Die Brauchforschung bildet seit jeher einen wichtigen Bestandteil der Volkskunde und somit auch der Europäischen Ethnologie. Ich möchte der Frage nachgehen, wie sich das Schenkverhalten an Weihnachten entwickelt und gewandelt hat und in welchem Bezug das Weihnachtsfest heutzutage zu seinem religiösen Hintergrund steht. Da es sich um eine Arbeit im Fach Europäische Ethnologie handelt, wird nur auf Europa und nicht auf die ganze Welt eingegangen. Mit einer kurzen Beschreibung der Geschichte des Schenkens ganz allgemein möchte ich in das Thema einsteigen. Darauffolgend soll näher auf das Schenkverhalten speziell an Weihnachten und dessen Entwicklung eingegangen werden. Außerdem soll das Verhältnis von Religion zum weihnachtlichen Schenkfest erläutert werden.
Bräuche entstehen, wandeln sich oder verschwinden. Bräuche gelten als etwas von der Gesellschaft Entwickeltes und Festgeltendes. Bräuche werden von Gemeinschaften benutzt, um Regeln und Abläufe festhalten zu können, aber auch um den Zusammenhalt einer Gemeinschaft zu stärken, wie beispielsweise bei Festen. Der Ursprung von Geschenken und dem Austauschen dieser liegt in den bereits im Mittelalter ausgetauschten Gaben und Gegengaben, beispielsweise zu Hochzeit und Taufe. Diese Handlungen waren meist verbunden mit Beglückwünschungen, mit einer gewissermaßen verpflichtenden Gegenseitigkeit, mit Aberglauben und mit Verpflichtungen sowohl des Schenkers als auch des Beschenkten. So waren zum Beispiel bei einer Hochzeit die Eltern rechtlich oder zumindest gewohnheitsrechtlich verpflichtet, dem Brautpaar verschiedene Gaben zu überreichen.
Inhalt
1 Einleitung
2 Geschichtlicher Abriss
3 Geschenke an Weihnachten
3.1 Entstehung des Schenkbrauchs an Weihnachten
3.2 Wandel des Schenkverhaltens
3.3 Bezug zur Religion
4 Auswertung und Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die Brauchforschung bildet seit jeher einen wichtigen Bestandteil der Volkskunde und somit auch der Europäischen Ethnologie. Bräuche entstehen, wandeln sich oder ver- schwinden. Bräuche gelten als etwas von der Gesellschaft Entwickeltes und Festgelten- des. So definiert Konrad Köstlin Bräuche wie folgt: 1 „Ganz allgemein versteht man unter einem Brauch ein Verhalten oder ein Verhaltensmuster, das von der Gruppe als richtig oder falsch angesehen wird, eine allen gemeinsame Regel, die von der Gruppe im Kon- sens getragen wird und die Konformität der Gruppe darstellt. Diese soziale Konformität gründet sich in der Moderne immer deutlicher auf eine ‚historisch’ genannte Tradition“. 2 Bräuche werden von Gemeinschaften benutzt, um Regeln und Abläufe festhalten zu können, aber auch um den Zusammenhalt einer Gemeinschaft zu stärken, wie beispiels- weise bei Festen. 3 Entsprechend dieser Definition kann man also auch das Schenkver- halten und verschiedene Handlungsabläufe an Weihnachten als Brauch bezeichnen. Mit eben diesen wird sich die folgende Hausarbeit, die im Rahmen des europäisch ethnologi- schen Seminars „Feste, Bräuche und Rituale im Winterhalbjahr: Kulturelles Handeln zwi- schen Tradition und Moderne“ entstanden ist, beschäftigen. Ich möchte der Frage nach- gehen, wie sich das Schenkverhalten an Weihnachten entwickelt und gewandelt hat und in welchem Bezug das Weihnachtsfest heutzutage zu seinem religiösen Hintergrund steht. Da es sich um eine Arbeit im Fach Europäische Ethnologie handelt, wird nur auf Europa und nicht auf die ganze Welt eingegangen. Mit einer kurzen Beschreibung der Geschichte des Schenkens ganz allgemein möchte ich in das Thema einsteigen. Darauffolgend soll näher auf das Schenkverhalten speziell an Weihnachten und dessen Entwicklung einge- gangen werden. Außerdem soll das Verhältnis von Religion zum weihnachtlichen Schenkfest erläutert werden. Abschließend möchte ich im Fazit meine Erkenntnisse zu- sammenfassend darstellen.
Das Überreichen von Geschenken spielt in unserer heutigen Gesellschaft nicht nur, aber besonders an Weihnachten eine große Rolle. Im nun folgenden ersten Kapitel soll deshalb der aktuelle Bezug der Thematik dargestellt und aufgezeigt werden.
2 Geschichtlicher Abriss
Warum und seit wann machen sich Menschen gegenseitig überhaupt Geschenke? Diese Frage soll im folgenden Kapitel beantwortet werden. Hierzu wird ein knapper geschicht- licher Abriss dargestellt.
Der Ursprung von Geschenken und dem Austauschen dieser liegt in den bereits im Mit- telalter ausgetauschten Gaben und Gegengaben, beispielsweise zu Hochzeit und Taufe. Diese Handlungen waren meist verbunden mit Beglückwünschungen, mit einer gewis- sermaßen verpflichtenden Gegenseitigkeit, mit Aberglauben und mit Verpflichtungen so- wohl des Schenkers als auch des Beschenkten. So waren zum Beispiel bei einer Hochzeit die Eltern rechtlich oder zumindest gewohnheitsrechtlich verpflichtet, dem Brautpaar ver- schiedene Gaben zu überreichen. Mit diesen Brautgeschenken untermauerte man quasi einen Vertrag, in diesem Fall den der Ehe. Geschenke wurden oft in Verbindung mit dem Einleiten eines neuen Lebensabschnitts übergeben. Auch die Beziehung von Erwachse- nen zu Kindern wurde, wie beispielsweise bei einer Taufe die Beziehung des Paten zu dem Getauften, durch Gaben und Geschenke geregelt. So war der Pate dazu verpflichtet bestimmte Geschenk zu bestimmten Anlässen im Jahresverlauf zu überreichen. Dies führte unter anderem zum Ausdruck sozialer Positionen, Erwartungen der beteiligten Per- sonen und zu einer gewissen Sicherheit auf Seiten des Schenkers und des Beschenkten, durch die gesellschaftlichen Regelungen des Geschenke- und Gabenaustauschs. So waren auch Gebeverpflichtungen von Dienstherrschaft und Gesinde geregelt. Geschenke dien- ten so der sozialen und finanziellen Absicherung. 4
Im 18. Jahrhundert, parallel zur Herausbildung des Geldwirtschaftssystems, entwickelte sich dann die Schenkkultur, wie wir sie bis heute noch kennen: das „bürgerliche“ Schen- ken als Ausdruck von Fürsorge und Liebe oder auch von persönlichen, familiären und freundschaftlichen Beziehungen. Durch die Entwicklung des modernen Staats gewann die Familie als private, intime Instanz mehr Bedeutung und Aufmerksamkeit. So entwi- ckelten sich die Beziehungen zwischen den Geschlechtern, zwischen Partnern und auch zu Kindern zunehmend zu einer gefühlsorientierten Bindung. Dies wirkte sich auch auf das Schenkverhalten aus: es findet immer mehr auf einer emotionalen Ebene und immer weniger im Rahmen von institutionellen Regelungen statt. Kindern, der Kindheit an sich und dem kindlichen Spielen wurde mehr Aufmerksamkeit geschenkt. So geriet dieses neue Spielverständnis zunehmend in den Fokus von Familienfesten, wie beispielsweise Weihnachten. 5
Auf genau diese Entwicklung von Weihnachten als Familienfest wird im Kapitel „Wan- del des Schenkverhaltens“ näher eingegangen. Zusammen mit diesem neuen Fokus stieg das Interesse zu verschiedenen Anlässen Spielzeug zu verschenken, was für einen erhöh- ten Bedarf an solchen sorgte. Somit wuchs im Verlauf des 19. Jahrhunderts der Spiel- zeugmarkt und auch diverse andere Güter konnte man zunehmend zu Schenkzwecken erwerben, wie zum Beispiel Schokoladenpralinen. 6
Ebenfalls im 19. Jahrhundert, genauer 1889, wurde in der zweiten Kommission zur Vor- bereitung des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches erstmalig die egoistische Schenkung als rechtsgültig erklärt. Bis heute gilt die Schenkung rechtlich als Vertrag, der durch das Angebot und die Annahme eingegangen wird und mit dem so Rechte und Pflichten ein- hergehen. Interessant hierbei ist, dass der Schenkgegenstand immer einen zu beziffernden Wert aufweisen muss. Heutzutage sind diverse weitere Gesetzte mit einer Schenkung ver- bunden, wie beispielsweise Regelungen über Widerrufsrecht und Gewährleistung. 7
Allerdings hat sich nicht nur die Gesetzeslage weiterentwickelt. Heutzutage steht der un- eingeschränkte Konsum im Mittelpunkt. So haben zwar viele Schenk-Anlässe einen reli- giösen oder gesellschaftlichen Ursprung, einige lassen sich aber auch als „künstliche“ Anlässe bezeichnen. Hierunter fallen Tage wie Muttertag oder Valentinstag, die, als Pro- dukt des konsumorientierten Einzelhandels, zu scheinbar wichtigen Schenkanlässen wur- den. 8 Um die Entwicklung des ausschweifenden Konsums darzustellen, sollen an dieser Stelle einige Zahlen der Umsätze im Einzelhandel zur Weihnachtszeit genannt werden. Während im Jahr 2000 der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels für den Weih- nachtshandel ein Umsatzziel von 27 Milliarden DM anstrebte9, lagen 2017 die tatsächli- chen Umsatze des Einzelhandels in Deutschland im Weihnachtsgeschaft bei 94,3 Milli arden Euro. 10 Umsatzziel und tatsachliche Umsatze lassen sich selbstverstandlich nicht direkt vergleichen, dennoch zeigen die genannten Zahlen einen deutlichen Unterschied, an welchem die steigende Konsumorientierung allein in den letzten 17 Jahren deutlich wird.
In den folgenden Kapiteln soll es, wie bereits in der Einleitung angekiindigt, urn das Weihnachtsfest und das Schenkverhalten an Weihnachten gehen.
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1 Vgl. Wolf, Helga Maria: Das neue Brauchbuch. Alte und junge Rituale für Lebensfreude und Lebens- hilfe. Wien 2000, S. 13.
2 Wolf (2000), S. 13.
3 Vgl. Wolf (2000), S. 15 ff. Vgl. hierzu auch: Döring, Alois: Brauchbares. Ein kleines Kompendium. In: Ders./Kamp, Michael/Uhlig, Mirko (Hgg.): Dem Licht entgegen. Winterbräuche zwischen Erntedank und Maria Lichtmess. Köln 2010, S. 11–21, hier: S. 11 ff.
4 Vgl. Schrutka-Rechtenstamm, Adelheid: Schenken – ein Kulturphänomen. In: Keß, Bettina: Geschenkt! Zur Kulturgeschichte des Schenkens. Heide 2001, S. 15-25, hier: S. 19 f.
5 Vgl. Schrutka-Rechtenstamm (2001), S. 20 f. Vgl. hierzu auch: Stephan, Mario: Geschenkt! Vom Schenken und seinen gesellschaftlichen Zwängen in der Konsumgesellschaft. (= Wissenschaftliche Bei- träge aus dem Tectum Verlag. Reihe Sozialwissenschaften. Bd. 31). Marburg 2010, S. 61.
6 Vgl. Schrutka-Rechtenstamm (2001), S. 21 f.
7 Vgl. Emmenegger, Susan/ Wittzack, Maren: Schenkung als Rechtsgeschäft. In: Keß, Bettina: Ge- schenkt! Zur Kulturgeschichte des Schenkens. Heide 2001, S. 26-33, hier: S. 26 ff.
8 Vgl. Keß, Bettina: Geschenkt?! In: Keß, Bettina: Geschenkt! Zur Kulturgeschichte des Schenkens. Heide 2001, S. 10-14, hier: S. 10 ff.
9 Vgl. Keß, Bettina: Geschenkt?! In: Keß, Bettina: Geschenkt! Zur Kulturgeschichte des Schenkens. Heide 2001, S. 10-14, hier: S. 10.
10 Diese Zahlen wurden einer Berechnung des Handelsverband Deutschland entnomm en. Online zu fin den uber: https: I /www. einzelhandel.de/weihnachten/1886-umsaetze-im -weihnachtsgeschaeft. (Stand: 25.02. 2018).