Entwicklungsgeschichte und Aufbau des Bildungssystem der DDR
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Entwicklungsperioden des Bildungssystems
2.1 Erste Etappe
2.2 Zweite Etappe
2.3 Dritte Etappe
3. Bereiche des Bildungswesens
3.1 Vorschulische und außerunterrichtliche Einrichtungen
3.2 Allgemeinbildende Schulen
3.2.1 Die allgemeinbildende polytechnische Oberschule..
3.2.2 Die erweiterte allgemeinbildende polytechnische Oberschule.
4. Schlusswort
5. Abbildungsverzeichnis
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Bildung hat in der Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Sie ist tagespolitisch aktuell und Gegenstand vieler Diskussionen und Auseinandersetzungen zwischen Vertretern der jeweiligen Parteien und natürlich zwischen den unmittelbar Betroffenen. Im Zuge der Transformation ist die Möglichkeit zur öffentlichen Kritik am Bildungswesen besser und unproblematischer als in der DDR geworden. Zurzeit erfolgt wieder einmal eine intensive und parteipolitische Erarbeitung `neuerer´ Wege und Ideen. Schlagworte wie Bildungsoffensive und PISA - Debakel werden in den Zeiten medialer Steuerung und Wählerorientierung gern gebraucht. Eine grundlegende und dringend notwendige Neustrukturierung des Bildungswesens ist unbedingt erforderlich. Aktuell werden angeblich `neue Ideen´, wie z.B. Bildungsstandards, favorisiert. Im Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 4.Dezember 2003 wurde eine Vereinbarung über Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss getroffen. In den Bundesländern Brandenburg, Berlin, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern werden nun gemeinsame Grundschullehrpläne eingeführt. Im Gespräch befinden sich einheitliche Lehrpläne für Grundschulen auch in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen.1Einheitliche Lehrpläne sind allerdings schon im Bildungssystem der DDR erfolgreich eingesetzt worden. Die Überarbeitung oder Eingliederung des ostdeutschen Bildungssystems in das des westdeutschen, föderalen, wurde jedoch nicht vorgenommen. Salopp gefragt: „War denn alles so schlecht?“ Diese Frage soll nicht polemischer Natur sein, sondern nur den Eindruck widerspiegeln, der entstanden sein muss, als nach der Wende die Umstrukturierung konsequent in eine Richtung durchgeführt wurde.
Die Arbeit gibt eine Zusammenfassung über die geschichtliche Entwicklung des Bildungssystems der DDR. Dabei sollen die einzelnen Etappen dargestellt und einzelne Ausprägungsformen des Bildungswesens erläutert werden. Hierzu erfolgt eine Auseinandersetzung mit der strukturellen Beschaffenheit einzelner Elemente des Bildungssystems der DDR. Vor allem die schulische Ausbildung erfährt eine ausgiebigere Betrachtung. Die universitäre bzw. berufliche Ausbildung und auch die Erwachsenenbildung werden nicht aufgeführt.
2. Die Entwicklungsperioden des Bildungssystems
Vor 1945 gab es in Deutschland im Wesentlichen zwei Schulstrukturmodelle. Unterschieden werden konnten das „[...] Massensystem für das Volk und ein `höheres´ Schulsystem für die Eliten“2. Diese Teilung war die vorherrschende Modellstruktur bis 1919/1920. In ihr kristallisierten sich vor allem qualitative Unterschiede zwischen den jeweiligen zuzuordnenden Schulen heraus. Ab 1920 wurde eine vierjährige Grundschule eingerichtet. Diese sollte als gemeinsames Fundament der beiden Schulsysteme gelten, die nun somit miteinander verknüpft wurden. Für eine weitere Verzahnung beider Systeme lassen sich „[...] institutionell definierte und erwartbare Übergangszeitpunkte (z.B. nach dem 4. bzw. 6. Schuljahr) und bestimmte administrative Vorgaben (Fachlichkeit in der Aufsicht der Schulen; Standardisierung der öffentlichen Schulfinanzierung)“3hinzuzählen.
Die Planungen zur Umgestaltung eines Bildungssystems in der SBZ begannen noch vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Im Februar 1945 wurden Richtlinien zur Arbeit der sowjetischen Armee, die auch für das Bildungswesen verantwortlich war, erstellt.4Für den Aufbau eines neuen Schulsystems sollten die grundlegenden Prinzipien antifaschistisch und demokratisch gelten. Vor allem der Umbau in der Ausgestaltung von neu definierten Unterrichtsziele und Schulformen musste forciert werden. Diese Auffassung wurde in allen vier Besatzungszonen vertreten. Da die jeweilige Militäradministration für das Bildungswesen zuständig war, wurden zwar die systemgebundenen Schulsysteme favorisiert, aber es stand noch nicht fest, wie die Neustrukturierung Deutschlands endgültig aussehen würde. Durch die schwierigen und dann später gescheiterten Verhandlungen unter den Alliierten, konnte somit auch kein Konsens zur Frage des Bildungswesens gefunden werden. So setzten sich in der westlichen bzw. östlichen Besatzungszone die entsprechenden Bilddungssysteme durch. Struktur und Inhalt der Bildung sollte nach bestehenden Vorbildern umgebildet werden, um die Gefahr einer neuen `Gefahrenausbildung´ von Deutschland entgegenzuwirken. Während sich in der SBZ bald die Gleichheitsnorm durchsetzte, wurde in den westlichen Besatzungszonen das dreigliedrige Bildungssystem wieder eingesetzt. Die Ausgestaltung des Einheitssystems in der SBZ und dann in der DDR wurde durch verschiedene Bildungsreformen und Gesetze forciert und gefestigt.5In der Literatur wird hervorgehoben, dass sich die Entwicklung des ostdeutschen Bildungssystems sehr stark von der deutschen Tradition entfernte. Probleme wie „[...] die Verbindung von allgemeiner und beruflicher Bildung, oder etwa bildungspolitische und schulpraktische Antworten auf die Herausforderungen seitens gesamtgesellschaftlicher und gesamtwirtschaftlicher "Großwetterlagen" überregionaler Art oder angesichts des rasanten wissenschaftlichen und speziell technologischen Fortschritts [...]“6wurden in den beiden Systemen unterschiedlich gelöst. Zudem lassen sich wesentliche Unterschiede erkennen. Sowohl strukturelle als auch inhaltliche Aspekte erfuhren unterschiedliche Ausprägungen. Als `radikaler Bruch mit der deutschen Bildungstradition´ wurde die Umgestaltung des ostdeutschen Bildungssystems bezeichnet, das sich nun vor allem in der pädagogische Ausrichtung nach sowjetischen Vorbild entwickelte. Weitere Indizien, die den Umbruch charakterisieren, waren die „[...] Aufhebung der Trennung von höherer und volkstümlicher Bildung [sowie die ] Aufhebung einer speziellen Mädchenbildung [...]“7. Diese strukturellen Neuerungen sind jeweiligen Etappen der Bildungssystemsentwicklung zuzuordnen. In verschiedenen Literaturquellen ist der Versuch unternommen worden, eine Periodisierung vorzunehmen und einzelne grundlegende Neuerungen, die sich durch neue Schulgesetze und prägnante Phasen hochschulpolitischer Maßnahmen repräsentieren, nach Etappen zu gliedern. In dieser Arbeit wird sich auf die Periodisierung von Hamann beziehen, der drei Etappen der Entwicklung unterscheidet.
2.1 Erste Etappe
Die jeweiligen Etappen des Auf- und Ausbaus des Bildungssystems der SBZ/DDR korrespondierten mit jeweils einem bildungspolitischen Gesetz. So gilt das »Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule«, das so genannte `Einheitsschulgesetz´ von 1946, als zentrales Bildungsgesetz, das die Etappe der »antifaschistisch-demokratische Schulreform 1945 - 1949« prägte.8Vor allem strukturelle Veränderungen wurden vorgenommen. Die groben Ziele waren „[...]die Schulen neu zu organisieren, die Bildungsinhalte neu zu bestimmen und das Bewußtsein der Menschen zu verändern“9. Die Etappe war geprägt von dem Prozess der Entnazifizierung. Um das Ziel der demokratischen Erneuerung zu erreichen, mussten entsprechend Faschismus und Militarismus beseitigt werden. Für die Schaffung einer neuen sozialistischen Gesellschaftsordnung mussten Rassismus, Nationalismus, Revanchismus und Antikommunismus verschwinden. Grundlegende Vorgänge der Umgestaltung waren „[...] Säuberung des gesamten Lehr- und Verwaltungspersonals von nazistischen und militaristischen Elementen, die Beseitigung aller Bildungsprivilegien einzelner Bevölkerungsschichten, die Schaffung eines einheitlichen Bildungssystems, die Trennung von Schule und Kirche [und] die Öffnung des Weges zu den Hochschulen für alle Befähigten“10. Dieser Prozess der wesentlichen bildungspolitischen Vorentscheidungen wurde durch die Vorgaben der Besatzungsmacht gestaltet. Zu den bildungspolitischen Entscheidungen gehörten u.a. das Einsetzen deutscher Zentralverwaltungen, die Auflösung von Privatschulen sowie das Verbot von Neugründungen. Auch durch die Einflussnahme der 1946 gebildeten Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) wurde auf die Änderungen der Lehrinhalte gedrängt.11Zu den direkten Veränderungen für die Schüler kann die Einführung einer für alle Kinder verbindlichen achtjährigen Grundschule gelten. Ihr Niveau wurde im Vergleich zur alten Volksschule deutlich angehoben. Inhaltliches und strukturelles Konzept war der nun obligatorische Unterricht der Fremdsprache Russisch ab der fünften Klasse. Daneben wurde der Fachunterricht mit wissenschaftlicher Grundlage eingeführt. Der Inhalt in allen Fächern wurde demokratisiert. An die achtklassige Grundschule konnte entweder eine dreijährige Berufsausbildung oder eine vierjährige Oberschule angeschlossen werden. Mit dem Abschluss der Oberschule wurde die Hochschulreife erreicht. Diese weiterführende Schulbildung war für die Mehrheit der Kinder möglich. Grundgedanke dieser Strukturkonzeption war die Schaffung einer `neuen Schule´, die den Kindern aus allen sozialen Schichten die Möglichkeit bieten sollte, eine allgemeine Schulausbildung wahrzunehmen. Mit der Garantie der allgemeinen Schulbildung musste daher das völlig unterentwickelte Landschulwesens ausgebaut werden. Für die systematische Förderung von Unterprivilegierten, so z.B. für Arbeiter- und Bauernkinder und ihre spezielle Vorbereitung auf ein Hochschulstudium und die Heranbildung einer neuen Intelligenz, kam den Arbeiter- und Bauernfakultäten eine bedeutende Rolle zu.12Somit wurde für Stadt- und Landkinder ohne Unterschied der Vermögenslage der Eltern die allgemeine Schulbildung und zudem der Weg zur oberen Bildung ermöglicht. Dem gleichen Recht auf Bildung, entsprechend den Anlagen und Fähigkeiten, wurde hier gerecht. Diese konsequente Durchsetzung des Gleichheitsgrundsatzes und der Einheitsschule gründete im „[...] egalitären Gesellschaftsmodell, das der Programmatik der deutschen Arbeiterbewegung entstammte“13. Diese Leitvorstellung war zudem geprägt von Elementen des sowjetischen Bildungssystems und stieß auf Kritik derjenigen, die sich für die Förderung von besonders Begabten einsetzten. Weiterer Gegenstand der Kontroversen an diesem Modell der Einheitsschule waren die mit der siebenten Klasse einsetzende Kursdifferenzierung und das Nebeneinanderbestehen von berufsvorbereitender und studienvorbereitender Bildung in der Oberschule.14Weiterer Widerstand gegen die Ausgestaltung dieses Bildungssystems wurde seitens der CDU, LDPD und den Kirchen geübt. Sie wandten sich „[...] gegen die Trennung von Schule und Kirche, gegen die Verkürzung der höheren Schulbildung von neun auf vier Jahre und gegen das Verbot privater Bildungseinrichtungen“15. Mit der Zustimmung zum Gesetzesentwurf durch die Länder- und Provinzialverwaltungen zwischen dem 22.Mai bis 5.Juni 1945 setzten sich jedoch die SED - Zielsetzungen durch.16 Innerhalb der ersten Phase sind diverse reformpädagogische Ideen diskutiert worden, aber im Zuge der `Stalinisierung´ der Bildungspolitik setzten sich die ideologischen Ausprägungen des Marxismus - Leninismus durch.
[...]
1 Vgl.: http://www.mdr.de/nachrichten/schwerpunkt/1434709.html und http://www.br- online.de/politik-wirtschaft/mittagsmagazin/dynamisch/2004/06/20040615131020.htm (letzter Zugriff am 23.06.2004)
2 Aus: Häder, S. / Tenorth, H.-E. (Hrsg.): Bildungsgeschichte einer Diktatur - Bildung und Erziehung in SBZ und DDR im historisch-gesellschaftlichen Kontext. Weinheim: Deutscher Studien Verlag, 1997. Seite 78.
3 Aus: Ebenda.
4Vgl.: Fuchs, H.-W.: Bildung und Wissenschaft in der SBZ/DDR 1945 bis 1989. Schriftenreihe: Beiträge aus dem Fachbereich Pädagogik; 1997/5. Hamburg: Universität der Bundeswehr, 1997. Seite 37.
5 Vgl.: Lenhardt, G.: Bildung, Bürger, Arbeitskraft - Schulentwicklung und Sozialstruktur in der BRD und DDR. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1997. Seite 137.
6 Aus: Hamann, B.: Geschichte des Schulwesens - Werden und Wandel der Schule im ideen- und sozialgeschichtlichen Zusammenhang. - 2., überab. und erw. Aufl.- Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 1993. Seite 308.
7Aus: Häder, S. / Tenorth, H.-E., Seite 79.
8Vgl. u.a.: Fuchs, H.-W., Seite 36.
9Aus: Hamann, B., Seite 309.
10Aus: Ebenda.
11Vgl.: Ebenda.
12Vgl.: Ebenda., Seite 310.
13Aus: Fuchs, H.-W., Seite 36.
14Vgl.: Hamann, B., Seite 310.
15Aus: Fuchs, H-W., Seite 38.
16Vgl.: Ebenda.