwendeten Daten dieser Hausarbeit stützen, bezieht sich „in einem engen und kulturell eindimensionalen Verständnis“ auf die Mitwirkung in Vereinen, Verbänden und anderen Organisationen (Munsch, 2003: 7-28). Deshalb werden andere Formen des Engagements, wie z.B. nachbarschaftliche Hilfe, weniger stark wahrgenommen. Freiwilliges Engagement kann aus subjektiver Sicht der Älteren einen positiven Einfluss auf ihr Wohlbefinden haben. Eine essenzielle Voraussetzung für Motivation und Freude und damit für die Aufrechterhaltung des Engagements scheint die Passung zwischen Engagementfeld und Engagierten zu sein (Leipold, 2013). Anforderungen und Ressourcen müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinanderstehen. Geht man davon aus, dass sowohl durch Ehrenamt als auch durch Mitwirkung in sozialen Gruppen und Vereinen soziale Bindungen und mehr oder weniger feste Beziehungsgeflechte entstehen, sichern sich Engagierte potenziell soziale Unterstützung. Dies kann die subjektive Gesundheit positiv beeinflussen.

Ziel dieser Arbeit ist es, herauszufinden, ob sich gesellschaftliche Partizipation und Ehrenamtsausübung auf die subjektive Gesundheit auswirken. Dabei werden eventuelle vorhandene Unterschiede zwischen Nationen mit unterschiedlichen Gesundheitssystemen innerhalb Europas untersucht.

Zu Beginn werden die Begriffe freiwilliges Engagement bzw. Ehrenamt, gesellschaftliche Partizipation im Alter und subjektive Gesundheit definiert und näher erläutert. Besonders Engagement und soziale Partizipation sind unter Synonymen benannt, werden teilweise verwechselt und bestehen uns mehrdimensionalen Aspekten. Subjektive Gesundheit als Konzept ist nicht leicht zu operationalisieren und wird ebenfalls unterschiedlich definiert und verstanden. Aus diesem Grund ist eine ausführliche Begriffserläuterung und die Art deren Verwendung in der vorliegenden Arbeit notwendig. Für Deutschland, Großbritannien und Schweden erfolgt ein internationaler Überblick der Gesundheitssysteme, welche zwar nicht gänzlich kontrastieren, aber doch Unterschiede aufweisen.

Die spezifische Fragestellung ist im Anschluss genau herausgearbeitet, um einen Rahmen für alle Berechnungen und Recherchen zu schaffen. Datengrundlage, Datenaufbereitung sowie das statistische Vorgehen sind Bestandteile des Kapitels „Methoden“. Die Ergebnisse sind sowohl in schriftlicher Form als auch Tabellen dargestellt. Im Diskussionsteil werden diese in den aktuellen Forschungsstand integriert sowie kritisch reflektiert. Ein Fazit rundet die Arbeit ab und gibt Ausblicke für weitere Forschungsgegenstände.

Soweit im Folgenden Berufs-, Gruppen- und/oder Personenbezeichnungen Verwendung finden, so ist auch stets die jeweils weibliche Form gemeint. Es wird daher bewusst von einer genderneutralen Ausdrucksweise abgesehen.

2 Theoretischer Hintergrund

2.1 Freiwilliges Engagement und Ehrenamt

In der wissenschaftlichen Literatur findet sich keine einheitliche Definition von ehrenamtlichem bzw. freiwilligem Engagement. Freiwillige Arbeit und bürgerliches Engagement sind nicht klar vom Ehrenamt abgegrenzt (Hank, Erlinghagen & Lemke 2005: 3). Eine mögliche Definition, die recht geläufig ist, beschrieb Ehrhardt. Als ehrenamtliches oder auch bürgerschaftliches und freiwilliges Engagement können Aktivitäten bezeichnet werden, die freiwillig, nicht gegen Entgelt ausgeübt werden. Letzteres meint, dass die Motivation zur Ausübung nicht finanzieller Natur sein sollte. Sie wird in formellen Kontexten einer Organisation oder Gruppe geleistet. Zudem sollten diese Tätigkeiten einen Nutzen für andere Personen mit sich bringen, die nicht zum Familienumfeld des Freiwilligen gehören. Das Engagement erfolgt zudem auch über einen längeren Zeitraum und nicht nur zu einzelnen Aktionen (2009: 15).

Ähnlich definiert auch die Enquete-Kommission ‚Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements‘ eine Tätigkeit als Engagement, wenn sie die folgenden Kriterien entspricht:

- Die Tätigkeit ist nicht auf materiellen Gewinn gerichtet.
- Die Tätigkeit ist öffentlich beziehungsweise findet im öffentlichen Raum statt.
- Die Tätigkeit wird in der Regel gemeinschaftlich/kooperativ ausgeübt.
- Die Tätigkeit ist gemeinwohlorientiert.
- Die Tätigkeit ist freiwillig (Enquete-Kommission 2002: 38-40)

Hank, Erlinghagen und Lemke (2005) untersuchten ehrenamtliches Engagement über 50jähriger in 10 Ländern Europas. Dazu nutzten sie die Daten des 'Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe'. In der Studie wurde erfasst, wer im Monat vor der Studie aktiv in einem Ehrenamt engagiert war. Eine Mitgliedschaft in einem Freiwilligenverein zu erfragen, also eine formale Erfassung des Ehrenamtes, könnte zu Überschätzungen der tatsächlichen Ausübung ehrenamtlicher Aktivitäten führen, weshalb Ehrenamt in der Studie über die tatsächliche Ausübung in dem kurzen Zeitraum vor der Studie erfragt wurden. Die Autoren unterschieden in drei Gruppen hinsichtlich der Ehrenamtsbeteiligung: Länder mit einer geringen Beteiligung von 2 bis 7 %, mittlere Beteiligung von 9 bis 14 % und höhere Beteiligung von 17 bis 21 %. Zu letzterer Gruppe zählen die nordeuropäischen Staaten Schweden und Dänemark. Die Niederlande liegen mit über 20 % an der Spitze der Ehrenamtsausübung der über 50jährigen Bevölkerung. In den südeuropäischen Ländern übt ein geringer Anteil der Bevölkerung ein Ehrenamt aktiv aus. Die Schweiz Frankreich, Deutschland und Österreich zählen zu der mittleren Gruppe.

In Deutschland engagieren sich laut Vogel, Kausmann und Hagen (2017: 17ff.) Personen zwischen 65 und 69 Jahren zu 43,7 % freiwillig. In den höheren 5-Jahres-Altersgruppen nimmt dieser Anteil ab: bei den 75 bis 79jährigen sind es noch 34,4 % und bei den über 85jährigen noch 13,2 %. Zudem fällt auf, dass Männer anteilmäßig häufiger engagiert sind. In absoluten Zahlen sind die Geschlechter allerdings ausgewogen. Zudem stellten die Autoren im Hinblick auf zeitliche Trends einen Anstieg des Anteils freiwillig Engagierter fest.

In ganz Großbritannien engagieren sich mehr als 10.000 Menschen, die älter als 50 Jahre sind. Es gibt spezielle Programme für und mit Älteren, zusätzlich werden ehrenamtlich Tätige auch bei Aufbau und Leitung eigener Projekte (Retired and Senior Volunteer Programme -RSVP) unterstützt. Durch deren Aufbau werden Gesundheit und Wohlbefinden der betreffenden Gemeinden gesteigert. Im ganzen Land existieren mittlerweile rund 240 RSVP-Gruppen, die wiederum helfen, weitere Gruppen zu gründen. Einige freiwillig Tätige sind dabei für Teams von bis zu 40 weiteren Freiwilligen verantwortlich (Volunteering matters, 2016).

Es gibt eine lange gesellschaftliche Tradition bezüglich des Ehrenamtes und des Aufbaus von Freiwilligenorganisationen in Großbritannien. Der Staat rechnet mit der Unterstützung Freiwilliger und tatsächlich ist freiwilliges Engagement in allen Altersgruppen vertreten. In der Gruppe der 65-74jährigen sind es 30%, in der Gruppe der über 75jährigen 20%, wobei sich in Großbritannien Ältere eher in religiösen Gemeinschaften, im lokalen Wohnort und Tierschutzbünden sowie Gruppen mit älteren Menschen engagieren. Es beteiligen sich mehr Frauen als Männer und das Bildungsniveau sowie die Qualifikation beeinflussen die Wahrscheinlichkeit, ehrenamtlich tätig zu sein. Auch Ältere beteiligen sich in Sportvereinen, das sind 42% der 65-74jährigen (Ehlers et al., 2011, S. 14).

Voraussetzung für Engagement sind materielle und persönliche Ressourcen. Es kann in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen wie Sportvereinen, religiösen oder kulturellen Vereinigungen, Bildungsinstitutionen, wohltätigen Organisationen, Rettungsdiensten oder Parteien stattfinden. Spezifische Fähigkeiten wie soziale, organisatorische und kommunikative Qualifikation sowie Selbstbewusstsein und Verantwortungsbereitschaft sind für die Ausübung oft essenziell. Manche Tätigkeiten erfordern berufliches Fachwissen oder jahrelange Erfahrung in einem Bereich, andere besitzen einen niedrigschwelligen Zugang ohne besondere Voraussetzungen. Allerdings können formelle Altersgrenzen existieren, wie es beim Schöffenamt oder der freiwilligen Feuerwehr der Fall ist. Der Zugang ist für ältere Menschen demnach nicht ausnahmslos barrierefrei (Scherger, 2018: 196f.).

Eine wichtige persönliche Ressource stellt die Bildung dar. Je höher die Bildung einer Person, umso eher engagiert sie sich freiwillig. Eine mögliche Erklärung ist, dass mit niedriger Bildung weniger finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen sowie ein niedriger beruflicher Status damit einhergeht. Selbst in der Lebensphase des Ruhestandes wirkt sich dies noch negativ auf die Beteiligung an freiwilligem Engagement aus. Ein weiterer Aspekt ist die Gesundheit: eine gute subjektive Gesundheit und Lebenszufriedenheit wirken positiv auf die Beteiligung. Aufgrund der positiven Wirkung von den ausgeübten Freiwilligentätigkeit besteht hier eine wechselseitige Wirkung (Vogel, Kausmann und Hagen 2017: 22f.).

Ein Review von Anderson et al. (2014) beschäftigte sich mit den positiven Effekten formellen, freiwilligen Engagements älterer Menschen. Die Ausübung einer solchen Tätigkeit reduzierte u.a. Symptome von Depressionen, funktionelle Einschränkungen und senkte die Mortalität. Ebenso zeigten die Freiwilligen eine bessere subjektive Gesundheit. Abhängig von der Art des Engagements werden soziale, körperliche und kognitive Aktivität erhöht. Diese wirken laut den Autoren über biologische und psychologische Prozesse positiv auf die Funktionalität (Anderson, 2014).

In einer randomisierten experimentellen Studie von Carlson et al. (2008) absolvierten die teilnehmenden Personen (n = 149) 15 Stunden pro Woche in Grundschulen. Sie halfen den Kindern u.a. lesen zu lernen oder unterstützten in der ansässigen Bibliothek. Im Vergleich zu der wartenden Kontrollgruppe verbesserten sich die exekutiven Kontrollfunktionen und die Gedächtnisleistung.

Durch freiwilliges Engagement bzw. ehrenamtliche Tätigkeit wird zudem laut einer Studie von Tan et al. die körperliche Aktivität der Freiwilligen gesteigert, was sich auch langfristig durchsetzt. In der Studie zeigten sich auch 3 Jahre nach der durchgeführten Intervention ein erhöhter Kalorienverbrauch der Probandinnen. Es nahmen ältere schwarze Frauen mit geringem sozioökonomischem Status an der Untersuchung teil. Sie leisteten bspw. Nachhilfe in Schulen für ebenfalls 15 Stunden pro Woche über ein Schuljahr hinweg. Im Vorfeld erhielten zudem ein Training für die ausgeübten Tätigkeiten (Tan et al. 2009).

In den 1980er und 1990er Jahren war das Altersbild weniger positiv besetzt als zur gegenwärtigen Zeit. Aufgrund der Annahme, dass ältere Beschäftigte weniger belastbar und produktiv seien, wurden Frühverrentungsprogramme eingeführt. Mittlerweile geht man aber eher von einem Zugewinn gesunder Lebensjahre bei gestiegener Lebenserwartung aus, wozu aktives Altern beiträgt. Dies führt zu einem sowohl individuellen als auch gesellschaftlichen Gewinn. Auch nach Erreichen der normativ gesetzten Regelaltersgrenze kann der Leistungsbeitrag Älterer in weiterer Erwerbstätigkeit oder in bürgerschaftlichem Engagement bestehen. Eine gezielte Förderung in einem institutionellen Rahmen ist wichtig, da Ehrenamt nicht voraussetzungslos ist. Allerdings darf es dadurch nicht zur Verdrängung auf dem ersten Arbeitsmarkt kommen, denn für einige Ältere ist eine begrenzte Erwerbstätigkeit neben der Rente ebenfalls eine Option. Diese Leistungen sollten demnach besser komplementär ausgelegt sein, um einen gesamtgesellschaftlichen positiven Effekt zu bewirken (Grabka 2013).

Für sehr abenteuerlustige und hoch qualifizierte Senioren gibt es die Möglichkeit, sich über den „Senior Experten Service“ (SES) weltweit ehrenamtlich zu engagieren. So wird das Potential von Fach- und Führungskräften im Ruhestand genutzt, um dem demografischen Wandel zu begegnen sowie den Erfahrungsaustausch zwischen unterschiedlichen Generationen, Kulturen und Nationen zu ermöglichen (SES, 2019).

2.2 Gesellschaftliche Partizipation im Alter

In einer von Demokratie geprägten Gesellschaft sollten Menschen altersunabhängig grundsätzlich ein Recht auf Teilhabe am sozialen, politischen, ökonomischen und kulturellen Leben ermöglicht werden. Soziale Teilhabe als mehrdimensionaler Begriff ermöglicht Aktivitäten in verschiedenen Lebensbereichen:

- Ökonomische Teilhabe: Beteiligung am Arbeitsleben, Verfügbarkeit finanzieller Mittel und Entscheidungen zu ihrer Verwendung;
- Politische Teilhabe: Teilhabe der Bürger an öffentlichen Entscheidungsprozessen im Gemeinwesen, einschließlich Möglichkeiten der Einflussnahme,
- Mitbestimmung und (in-)direkten Mitwirkung an Lebens(welt-) bezogenen Entscheidungen;
- Kulturelle Teilhabe: Teilhabe am kulturellen Leben und dafür grundlegenden Bildungsprozessen sowie
- Soziale Teilhabe: informelles und persönliches Eingebunden-sein in primären Netzwerken wie Familie, Freundeskreis und soziale Aktivitäten in der Gesellschaft (Wendt, 2008: 1005-1006).

Menschen sind soziale Wesen und auf die Interaktion mit anderen angewiesen, weshalb die soziale Teilhabe zum seelischen Wohlbefinden beiträgt. Das Bedürfnis nach Anerkennung, Zuwendung, Erleben von Selbstwirksamkeit, Zugehörigkeit, Nähe und Respekt kann in einer Gemeinschaft reziprok befriedigt werden. Dies wiederum verbessert objektive und subjektive Gesundheit. Das psychische Wohlbefinden ist nicht nur das Endprodukt von Kooperation, sondern beeinflusst vielmehr auch seinerseits die Qualität privater oder beruflicher Beziehungen, woraus Netzwerke wachsen, aus denen letztendlich die Gesellschaft besteht (Schott, 2011: 26f.).

Partizipation basiert einerseits auf den zur Teilhabe bereiten Personen und andererseits auf der Teilhabe ermöglichende Gesellschaftsstrukturen wie Vereinen, Organisationen und Institutionen. Nachfolgende Abbildung verdeutlicht den Ablauf von Partizipationsprozessen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Partizipationsmodell (Köster, 2010).

Die linke Seite zeigt Rahmenbedingungen auf kommunaler Ebene, die auf objektiv strukturellen Grundlagen wie einer bestehenden Partizipationskultur und einem Kommunikationssystem basieren. Rechts sind individuelle Voraussetzungen abgebildet. Sie basieren auf persönlichem Interesse/Betroffenheit des Individuums. Während des Partizipationsprozesses findet auf den vier Stufen ein Entwicklungsprozess statt, an dessen Ende ein selbständiges Organisieren stehen kann.

Dieses Prozessmodell beschreibt nicht nur die Sichtweise eines zu unterstützenden Menschen, sondern auch diejenigen, die sich unterstützend einbringen, profitieren von ihrer eigenen Weiterentwicklung im selben Prozess. Wissen und neue Kompetenzen werden erworben, die Wahrnehmung für eigene und fremde Bedürfnisse gestärkt, sowie gesellschaftliche Verantwortung übernommen.

Als mögliche Formen der politischen und sozialen Partizipation im Alter lassen sich zwei Dimensionen skizzieren:

Partizipation im Alter kann zum einen das Allgemeinwohl zu fördern, indem generationsübergreifende Ziele verwirklicht werden (Kommunalpolitik, Umweltschutz, Gewerkschaften, Stadtteilpolitik). Zum anderen kann sie sich auf altersspezifische Ziele beziehen, die individuell (als Mieter/Kunde) oder kollektiv begründet sind (Seniorenpolitik). Auch das Eintreten für spezifische Gruppen (Migranten, Demenzkranke) kann ein Aspekt sein (Olbermann, E., 2011: 12).

Die Dimensionen von Teilhabe (ökonomische, kulturelle, politische und soziale) üben Wechselwirkungen aufeinander aus. Eine Ausgrenzung in einer Dimension kann eine Ausgrenzung in einer anderen verursachen, aber andersherum können Auswirkungen von Ausgrenzung in einer Dimension durch eine Partizipation in anderen Lebensbereichen kompensiert werden. Gute soziale Netzwerke können beispielsweise eine schlechte ökonomische Situation abfedern.

Gesundheitliche Probleme, Behinderungen und fortschreitendes Absinken der Mobilität können einen Rückzug Älterer aus den Strukturen der Teilhabe nach sich ziehen. Auch, inwieweit jemand sozial eingebunden ist und welches Bildungsniveau die Person erreicht hat, wirken sich auf die Bereitschaft zur Teilhabe aus. Speziell schon seit langer Zeit in Armut lebende ältere Menschen ohne Perspektive nutzen ihre Teilhaberechte und –chancen eher selten (Böhnke, 2011). Hemmende Umweltfaktoren sind z.B. mangelnde infrastrukturelle Unterstützung, wenig Anreize und durch unzureichende Informationen erschwerte Zugänge zum öffentlichen Raum (Enquete-Kommission 2002).

Die Kommune mit ihren Akteuren ist hier in der Pflicht, entsprechende Strukturen für die Ermöglichung von Teilhabe, besonders für Ältere, zu schaffen. Äußerst hemmend wirken sich dabei undifferenzierte und defizitäre Altersbilder aus. Ohne Wertschätzung und Anerkennung der Potentiale sowie Ressourcen Älterer kann soziale Teilhabe weniger gut gelingen, als dies möglich wäre (Grymer, 2008: 90f.).

Die Eigenwahrnehmung der Älteren selbst kann sich allerdings auch durch dichotome Altersbilder verzerrt darstellen. Ältere zeigen dann weniger Selbstwirksamkeitserwartung und trauen sich dann bestimmte Aktivitäten nicht mehr zu, obwohl sie die Fähigkeiten dazu hätten (Sachverständigenkommission zur Erstellung des Sechsten Altenberichts, 2010: 24).

2.3 Subjektive Gesundheit

Mit steigendem Alter gehen zunehmende gesundheitliche Beschwerden und funktionelle Einschränkungen einher. Insbesondere im höheren Alter steigt die Anzahl der Diagnosen von chronischen und progredienten Erkrankungen. Es treten vermehrt Einbußen der Bewegungsfähigkeit, Kognitiver Funktionen und Einschränkungen der Sensorik auf. In den ersten Jahren nach dem Eintritt in den Ruhestand zeigt sich dies noch nicht so stark. Sie sind eher noch von einem guten objektiven Gesundheitszustand gekennzeichnet (Saß, Wurm und Scheidt-Nave, 2010). Bei der subjektiven Gesundheit sind die Zahlen allerdings niedriger.

Nach den Daten der GEDA 2014/2015-EHIS-Befragung schätzen 68,2 % der Erwachsenen in Deutschland ihren allgemeinen Gesundheitszustand als sehr gut oder gut ein. Bei den 65-Jährigen und Älteren sind es nur noch 47,5 % (Lampert et al., 2018).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Prozess der Einschätzung subjektiver Gesundheit (Hübner, 2016, S. 30)

Im Gegensatz zu subjektiver Gesundheit bezieht sich objektive Gesundheit auf Parameter wie Erkrankungsprävalenzen, körperliche Funktionsfähigkeit und Mortalitätsraten. Die objektiven Gesundheitsmaße sind mit der Einschätzung der subjektiven Gesundheit nicht gleichzusetzen. Sehr viele Menschen schätzen letztere mindestens gleich, oft sogar besser ein als ihre objektive Gesundheit (Chipperfield, 1993).

Mit zunehmendem Alter unterscheiden sich die beiden Maße in zunehmender Weise voneinander. Es wird vermutet, dass psychische Faktoren einen sehr viel größeren Einfluss als körperliche auf die subjektive Gesundheit haben. Körperliche Beschwerden werden in höherem Alter eher dem Alter als der Gesundheit zugeschrieben (Pinquart, 2001).

In die Bewertung der eigenen Gesundheit fließen je nach Person unterschiedliche Faktoren wie das eigene Verständnis davon, was Gesundheit ist, ein. Dieses Verständnis variiert innerhalb der Bevölkerung (Hübner, 2017: 38f.).

Subjektive Gesundheit erlaubt zudem eher Prognosen für die Mortalität als die objektive Einschätzung des Gesundheitszustandes. Warum dies so ist, ist nicht eindeutig geklärt. Zum einen wird vermutet, dass feine biologische Veränderungen, die Einfluss auf die Mortalität haben, im objektiven Gesundheitsmaß nicht erfasst werden. Zudem könnten Personen auf Grund ihres Wissens über das eigene Gesundheitsverhalten und Erfahrungen der Krankheitsbewältigung im Laufe ihrer Biografie, die dem prognostizierenden Arzt nicht bekannt sind, ggf. bessere Einschätzungen über den Verlauf der eigenen Erkrankung treffen. Zudem fließen in die Einschätzung der eigenen Gesundheit ggf. gesundheitsförderliche psychosoziale Ressourcen ein, die in der objektiven Erfassung nicht enthalten sind (Saß, Wurm und Scheidt-Nave, 2010).

Die subjektive Gesundheit wird, wie in Abbildung 1 ersichtlich, von mehr Determinanten als die objektive beeinflusst. Aber auch die Konzepte von guter und schlechter subjektiver Gesundheit scheinen sich innerhalb einer Person, zwischen Personen und auch zwischen den Altersgruppen zu unterscheiden, worauf an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden kann.

Subjektive Gesundheit dient als Prädiktor für den funktionalen Status, funktionale und kognitive Beeinträchtigungen sowie die Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen. Ob Ehrenamt und soziale Integration die subjektive Gesundheit stärken, soll in vorliegender Hausarbeit analysiert werden.

2.4 Internationaler Vergleich

Zum internationalen Vergleich wurden die europäischen Länder Deutschland, Großbritannien und Schweden ausgewählt. Die drei Staaten weisen unterschiedliche Gesundheitssysteme auf. Während das deutsche System mit seinen gesetzlichen Krankenversicherungen dem Bismarck-Modell zugeordnet wird, orientieren sich das britische sowie das schwedische System an dem steuerfinanzierungsorientierten Beveridge-Modell (Busse, 2006).

Im Kontrast zum zentral über den National Health Service organisierten britischem öffentlichen Gesundheitswesen wird dieses in Schweden dezentral von den Provinzial-landtagen und Gemeinden organisiert. In beiden Staaten sind nach dem Wohnsitzprinzip alle Einwohner in der öffentlichen Versicherung eingeschlossen. In Deutschland werden die Rahmenbedingungen der Organisation des Gesundheitswesens durch den Gesetzgeber gestellt, für die Anbieter liegt jedoch ein System der Selbstverwaltung vor (Döhring, Dudenhöffer und Herdt, 2005).

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Details

Seiten
Jahr
2019
ISBN (eBook)
9783346085269
ISBN (Paperback)
9783346085276
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Chemnitz – HSW
Erscheinungsdatum
2019 (Dezember)
Note
1,7
Schlagworte
Ehrenamt Gesundheit soziale Teilhabe international

Autor

  • Rubi Mauer (Autor:in)

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