Glaubt man den Stellenanzeigen, so sollte der ideale Bewerber heutzutage direkt von der Universität kommen, jung und dynamisch sein, gleichzeitig aber auch schon über eine mehrjährige Berufserfahrung verfügen. Nun stellt sich allerdings die Frage, ob oder welche dieser Eigenschaften wirklich einen guten und vor allem erfolgreichen Mitarbeiter ausmachen. Zudem sollte dieser auch langfristig einsetzbar sein und optimal fortgebildet werden. Wie genau sollten diese Weiterbildungsmaßnahmen ablaufen und welche Teamzusammensetzung bewirken eine effiziente Arbeitsweise?
In der vorliegenden Arbeit werden diese Fragestellungen erläutert, die Relevanz des lebenslangen Lernens im Beruf dargestellt und eine Empfehlung zum gezielten Einsatz der unterschiedlichen Lernformen im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen gegeben. Es wird aufgezeigt, inwiefern das implizite und explizite Wissen für den Beruf notwendig ist und die angeeigneten Handlungsabläufe bzw. das erworbene Wissen in den Berufsalltag integriert werden können.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretische Grundlagen des Lernens
2.1 Implizites Lernen
2.1.1 Lernen prozeduraler Fähigkeiten
2.1.2 Lernen durch Priming (perzeptuell, semantisch)
2.1.3 Lernen in Form von Konditionierung
2.1.3.1 Lernen in Form von klassischer Konditionierung
2.1.3.2 Lernen in Form von operanter Konditionierung
2.1.4 Nicht-assoziatives Lernen (Habituation, Sensibilisierung)
2.2 Explizites Lernen
2.3 Lebenslanges Lernen
3 Lernen im Beruf
3.1 Implizites Lernen im Beruf
3.1.1 Praxisbeispiel: Intuition im Bereich der Pflegeberufe
3.2 Explizites Lernen im Beruf
3.3 Lebenslanges Lernen im Beruf
3.4 Kombination und gezielter Einsatz des Lernens im Beruf
4 Diskussion
5 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Gedächtnisprozess 2
Abbildung 2: Gedächtnisarten
Abbildung 3: Zusammenhang zwischen Stimulus und Verhalten
Abbildung 4: Vermeidungsverhalten
Abbildung 5: Prozess Wissenserwerb
Abbildung 6: Wissensrepräsentationen
Abbildung 7: Ansätze der Weiterbildung
Abbildung 8: “Lebenslanges Lernen”, Sonderbriefmarke
Abbildung 9: Explizites und implizites Wissen – Eisbergmodell
1 Einleitung
Glaubt man den Stellenanzeigen, so sollte der ideale Bewerber heutzutage direkt von der Universität kommen, jung und dynamisch sein, gleichzeitig aber auch schon über eine mehrjährige Berufserfahrung verfügen. Nun stellt sich allerdings die Frage, ob oder welche dieser Eigenschaften wirklich einen guten und vor allem erfolgreichen Mitarbeiter ausmachen. Zudem sollte dieser auch langfristig einsetzbar sein und optimal fortgebildet werden. Wie genau sollten diese Weiterbildungsmaßnahmen ablaufen und welche Teamzusammensetzung bewirken eine effiziente Arbeitsweise?
In der vorliegenden Arbeit werden diese Fragestellungen erläutert, die Relevanz des lebenslangen Lernens im Beruf dargestellt und eine Empfehlung zum gezielten Einsatz der unterschiedlichen Lernformen im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen gegeben. Es wird aufgezeigt, inwiefern das implizite und explizite Wissen für den Beruf notwendig ist und die angeeigneten Handlungsabläufe bzw. das erworbene Wissen in den Berufsalltag integriert werden können.
Um die Anwendung der unterschiedlichen Lernformen besser zu veranschaulichen, soll zunächst aus wissenschaftlicher Perspektive auf die Grundlagen der Informationsaufnahme und -weiterverarbeitung, sowie den Abruf des gespeicherten Wissens eingegangen werden. Hierzu werden die Aspekte des impliziten bzw. expliziten Lernens, sowie deren Einsatz für ein stetiges Weiterbilden aufgezeigt. Welche Wissensart das Handeln im beruflichen Alltag am meisten beeinflusst, wird anhand der der Pflegeberufe diskutiert.
Das Vorgehen bei dieser Arbeit ist deduktiv, es werden empirische Daten mit aus der Sekundärforschung gewonnen Informationen verglichen.
2 Theoretische Grundlagen des Lernens
Das Lernen als Aneignen von Wissen, Handlungsabläufen oder Verhaltens-weisen ist ein lebenslanger Prozess. Beginnend mit der Entwicklung im Kindesalter, über berufliche Aus- und Weiterbildung bis hin zu Alltags-erfahrungen beruht das Denken und Handeln eines jeden Menschen zum überwiegenden Teil auf Lernprozessen. Diese können bewusst oder unbewusst erfolgen. Das Gedächtnis erhält hierbei ständig neue Informationen, die mit bereits vorhandenen verglichen und ggf. erweitert werden. Anhand dessen ist ein besseres Verstehen und Einordnen von Eindrücken oder Abläufen aus der Umwelt möglich.[1]
Gedächtnisprozess
Der Ablauf beim Lernen folgt immer dem gleichen Schema – ungeachtet, welcher Inhalt oder welche Art des Wissenserwerbes vorliegt.
Zunächst gibt es einen auslösenden Reiz aus der Umwelt in Form von Bildern, Worten, Eindrücken oder komplexen Handlungsmustern.
Diese Information wird über Sinnesorgane aufgenommen und durch Codie-rung so umgeformt, dass sie im Gedächtnis weiterverarbeitet werden kann. Im darauffolgenden Schritt erfolgt die Speicherung im Gehirn und die Infor-mation kann so über einen längeren Zeitraum verfügbar bleiben. Wird das so Erlernte benötigt, erfolgt der Abruf und dieses wird zur Verfügung gestellt.[2]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Gedächtnisprozess
(Quelle: Eigene Darstellung nach Becker-Carus, C.: Allgemeine
Psychologie. Eine Einführung. Springer-Verlag. Heidelberg. 2011)
Gedächtnisarten
Die Einteilung der Gedächtnisarten kann auf unterschiedliche Art und Weise geschehen, beispielsweise ist es möglich, nach anatomischen Gesichts-punkten der beteiligten Hirnareale oder nach Inhalt des Erlernten zu unterscheiden. Um nun das unbewusste Aneignen wie den motorischen Handlungsablauf beim Fahrradfahren, von bewusstem Lernen komplexer mathematischer Zusammenhänge, Fremdsprachen etc. abgrenzen zu können, muss man den Lernprozess und die Zielsetzung näher betrachten.
Ist das Vorgehen und das Ziel des Lernvorganges von vorne herein klar definiert, sowie die Informationsaufnahme bewusst durchgeführt, spricht man auch vom expliziten Lernen. Erfolgt dieser Prozess jedoch unbewusst und nebenbei, handelt es sich um implizites Lernen. Diese Lernformen werden in den folgenden Kapiteln näher erläutert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Gedächtnisarten
(Quelle: Eigene Darstellung nach Anderson, J.R.: Kognitive Psychologie.
6. Auflage. Springer Verlag. Berlin Heidelberg. 2012)
Mögliche Untergruppen des expliziten und impliziten Lernens werden in Abbildung 2 dargestellt und in diesem Kapitel näher beleuchtet.
2.1 Implizites Lernen
Beim impliziten Lernen handelt es sich um die unbewusste Aufnahme und Speicherung von Informationen. Es erfolgt eine Aneignung von beispielsweise unterschiedlichen Handlungsabläufen, Reaktionen oder intuitiven Gedanken. Das Erlernen geschieht ohne ein bewusstes Lenken der Aufmerksamkeit auf den Lernprozess. Ebenso ist das Ziel des Lernens hierbei nicht von vorne herein klar definiert, es geschieht eher beiläufig.
Implizite Gedächtnisinhalte können nicht spontan in Erinnerung gerufen werden, spiegeln sich jedoch in unserer Leistung wieder.[3]
So haben wir die Grammatik unserer Muttersprache, den aufrechten Gang oder soziale Verhaltensweisen nie bewusst gelernt und können diese auch nur schwer in Worten wieder geben. Die Anwendung des implizit Erlernten ist jedoch meist jederzeit möglich.
2.1.1 Lernen prozeduraler Fähigkeiten
Bei dieser Unterform des impliziten Lernens werden automatisch ablaufende Handlungen unbewusst im Gehirn abgespeichert. Das ist notwendig, um relativ einfache Tätigkeiten und Abläufe wie Auto- oder Fahrradfahren durchführen zu können. Hierzu müssen die dafür notwendigen Informationen im Laufe des Lebens erlernt werden und bei Bedarf abrufbar sein. Dies geschieht durch Speicherung und Verarbeitung von senso-motorischen Fertigkeiten im prozeduralen Gedächtnis.
Es findet keine Aneignung von klar definiertem Faktenwissen statt, sondern die Ablaufmuster wie beispielsweise in handwerklichen Berufen komplexe Handlungsabfolgen werden durch Nachahmung bzw. eigene Erfahrung erlernt. In der entsprechenden Situation ist das Wissen dann ohne bewusstes Erinnern wieder präsent. Dieses implizite Wissen im Gedächtnis abzufragen und in Worte fassen zu können, ist allerdings nur mit großer Anstrengung möglich.
2.1.2 Lernen durch Priming (perzeptuell, semantisch)
Beim so genannten Priming wird die Weiterverarbeitung eines eintreffenden Reizes durch vorherige Aktivierung impliziter Gedanken beeinflusst. Es handelt sich um Erfahrungen, die in einer ähnlichen Situation im Vorfeld gespeichert wurden. Auch hier erfolgt der Prozess des Erinnerns unbewusst. Als „primende Reize“ können Bilder, Gerüche oder Wörter auftreten. Diese lösen eine Aktivierung von bereits vorhandenen Gedächtnisinhalten aus und beeinflussen die nachfolgende Aktion (Emotionen, Handeln, Denken) der betreffenden Person. Das Priming bewirkt, dass das Gehirn sehr schnell arbeiten kann, da bestimmte Assoziationen aktiviert werden.
Generell unterschieden wird zwischen perzeptuellem und semantischem Priming. Ersteres wird zwar dem impliziten Gedächtnis zugeordnet, bildet jedoch eine Zwischenform zum bewussten Lernen. Das perzeptuelle Lernen basiert auf dem Wiedererkennen von bereits bekannten Reizen und Mustern. Als Beispiel hierfür ist die Gesichtserkennung zu nennen, die nach diesem Prinzip abläuft. Verfügt das Gehirn schon im Vorfeld über Informationen, dann setzt auch das bewusste Erkennen früher ein.
Das semantische Priming beruht darauf, dass zwischen bestimmten Worten Assoziationen im Gedächtnis bestehen. Es ist ein regelrechtes Netzwerk vorhanden, wodurch die Weiterverarbeitung eines Wortes durch die vorherige Wahrnehmung eines anderen Wortes der gleichen Gruppe beeinflusst wird.
2.1.3 Lernen in Form von Konditionierung
Die Lerntheorie der Konditionierung beruht auf dem Antrainieren von Reiz-Reaktions-Mustern. Man unterscheidet zwischen klassischer und operanter Konditionierung. Gemeinsame Grundlage bei beiden Untergruppen ist, dass neben einem Reiz (= Stimulus, Ereignis, das zur Erregung/Stimulation führt) eine gezielte Reaktion eine zentrale Rolle spielt.
So wird Konditionierung auch als ein „in verschiedenen Lerntheorien gebräuchliches Konstrukt, das auf die Verbindung verschiedener Elemente aufgrund spezifischer Erfahrungen hinweist“, beschrieben.[4]
2.1.3.1 Lernen in Form von klassischer Konditionierung
Bei dieser Unterform der Konditionierung wird durch einen Reiz (Stimulus) eine bestimmte Reaktion ausgelöst.
Da heutzutage nur wenige Psychologen glauben, dass der größte Teil unserer erlernten Verhaltensweisen direkt aus der klassischen Konditio-nierung entstehen[5], wird auf diese Form nicht näher eingegangen.
2.1.3.2 Lernen in Form von operanter Konditionierung
Bei der operanten oder auch instrumentellen Konditionierung handelt es sich um das Modell eines ursprünglich spontanen Verhaltens, das je nach nachfolgender Konsequenz in eine zielgerichtete Aktion umgewandelt wird.
Es wurden verschiedene tierexperimentelle Versuche und Modelle entwickelt, in denen diese Verhaltensweisen untersucht wurden.[6]
Im Folgenden wird auf die für den (beruflichen) Alltag relevanten Formen eingegangen.
Verstärkung und Bestrafung
Ob nun eine Reaktion verstärkt beziehungsweise weniger stark ausgeprägt auftritt, oder gar ganz gemieden wird, hängt entscheidend von der Kon-sequenz ab. Folgt auf eine Aktion ein Stimulus in Form einer Belohnung oder Bestrafung, hat dies direkte Auswirkungen auf die Häufigkeit, mit der die Aktion zukünftig ausgeführt wird. Das Gedächtnis speichert die Folge des Verhaltens ab und reagiert beim nächsten Mal in der gleichen oder einer ähnlichen Situation gezielt. Hierbei lassen sich nach Skinner[7], wie in Abbildung 3 dargestellt, die Zusammenhänge zwischen einem Verhalten und seinen Folgen in vier Typen einteilen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Zusammenhang zwischen Stimulus und Verhalten
(Quelle: Eigene Darstellung nach Winke-Fischer, S.: Gedächtnis und
Lernen.1. Auflage. SRH FernHochschule Riedlingen. Riedlingen. 2013)
1. Eine positive Verstärkung tritt ein, wenn auf das initiale Verhalten ein positiver Stimulus (Reiz/Ereignis) folgt, die Aktion wird folglich häufiger ausgeführt.
2. Die Bestrafung beschreibt, dass auf das Ereignis unmittelbar ein negativer Reiz folgt. Daraus resultierend wird die Aktion weniger häufig oder gar nicht mehr ausgeführt.
3. Eine negative Verstärkung bedeutet, dass ein unangenehmes Ereignis unmittelbar nach dem initialen Verhalten ausbleibt und führt somit zur Zunahme des Verhaltens.
4. Die negative Bestrafung ist gekennzeichnet durch das Ausbleiben positiver Reize oder Belohnung und bewirkt eine Abnahme des Verhaltens.
Vermeidung
Eine Sonderform bildet in diesem Kontext die Vermeidung, die zur negativen Verstärkung gezählt wird und im (beruflichen) Alltag eine wichtige Rolle spielt, bzw. spielen kann. Sehr rasch ist es möglich, dass ein Mitarbeiter in den Teufelskreis von Vermeidungsverhalten gerät.
Werden beispielsweise Defizite in seinen Fähigkeiten aufgedeckt und der Mitarbeiter entmutigt, so kann dies zu einem Vermeidungsverhalten führen und der Mitarbeiter wird die Tätigkeit in Zukunft weniger häufig oder gar nicht mehr ausführen.
[...]
[1] Vgl. Pohl, R.: 2007
[2] Vgl. Becker-Carus, C.: 2011, S. 369f
[3] Vgl. Anderson, J.R.: 2012, S. 280
[4] Gabler Wirtschaftslexikon (12.01.2014), URL: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/ 78172/konditionieren-v5.html
[5] Vgl. Winke-Fischer, S.: 2013, S. 38
[6] Vgl. Winke-Fischer, S.: 2013, S. 40ff
[7] Vgl. Winke-Fischer, S.: 2013, S. 50ff