Die folgende Arbeit geht der Frage nach, wie der Ansatz des sogenannten immersiven Fremdsprachenerwerbs im "Begegnungsunterricht" im Fach Englisch in Grundschulen in Brandenburg effektiv zur Anwendung kommen kann. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den Aspekten der "Hördiskriminierung" und dem Erwerb der Aussprache.
Hierzu werden zunächst Begriff und methodischer Ansatz der Immersion eingehend definiert und analysiert. Speziell den Vor- und Nachteilen des Konzeptes und dem aktuellen Stand der Anwendung in Grundschulen in Brandenburg wird dabei Rechnung getragen. Unter Punkt zwei der vorliegenden Arbeit soll der Begriff "Immersion" zunächst genauer bestimmt sowie die geschichtliche Entwicklung dargelegt werden. Auch Vorteile und Grenzen der Immersion sollen aufgezeigt werden, ebenso wie die Bedingungen zur Etablierung dieses Ansatzes.
Im Punkt drei wird der Fokus auf die Aspekte Hördiskriminierung sowie Erwerb der Aussprache gelegt. Nach einer jeweiligen Begriffsbestimmung erfolgt eine Einordnung der benannten Aspekte in den Rahmen des immersiven Ansatzes.
Abschließend soll unter Punkt vier diskutiert werden, wie der Ansatz des immersiven Fremdsprachenerwerbs unter besonderer Berücksichtigung der Aspekte Hördiskriminierung und Erwerb der Aussprache im "Begegnungsunterricht" Englisch in Brandenburger Grundschulen zur Anwendung kommen kann.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Immersion
2.1 Begriffsbestimmung und methodischer Ansatz
2.2 Geschichte und Verbreitung
2.3 Vorteile von Immersion
2.4 Grenzen
2.5 Zum Stand von Immersion in Brandenburger Grundschulen
3. Die Aspekte Hördiskriminierung und Erwerb der Aussprache
3.1 Begriffsbestimmung Hördiskriminierung
3.2 Erwerb der Aussprache
3.2 Hördiskriminierung und Erwerb der Aussprache im Rahmen von Immersion
4. Diskussion: Wie kann der Ansatz des immersiven Fremdsprachenerwerbs unter besonderer Berücksichtigung der Aspekte „ Hördiskriminierung “ und „ Erwerb der Aussprache “ im Begegnungsunterricht Englisch in Brandenburger Grundschulen zur Anwendung kommen.
5. Literatur
1. Einleitung
Die Motivation, die vorliegende Arbeit zum Thema „ Immersion “ und deren Einsatz im fremdsprachlichen Begegnungsunterricht der Grundschule zu verfassen, entstand durch die Beobachtung meiner kleinen Tochter. Es fasziniert mich täglich mitzuerleben, wie (Mutter-) Sprache auf ganz natürliche Art weitergegeben und erlernt wird. Ein Kind hat das ureigene Bedürfnis seine Umwelt zu „ verstehen “ und sich dieser ebenso mitzuteilen. Liegt es nicht folglich nahe, diesen Drang des Kindes zu nutzen, um auch eine Fremdsprache bzw. Zweitoder Drittsprache zu erlernen? Die Immersion folgt, anders als die Anwendung von Sprachlernmethoden, ausschließlich den Prinzipien des Mutterspracherwerbs.
Unter Punkt 2 der vorliegenden Arbeit soll der Begriff „ Immersion “ zunächst genauer bestimmt sowie die geschichtliche Entwicklung dargelegt werden. Auch Vorteile und Grenzen der Immersion sollen aufgezeigt werden, ebenso wie die Bedingungen zur Etablierung dieses Ansatzes.
Im Punkt 3 wird der Fokus auf die Aspekte Hördiskriminierung sowie Erwerb der Aussprache gelegt. Nach einer jeweiligen Begriffsbestimmung erfolgt eine Einordnung der benannten Aspekte in den Rahmen des immersiven Ansatzes.
Abschließend soll unter Punkt 4 diskutiert werden, wie der Ansatz des immersiven Fremdsprachenerwerbs unter besonderer Berücksichtigung der Aspekte Hördiskriminierung und Erwerb der Aussprache im Begegnungsunterricht Englisch in Brandenburger Grundschulen zur Anwendung kommen kann.
2. Immersion
2.1 Begriffsbestimmung und methodischer Ansatz
Der Begriff „ Immersion “ leitet sich vom lateinischen „ immersio “ ab und bedeutet wörtlich übersetzt soviel wie „ Eintauchen “.1 Sinnbildlich ist hiermit das vollständige Eintauschen in ein „ Sprachbad “ gemeint. Der Grundgedanke dieses Verfahrens ist der, dass Lerner 2 (ähnlich des natürlichen Mutterspracherwerbs) in eine bislang fremde Sprache „ hineingeworfen “ werden, um sie selbstständig zu erschließen (vgl. WODE (1998:5)). Diesem Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass der Erfolg bzw. Misserfolg eine Sprache zu erlernen, von der Intensität des Kontaktes, der Dauer sowie der Art des Erwerbs abhängig ist (vgl. ebd.).3
Ein weiterer Grundsatz der Immersion lautet: „Eine Person - eine Sprache'“ (vgl. Rachel (2010:34)). Dieses Prinzip, dass jeweils eine (Bezugs-)Person mit dem Lerner konsequent nur eine Sprache spricht, findet sich auch in gemischtsprachigen Familien, wo bspw. die Mutter Deutsch, der Vater Russisch oder die Großmutter Plattdeutsch mit dem/den Kind/ern spricht. In kindlichen Bildungseinrichtungen (Krippe, KiTa, Grund-/Primarschule) spricht in diesem Fall eine Erziehungs-/Lehrkraft ausschließlich die Muttersprache (L1) der Lerner und eine andere Erziehungs-/Lehrkraft ausnahmslos die neu zu erlernende Sprache (L2) auf muttersprachlichem Niveau.4
Ein wesentliches Element der Immersion ist die Kontextualisierung. Da die Lerner nicht alle Wörter der L2 verstehen bzw. Satzzusammenhänge nachvollziehen können, muss der Inhalt des Gesagten durch eindeutige Handlungen, die Verwendung von Objekten und Materialien sowie den Einsatz nonverbaler Mittel (Gestik, Mimik) in seiner Bedeutung verdeutlicht bzw. kontextualisiert werden. Explizit durch diese Kontextualisierung erschließen sich die Lerner die L2 eigenständig und situativ, wie sie es bereits im Erwerb ihrer Muttersprache (L1) tun. Praktiziert eine Schule Immersion, wird die zu lernende (aber noch unbekannte) Sprache als Unterrichtsmedium bzw. Umgangs-/Arbeitssprache genutzt; d.h. SuS werden nicht in ihrer Muttersprache unterrichtet, sondern mit der zu erlernenden (Fremd-)Sprache konfrontiert. Den SuS wird folglich Lesen, Schreiben, Mathematik, Sachunterricht, Sport, etc. in der noch fremden Sprache vermittelt. Kurz: Der (gesamte) Schulbetrieb/-alltag läuft in ihr ab (vgl. RACHEL (2010:34)).
GÖRLICH (2015:30) weißt jedoch unter Bezug auf ELSNER / KEßLER (2013:124ff.) drauf hin, dass Immersion auch differenziert eingesetzt werden kann. So ist es möglich zwischen früher, später, partieller und totaler Immersion zu unterscheiden.5 Folglich wäre auch ein differenzierter Einsatz von Immersion an Schulen denkbar. Dieser Gedanke soll zu einem späteren Punkt dieser Arbeit wieder aufgegriffen werden.
2.2 Geschichte und Verbreitung
WODE (1998:6 et al.) weißt darauf hin, dass Immersion keine neue Unterrichtsmethode ist, sondern „ die älteste Methode überhaupt “. Demnach nutzten sie bereits die alten Griechen und Römer (vgl. ebd.). Ebenso ist es in den Ländern der dritten Welt der Normalfall, dass Kinder in einer Sprache beschult werden, die sie zu Hause nicht sprechen. Kinder lernen also die fremde Sprache und die Sachinhalte gleichzeitig (vgl. ebd.).
Weltweite Beachtung erfuhr die Immersion durch ein Schulexperiment, das sich seit Mitte der 1960er Jahre in der kanadischen Provinz Quebec entwickelt und etabliert hat. In Hinblick auf die späteren Berufsaussichten ihrer Kinder setzten sich (anglophone) Eltern für eine zweisprachige Erziehung (Englisch/Französisch) nach dem Ansatz der Immersion ein.6 Aufgrund einer immensen anfänglichen Skepsis von Seiten der Behörden sollte das Experiment unter den Aspekten Sprachentwicklung und Leistungen in anderen Schulfächern kritisch begleitet werden. Das Ergebnis spricht für sich. Aus einst 24 kanadischen „ Immersionskindern “ sind heute mehr 300.000 geworden und der Immersionsunterricht gilt heute als eines der „ Highlights “ des kanadischen Bildungssystems (vgl. WODE (1998:6ff.)).
Nach Europa gelangte Immersion als Unterrichtsmethode Mitte der 1980er Jahre, als die Katalanen im Norden Spaniens ihrer Sprache wieder mehr Geltung verschaffen wollten. In Kindergärten wurde begonnen mit Kinder ab dem Alter von 3 Jahren Katalanisch zu sprechen, egal welche Sprache die Kinder zu Hause sprachen (vgl. ebd.).
Auch in Vasa, an der Westküste Finnlands, wird seit Ende der 1980er Jahre mit großem Erfolg den monolingualen Finnen nach dem Ansatz der Immersion Schwedisch beigebracht (vgl. ebd.).
Im französischsprachigen Elsass wird ebenfalls seit den 1980er Jahren verstärkt Deutsch gefördert, indem Kindergärten bilingual geführt werden, d.h. es wird eine deutsch und eine französisch sprechende Erziehungskraft eingesetzt. Dabei sind zwei Arten von KiTas zugelassen - mit einem 25%igen und einem 50%igen Deutschanteil pro Woche (vgl. ebd.).
In Deutschland beträgt der Anteil von immersiven KiTas, d.h. Einrichtungen in den Kinder eine Fremdsprache (außer Deutsch) durch Immersion erwerben können, weniger als 2%. Dabei hat sich der Anteil in den letzten 10 Jahren bereits mehr als verdreifacht (primär in Grenzregionen) (vgl. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Immersion_(Sprachwissenschaft_ und_Erziehung) (Stand: 19.12.2019); FMKS (2004:30)).
2.3 Vorteile von Immersion
Wie zuvor beschrieben, erschließen sich die Lerner im Rahmen von Immersion die neue Sprache (L2) und ihre Struktur eigenständig aus dem Kontext der Situation heraus. Damit orientiert sich der Ansatz der Immersion an der natürlichen Art des Spracherwerbs von Kindern, womit Immersion wohl als kindgerechter Ansatz verstanden werden kann.
Hervorzuheben ist auch, dass der Lerner selbst das Lerntempo sowie die Inhalte des Lernprozesses bestimmt bzw. steuert, da ein gezieltes Üben und Erklären von (Sprach-) Regeln in diesem Rahmen nicht angestrebt wird. Auch Fehler dürfen gemacht werden (vgl. WODE (1998:5) et al.).
Weiterhin ist unbedingt darauf hinzuweisen, dass sich im Rahmen von Immersion die Entwicklung der Muttersprache (L1) im Vergleich zu Lernern, die einsprachig aufwachsen, nicht verlangsamt oder gar eingeschränkt wird - ganz im Gegenteil. Auch die Entwicklung von Sachwissen (z.B. in der Mathematik7 ) wird nicht negativ beeinträchtigt (vgl. ebd.).
Nach ca. 6 Jahren immersiven Sprachlernens zeigen kanadische SuS hinsichtlich Hörverstehen und Lesefähigkeit der L2 ein muttersprachliches Niveau von monolingual aufgewachsenen Gleichaltrigen.
Ein ebenfalls nicht zu unterschätzender Vorteil von Immersion in einem Bildungssektor (KiTa und Grundschule), in dem finanzielle Mittel immer knapp bis unzureichend kalkuliert sind, ist der Kostenfaktor. Da die Fremdsprache bzw. neu zu lernende Sprache (L2) nicht als Lehrgegenstand per se zu verstehen ist (z.B. als eigenständiges Fach an Grundschulen), sondern als Arbeitssprache zur Vermittlung von Sachinhalten von verschiedenen Fächern (z.B. Mathematik) bzw. in KiTas als Alltagssprache zur Anwendung kommt, fallen zusätzliche Personalkosten (z.B. für den Sprachunterricht) weg. Gleichwohl erscheint es ins. für den Bereich der Grund-/Primarschule jedoch zumindest als Herausforderung, qualifiziertes Fachpersonal (Lehrkräfte) zu finden, die Fachunterricht in der L2 auf muttersprachlichem Niveau (qualitativ reichhaltig und authentisch) durchführen können bzw. dürfen.
2.4 Grenzen
Trotz aller zuvor dargelegten Vorteile sei an dieser Stelle jedoch auch darauf verwiesen, dass die kanadischen Forschungen (vgl. WODE (1998:5)) zeigen, dass SuS, die über 6 Jahre immersiv gelernt haben, in ihrer Muttersprache (L1) „ einige Schwierigkeiten “ in der Rechtschreibung aufweisen. So übertragen sie Prinzipien der Verschriftung der L2 automatisch auf die L1. WODE (1998:5) führt jedoch auch an, dass diese orthografischen Defizite später wieder verschwinden.
Auch in der Produktion zeigen diese SuS Definzite, wie z.B. Ausspracheschwierigkeiten (u.a. Interferenzen). Zudem bleibt ein gewisser Akzent. Dennoch haben diese SuS weniger Hemmungen derlei Fehler zu produzieren (vgl. ebd.). An dieser Stelle muss jedoch gefragt werden, ob die Produktion in der L2 auf muttersprachlichem Niveau angestrebt werden muss, oder ein funktional angemessenes Niveau nicht ausreichend erscheint.
[...]
1 Auch in der englischen Sprache ist die Bedeutung des Begriffs „ immersion “ identisch besetzt und wird mit „ the state of being completely involved in something “ bzw. „ the state of being completely covered [by a liquid] “ beschrieben (vgl. https://www.oxfordlearnersdictionaries.com/definition/english/immersion?q=immersion).
2 In erster Linie sind hiermit Kinder bzw. Schülerinnen und Schüler (SuS) gemeint, die eine Fremdsprache erlernen.
3 Mit Intensität ist hierbei der zeitliche Umfang des Kontaktes mit der neuen Sprache pro Tag/Woche gemeint, während sich die Dauer auf die Länge bzw. Kontinuität der Lernens der neuen Sprache bezieht. Der Begriff Art bezeichnet das Lernverfahren einer Sprache an sich. (vgl. RACHEL (2010:38)).
4 Dabei ist jedoch zu beachten, dass die fremdsprachige Erziehungs-/Lehrkraft so viel der kindlichen Muttersprache versteht, dass die Lerner ihre Bedürfnisse und Anliegen auch in Ihrer Muttersprache ausdrücken können und verstanden werden.
5 Frühe Immersion bezeichnet den Erwerb von zwei Sprachen bereits ab einem sehr frühen Alter, z.B. in zweisprachigen Elternhäusern, Krippen oder KiTas, während die späte Immersion erst ab der weiterführenden Schule (also Klasse 5 bzw. 7) einsetzt. In der totalen Immersion wird alles (z.B. der gesamte KiTa-Tag bzw. alle Fächer in der Schule) in der neu zu erlernenden Sprache gestaltet. Wohingegen bei der partiellen Immersion in der Schule nur einige Fächer in der fremden Sprache unterrichtet bzw. in der KiTa bestimmte Bereiche in der fremden Sprache gestaltet bzw. konsequent fremdsprachige Erzieher eingesetzt werden (vgl. GÖRLICH (2015:30), RACHEL (2010:39)).
6 Zu den Hintergründen ist anzumerken, dass in den 1960er Jahren die fankophone Bevölkerung (damals >90% der Gesamtbevölkerung) in Quebec und anderen kanadischen Provinzen die Regierung aufforderte, ihre Leistungen in Englisch und Französisch anzubieten. Proteste folgten. Die Forderungen wurden durchgesetzt. (vgl. WODE (1998:5))
7 WODE (1998:5) weist darauf hin, dass ins. im Mathematikunterricht die SuS, die über ca. 6 Jahre am Immersionsunterricht partizipiert haben, signifikant bessere Leistungen erbracht haben als SuS in Vergleichsgruppen, die nur monolingual unterrichtet wurden. Genauer Zusammenhänge bzw. Ursachen für die Ergebnisse sind jedoch nicht näher bezeichnet.