Im Zuge der Modernisierung und Globalisierung kam es zu einem gesellschaftlichen Wandel. In dieser veränderten Gesellschaft gewinnt der Stellenwert des Lesens zunehmend an Bedeutung und stellt die Voraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben dar. Denn egal ob Texte, Bücher und Zeitungen gelesen, Rechnungen bearbeitet, Kaufverträge ausgefüllt oder E-Mails versendet werden, die Fähigkeit des Lesens wird im heutigen Alltag nahezu überall vorausgesetzt und institutionell eingefordert.
Auch die Digitalisierung erhöhte die Bedeutung des Lesens. So müssen in vielen Jobs aber auch in der Freizeit Leseanforderungen per Brief- und Faxverkehr, SMS und Chat erfolgreich bewältigt werden. Demzufolge ist die Lesekompetenz als grundlegende Fähigkeit für die gesellschaftliche Teilhabe anzusehen und nimmt einen elementaren Stellenwert des Einzelnen ein. Seit der Veröffentlichung von PISA 2000 ist die Lesekompetenz in aller Munde, da damals etwa ein Viertel der Jugendlichen nicht über hinreichende Lesekompetenzen verfügte.
Im Rahmen dieser Arbeit wird untersucht, inwiefern mithilfe des Diagnoseinstrumentes "Salzburger Lese-Screening" und einer anschließenden Förderung in Form von Lautlesetandems die Leseflüssigkeit der Schüler gesteigert werden kann. Das geplante Vorhaben besteht darin, zunächst mithilfe des Salzburger Lese-Screening die Leseflüssigkeit der Sechstklässler zu diagnostizieren. Anhand dieser Ergebnisse werden Lautlesetandems gebildet und auf die Schüler zugeschnittene Texte für die Lautlesetandems bereitgestellt, damit die Schüler eine optimale individuelle Förderung erhalten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
1.1 Vorstellung des Vorhabens
1.2 Präsentation der Lerngruppe
1.3 Begründung der Themenwahl
2. Pädagogische Perspektive
2.1 Individuelle Förderung
2.2 Pädagogische Diagnostik
2.2.1 Salzburger Lese-Screening 2-9
3. Fachdidaktische Perspektive
3.1 Leseflüssigkeit
3.2 Förderung der Leseflüssigkeit
3.3 Lautlesetandems
4. Diagnose und individuelle Förderung der Leseflüssigkeit
4.1 Planung des Vorhabens
4.2 Erste Durchführung des Salzburger Lese-Screenings und Ergebnisse
4.3 Bildung der Lesetandems
4.4 Durchführung der Lesetandems
4.5 Feedback
4.6 Zweite Durchführung des Salzburger Lese-Screenings und Ergebnisse
5. Reflexion
5.1 Gelungenes
5.2 Änderungen
5.3 Probleme und Lösungen
6. Fazit und Ausblick
7. Literaturverzeichnis
8. Anhang
8.1 Ergebnisse des Salzburger Lese-Screenings
1. Einführung
Im Zuge der Modernisierung und Globalisierung kam es zu einem gesellschaftlichen Wandel. In dieser veränderten Gesellschaft gewinnt der Stellenwert des Lesens zunehmend an Bedeutung und stellt die Voraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben dar. Denn egal ob Texte, Bücher und Zeitungen gelesen, Rechnungen bearbeitet, Kaufverträge ausgefüllt oder E-Mails versendet werden, die Fähigkeit des Lesens wird im heutigen Alltag nahezu überall vorausgesetzt und institutionell eingefordert. Auch die Digitalisierung erhöhte die Bedeutung des Lesens. So müssen in vielen Jobs aber auch in der Freizeit Leseanforderungen per Brief- und Faxverkehr, SMS und Chat erfolgreich bewältigt werden. Demzufolge ist die Lesekompetenz als grundlegende Fähigkeit für die gesellschaftliche Teilhabe anzusehen und nimmt einen elementaren Stellenwert des Einzelnen ein. Seit der Veröffentlichung von PISA 2000 ist die Lesekompetenz in aller Munde, da damals etwa ein Viertel der Jugendlichen nicht über hinreichende Lesekompetenzen verfügte. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigten, dass viele Kinder und Jugendliche im deutschen Schulsystem die Schlüsselkompetenz des Lesens nicht ausreichend erwerben, sodass negative Folgen für die betroffenen Schülerinnen und Schüler1 befürchtet werden müssen. In der Deutschdidaktik bilden die schlechten Leseleistungen der deutschen Schüler und die daraus abgeleiteten Forderungen nach einer systematischen Leseförderpraxis an den weiterführenden Schulen eine Bruchstelle, deren Aufarbeitung bis heute andauert.2 Als Reaktion auf die Ergebnisse der PISA-Studie werden im Deutschunterricht in der Sekundarstufe I oftmals Verfahren, wie Lesezeiten oder Buchvorstellungen, eingesetzt, die auf die Steigerung der Lesemotivation abzielen sowie textstrategische Maßnahmen, welche das Textverstehen fördern sollen. Hingegen sind Leseübungen, die auf eine Verbesserung der Leseflüssigkeit zu Beginn der Sekundarstufe setzen, gegenwärtig kaum im Horizont der Lesedidaktik. So wird eine ausreichende Leseflüssigkeit, um mit Texten im Literatur- und Fachunterricht zu arbeiten, in der Sekundarstufe oftmals stillschweigend vorausgesetzt. Bei Schülern mit unterdurchschnittlicher Leseflüssigkeit leidet jedoch das Textverstehen und auch die Lesemotivation sinkt, da Texte nur langsam, stockend und mit fehlerhafter Betonung gelesen werden können.
Die Gefahr an dieser Situation besteht darin, dass sich ein „Teufelskreis des NichtLesens“ herausbilden kann. Folge des Teufelskreises ist, dass die schwachen Leser das Lesen meiden, weil sie Texte nicht flüssig lesen können. Da ihnen die Leseübung fehlt, können sie wiederum ihre Lesefertigkeiten auch nicht verbessern.3
1.1 Vorstellung des Vorhabens
Im Rahmen der Hausarbeit wird untersucht, inwiefern mit Hilfe des Diagnoseinstrumentes „Salzburger Lese-Screening“ und einer anschließenden Förderung in Form von Lautlesetandems die Leseflüssigkeit der Schüler gesteigert werden kann. Das geplante Vorhaben besteht darin, zunächst mit Hilfe des Salzburger Lese-Screening die Leseflüssigkeit der Sechstklässler zu diagnostizieren. Anhand dieser Ergebnisse werden Lautlesetandems gebildet und auf die Schüler zugeschnittene Texte für die Lautlesetandems bereitgestellt, damit die Schüler eine optimale individuelle Förderung erhalten. Im Rahmen der Prozessdiagnostik wird nach einem Trainingszeitraum von acht Wochen erneut die Leseflüssigkeit der Schüler mit Hilfe des Salzburger Lese-Screenings ermittelt, damit der Erfolg der Fördermaßnahme überprüft werden kann und die Schüler ihre Lernfortschritte zwischen den zwei Testungen ableiten können. Das durchgeführte Vorhaben im Rahmen der Hausarbeit bezieht sich vorranging auf das Pädagogische Handlungsfeld „Begleiten, Beraten und Beurteilen“, da Lernvoraussetzungen erkannt und auf dieser Grundlage nachhaltig gefördert werden.
1.2 Präsentation der Lerngruppe
Das Vorhaben wird in einer sechsten Klasse durchgeführt. Die Klasse besteht aus 28 Schülern, darunter elf Mädchen und siebzehn Jungen. Entsprechend der vorgesehenen Orientierungsstufe in den Klassenstufen 5 und 6 erfolgt der Unterricht auf Realschulniveau (M-Niveau). Es handelt sich um eine lebhafte, wissbegierige sowie freundliche Klasse. Das soziale Miteinander in der Klasse kann insgesamt als gut beurteilt werden. So werden alle Mitglieder der Klasse akzeptiert und geachtet. Zu Beginn des Schuljahres wurde viel Wert daraufgelegt, eine gute Beziehung zwischen den Schülern und der Lehrkraft herzustellen, um ein gutes Lernklima zu sichern, wie es Marcus Pietsch als erste Stufe in seinem Stufenmodell der Unterrichtsqualität darstellt.4 Denn eine positive Lernatmosphäre stellt eine wesentliche Grundbasis für lernwirksamen Unterricht dar. Die Lernvoraussetzungen und Leistungen der Schüler im Bereich des Lesens sind jedoch sehr heterogen. So können einige Schüler der Klasse geläufig und ohne weitere Verlesungen Texte lesen. Jedoch gibt es viele Schüler in der Klasse, die sehr stockig und mühsam lesen sowie viele Lesefehler machen. Neun Schüler besuchen zudem den LRS-Förderkurs und zwölf Schüler wachsen zweisprachig auf, sprechen zu Hause aber vorrangig ihre Muttersprache.
1.3 Begründung der Themenwahl
Bereits zu Beginn des Schuljahres stellte ich ziemlich schnell fest, dass viele Schüler in meiner Deutschklasse sehr stockend und unflüssig lesen. So stellte das Vorlesen von kürzeren Textpassagen im Unterrichtsgeschehen oftmals ein Problem dar. Zum einen war das Zuhören für die Mitschüler anstrengend, was diese oftmals auch laut kundgaben, zum anderen waren auch die Vorleser sehr schnell frustriert, da sie selbst bemerkten, dass sie am Vorlesen scheitern. Zudem machten einige Schüler im Unterricht Aussagen, wie beispielsweise: „Ich kann halt einfach nicht lesen. Jemand anders soll für mich weiterlesen.“ Des Weiteren beobachtete ich, dass die schwachen Leser im Unterrichtsgeschehen versuchten, das Vorlesen vor der Klasse zu umgehen, um ihre Defizite zu verbergen. So baten diese Schüler beispielsweise darum, dass ihr Nebensitzer stellvertretend für sie ihre Fantasiegeschichte vorlesen darf. Viele Studien, wie beispielsweise die von Rosebrock et al. durchgeführte Frankfurter Hauptschulstudie oder die von der US-Regierung in Auftrag gegebene Metaanalyse des National Reading Panels, zeigen auf, dass bei Schülern mit einer unterdurchschnittlichen Leseflüssigkeit auch das Textverstehen leidet.5 Daher habe ich es mir zum Ziel gesetzt, die Schüler im Bereich der Leseflüssigkeit zu fördern. Denn in nahezu allen Fächern erfolgt die Aneignung von Wissen über Texte. Wenn die Schüler aufgrund ihrer mangelnden Leseflüssigkeit den Textinhalt jedoch nicht erfassen können, droht ihnen schulisches Lernversagen in nahezu allen Fächern, da das Bildungssystem nach wie vor auf textbasierter Wissensvermittlung fußt.
Im Leitcurriculum der Klasse 6 an der Karl-Spohn-Realschule sowie auch im Bildungsplan 2016 sind überwiegend lesestrategische Maßnahmen vorgesehen, um das Textverstehen der Schüler zu fördern. Daraus lässt sich schließen, dass davon ausgegangen wird, dass der Erwerb einer fundierten Leseflüssigkeit bei allen Schülern bereits in der Grundschule stattgefunden hat und diese zu Beginn der Sekundarstufe I nun vorausgesetzt wird. Probleme im Bereich der Leseflüssigkeit lassen sich jedoch nicht nur bei Grundschülern finden, sondern auch bei Schülern, die bereits die weiterführende Schule besuchen. Die Ausbildung der Leseflüssigkeit wird zwar in der Grundschulzeit angestrebt, dennoch kann es sein, dass einige Schüler diese „zentrale Erwerbsaufgabe der mittleren Kindheit“6 dort nicht bewältigt haben. Folglich bestehen Unsicherheiten im hierarchieniedrigen Bereich des Leseprozesses oftmals auch noch bei älteren Schülern an der Sekundarstufe I. Klicpcera und Gaststeiger-Klipcera (1993) konnten in ihrer Längsschnittstudie für den deutschsprachigen Raum belegen, dass Kinder, die im Verlauf der zweiten oder dritten Klasse immer noch auffällig unsicher lesen und keine spezifische Förderung erfahren, die Rückstände zu ihren Mitschülern in den folgenden Schuljahren nicht mehr aufholen.7 Folge ist, dass sich die mangelnden Lesefertigkeiten über die Grundschulzeit hinweg stabilisieren, was sich nachweislich negativ auf die weitere Leseentwicklung auswirkt.8 Da sich nicht bei allen Kindern die Leseflüssigkeit ohne zusätzliche Hilfe entwickelt, ist es enorm wichtig, solche Schüler in der Sekundarstufe zu identifizieren und mit spezifischen Fördermaßnahmen zu unterstützen. Denn „wer Texte flüssig lesen kann, der versteht in der Regel auch mehr vom Textinhalt und umgekehrt.“9
2. Pädagogische Perspektive
2.1 Individuelle Förderung
Angesichts der beschriebenen Heterogenität im Bereich der Leseflüssigkeit in der vorliegenden Klasse ist eine individuelle Berücksichtigung der Lernstände besonders wichtig. Da jeder Schüler verschieden ist, sollte guter Unterricht vom Entwicklungsstand und den individuellen Potenzialen der einzelnen Schüler ausgehen. Paradies, Linser und Greving definieren individuelles Fördern folgendermaßen: „Individuelles Fördern gibt jedem Schüler die Chancen, durch geeignete Maßnahmen sein motorisches, intellektuelles, emotionales und soziales Potenzial umfassend zu entwickeln.“10 In dem Verständnis, dass jeder Lernende über ein individuelles Vorwissen, individuelle Voraussetzungen, Interessen, Begabungen und Entwicklungspotenziale aufweist, gilt es, möglichst viel über den Lernenden zu wissen, um seinen Lernprozess optimal begleiten zu können.11 Dies geschieht im vorliegenden Fall mit Hilfe des Salzburger Lese-Screenings. Denn individuelle Förderung und pädagogische Diagnostik bedingen im Unterricht einander, da ich Schüler nur dann optimal fördern kann, wenn ich weiß, wo sie stehen. Ziel des individualisierten Unterrichts ist es, die Schüler bestmöglich hinsichtlich ihrer Lernausgangslagen zu fördern. Um dies umsetzen zu können, müssen entsprechende Lernsituationen geschaffen werden.
2.2 Pädagogische Diagnostik
Diagnostik stellt ein Prozess des Erkennens, Beurteilens und Entscheidens dar. Für das schulische Lernen sind solche Fragen von Diagnostik von besonderer Bedeutung, die sich auf die individuelle Förderung von Schülern beziehen. Dieser Ansatz wird häufig als „pädagogische Diagnostik“ bezeichnet.12 Unter pädagogisch diagnostizieren verstehen wir „solche Informationen zu Lernvoraussetzungen, Lernprozessen oder dem Lernstand eines Schülers zu ermitteln, die relevant sind für die gezielte Unterstützung des Schülers.“13 Im Sinne der individuellen Förderung möchte die pädagogische Diagnostik Anhaltspunkte für pädagogisches Handeln erschließen. Die pädagogische Diagnostik verfolgt zwei zentrale Funktionen. Im weiteren Sinne hat sie die Funktion der Optimierung der Bewertung bzw. Beurteilung. Bei dieser Zuweisungsdiagnostik handelt es sich um summative Produktevaluationen, die am Ende eines Lernprozesses stehen, wie beispielsweise eine Klassenarbeit. Die Pädagogische Diagnostik im engeren Sinne, die Lernprozessdiagnostik, hingegen hat die Funktion der Optimierung von individuellen Lernprozessen. Hierbei handelt es sich um formative Evaluationen, die während des gesamten Lernprozesses stattfinden.14 Die Formen der Lernprozessdiagnostik können in informelle, semiformelle und formelle Diagnostik unterschieden werden.15 Die informelle Diagnostik beruht auf unkontrollierten und intuitiven Einschätzungen während des Schulalltags. Die semiformelle Diagnostik „kennzeichnet die Gesamtheit aller diagnostischen Tätigkeiten, die den Qualitätskriterien einer formalen Diagnostik nicht genügen, allerdings nicht nur auf zufälligen Beobachtungen und zufälligen Einschätzungen beruhen.“16 Die dritte Form, die formelle Diagnostik, erfolgt hingegen gezielt und systematisch mithilfe wissenschaftlicher Tests. Da hierbei weniger mit Beurteilungsfehlern zu rechnen ist, erfolgt die Pädagogische Diagnostik im Rahmen der Hausarbeit in Form der formellen Diagnostik. Denn Schrader und Helmke zufolge ist „eine zutreffende Einschätzung des Leistungsstandes eine außerordentlich schwierige Aufgabe, die ohne den Einsatz von professionell entwickelten, am Lehrplan orientierten diagnostischen Instrumenten kaum zu erfüllen ist.“17 So hängt jede Art von Wahrnehmung von Schülerleistungen von vielen subjektiven Faktoren ab und wird oftmals von unbewussten Voreinstellungen sowie Erwartungen des Beobachtenden beeinflusst. Diese Wahrnehmungen haben aber wenig mit Objektivität oder Transparenz zu tun, sondern werden der Leistungsbeurteilung der Schüler nur in Teilbereichen gerecht.18 Aufgrund dieser Tatsache wurde zur Diagnose der Leseflüssigkeit das Salzburger Lesescreening verwendet, damit die Beobachtung systematisch und nachvollziehbar durchgeführt werden kann. Denn „das Beobachten im Kontext der veränderten Unterrichtskultur geht weit über die übliche, unkontrollierte und gelegentliche Beobachtung hinaus.“19 Das kriterienorientierte Vorgehen mit Hilfe des Salzburger Lesescreenings soll gewährleisten, dass die Leseflüssigkeit möglichst objektiv, valide und reliabel erfasst werden kann. Denn je besser die Kompetenzen von Schülern erkannt werden, desto besser kann eine Förderung abgeleitet werden, um die individuelle Entwicklung der Schüler zielgerichtet zu unterstützen.20 Bei der informellen Diagnostik, der Gelegenheitsbeobachtung, bestünde die Gefahr, dass aufgrund von Fehlerquellen bei der Beurteilung das diagnostische Urteil verzerrt wird. Das was ich beobachte, hängt nämlich stark davon ab, wie ich beobachte. So könnte beispielsweise vor dem Hintergrund der bereits gemachten Erfahrungen mit den Schülern der Halo-Effekt auftreten. Darunter versteht man die Tendenz, aufgrund eines Eindrucks oder Merkmals ein verallgemeinerndes Gesamturteil über einen Schüler abzugeben.21 Höfliches Auftreten, saubere Heftführung und angemessenes Sprachverhalten könnten beispielsweise zu einem gesamtordentlichen Eindruck des Schülers führen und demzufolge auch den Eindruck eines kompetenten Lesers vermitteln. Ein weiterer Beurteilungsfehler, der zu Verzerrungen bei der Einschätzung der Leseflüssigkeit führen könnte, ist der Logische Fehler. Hierbei werden voreilige Schlussfolgerungen von einem Leistungsmerkmal auf ein anderes Merkmal geschlossen.22 Erbringt ein Schüler beispielsweise schlechte Leistungen im Rechtschreiben, so wird leicht angenommen, dass seine Leistungen auch im Bereich Lesen schlecht sein müssen.
2.2.1 Salzburger Lese-Screening 2-9
Beim Salzburger Lese-Screening 2-9 handelt es sich um ein standardisiertes diagnostisches Testverfahren. Diagnostische Tests erlauben, die fachbezogenen Kompetenzen der Schüler zu diagnostizieren und leisten damit einen Beitrag zur Entwicklung geeigneter Lernarrangements für den Unterricht.23
Das Salzburger Lese-Screening stellt den Schülern die Aufgabe, eine Abfolge von Sätzen, wie zum Beispiel „Tee kann man trinken“, möglichst schnell zu lesen und dabei jeden Satz auf seine inhaltliche Richtigkeit hin zu beurteilen. Am Ende jeder Zeile muss markiert werden, ob die Aussage des Satzes wahr oder falsch ist.24 Die den Schülern zur Verfügung stehende Bearbeitungsdauer beträgt drei Minuten. Vorteil ist, dass es sich um einen Gruppentest handelt und somit die Leseleistung aller Schüler simultan erfasst werden kann. Zudem liegen zwei Parallelversionen vor, die aus unterschiedlichen, in Hinblick auf die Leseanforderungen aber vergleichbaren Sätzen, aufgebaut sind. Jede der beiden Satzversionen gibt es in zwei Varianten mit leicht unterschiedlicher Satzabfolge.25 Dadurch kann das Screening in kurzen zeitlichen Abständen wiederholt werden. Da es sich beim Salzburger Lese-Screening um ein standardisiertes Testverfahren handelt, muss es den Gütekriterien zur Beurteilung von Tests - Objektivität, Reliabilität und Validität - unterliegen. Objektivität misst, inwiefern die Testergebnisse unabhängig vom Messenden sind.26 Da die Auswertung des Salzburger Lesescreenings mit Hilfe einer Lösungsfolie erfolgt und kein Interpretationsspielraum auf Seiten der Lehrperson gegeben ist, wird die Objektivität erfüllt. Unter der Reliabilität wird das Maß der Reproduzierbarkeit einer Messung unter gleichbleibenden Bedingungen verstanden. Beim Salzburger Lese-Screening wurde die Abschätzung der Reliabilität mit der Paralleltestmethode durchgeführt. Für die Klassenstufe 2 betragen die Korrelationen der Testwerte .95 und .87 für die Klassenstufe 8.27 Die Validität beinhaltet den Grad der Genauigkeit sowie die Gültigkeit einer Messung.28 Als Zielsetzung verfolgt das Salzburger-Testverfahren die Diagnose der basalen Lesefertigkeiten, darunter erfasst es insbesondere die Lesegeschwindigkeit. Zudem wird die Lesegenauigkeit sowie ein basales Wort- und Satzverständnis indirekt mitgemessen. Da die Komponente der Lesegeschwindigkeit für mein Vorhaben diagnostiziert werden soll, ist auch die Validität erfüllt. Neben der Anzahl der korrekt beurteilten Sätze als Leistungsrohwert kann anhand von Normtabellen, welche auf Daten von 11.900 Schülern aus Österreich basieren, ein Lesequotient ermittelt werden. Der Lesequotient zeigt an, wie weit die gemessene Lesefertigkeit bei einem Kind vom Durchschnitt der Normierungsstichprobe abweicht.29 Der Wert 100 steht dabei für den Mittelwert.
3. Fachdidaktische Perspektive
3.1 Leseflüssigkeit
Unter Leseflüssigkeit versteht man „die Fähigkeit zur genauen, automatisierten, schnellen und sinnkonstituierenden leisen und lauten Lektüre.“30 Leseflüssigkeit umfasst unterschiedliche Dimensionen, die alle eng miteinander zusammenhängen. Als die vier wichtigsten gelten die Fähigkeit zur Dekodierung, die Automatisierung der Dekodierung, die Leseflüssigkeit sowie die Leseflüssigkeit als Fähigkeit zum ausdrucksstarken Vorlesen.
[...]
1 Im Folgenden wird zugunsten der Lesbarkeit die maskuline Form verwendet, dennoch beziehen sich die Angaben auf beide Geschlechter.
2 Vgl. Nix, 2011 S. 14
3 Vgl. Rosebrock et al., 2011, S. 11
4 Vgl. Pietsch, 2013, S. 26
5 Vgl. Nix, 2011, S. 184ff
6 Nix, 2011, S. 56
7 Vgl. Nix, 2011, S. 56
8 Vgl. Nix, 2011, S. 56
9 Rosebrock et al., 2011, S. 10f
10 Paradies/ Linser/ Greving, 2007, S. 38
11 Vgl. Landesinstitut für Schulentwicklung, 2014, S. 10
12 Vgl. Staatsinstitut für Bildungsforschung und Schulqualität, 2008, S. 5
13 Staatsinstitut für Bildungsforschung und Schulqualität, 2008, S. 5
14 Vgl. Staatsinstitut für Bildungsforschung und Schulqualität, 2008, S. 8
15 Vgl. Landesinstitut für Schulentwicklung, 2014, S. 11
16 Landesinstitut für Schulentwicklung, 2014, S. 10
17 Schrader/ Helmke, 2001, S. 50
18 Vgl. Paradies/ Linser/ Greving, 2007, S. 17
19 Vgl. Bohl, 2005
20 Kliemann, 2008, S. 6f
21 Vgl. Kliemann, 2008, S. 8
22 Vgl. Paradies/ Linser/ Greving, 2007, S. 19
23 Vgl. Pallack, 2008, S. 22
24 Vgl. Wimmer/ Mayringer, 2016, S. 9
25 Vgl. Wimmer/ Mayringer, 2016, S. 9
26 Vgl. Pallack, 2008, S. 24
27 Vgl. Wimmer/ Mayringer, 2016, S. 17
28 Vgl. Pallack, 2008, S. 24
29 Vgl. Wimmer/ Mayringer, 2016, S. 9
30 Rosebrock et al., 2011, S. 15