Diese Arbeit soll einen grundlegenden Überblick verschaffen über das Problem der internationalen Gewinnbesteuerung von Unternehmen vor dem Hintergrund der Digitalisierung und Globalisierung sowie Lösungskonzepte der OECD vorstellen. Im Vordergrund der Betrachtung stehen Konzepte zur internationalen Gewinnverteilung von multinationalen Konzernen.
Da diese zuvorderst betriebswirtschaftlichen Konzeptionen nicht losgelöst betrachtet werden können von fundamentalen Ansätzen des (inter-) nationalen Steuerrechts und auch vor dem Hintergrund gesamtwirtschaftlicher Implikationen zu würdigen sind, gliedert sich der Aufbau der Arbeit in zwei Hauptteile. Im ersten Hauptteil steht die theoretische Perspektive der internationalen Besteuerung im Vordergrund. Hierzu werden Besteuerungsprinzipien in einer geschlossenen und offenen Volkswirtschaft aus dem Blickwinkel der Bundesrepublik Deutschland (BRD) prägnant dargestellt. Im zweiten Hauptteil werden sodann neben einer Einordnung von Digitalisierungsentwicklungen im Wirtschaftsleben konkrete Gewinnverteilungskonzepte, die den zuvor erörterten Grenzen Rechnung tragen, vorgestellt und kritisch gewürdigt.
Das Phänomen des irischen Wirtschaftswachstums (ca. 35 % im Jahr 2015) versinnbildlicht den Status quo der multinationalen Besteuerung und wurde vom US-Ökonom Paul Krugman mit dem Begriff "Leprechaun Economics" betitelt. Dieses Wachstum liegt nicht etwa in einer Revolution der Wertschöpfung begründet, sondern ist das Resultat eines unlauteren Steuerregimes, das Kapital aus dem Ausland anzieht und ist nur eines von vielen Beispielen sog. Steueroasen.
Im Zuge des G20-Gipfels im Juni 2012 wurde die OECD mit der Entwicklung von Lösungsvorschlägen beauftragt, die solchen missbräuchlichen Steuergestaltungsstrategien entgegenwirken (BEPS -Projekt). Erste Ergebnisse in Form eines Maßnahmenkataloges wurden 2015 veröffentlicht (BEPS 1.0). Mit den fortlaufenden Arbeiten im Rahmen von BEPS 2.0 soll ein konsistentes und global vereinheitlichtes Besteuerungskonzept entwickelt werden. Hierbei geht es zum einen um die Neuzuordnung von Besteuerungsrechten (Pillar 1) und zum anderen um die Sicherstellung einer globalen Mindestbesteuerung (Pillar 2).
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Besteuerungsansätze aus volkswirtschaftlicher Perspektive
2.1 Nationales Besteuerungskonzept
2.2 Grenzüberschreitende Wertschöpfung aus steuerlicher Perspektive
2.2.1 Internationales Besteuerungskonzept
2.2.2 Zwischenstaatliche Erfolgszuordnung
2.3 Zwischenfazit
3 Gewinnverteilung von Unternehmen in der digitalisierten Wirtschaf
3.1 Wertschöpfung in der digitalisierten Wirtschaft
3.1.1 Wertschöpfungsmodelle in der Digitalökonomie
3.1.2 Charakteristika digitaler Geschäftsmodelle
3.1.3 Exkurs: Europäische Wertschöpfung im internationalen Kontext
3.2 Gewinnallokationsregeln im Rahmen von BEPS 2.0
3.2.1 User Participation
3.2.2 Marketing Intangibles
3.2.3 Significant Economic Presence
4 Thesenförmige Zusammenfassung
Anhang
Literaturverzeichnis
Rechtsquellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
AO Abgabenordnung
BEPS Base Erosion and Profit Shifting
BRD Bundesrepublik Deutschland
CO Corporations (Unternehmenssektor)
DBA Doppelbesteuerungsabkommen
DK Der Konzern (Zeitschrift)
ECO Economy (Volkswirtschaft)
EStG Einkommensteuergesetz
EU Europäische Union
EUV Vertrag über die Europäische Union
FDI Foreign Direct Investments
GG Grundgesetz
GOV Government (Staatssektor)
GewStG Gewerbesteuergesetz
HH Households (Haushaltssektor)
ICIJ International Consortium of Investigative Journalists
KStG Körperschaftsteuergesetz
MA Musterabkommen
OECD Organisation for Economic Co-operation and Development
PE Permanent Establishment (Betriebsstätte)
ROW Rest of World (Sektor der übrigen Welt)
TPG Transfer Pricing Guidelines (Verrechnungspreisleitlinien)
VGR Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Aggregierte volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der BRD (2017)
Tabelle 2: Durchschnittswerte wertschöpfungsrelevanter Indikatoren in ausgewählten EU-Regionen (2017)
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Schematischer Überblick zur sektoralen Ertragsbesteuerung
Abbildung 2: Einmal-, Doppel- und Nullbesteuerung
Abbildung 3: Auflösung der Doppelbesteuerung nach dem OECD-MA
Abbildung 4: Indikativer Vergleich der europäischen Wertschöpfung (2017)
1 Einleitung
„Das Internet hat neuartige grenzüberschreitende Wertschöpfungsketten hervorgebracht, denen ein Flickenteppich nationaler Steuerhoheiten gegenübersteht.“1 Das Phänomen des irischen Wirtschaftswachstums (ca. 35% im Jahr 2015) versinnbildlicht den Status quo der multinationalen Besteuerung und wurde vom US-Ökonom Paul Krugman mit dem Begriff „Leprechaun Economics“ betitelt.2 Dieses Wachstum liegt nicht etwa in einer Revolution der Wertschöpfung begründet, sondern ist das Resultat eines unlauteren Steuerregimes, das Kapital aus dem Ausland anzieht und ist nur eines von vielen Beispielen sog. Steueroasen.
Im Zuge des G20-Gipfels im Juni 2012 wurde die OECD3 mit der Entwicklung von Lösungsvorschlägen beauftragt, die solchen missbräuchlichen Steuergestaltungsstrategien entgegenwirken (BEPS4 -Projekt).5 Erste Ergebnisse in Form eines Maßnahmenkataloges wurden 2015 veröffentlicht (BEPS 1.0). Mit den fortlaufenden Arbeiten im Rahmen von BEPS 2.0 soll ein konsistentes und global vereinheitlichtes Besteuerungskonzept entwickelt werden. Hierbei geht es zum einen um die Neuzuordnung von Besteuerungsrechten (Pillar 1) und zum anderen um die Sicherstellung einer globalen Mindestbesteuerung (Pillar 2).
Diese Arbeit soll einen grundlegenden Überblick verschaffen über das Problem der internationalen Gewinnbesteuerung von Unternehmen vor dem Hintergrund der Digitalisierung und Globalisierung sowie Lösungskonzepte der OECD vorstellen. Im Vordergrund der Betrachtung stehen Konzepte zur internationalen Gewinnverteilung von multinationalen Konzernen. Da diese zuvorderst betriebswirtschaftlichen Konzeptionen nicht losgelöst betrachtet werden können von fundamentalen Ansätzen des (inter-) nationalen Steuerrechts und auch vor dem Hintergrund gesamtwirtschaftlicher Implikationen zu würdigen sind, gliedert sich der Aufbau der Arbeit in zwei Hauptteile. Im ersten Hauptteil steht die theoretische Perspektive der internationalen Besteuerung im Vordergrund. Hierzu werden Besteuerungsprinzipien in einer geschlossenen und offenen Volkswirtschaft aus dem Blickwinkel der Bundesrepublik Deutschland (BRD) prägnant dargestellt. Im zweiten Hauptteil werden sodann neben einer Einordnung von Digitalisierungsentwicklungen im Wirtschaftsleben konkrete Gewinnverteilungskonzepte, die den zuvor erörterten Grenzen Rechnung tragen, vorgestellt und kritisch gewürdigt.
2 Besteuerungsansätze aus volkswirtschaftlicher Perspektive
Zur Diskussion und Beurteilung steuerpolitischer Systeme – unter besonderer Berücksichtigung internationaler Wechselwirkungen – erscheint es zunächst zweckdienlich, das Untersuchungsproblem aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive zu betrachten. In diesem Kapitel sollen zunächst fundamentale steuerlich relevante Zusammenhänge anhand der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) herausgearbeitet werden. Hierzu wird im ersten Unterkapitel zuvorderst die deutsche Steuersystematik in prägnanter Form erläutert. Darauf aufbauend folgt die Betrachtung außenwirtschaftlicher Tatbestände und die daraus resultierenden Schwierigkeiten hinsichtlich der nationalen Besteuerungskompetenzen. Hierbei werden die direkten Steuern des Unternehmenssektors im Vordergrund der Betrachtung stehen.
2.1 Nationales Besteuerungskonzept
Steuerliche Tatbestandsmerkmale, die eine Leistungspflicht für Beteiligte einzelner Wirtschaftssektoren auslösen, lassen sich anhand volkswirtschaftlicher Aggregate klassifizieren. Nachfolgend dargestellt ist die aggregierte VGR der BRD auf Sektorenebene für das Wirtschaftsjahr 2017, auf die die nachfolgenden Erläuterungen exemplarisch Bezug nehmen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Aggregierte volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der BRD (2017)
Quelle: Eigene Darstellung. Datenquelle: Eurostat (vgl. Anhang 1).
Während Nettoproduktions- und Nettoimportabgaben unmittelbar am Produktionswert ansetzen, werden Einkommen- und Vermögensteuern vom Fiskus bei Vorliegen rechtlich normierter Einkommenserzielungstatbestände erhoben. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist das Einkommen nach der primären Verteilung, das aus dem Wertschöpfungsprozess resultiert. Gemeinsames Merkmal der Einkommen- und Vermögensteuern ist die Anknüpfung am Leistungsfähigkeitsprinzip, nach dem inländische Steuerpflichtige i. S. d. Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 GG anhand ihrer ökonomischen Leistungsfähigkeit besteuert werden.6
Der Unternehmenssektor (CO) setzt sich zusammen aus den (nicht-) finanziellen Kapitalgesellschaften sowie Quasi-Kapitalgesellschaften, die sich i. W. durch ihre fehlende Rechtspersönlichkeit abgrenzen.7 Inländische Körperschaften i. S. d. § 1 f. KStG leisten Steuern auf die von ihnen erzielten Unternehmensgewinne (vor Verwendung), die sich aus dem Nettobetriebsüberschuss und den Netto-Vermögenseinkommen zusammensetzen. Modifiziert um steuerspezifische Ansatz- und Bewertungsregeln werden auf diese Unternehmensgewinne Körperschaftsteuern und bei Gewerbebetrieben i. S. d. § 2 Abs. 1 GewStG (zusätzlich) Gewerbesteuern erhoben. Eine Besteuerung der Unternehmensgewinne von Quasi-Kapitalgesellschaften scheitert an der fehlenden Rechtspersönlichkeit i. V. m. dem Transparenzprinzip gem. § 1 Abs. 1 S. 1 EStG i. V. m. § 1 KStG. Das Transparenzprinzip ist hingegen nicht auf die Gewerbesteuer anwendbar (vgl. § 5 GewStG), sodass Quasi-Kapitalgesellschaften auf Ebene des Unternehmenssektors i. d. R. nur mit Gewerbesteuer belastet werden. Die Nach-Steuer-Gewinne werden sodann i. W. an den Haushaltssektor ausgeschüttet bzw. diesem nach steuerrechtlichen Regelungen zugeteilt und unterliegen wiederum einer Besteuerung.
Folgende Abbildung vermittelt einen schematischen Überblick zur Ertragsbesteuerung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 : Schematischer Überblick zur sektoralen Ertragsbesteuerung
Quelle: Eigene Darstellung.
2.2 Grenzüberschreitende Wertschöpfung aus steuerlicher Perspektive
Offene Volkswirtschaften – insbesondere in der EU – sind auf vielfältige Weise ökonomisch miteinander vernetzt. Das europäische Binnenmarktkonzept des Art. 3 Abs. 3 EUV sowie die unionsrechtlichen Grundfreiheiten der Art. 34 ff. AEUV erlauben Unternehmern wie Arbeitnehmern eine weitgehend hemmnisfreie grenzüberschreitende ökonomische Betätigung. Diese wirtschaftlichen Verflechtungen spiegeln sich ebenso in den nationalen VGR wider und lösen steuerliche Rechtsfolgen aus, auf die im Folgenden näher einzugehen ist.
2.2.1 Internationales Besteuerungskonzept
Das internationale Steuerrecht fußt zunächst maßgeblich auf den nationalen Steuerrechtsordnungen, die die persönliche und sachliche Steuerpflicht definieren. Inkludiert sind auch steuerlich relevante Fälle mit Auslandsbezug. In der BRD sind Inländer gem. dem Wohnsitz- bzw. Ansässigkeitsprinzip mit ihren Welteinkünften unbeschränkt steuerpflichtig (vgl. §§ 1 f. EStG sowie § 1 KStG i. V. m. §§ 8-11 AO). D. h. in- und ausländische Einkünfte unterliegen der Inlandsbesteuerung, soweit der Steuerpflichtige rechtlich als Inländer klassifiziert wird. Indes sind Nicht-Inländer, die inländische Einkünfte erzielen, nach dem Quellen- und Territorialprinzip mit eben diesen Einkünften im Inland beschränkt steuerpflichtig (vgl. § 1 Abs. 4 EStG i. V. m. § 49 EStG sowie § 2 KStG). Diese prinzipienorientierte Besteuerung kann dazu führen, dass bestimmte Einkünfte doppelt oder gar nicht besteuert werden (vgl. Abb. 2). Abkommen zur Vermeidung von Nicht- oder Doppelbesteuerung (DBA) weisen den betroffenen Staaten wechselseitig Besteuerungsrechte zu oder beschränken diese.8
Abbildung 2 : Einmal-, Doppel- und Nullbesteuerung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Homburg (2015), S. 275.
Das Musterabkommen (MA) der OECD, das zwischen den meisten EU-Staaten Anwendung findet und auf das die nachfolgenden Ausführungen daher referenzieren, legt Empfehlungen fest für die persönliche und sachliche Steuerpflicht, das Besteuerungsrecht des Ansässigkeits- und Quellenstaates sowie die Höhe der Besteuerung für verschiedene Einkunftsarten und enthält ebenso Prinzipien für die Beseitigung von Doppelbesteuerung (Anrechnungs- und Freistellungsmethode).9 Nachfolgend sind die Besteuerungsprinzipien vereinfacht dargestellt:
Abbildung 3: Auflösung der Doppelbesteuerung nach dem OECD-MA
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Homburg (2015), S. 282.
Für die steuerliche Beurteilung grenzüberschreitender Aktivitäten der Unternehmen ist die organisatorische Ausgestaltung von besonderer Relevanz. I. W. zu unterscheiden sind Direktgeschäfte und Direktinvestitionen (FDI). Direktgeschäfte umfassen alle grenzüberschreitenden Tätigkeiten, bei denen ein inländisches Unternehmen unmittelbar auf einem ausländischen Territorium wirtschaftlich agiert, ohne dort einen festen Stützpunkt zu unterhalten. Dazu zählen insbesondere Waren- und Dienstleistungsexporte sowie Nutzungsüberlassungen für (un-) bewegliches Vermögen, die in der VGR auf dem Konto der übrigen Welt erfasst werden (vgl. Tab. 1). Exporte unterliegen i. d. R. nicht der beschränkten Steuerpflicht, sofern keine Betriebsstätte (PE) errichtet oder ein ständiger Vertreter bestellt wird (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) und entziehen sich damit regelmäßig einer ausländischen Besteuerung. Für Nutzungsüberlassungen steht dem ausländischen Staat grundsätzlich ein zumindest beschränktes Besteuerungsrecht nach dem Quellen- bzw. Belegenheitsprinzip zu (vgl. Abb. 3).10
FDI zeichnen sich aus durch die Errichtung eines Stützpunktes im Ausland. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen rechtlich unselbständigen und selbständigen Einheiten. Unterhält ein inländisches Unternehmen eine ausländische Tochtergesellschaft, so liegt im steuerrechtlichen Sinne ein internationaler Konzern vor. Die sich im Ausland befindliche Einheit ist aufgrund ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit dort unbeschränkt steuerpflichtig. Gleichzeitig kann der inländische Anteilseigner mit den aus der im Ausland belegenen Gesellschaft erzielten Gewinnen dort beschränkt steuerpflichtig sein (Trennungsprinzip).11
Unterhält ein Unternehmen hingegen im Ausland eine rechtlich unselbständige Niederlassung, so sind die Gewinne im Ausland nur steuerbar, wenn eine PE i. S. d. Art. 5 OECD-MA vorliegt. In diesem Fall spricht das Steuerrecht auch vom internationalen Einheitsunternehmen. Im Vordergrund der steuerrechtlichen Beurteilung stehen zum einen die rechtliche Definition der PE und zum anderen die Bemessung des der PE zuzurechnenden Gewinnes. Dieser Gewinn wird dem Anteilseigner als Steuersubjekt zugeordnet und unterliegt der ausländischen Besteuerung. Das definitorische Konzept der PE zielt vorwiegend ab auf physische Merkmale und ist definiert als „feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird.“12 Die Gewinnermittlung folgt i. W. dem Art. 24 OECD-MA und damit gem. den Vorschriften des ausländischen Steuerrechts.13
2.2.2 Zwischenstaatliche Erfolgszuordnung
Die Gewinnaufteilung in einen in- und einen ausländischen Teil kann prinzipiell nach zwei verschiedenen Methoden erfolgen, die sich beide am Veranlassungsprinzip (vgl. § 4 Abs. 4 EStG) orientieren. Die direkte Methode knüpft unmittelbar an den wirtschaftlichen Funktionstätigkeiten der ausländischen Teileinheit an und ist damit unabhängig vom Ergebnis der Einheit. Auch wenn der Ansatz von der Selbständigkeitsfiktion ausgeht, ergeben sich bei der Anwendung unter Berücksichtigung der unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen Besonderheiten, da das Steuerrecht zunächst zivilrechtliche Wertungen übernimmt.14
Eine Tochtergesellschaft als Bestandteil eines internationalen Konzerns ist zivil- und steuerrechtlich mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit ausgestattet und verfügt dementsprechend über eine eigene Rechnungslegung. Schuldrechtliche Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Tochter- und Muttergesellschaft werden für steuerliche Zwecke zunächst anerkannt, unterliegen jedoch einem Drittvergleich zur Wahrung der Selbständigkeitsfiktion, um unangemessene Gewinnverlagerungen zu vermeiden. Hierzu werden konzerninterne, wirtschaftliche Verflechtungen mit angemessenen Verrechnungspreisen bewertet und das Veranlassungsprinzip kommt damit lediglich mittelbar zur Anwendung.15
Beim internationalen Einheitsunternehmen ist das Verursachungsprinzip unmittelbarer Anknüpfungspunkt der Gewinnermittlung. Die PE wird für steuerliche Zwecke als wirtschaftlich unabhängiges und selbständiges Unternehmen betrachtet. Ihr sind unter Berücksichtigung der ausgeübten Funktionen sowie der eingesetzten Wirtschaftsgüter und der übernommenen Risiken diejenigen Gewinne zuzurechnen, die sie für diese oder ähnliche Tätigkeiten unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen erzielt hätte, wenn sie im wirtschaftlichen Verkehr mit den übrigen Teilen des Einheitsunternehmens völlig unabhängig gewesen wäre (vgl. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA). Die zivilrechtlichen Verflechtungen innerhalb des Einheitsunternehmens sind für diese Zwecke adäquat über Verrechnungspreise zu berücksichtigen, auch wenn diese zivilrechtlich unbeachtlich sind.16
Die Selbständigkeitsfiktion i. V. m. dem Fremdvergleichsgrundsatz lösen in der Praxis regelmäßig Interessenkonflikte aus, denen i. W. durch Leitlinien zur Gestaltung von Verrechnungspreisen (vgl. OECD TPG17 ) begegnet wird. Im Vergleich zeigt sich bei der direkten Methode, dass die Gewinnermittlung im Falle des internationalen Konzerns auf deutlich präziseren, d. h. nachprüfbareren Rechnungsgrundlagen fußt. So sind die Außenbeziehungen der Tochtergesellschaft auf der Grundlage einer Einzelbetrachtung aller Geschäftsvorfälle leicht feststell- und nachprüfbar. Erträge und Aufwendungen eines Einheitsunternehmens sind nach dem abstrakten Prinzip der Veranlassung zwischen PE und inländischem Unternehmen aufzuteilen. Hierbei werden Leistungsbeziehungen mit Außenstehenden der PE zugeordnet, sofern sie mit deren Aktivitäten in Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem Staat Erträge oder Aufwendungen realisiert werden oder wer sie trägt.18
I. E. zeigt sich, dass „die auf dem Drittvergleich beruhende verrechnungspreisorientierte Erfolgszuordnung entsprechend der direkten Methode“19 bei internationalen Konzernen zu geringeren Schwierigkeiten führt. Hingegen gestaltet sich die praktische Anwendung bei internationalen Einheitsunternehmen hinsichtlich der wirtschaftlichen Abgrenzung aufgrund der lediglich fiktiven Selbständigkeit der PE deutlich schwieriger. Die direkte Methode kann in diesem Zusammenhang nur als Näherungslösung bezeichnet werden.20
Die indirekte Alternative verfolgt einen deutlich pragmatischeren Ansatz. Hierbei wird der Gewinn der gesamten Unternehmensgruppe ermittelt und anhand geeigneter Zerlegungsmaßstäbe möglichst verursachungsgerecht zwischen in- und ausländischer Einheit aufgeteilt. Die Existenz eines solchen Maßstabes, der dies zu leisten vermag, ist grundsätzlich in Frage zu stellen. Weitere Probleme ergeben sich durch unterschiedliche Bemessungsgrundlagen zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat, die vor dem Hintergrund nationaler Steuerautonomien nicht zu ignorieren sind. Ebenso werden stille Reserven, die im Normalfall bei der Übertragung von Vermögenswerten auf die ausländische Einheit aufgelöst und besteuert werden, nicht berücksichtigt. Da nicht nur Gewinne, sondern auch Verluste quotal aufgeteilt werden, kann die indirekte Methode zuletzt auch wie ein internationaler Verlustausgleich wirken. Nichtsdestotrotz liegt der wesentliche Vorteil der Methode in der einfachen Handhabung und der Nichtbeachtung unternehmensinterner Leistungsbeziehungen, womit die Verrechnungspreisproblematik grundsätzlich ausgeklammert wird.21
[...]
1 Hey, Vorwort zu Pinkernell (2014), S. 4.
2 Vgl. Krugman (2017).
3 Organisation for Economic Co-operation and Development.
4 Base Erosion and Profit Shifting.
5 Vgl. OECD (2013), S. 5 ff.; vgl. auch Hiedin/Versin (2019), S. 245.
6 Vgl. hierzu insbesondere Tipke/Kruse (2019), § 3 AO, Tz. 50.
7 Vgl. EUR-OP (2014), Rz. 2.13.
8 Vgl. zu den Prinzipien internationaler Besteuerung Homburg (2015), S. 271 ff.
9 Vgl. OECD-MA (2017).
10 Vgl. Scheffler (2009), S. 245 u. 248 ff.; vgl. Art. 6 u. Art. 10-12 OECD-MA.
11 Vgl. Scheffler (2009), S. 245 u. S. 286 ff.
12 Art. 5 Abs. 1 OECD-MA.
13 Vgl. Scheffler (2009), S. 262 ff.
14 Vgl. Scheffler (2009), S. 418 ff.
15 Vgl. Scheffler (2009), S. 419 ff.
16 Vgl. Scheffler (2009), S. 419 ff.
17 Transfer Pricing Guidelines.
18 Vgl. Scheffler (2009), S. 419 ff.
19 Scheffler (2009), S. 422.
20 Vgl. Scheffler (2009), S. 420, S. 424 u. S. 491 ff.
21 Vgl. Scheffler (2009), S. 83 ff.