Diese Arbeit thematisiert den Begriff Heimat am Beispiel des Films "Good Bye, Lenin!". Dabei werden folgende Fragen beantwortet: Welche Mittel werden im Film eingesetzt, um diese Heimat beziehungsweise dieses Heimatgefühl zu konstruieren? Wie werden die Verhältnisse und die Beziehungen zur sich auflösenden DDR diskutiert und vermittelt?
Zunächst soll der Heimatbegriff in einigen Facetten betrachtet und erläutert werden. Anschließend folgt ein Exkurs zu dem Begriff Ostalgie, worauf eine filmische Analyse folgt. Im abschließenden Fazit wird das Zusammenspiel der Analyse mit den dargestellten Begriffen erläutert.
Der Mauerfall, das historische Ende der Trennung Deutschlands, jährt sich dieses Jahr zum dreißigsten Male. Die DDR wurde ein Jahr später formell aufgelöst und in die Bundesrepublik integriert, was für die Bürger der DDR nicht nur eine Änderung der Staatsbürgerschaft bedeutete, sondern auch, dass die Veränderungen der Zeit die, bis zu diesem Zeitpunkt existierende, Kultur beanspruchen würden. Dieses Thema behandelt der Spielfilm "Good Bye, Lenin!" von Wolfgang Becker aus dem Jahre 2003, in dem eine alleinerziehende, systemtreue Mutter just vor dem Mauerfall in ein Koma fällt und von den historischen Ereignissen nichts wahrnimmt. Ihr Sohn versucht, als sie aus dem Koma erwacht, in ihrem Schlafzimmer, eine Art Miniatur-Phantasie-Version der DDR einzurichten, um sie mit den Entwicklungen nicht zu überfordern und zu erschrecken. Es wird somit eine Vorstellung von der Heimat konstruiert, die zu verschwinden droht beziehungsweise bereits verschwunden ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Heimatbegriff
3. Die Ostalgie
4. Ostalgie und Heimat in Good Bye, Lenin!
4.1 Markennamen, Produkte, Symbole in Good Bye, Lenin!
4.2. Kulturelle Differenzen, Ängste und Vorurteile
4.3. Sozio-politische Strukturen und historische Ereignisse
5. Fazit und Ausblick
6. Literaturverzeichnis
6.1 Online-Literatur
6.2 Filmografie
1. Einleitung
Der Mauerfall, das historische Ende der Trennung Deutschlands, jährt sich dieses Jahr zum dreißigsten Male. Die DDR wurde ein Jahr später formell aufgelöst und in die Bundesrepublik integriert, was für die Bürger der DDR nicht nur eine Änderung der Staatsbürgerschaft bedeutete, sondern auch, dass die Veränderungen der Zeit die, bis zu diesem Zeitpunkt existierende, Kultur beanspruchen würden. Dieses Thema behandelt der Spielfilm Good Bye, Lenin! von Wolfgang Becker aus dem Jahre 2003, in dem eine alleinerziehende, systemtreue Mutter just vor dem Mauerfall in ein Koma fällt und von den historischen Ereignissen nichts wahrnimmt (vgl. Becker 2003). Ihr Sohn versucht, als sie aus dem Koma erwacht, in ihrem Schlafzimmer, eine Art Miniatur-Phantasie-Version der DDR einzurichten, um sie mit den Entwicklungen nicht zu überfordern und zu erschrecken (vgl. ebd.). Es wird somit eine Vorstellung von der Heimat konstruiert, die zu verschwinden droht bzw. bereits verschwunden ist.
Welche Mittel werden im Film eingesetzt, um diese Heimat bzw. dieses Heimatgefühl zu konstruieren? Wie werden die Verhältnisse und die Beziehungen zur sich auflösenden DDR diskutiert und vermittelt?
Zunächst soll der Heimatbegriff in einigen Facetten betrachtet und erläutert werden. Anschließend folgt ein Exkurs zu dem Begriff Ostalgie, worauf eine filmische Analyse folgt. Im abschließenden Fazit wird das Zusammenspiel der Analyse mit den dargestellten Begriffen erläutert.
Das Heimatgefühl im Bezug auf die DDR wird in Good Bye, Lenin! anhand von Produkten, sozialen Strukturen, Sprechweisen und historischem Bildmaterial in Verbindung mit fiktiven Kindheitserinnerungen konstruiert und verdeutlicht. Die Charakteristiken der Figuren untermalen den Konflikt zwischen Ost und West und den Diskurs bezüglich des Umgangs mit der DDR-Vergangenheit.
2. Der Heimatbegriff
Der Heimatbegriff ist ein großer und wichtiger Aspekt der deutschen Kultur und Selbstwahrnehmung, welcher sich bereits in der Romantik wiederfindet, heutzutage jedoch umstritten und oftmals im politischen Diskurs anzutreffen ist (vgl. Blickle 2002, 1-2). Wird nach einer genauen Definition des Begriffes gefragt, so ergeben sich einige unterschiedliche Aspekte und Schwierigkeiten; Er ist ein sehr offener Begriff, welcher auch schwer in andere Sprachen übersetzbar ist, da er dadurch die Konnotation verlieren würde, die ihm im Deutschen zugesprochen wird (vgl. 2002, 2-6). Allerdings finden sich in slawischen Sprachen Ausdrücke, die vergleichbar sind, wie z.B. das russische rodina (vgl. 2002, 2).
Definitionsversuche in Bezug auf den Heimatbegriff sind zwar nicht eindeutig, widersprechen sich jedoch nicht (vgl. 2002, 12). So hält Peter Blickle dahingehend fest:
„[…] to disagree with somone else’s notion of Heimat would be to impose an alien form of reason onto the idea of Heimat […]. The tacit assumption is that Heimat can only be understood from within. Therefore, true understanding can come out of only a form of identification, not from a form of analysis.“ – (2002, 12)
Dies bedeutet, dass ein Verständnis des Heimatbegriffs aus der Identifikation entspringt. Diese Identifikation wird durch einige Aspekte des Heimatbegriffs bedingt. Da der Begriff, wie bereits erwähnt, sehr vieldeutig sein kann, wird sich im Folgenden auf einige seiner Facetten beschränkt, die später für die Filmanalyse von Bedeutung sind.
Zunächst verfügt der Heimatbegriff über eine raum-zeitliche Komponente, sodass damit eine Identifikation mit einem bestimmten Raum, z.B. mit einer Stadt, einem Land, einer Region, etc., und/oder mit einer bestimmten Epoche, z.B. mit den 1970er-Jahren, die Kindheit, die Jugend, etc., verbunden wird (vgl. Boa; Palfreyman 2000, 23). Es wird dadurch ein Prozess der Identifikation mit etwas Höherem, z.B. einer Nation, einem Stamm, etc., vorangetrieben (vgl. ebd.). Aufgrund dessen wird dem Begriff eine konservative Konnotation zugesprochen, da die Heimat als etwas Unveränderliches gilt (vgl. ebd.). Somit ist folglich der ewige Feind der Heimat die Zeit, die einen z.B. von der heimatlichen Kindheit entfernt und den Verlust dieser bewusst werden lässt (vgl. 2002, 24).
Die lokale Ebene des Heimatbegriffs wird durch die Konnotation bestimmter natürlicher Gegebenheiten und Landschaften untermalt, wenn z.B. einem Berg oder einem Wald ein Name gegeben wird und um diesen ein Mythos entsteht (vgl. Boa; Palfreyman 2000, 24-25).
Lokale und temporale Bereiche der Heimat werden in den Rollen des Fremden und der Fremde konjugiert (vgl. 2000, 25-26). So ist z.B. ein wiederkehrendes Motiv jenes des ,Eingeborenen‘, welcher die Heimat verlässt, nur um zu erfahren, dass es in der Heimat ,doch besser‘ für ihn ist, wie in Der Verlorene Sohn (ebd.; vgl. Trenker 1934). Daher steht die Heimat nicht nur der Zeit, sondern lokal auch der Ferne und ideologisch dem Fremden gegenüber (vgl. Boa; Palfreyman 2000, 28). So funktioniert die Heimat als Modell der Zugehörigkeit und Nicht-Zugehörigkeit; Der Integration und der Exklusion (vgl. 2000, 27).
Die geschlechtliche Ebene des Begriffs wird für Good Bye, Lenin! von Bedeutung sein, da die Mutter im Zentrum der Geschichte steht. So werden medial die Rückkehrer meist männlich dargestellt, während die Heimat der Kindheit weiblich konnotiert ist, da sie mit der Mutter und Geborgenheit assoziiert wird (vgl. 2000, 26). Diese Nähe zur Mutter kann, metaphorisch gesehen, auch „klaustrophobisch“ (2000, 26) werden, sodass „der Sohn die Nabelschnur durchtrennen und in die weite Welt des Vaterlandes flüchten möchte“ (ebd.).
3. Die Ostalgie
Im Zuge der Wende hatten westdeutsche Filmemacherinnen und Filmemacher, da sie bereits mit dem ökonomischen System der Filmindustrie der BRD vertraut waren, einen Vorteil gegenüber ihren ostdeutschen Pendants (vgl. Cook 2011, 524). Als Gegenbewegung ostdeutscher Regisseurinnen und Regisseure entstand die Ostalgie, die eine ostdeutsche Perspektive auf das getrennte Deutschland erlaubte und eine integrative Funktion innehatte (vgl. 2011, 524-525). Der Begriff der Ostalgie verbindet Charakteristiken des Heimatbegriffs mit einem konkreten Fall eines kulturellen Verlustes. Die Heimat, die hier temporal, lokal und teilweise modal in der Geschichte, im System und in den Grenzen der DDR verordnet wird, wird mit alltäglichen Produkten und Markennamen in Verbindung gebracht, die von einem Tag auf den anderen verschwanden und durch neue aus dem Westen ersetzt wurden (vgl. 2011, 525). Filme der frühen 1990er-Jahre spielen mit diesen Assoziationen und weiten diese auf andere Lebensbereiche aus, sodass auch die Mundart, soziale Strukturen und Lebensstile thematisiert werden (vgl. ebd.).
Allerdings etablierte sich nach der Wiedervereinigung eine westdeutsche Geschichtsbetrachtung, welche die ostdeutsche Sicht vernachlässigte (vgl. 2011, 527-528). Dieses Konstrukt wurde durch Erfolge von Filmen wie Sonnenallee (Haußmann 1999) oder Good Bye, Lenin! in Frage gestellt und gebrochen (vgl. Cook 2011, 528).
Diese Distanzierung der ostdeutschen Bevölkerung von der BRD nach der Wiedervereinigung ist auch 30 Jahre nach den historischen Ereignissen vorzufinden. So gibt es neben Online-Händlern für Ostalgie-Produkte (vgl. O.A. 2019), auch Jugendweihen (vgl. Krüger 2018) und eine Taverne mit Stasi-Überwachungstechniken (vgl. Wittrock 2008). Für den Tourismus, vor allem für den der Hauptstadt, ist die Ostalgie bzw. die DDR-Vergangenheit ebenfalls eine Attraktion, wodurch z.B. Museen entstanden sind, die sich mit der sozialistischen Vergangenheit Ostdeutschlands beschäftigen (vgl. Heinke 2016). Ein Beispiel dafür ist das DDR-Museum in Berlin-Mitte (vgl. ebd.).
4. Ostalgie und Heimat in Good Bye, Lenin!
In Good Bye, Lenin! täuscht der junge Ostberliner Alex Kerner seiner Mutter vor, dass sie weiterhin in der DDR lebe (vgl. Becker 2003). Sie hatte nach einem Zusammenbruch im Koma gelegen und nichts von den historischen Ereignissen der Wendezeit wahrnehmen können (vgl. ebd.). Um sie nicht zu erschrecken, lässt er sie weiter in der DDR leben, die sie einst kannte, ohne ihr über die Vorkommnisse zu berichten (vgl. ebd.).
Die filmischen und erzählerischen Mittel werden im Folgenden in drei Gruppen eingeordnet, hängen jedoch meist untrennbar miteinander zusammen. Zum einen werden oft Produkte und Symbole der BRD bzw. des Westens und der DDR bzw. des Ostens gezeigt und erwähnt, welche folglich symbolisch für die kulturellen und politischen Differenzen stehen. Diese Differenzen bilden zusammen mit den Ängsten und Vorurteilen die zweite Kategorie. Daneben stehen auch soziale und politische Strukturen im Fokus der Erzählung. Der Film beginnt jedoch mit einer Montage aus historischem Bildmaterial, z.B. von Sigmund Jähn, der während der Anfertigung dieser Arbeit verstorben ist (vgl. Hensel 2019), und diegetischen, fiktiven, Kindheitserinnerungen (TC: 00:40-04:00). Diese Kombination aus Fiktion und Historie taucht öfter auf und wird zum Teil auch zu einer Art Spielball der Narration.
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