Die Wirkungen des Tanzes, wie auch die Tatsache, dass die Lebensphase Jugend sehr konfliktreich ist, sind allseits bekannt. Doch wie kann der Tanz durch seine Wirkungen den Entwicklungsprozess von Jugendlichen beeinflussen und somit ihr Leben verändern? Dieser Frage wird sich die folgende Arbeit widmen. Als Beispiel dient hierzu der Dokumentarfilm "Rhythm is it".
Zunächst wird die Lebensphase Jugend vorgestellt. Dabei geht es vor allem um die für diesen Abschnitt des Lebens typische Entwicklungsaufgaben und die problematischen Entwicklungen, die bei einer nicht Bewältigung der zuvor vorgestellten Entwicklungsaufgaben eintreten können. Anschließend wird sich dann dem Thema Tanz gewidmet. Dabei wird detailliert aufgeführt, welche Auswirkungen der Tanz auf den Menschen haben kann. Im vierten Kapitel wird anhand des Filmmaterials eine kurze Zusammenfassung des Films "Rhythm is it", sowie ein kurzer Einblick zu Royston Maldoom als Choreograf und Tanzpädagoge gegeben. Nachfolgend wird dann die in den Kapiteln zwei und drei dargestellte Theorie mit dem Dokumentarfilm verglichen.
Das abschließende Fazit dient der retrospektiven Betrachtung der Fragestellung und lässt Platz für Diskussion bezüglich der zukünftigen Handhabung des Tanzes in der sozialen Arbeit mit Jugendlichen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Lebensphase Jugend
2.1. Entwicklungsaufgaben
2.2 Problemlagen
3 Tanz
3.1 Wirkungsdimensionen des Tanzes
4 „Rhythm is it!“ – Das Projekt
4.1 Royston Maldoom
4.2 Community Dance
5 Vergleich Theorie – „Rhythm is it!“
5.1 Die Schüler und Schülerinnen des Projektes
5.2 Die Hauptcharaktere
5.3. Die Arbeitsweise von Royston Maldoom und seinem Team
6 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
„Die Erforschung kreativer Prozesse im Tanz und ihrer Beeinflussung beschäftigt die Tanzforschung seit den 1970er Jahren bis heute“ (Abraham, A. 2013, S. 10). Blickt man in die Vergangenheit, sieht man, dass der Tanz jedoch nicht immer als positiv angesehen wurde. Wo man früher noch Tanz als Sünde angesehen hat, wurde dieser später als Heil angesehen (vgl. Fritsch, U. 1999, S. 6). Doch wie steht es um den Tanz in unserer heutigen Gesellschaft? Innerhalb des Bildungssystems findet Tanz weiterhin wenig Gehör. Während Sportunterricht fester Bestandteil der Lehrpläne ist, nimmt der Tanz weiterhin lediglich eine Randstellung ein. An Schulen, sowie Hochschulen wird er meist als Wahlmöglichkeit angeboten. Zudem herrscht weiterhin das Klischee, dass Tanzen nur etwas für Schülerinnen oder Studentinnen sei. Obwohl allseits bekannt ist, dass der Tanz Kreativität, Gestaltungsfähigkeit, Phantasie, Ausdruck und vieles weiteres fördert, ist die Durchführung des Tanzes im Bildungssystem mehr vom privaten Engagement einzelner Lehrkräfte, als vom Lehrplan abhängig (vgl. ebd. S. 7 f.). Außerhalb des Bildungssystem findet Tanz jedoch sehr viel Zuspruch. Er stellt eine facettenreiche Freizeitbeschäftigung dar. Gerade der nächtliche Discothekenbesuch spricht viele Jugendliche an. „Tanz hat sich seine eigenen Räume und Zeiten geschafft“ (ebd., S. 10).
„Jugendliche werden oftmals als „schwierig“ wahrgenommen. (vgl. Abraham, A. 2013, S. 185). Gerade die ältere Bevölkerung reagiert auf das jugendliche Verhalten nicht selten negativ. Sie schreiben allzu voreilig den Jugendlichen zu, versagt zu haben oder sanktionieren sie negativ (vgl. Hurrelmann, K./ Quenzel, G. 2016, S. 47). Doch bevor man über die Angehörigen dieser Lebensphase urteilt, ist zu beachten, welche Bedingungen ihr momentanes Leben ihnen bietet. Die Lebensphase ist geprägt von zahlreichen Schwierigkeiten, Herausforderungen, Verunsicherungen und einem gespalteten Verhältnis zum eigenen Körper. Hormonell bedingte Veränderungen und/oder Stimmungsschwankungen belasten die Jugendlichen, während sie sich oftmals von den sozialen Erwartungen, die zeitgleich an sie herangetragen werden, überfordert fühlen. Zentral für diese Lebensphase ist die Bewältigung von gewissen Entwicklungsaufgaben, die bei einigen Jugendlichen einen Druck auslösen, der durch abweichendes Verhalten zum Vorschein kommt. Die Phase der Jugend ist so komplex wie kaum eine andere Lebensphase, weshalb es zum Verständnis von Jugendlichen einer genaueren Betrachtung ihrer Lebensbedingungen bedarf (vgl. Abraham, A. 2013, S. 186).
Durch persönliche Erfahrungen mit dem Zusammenspiel dieser zwei Themen, als auch einem im letzten Semester besuchten Seminar zum Thema Tanzpädagogik, entstand das Interesse an dem Thema dieser Arbeit. Die Wirkungen des Tanzes, wie auch die Tatsache, dass die Lebensphase Jugend sehr konfliktreich ist, sind allseits bekannt. Doch wie kann der Tanz durch seine Wirkungen den Entwicklungsprozess von Jugendlichen beeinflussen und somit ihr Leben verändern? Dieser Frage wird sich die folgende Arbeit widmen.
Zunächst wird die Lebensphase Jugend vorgestellt (2). Dabei geht es vor allem um die für diesen Abschnitt des Lebens typische Entwicklungsaufgaben (2.1) und die problematischen Entwicklungen, die bei einer nicht Bewältigung der zuvor vorgestellten Entwicklungsaufgaben eintreten können (2.2). Anschließend wird sich dann dem Thema Tanz (3) gewidmet. Dabei wird detailliert aufgeführt, welche Auswirkungen der Tanz auf den Menschen haben kann (3.1). Im vierten Kapitel wird anhand des Filmmaterials eine kurze Zusammenfassung des Films (4), sowie ein kurzer Einblick zu Royston Maldoom als Choreograph und Tanzpädagoge (4.2) gegeben. Folgend wird dann die in den Kapiteln 2 und 3 dargestellte Theorie mit dem Dokumentarfilm verglichen (5). Das abschließende Fazit (6) dient der retrospektiven Betrachtung der Fragestellung und lässt Platz für Diskussion bzgl. der zukünftigen Handhabung des Tanzes in der sozialen Arbeit mit Jugendlichen.
2 Lebensphase Jugend
Durch den demografischen Wandel in den letzten Jahre hat sich nicht nur die Zusammensetzung der Bevölkerung verändert, sondern – in Kombination mit kulturellen und wirtschaftlichen Veränderungen – auch die einzelnen Lebensphasen eines Menschen. So ist es zu einer Ausdehnung der Lebensphase „Jugend“ gekommen, während die Lebensphasen „Kindheit“ und „Erwachsener“ dadurch verkürzt worden sind. Noch 1900 existierte die Lebensphase „Jugend“ lediglich für einen Teil der Bevölkerung. Schon damals gab es wohl „Jugend als Ausprägung der biologischen und psychologischen Entwicklungen eines Menschen im Übergang vom Kind zum Erwachsenen“ (Hurrelmann, K./ Quenzel, G. 2016, S. 19), jedoch wurde sie nicht als eigenständiger Lebensabschnitt definiert. Heute wird es als selbstverständlich gesehen, dass diese Zeit eine eigene Lebensphase darstellt. Durch die lange Dauer ist dieser Lebensabschnitt durch eine eigene Dynamik und Eigenständigkeit geprägt (vgl. ebd. S. 15 ff.). Typisch für diese Lebensphase ist eine Statusinkonsistenz. Durch die sehr individuellen Entwicklungen ist es nur sehr schwer möglich, den Beginn und das Ende dieses Lebensabschnittes festzulegen. Der Übergang von Kindheit zu Jugend ist dabei einfacher festzustellen, als der Übergang von der Jugend zum Erwachsenen. Der Eintritt in die Lebensphase Jugend beginnt mit dem Eintritt der Geschlechtsreife. Da es dort bei Jungen und Mädchen Unterschiede gibt, kann man auch hier kein genaues Alter sagen, ungefähr liegt dieses aber bei zehn bis 14 Jahren. Wann jedoch ein Jugendlicher hingegen in das Erwachsenenalter übergeht, ist deutlich schwieriger zu sagen. Der Übergang erfolgt, wenn alle vier Entwicklungsaufgaben (auf diese wird im Folgenden Kapitel näher eingegangen), bewältigt worden sind. Dadurch, dass diese, teilweise zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten bewältigt werden, kann sich der Übergang sehr lange hinauszögern. Es kann auch dazu kommen, dass eine Entwicklungsaufgabe gar nicht bewältigt wird und somit theoretisch gesehen, dieser Mensch niemals die Rolle eines Erwachsenen einnehmen wird. Praktisch wird er ab einem gewissen Alter jedoch trotzdem so behandelt, als wenn er den Übergang erreicht hätte. In den meisten Fällen geschieht jedoch der vollständige Übergang zwischen dem 22. und dem 30. Lebensjahr (vgl. ebd., S. 42 ff.).
Im Folgenden werden nun die Entwicklungsaufgaben näher betrachtet und daran angeschlossen die Probleme, die in dieser Lebensphase typisch sind, aufgeführt.
2.1. Entwicklungsaufgaben
Entwicklungsaufgaben sind „typische[.] körperliche[.], psychische[.] und soziale[.] Anforderungen und Erwartungen, die von der sozialen Umwelt an Individuen […] herangetragen werden und/oder sich aus der körperlichen und psychischen Dynamik der persönlichen Entwicklung ergeben“ (Hurrelmann, K./ Quenzel, G. 2016, S. 24). Sie bestimmen den Richtungsverlauf der Entwicklung eines Menschen und nehmen dabei Bezug auf die gesellschaftlichen Normen und Rollenvorschriften. Sie dienen sowohl der persönlichen Individuation, als auch der sozialen Integration. In der Forschungsliteratur sind vier Entwicklungsaufgaben verbreitet: Qualifizieren, Binden, Konsumieren und Partizipieren (vgl. ebd., S. 25).
Ziel der Entwicklungsaufgabe „Qualifizieren“ ist es, sowohl die kognitiven und intellektuellen Fähigkeiten und die sozialen Umgangsformen so zu entfalten, dass das Individuum in der Lage ist, sich Wissen anzueignen und anzuwenden um, somit selbstverantwortlich handeln zu können. Die Bewältigung dessen führt zu einem souveränen Umgang mit Leistungs- und Sozialanforderungen in der schulischen und beruflichen Bildung. Diese Fähigkeiten werden weitergehend auf das Berufsfeld ausgeweitet, sodass fachrelevante Kenntnisse erworben werden und durch die daraus folgende Übernahme einer Berufstätigkeit das Individuum seinen Lebensunterhalt selbstständig finanzieren kann (vgl. Hurrelmann, K./ Quenzel, G.2016, S. 26 f.)
Bei der Entwicklungsaufgabe „Binden“ geht es zunächst einmal darum, dass das Individuum seine Veränderungen im körperlichen als auch im psychischen Bereich akzeptiert und sich mit seinen sexuellen Bedürfnissen und dem Aufbau seiner eigenen geschlechtlichen Identität auseinandersetzt. Fortführend ist eine emotionale und soziale Ablösung von der Herkunftsfamilie mit einem gleichzeitigen Aufbau von engen Kontakten zu Gleichaltrigen und einer intimen Partnerbeziehung, die den persönlichen Wunschvorstellungen entspricht, Teil dieser Entwicklungsaufgabe. Letztendlich kann dann daraus die eigene Familiengründung folgen (vgl. Hurrelmann, K./ Quenzel, G.2016, S. 26 f.).
Bei „Konsumieren“ geht es darum, sowohl emotional erfüllende und stabile Freundschafts- und Sozialkontakte zu knüpfen, als auch einen souveränen Umgang mit den Wirtschafts-, Freizeit- und Medienangeboten zu erlernen. Dazu gehört auch der pflichtbewusste Umgang mit Genussmitteln, wie z.B. Alkohol. Ziel ist es durch den bewussten Umgang mit diesen Möglichkeiten unter der Berücksichtigung ihrer Kosten, sich von Alltagsanspannungen zu entlasten und die psychischen und körperlichen Kräfte regenerieren zu können (vgl. Hurrelmann, K./ Quenzel, G. 2016, S. 26 ff.).
„Partizipieren“ meint [d]ie Entwicklung eines individuellen Werte- und Normensystems“ (Hurrelmann, K./ Quenzel, G.2016, S. 25), welche mit den eigenen Verhaltens- und Handlungsmöglichkeiten in Einklang zu bringen sind. Ebenso soll das Individuum sich an Angelegenheiten der sozialen Gemeinschaft beteiligen und so seine eigenen Bedürfnisse und Interessen in der Öffentlichkeit zum Ausdruck bringen, um die eigene Selbststeuerungsfähigkeit zu stärken (vgl. ebd., S. 26 ff.).
Durch Unterstützung können Sozialisationsinstanzen (dazu gehören z.B. die Familie oder Peer Groups) dazu beitragen, dass die Entwicklungsaufgaben bewältigt werden. Mangelnde Unterstützung hingegen kann zu erheblichen Problemen im Entwicklungsverlauf führen, welche sich auf den verschiedensten Arten ausdrücken können. Entscheidend ist dabei aber vor allem wie die Unterstützung der einzelnen Instanzen miteinander harmonieren. Spannungen zwischen ihnen führen wiederum zu einem negativen Verlauf der Entwicklung (vgl. Hurrelmann, K./ Quenzel, G. 2016, S. 28 f.).
Im Rahmen dieser Entwicklungsaufgaben, sind einige Punkte besonders hervorzuheben: Ähnlich wie im frühen Kindesalter finden in der Lebensphase „Jugend“ enorme Wachstums- und Umbauprozesse im menschlichen Gehirn statt. Diese führen nicht selten dazu, dass nicht nur innerlich ein Chaos entsteht, sondern sich dieses auch nach außen hin zeigt. Im Prozess der Identitätsentwicklung begegnen den Jugendlichen zudem viele Fragen. Gerade auch die Frage nach der eigenen Sexualität beschäftigt die Jugendlichen sehr. Der Körper wird fraulich bzw. männlich, „der erwachsen werdende Körper [wird] phasenweise wie ein fremdes Ding erlebt“ (Abraham, S. 186). Bereits in der Grundschule erhalten die Kinder und Jugendlichen Sexualkundeunterricht und in den Medien wird Sexualität heutzutage großflächig thematisiert. Dennoch ist ihnen alles peinlich und sie wissen nichts, wenn es um ihre eigene Sexualität geht. Denn Sexualität an sich ist zwar erforscht, aber sie bleibt individuell und somit muss jeder Jugendliche sie selbst erforschen, wenn es soweit ist. Typisch für diesen Lebensabschnitt ist zudem, dass die Jugendlichen erstmalig mit Suchtmitteln in Berührung kommen, wie im Abschnitt zu „Konsumieren“ bereits erwähnt. Alkohol probieren in dieser Phase 97 % der Jugendlichen. Süchtig werden die wenigsten davon, jedoch gibt es auch hier Ausnahmen. Den meisten geht es eher darum, mit den Grenzen zu spielen. Jugendliche brauchen dann, aber auch in jeglichen anderen Problemsituationen, ein starkes Gegenüber, das klar und konsequent handelt bzw. antwortet und somit einen „tauglichen Sicherungsmast in den Stürmen und Achterbahnfahrten der Jugendzeit“ (ebd., S. 190) darstellt. Sie wollen von ihrem Umfeld gehört und wahrgenommen werden und herausfinden, was das soziale Umfeld ihnen bieten kann. Das Handeln und Erleben Jugendlicher ist daher immer im sozialen Kontext zu betrachten. „Verstehen wollen, lieben können und Respekt wahren, das scheinen […] drei pädagogische Haltungen zu sein, die gerade in der Pubertät von großer und tragender Bedeutung sind“ (ebd., S. 193).
Da die Jugendlichen schon sehr früh einen eigenen individuellen Lebensstil entwickeln müssen, bedarf es ihnen an einer hohen Virtuosität und einer ausgeprägten Kompetenz zur Problemverarbeitung. Ebenso sollten sie mit Widersprüchen der sozialen Erwartungen, die an sie herangetragen werden, umgehen und die Ungewissheit, ob sie jemals den Übergang in das Erwachsenenalter schaffen, aushalten können (vgl. Hurrelmann, K./ Quenzel, G. 2016, S. 46). Die Jugendlichen müssen offen und flexibel hinsichtlich Situationen sein, da die dort anzufindenden Konstellationen sehr schnell wechseln. Dies hat zur Folge, dass es nicht möglich ist sich auf feste Handlungsabfolgen vorzubereiten. Voraussetzung dafür ist eine Vielzahl an persönlichen sowie sozialen Fähigkeiten und eine dazu passende realistische Einschätzung über das eigene Können (vgl. ebd. S. 49)
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Lebensphase Jugend eindeutig mehr Herausforderungen aufweist, als alle anderen Lebensphasen. Auch wenn die Entwicklungsaufgaben in der Forschungsliteratur definiert sind, sind diese letztendlich dennoch subjektiv, sodass jeder Jugendliche einen individuellen Weg finden muss, mit den Entwicklungsaufgaben zurecht zu kommen, um später ein den Erwartungen der Gesellschaft entsprechendes Leben zu führen. Eine „große Mehrheit der Jugendlichen orientiert sich heute an einem anspruchsvollen Konzept der Lebensführung, in dessen Zentrum aktive Formen des Selbstmanagements stehen, die sich zu Bewältigung der Entwicklungsaufgaben […] bewährt haben“ (Hurrelmann, K./Quenzel, G. 2016, S. 49). Intuitiv wissen sie, dass sie die Lebensführung der älteren Generation nicht einfach so übernehmen können, da diese durch den Verbleib in einer anderen Lebensphase andere Lebensbedingungen hat (vgl. ebd. S. 49).
2.2 Problemlagen
„Jede einzelne Entwicklungsaufgabe setzt sich aus einer Vielfalt von Einzelanforderungen zusammen […]. Feste Vorgaben für die Art und Weise der Bewältigung einer Entwicklungsaufgabe gibt es […] nicht. Jede und jeder einzelne Jugendliche kann vielmehr einen persönlichen Weg wählen, der den eigenen Voraussetzungen am besten gerecht wird“ (Hurrelmann, K./Quenzel, G. 2016, S. 223).
Ebenso sind sehr unterschiedliche Ausgangsbedingungen der Jugendlichen zu beobachten. Gerade die soziale Herkunft spielt eine enorme Rolle bei dem Verlauf einzelner Entwicklungsaufgaben. Die meisten Jugendlichen befinden sich in einer mehr oder weniger guten Ausgangslage. Rund 20 % stecken jedoch in einer so sehr gesellschaftlichen schlechten Position, dass diese zu erheblichen Beeinträchtigungen führen kann und die Jugendlichen sich folglich überfordert fühlen und keine Formen von Selbstmanagement entwickeln (vgl. Hurrelmann, K./ Quenzel, G. 2016, S. 51).
Probleme bei der Bewältigung der Entwicklungsaufgaben, welche wiederum zu kritischen Ausprägungen des Verhaltens führen können, sind oftmals auf das Fehlen von personalen und/oder sozialen Ressourcen zurückzuführen. Vorteilhafte persönliche Ressourcen sind u.a. ein positives Selbstwertgefühl, eine belastbare, körperliche Konstitution, eine hohe Leistungsmotivation, ein sicheres Bindungsverhalten, die Überzeugung, die Kontrolle über das eigene Handeln zu haben und vieles mehr. Vorteilhafte soziale Ressourcen hingegen sind z.B. eine gute Förderung und Unterstützung durch das soziale Umfeld, ein hoher Bildungsgrad der Eltern, ein enger familiärer Zusammenhalt, ein auf Selbstständigkeit ausgerichtete Erziehung, gute Freundschaften und positive schulische Erfahrungen (vgl. Hurrelmann, K./ Quenzel, G. 2016, S. 224 f.). Gerade bei kritischen Lebensereignissen, wie z.B. die Trennung oder der Tod der Eltern ist es für die Entwicklung bedeutsam, wie gut die Jugendlichen in ein soziales Netzwerk einbezogen sind, da bei solchen Situationen, die personalen Ressourcen oftmals nicht ausreichend sind und die Jugendlichen viel Unterstützung durch ihr soziales Umfeld bedürfen (vgl. ebd. S. 226).
Entsteht ein Missverhältnis zwischen den Anforderungen bzgl. der Bewältigung der Entwicklungsaufgaben und den vorhandenen Kompetenzen zur Bewältigung dieser, wählen die Jugendliche oft Wege, die zu risikobelasteten Verhalten führen, welche zum einen negative Folgen für die eigene Persönlichkeit, zum anderen aber auch problematische Auswirkungen auf die soziale Umwelt haben (vgl. Hurrelmann, K./ Quenzel, G. 2016, S. 229 f.). Für die Jugendliche ist dies in der Situation oft die einzige Lösung, dem Entwicklungsdruck zu entkommen. Dieser Entwicklungsdruck tritt im Vergleich zu anderen Lebensphasen in deutlich erhöhtem Maße auf. Das liegt an den deutlich zahlreicheren Anforderungen an die Jugendlichen (vgl. ebd. S. 232).
Zu unterscheiden ist bei den Risikowegen zwischen drei verschiedenen Arten: dem nach außen gerichteten, den auf Ausweichen gerichteten und den nach innen gerichteten. Ersterer, auch externalisierter Risikoweg genannt, ist gekennzeichnet durch Aggressionen des Jugendlichen als Reaktion auf den Entwicklungsdruck. Eine starke Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls führt dazu, dass der Jugendliche sich durch eine nach außen gerichtete starke Haltung versucht, vor weiteren Verletzungen zu schützen. Durch die Zerstörung von Objekten oder dem Angriff einer anderen Person entsteht bei diesen Jugendlichen das Gefühl, eine Herausforderung gemeistert zu haben, auch wenn dies in der Realität nicht der Fall ist. Da Kriminalität oder anderen Arten von Normverletzungen in den meisten Fällen öffentlich geahndet werden, ist diese Form besonders kritisch, da eine öffentlich erteilte negative Sanktion das Selbstwertgefühl noch weiter beeinträchtigen würde und somit das Verhalten noch bestärken würde (vgl. Hurrelmann, K./ Quenzel, G. 2016, S. 230).
Das Ausweichen ist hingegen gekennzeichnet durch fluchtförmige Verhaltensweisen und wechselhafte soziale Beziehungsmuster. Nicht selten ist zudem ein suchtgefährdetes Verhalten wie der Konsum (il)legaler Drogen oder eine uneingeschränkte Nutzung elektronischer Medien zu beobachten. Auch kann es bei dieser Form zu selbst- und/oder fremdaggressiven Verhaltensweisen kommen. Dieses Verhalten impliziert, dass der Arbeit an der eigenen Person, der Versuch, die Probleme zu betäuben, vorgezogen wird (vgl. Hurrelmann, K./ Quenzel, G. 2016, S. 230 f.).
Der letzte genannte Risikoweg, der nach innen gerichtete bzw. internalisierende, zeichnet sich durch Rückzug, Isolation, Desinteresse, Apathie, psychosomatischen Störungen, depressive Stimmungen und Selbstaggression bis hin zu Suizidversuchen aus. Zurückzuführen ist dieses Verhalten auf schwache personale Ressourcen (vgl. Hurrelmann, K./ Quenzel, G. 2016, S. 231). Hat sich ein Risikoweg erst einmal bei dem Jugendlichem verfestigt, kann dies dauerhafte negative Konsequenzen für die Persönlichkeitsentwicklung haben und so dazu führen, dass eine oder mehrere Entwicklungsaufgaben nicht bewältigt werden (vgl. ebd. S. 232).
Aus den vorherigen Ausführungen sind folgende Punkte zu rekapitulieren: Gerade in so einer konfliktreichen Lebensphase wie der Jugend, spielt das soziale Umfeld des Individuums eine große Rolle. Soziale Ressourcen helfen dabei, mit den Anforderungen bei der Bewältigung der Entwicklungsaufgaben, umgehen zu können und können somit vermeiden, dass die Jugendlichen einen risikoreicheren Weg zur Problemlösung wählen. Ebenso wichtig sind aber auch die Personalen Ressourcen.
3 Tanz
„Das Tanzen gilt als eine der ursprünglichsten Lebensäußerungen des Menschen und spiegelt in besonderer Weise seine kulturellen, historischen und sozialen Bezüge wieder“ (Abraham, A. 2013, S. 9). Auch wenn die europäische Kultur keinesfalls als Tanzkultur, wie z.B. die afrikanische bezeichnet werden kann, wird auch hier zu Lande getanzt. Auf eine besondere Art und Weise wird die Bewegung beim Tanzen thematisiert (vgl. Fritsch, U. 1999, S. 7). „Tanz hat eine komplexe Sprache, die Schritte, Bewegungen und Tanzsequenzen bilden die Syntax gesprochener und geschriebener Sprache ab, [sodass] Sätze, Geschichten und Abstraktionen auf einer tiefen und bedeutungsvollen Ebene entstehen“ (Maldoom, R. 2010, S. 233). Durch das Ausdruckshafte der Bewegung entwickelt der Tanz eine eigene Welt. Wie alle ästhetischen Bewegungsformen sind auch tänzerische Bewegungen nichts mehr als flüchtige Phänomene. Die Bewegung allein verfolgt keinen bestimmten lebensweltlichen Zweck (vgl. Bietz, J. 2010, S. 60). Tanz bietet Menschen außerordentliche Chancen sich selbst zu erforschen und darzustellen (vgl. Maldoom, R. 2010, S. 146). Welche Wirkungen der Tanz auf Menschen im Detail hat, wird im Folgenden erläutert.
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