Das Thema dieser Hausarbeit ist der Sozialisationsprozess von Kindern bzw. Jugendlichen unter dem Aspekt der Einwirkung des familialen Wirkungsraums. Genauer gesagt, soll der Fokus hier auf den Intergenerationenbeziehungen zwischen Großeltern und ihren Enkelkindern liegen. Dies ist, laut der meisten Autoren, auf den ersten Blick ein in der Sozial- und Bildungswissenschaft eher nachrangig behandeltes Themengebiet, stand doch zumeist die Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern im Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses, (Wieners, 2005) sobald man den Familialen Wirkungsraum erforscht. Die Relevanz des Themas kann aus ganz unterschiedlicher Sicht erkannt werden. Denn die Familie gilt als eine der wichtigsten gesellschaftlichen Lebensformen und die Art und Weise, wie sich ihre Struktur wandelt, muss daher immer Gegenstand der Forschung sein. Auch angesichts des demographischen Wandels und den daraus entstehenden Konflikte zwischen den Generationen ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema der Intergenerationenbeziehungen wichtig.
Auch aus Sicht der Sonder- und Rehabilitatitionspädagogik ist das Thema des Sozialisationsprozesses von Kindern und Jugendlichen relevant, da allein im Rahmen von Person/Umfeld Analysen der familiale Wirkungsraum eine Rolle spielt. Die Beziehungen zwischen Großeltern und ihren Enkelkindern stellen nur einen Teilsaspekt der kindlichen Sozialisation dar, der dazu in der Forschung eher nachrangig behandelt wurde. Die Definieriung der wichtigsten Begrifflichkeiten wird die ersten Abschnitte dieser Arbeit in Anspruch nehmen, da in der Forschung durchaus unterschiedliche Definitionen für einen Begriff vorhanden sein können. Gemäß dem Grundsatz, dass nur, wer die Geschichte kennt, die Gegenwart verstehen kann, soll auch eine kurze historische Einordnung des Familienbegriffs und des Kindheitsbegriffs nicht fehlen, da Großelternschaft in seiner jetzigen Form eine recht moderne Erscheinung ist. Definition und historische Grundlage sollen dann die Einbettung der Sozialisation von Enkelkindern im Zusammenhang mit ihren Großeltern ermöglichen. Um im Rahmen des Seminars zu bleiben ist es wichtig zu erwähnen, dass das Thema in dieser Arbeit grundsätzlich aus der Sicht der Jugendlichen bzw. des Kindes zu behandeln ist, nicht die subjektive Sicht der Großeltern. Daher lautet meine Forschungsfrage im Folgenden: "Wie wirken sich intergenerationelle Beziehungen zwischen Großeltern und ihren Enkeln auf die Sozialisation letzterer aus?"
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlegende begriffliche Einordnung
2.1 Sozialisation
2.2 Die Definition der Familie
2.2.1 Historische Einordnung der Familie
2.3 Die Definiton der Großelternschaft
2.3.1 Historische Einordung der Großelternschaft
3 Intergenerationelle Kontaktmöglichkeiten
4 Rahmenbedingungen intergenerationeller Beziehungen
5 Folgen intergenerationeller Beziehungen
5.1 Frühkindliche Bindung zu Großeltern
5.2 Kindliche Wahrnehmung Intergenerationeller Beziehungen
5.3 Intergenerationelle Kommunikation
5.4 Die Bedeutung von Großeltern im gesellschaftlichen Kontext
6 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Das Thema dieser Hausarbeit ist der Sozialisationsprozess von Kindern bzw. Jugendlichen unter dem Aspekt der Einwirkung des familialen Wirkungsraums. Genauer gesagt, soll der Fokus hier auf den Intergenerationenbeziehungen zwischen Großeltern und ihren Enkelkindern liegen. Dies ist, laut der meisten Autoren, auf den ersten Blick ein in der Sozial- und Bildungswissenschaft eher nachrangig behandeltes Themengebiet, stand doch zumeist die Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern im Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses, (Wieners, 2005, S. 17 und 23) sobald man den Familialen Wirkungsraum erforscht. Die Relevanz des Themas kann aus ganz unterschiedlicher Sicht erkannt werden. Denn die Familie gilt als eine der wichtigsten gesellschaftlichen Lebensformen und die Art und Weise, wie sich ihre Struktur wandelt, muss daher immer Gegenstand der Forschung sein. Auch angesichts des demographischen Wandels und den daraus entstehenden Konflikte zwischen den Generationen ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema der Intergenerationenbeziehungen wichtig. Auch aus Sicht der Sonder- und Rehabilitatitionspädagogik ist das Thema des Sozialisationsprozesses von Kindern und Jugendlichen relevant, da allein im Rahmen von Person/Umfeld Analysen der familiale Wirkungsraum eine Rolle spielt. Die Beziehungen zwischen Großeltern und ihren Enkelkindern stellen nur einen Teilsaspekt der kindlichen Sozialisation dar, der dazu in der Forschung eher nachrangig behandelt wurde. Die Definieriung der wichtigsten Begrifflichkeiten wird die ersten Abschnitte dieser Arbeit in Anspruch nehmen, da in der Forschung durchaus unterschiedliche Definitionen für einen Begriff vorhanden sein können. Gemäß dem Grundsatz, dass nur, wer die Geschichte kennt, die Gegenwart verstehen kann, soll auch eine kurze historische Einordnung des Familienbegriffs und des Kindheitsbegriffs nicht fehlen, da Großelternschaft in seiner jetzigen Form eine recht moderne Erscheinung ist. Definition und historische Grundlage sollen dann die Einbettung der Sozialisation von Enkelkindern im Zusammenhang mit ihren Großeltern ermöglichen. Um im Rahmen des Seminars zu bleiben ist es wichtig zu erwähnen, dass das Thema in dieser Arbeit grundsätzlich aus der Sicht der Jugendlichen bzw. des Kindes zu behandeln ist, nicht die subjektive Sicht der Großeltern. Daher lautet meine Forschungsfrage im Folgenden: „Wie wirken sich intergenerationelle Beziehungen zwischen Großeltern und ihren Enkeln auf die Sozialisation letzterer aus?“
2 Grundlegende begriffliche Einordnung
Da die Familie, und mit ihr die Großelternschaft, in der Geschichte, bis in die jüngste Zeit hinein, enorme und häufige Wandel erlebt haben, macht es Sinn eine begriffliche Einordnung vorzunehmen. Denn mit diesem Wandel ging auch immer die Veränderung der Kindheit und des damit verbundenen Sozialisationsprozesses einher. Hinzu kommt, dass Definitionen in dieser Thematik auch vielfältig und umstritten sein können. Auch eine historische Erläuterung des Familienbegriffs und der damit einhergehenden Entstehung der Großelternschaft in ihrer heutigen Form ist von Interesse, da sich hier auch ein Wandel im Sozialisationsprozess von Kindern erkennen lässt. Denn auch die Kindheit in ihrer heutigen Form besteht erst seit kurzem und ist einer ständigen Veränderung ausgesetzt.
2.1 Sozialisation
Da die Definition des Begriffs Sozialisation in seiner Gesamtheit eine sehr umfassende Arbeit nach sich zieht, die alleine schon eine Arbeit füllen könnte, soll hier nur die für die Thematik der Intergenerationenbeziehungen relevanten Aspekte hervorgehoben werden. Sozialsiation soll hier als Anpassungsprozess des Individuums an seine Umwelt durch stetige Entwicklung seiner Persönlichkeit betrachtet werden. Im Mittelpunkt stehen hier das Individuum Mensch, dass als selbst denkendes und selbsthandelndes Subjekt betrachtet wird, und die gesellschaftliche Umwelt, welche einander gegenüber stehen (Niederbacher & Zimmermann, 2011, S.15). Diese Definition stimmt im Wesentlichen mit der von Niederbacher und Zimmermann überein, die sich auf Hurrelman beziehen, wobei hier der Begriff der Anpassung noch einmal in den Vordergrund gerückt werden soll. Anpassung wird hier als defensive Verhaltensweise verstanden und besteht in erster Linie aus der subjektgewollten Entscheidung etwas nicht zu tun. Da die Gesellschaft davon ausgeht, dass Erziehung und eine damit herausbildende soziale Ordnung nötig ist um geordnetes gesellschaftliches Leben möglich zu machen. Niederbacher und Zimmermann sprechen hier von zwei Extrempolen, die aufzeigen auf welche Weise sozialisatorische Anpassung stattfindet: „Einerseits wird reklamiert, dass soziale Ordnung durch gesellschaftliche Überformung individueller Bedürfnisstrukturen in gesellschaftlich verlangte Bedürfnisdispositionen aufrechterhalten wird. Andererseits wird reklamiert, dass soziale Ordnung erst durch das wechselseitige Abarbeiten vom Individuum als sozialem Selbst und Gesellschaft als generalisiertem Anderen erzeugt wird“ (Niederbacher & Zimmermann, 2011, S. 15). Das Abarbeiten des Indiviuums an der Gesellschaft ist hier der interessantere Aspekt, da sich, wenn man das Theorem weiter denkt, das Scheitern von Sozialisation darstellen lässt. Der Mensch als Subjekt arbeitet sich an seiner Umwelt ab. In der Jugend des Menschen ist dies gut zu erkennen. Nehmen wir die Pubertät als Beispiel. Hier lässt sich leicht erkennen, dass unter anderem Streit mit den Eltern als Abarbeitungsprozess an einem Teil der Gesellschaft verstanden werden kann. Als gescheiterten Anpassungsprozess und als gescheiterten Sozialisierungsprozess kann man dann die Überschreitung einer Grenze, wie die Ausübung einer Straftat bezeichnen. Nicht umsonst spricht man von einem Resozialisierungsprozess, dem verurteilte Verbrecher ausgesetzt sind. Auch wenn dies als extremes Beispiel angesehen werden kann, ist es doch gut das Scheitern des Sozialisationsprozesses zu thematisieren, da dadurch die Relevanz der in der Jugend von Menschen vorrangegangen Sozialisation deutlich wird. Auch die Vielschichtigkeit und Komplexität des Sozialisationsbegriffs, die im Folgenden beschrieben werden soll, wird hier deutlich, da man einen Sozialisationprozess in gänze nie als komplett gescheitert bezeichnen kann. Niederbacher und Zimmermann verweisen hier auf 3 Perspektiven, die in einem Wechselverhältnis zueinander stehen (2011, S. 15-16). Diese Perspektiven sind die subjektbezogene Perspektive, die institutionenbezogene Perspektive und die kulturbezogene Perspektive. Hier wird auf das Modell der „produktiven realitätsverarbeitenden Subjekts“ (Hurrelmann 1993, 64 in Niederbacher und Zimmermann, 2011, S. 16) hingewiesen, in dem das Subjekt in Interaktion mit seiner Umwelt seine Persönlichkeitsentwicklung entfaltet. Subjekt, Institution und Kultur stehen dabei in Interaktion zueinander. Mit Blick auf das Thema der intergenerationellen Beziehungen zwischen Großeltern und Enkelkindern, wird nur ein Teil der gerade genannten Aspekte des Sozialisationsbegriffs eine Rolle spielen. Deswegen wird die subjekbezogene Perspektive im Zusammenhang mit der Kulturbezogenen Perspektive erarbeitet, da dass Enkelkind oder der Jugendliche als Subjekt dem Kultur vermittelndem Medium der Großeltern gegenüber steht.
Erwähnt seien in diesem Zusammenhang auch noch die von Klaus Jürgen Tillmann herrausgearbeiteten 4 Ebenen des Sozialisation: Diese sind die Ebene des Subjekts, die Ebene der Interaktion und Tätigkeiten, die Ebene von Institutionen und die Ebene der Gesamtgesellschaft (Tillmann zit. n. Niederbacher und Zimmermann, 2011, S. 16). Mit Blick auf das Thema dieser Hausarbeit sind vor allem die Ebene des Subjekts und die Ebene von Interaktion und Tätigkeiten relevant. Hinzu kommt, dass man das Thema der Intergenerationbeziehungen auf der Ebene der Gesamtgesellschaft behandeln kann. Grade zu unserer Zeit, in der ein erheblicher Wandel im Verhältnis der Proportion der einzelnen Generationen zueinander stattfindet, ist dies von Bedeutung. Dieses Thema soll in Abschnitt 5.4 noch einmal erwähnt werden. Deutlich wird, dass das Perspektivmodell und das Strukturebenenmodell helfen sollen Sozialisationsprozesse zu verdeutlichen. Und zwar in dem Maße, dass sie Beziehungen zwischen dem sich sozialisierenden Subjekt und den verschiedenen Umweltfaktoren einordnen und trennen. Dies macht eine Betrachtunsgweise auf einen Sozialisationsprozesses leichter, da die Umwelt nie in ihrer vollen Gänze auf ein Subjekt einwirkt, sondern immer nur teilweise und zu verschiedenen Zeiten. Im Folgenden sollen die Familie und die intergenerationellen Beziehungen als ein Teil des Sozialisationsprozesses dargestellt werden.
2.2 Die Definition der Familie
Die Familie ist als eine der wichtigsten Sozialisationsbereiche von Kindern anzusehen, ist sie doch der erste Faktor, der auf Heranwachsende einwirkt. Aber was eine Familie ausmacht und wo ihre definitorischen Grenzen liegen, ist in der Wissenschaft durchaus umstritten. Oder zumindest wird eine Eingrenzung des Familienbegriffes bewusst offen gehalten um eine genauere Definition zu vermeiden, wie es Niederbacher und Zimmermann tun: „Es gibt keine allgemein anerkannte Definition von Familie, weder im alltäglichen noch im wissenschaftlichen Diskurs“ (2011, S.72). Eine Alternative ist, den Begriff und alle seine in unserer Gesellschaft vorhandenen Formen zu nennen, um sie gleichzeitig zu akzeptieren. Dass unsere Gesellschaft den Maßstab für Definition des Begriffs Familie vorgibt, ist notwenig, da in anderen Kulturen dieser Welt bestimmte Herausbildungen nicht existieren oder sogar gesetzlich nicht erlaubt sind. Das beste Beispiel hierfür ist die Zusammensetzung einer Kernfamilie bestehend aus einem Kind und einem gleichgeschlechtlichten Elternpaar.
Ecarius, Köbel und Wahl unterscheiden bei der Definition von Familie zwischen einem sozialwissenschaftlichen und einem psychologischen Ansatz (2011, S.15). Sie nennen drei für die strukturtheoretische Familiensoziologie vorhandene Merkmale für die Definition von Familie. Der erste ist der Hinweis auf die biologische Reproduktion mit anschließender Integration in die Gesellschaft (Ecarius, Köbel & Wahl, 2011 S.14). Das zweite Merkmal ist der Verweis auf die einmalige Rollenstruktur und das damit einhergehende Kooperations- und Solidaritätsverhältnis von Familien (Ecarius, et al., 2011 S.14). Und drittens wird darauf hingewiesen, dass Familien von einer Generationendifferenz geprägt sind (Ecarius, et al., 2011 S.14). Nimmt man nur diese sozialwissenschaftlichen Merkmale zur Definition des Familienbegriffs, wird es mit Blick auf manche Formen der heutigen Familienzusammensetzungen (Patchworkfamilien oder Gleichgeschlechtliche Elternschaft) jedoch schwierig ihnen gerecht zu werden. Hier ist die Erweiterung des Familienbegriffs auf psychologischer Ebene ein nicht zu unterschätzender Faktor. Hier wird eine Orientierung des Begriffs unter anderem durch das Subjekt vorgenommen: „Die Wahrnehmung der Familie bezieht sich auf die Subjektseite, d.h. wer aus der Sicht der einzelnen Familienmitglieder als zur Familie zugehörig erachtet wird und welchen Stellenwert die jeweiligen Personen in diesem Sozialsystem einnehmen“ (Ecarius, et al., 2011 S.15). Die Kinder als sich sozialisierende Subjekte schreiben allerdings den Großeltern überwiegend eine Familienzugehörigkeit zu (Wieners, 2005, S. 22), was hier hervorgehoben werden soll. Niederbacher und Zimmermann benutzen ebenfalls den Begriff „wahrgenommene Familie“ (2011, S73), um nur eine der Möglichkeiten die Familie zu definieren zu nennen. Die wahrgenommene Familie scheint in der Sozialwissenschaft allerdings ein umstrittener Begriff zu sein, was mehrere Gründe haben könnte. Einerseits könnte man ihn als ungenau bezeichnen, als eine Definition die keine Grenzen aufweist, was eigentlich eine Definition ausmachen sollte. Außerdem verweisen Niederbacher und Zimmermann auf den in der deutschsprachigen Familienforschung lange prägenden Dissens, nachdem eine Pluralisierung der Familienformen bevorstünde und die positive Wirkung einer herkömmlichen Familie in Form von Stabilität und Kontinuität herauszuheben wäre (Niederbacher, 2011, et al. S.73). Im Umkehrschluss heißt dies, dass die Wissenschaft und vielleicht auch die Gesellschaft die Pluralisierung der Familienformen als negativ erachteten. Angesichts dessen bietet die Möglichkeit die wahrgenommene Familie zu definieren den Vorteil alle Ausformungen der Familie, wie sie heute vorhanden sind, einzurahmen. Das heißt auch Patchworkfamilien die über ihren sozialen Zusammenhalt bestehen, die über mehrere Generationen verknüpft sind und auch mehr als ein Elternpaar bzw. zwei Großelternpaare beinhalten, können in diese Definition aufgenommen werden.
2.2.1 Historische Einordnung der Familie
Heutzutage ist die Kleinfamilie oder Kernfamilie als dominante Lebensform in unserer Gesellschaft vorherrschend. Mit diesem Begriff soll das Vorhandensein oder die Zugehörigkeit der Großeltern zur Familie nicht bestritten werden. Im Vordergrund steht hier eher die Feststellung einer in einem Haus zusammenlebenden Familie, ohne Großeltern in eben jenem Haus. Denn die Anzahl eines Dreigenerationenhaushaltes ist heute überaus gering. Z.B. lebten 2002 (in der Schweiz) nur 1,5 % der Enkelkinder von 12- bis 16 Jahren mit einem Großelternteil im selben Haushalt (Höpflinger, Hummel & Hugentobler, 2006, S. 35). Hier zeigt sich in der Forschung eine Diskrepanz zwischen verschiedenen Veröffentlichungen. So beschreiben Ecarius, Köbel, Wahl die Unterschiede in der Anzahl der Mehrgenerationenhaushalte im Nord- Süd-Vergleich: Demnach leben in Süd und Osteuropa „Ende der 1990er-Jahre 37 % der über 65-Jährigen mit ihren Kindern zusammen. In mitteleuropäischen Ländern wie Deutschland und der Schweiz leben hingegen maximal 19 % aller älteren Menschen mit ihren erwachsenen Kindern im gleichen Haushalt“ (2011, S. 31).
Vor 200 Jahren war allerdings eine vom Patriarchat geführte Familie, die gleichbedeutend mit der Hausgemeinschaft war, die Regel. Die Bedeutung der Blutsverwandtschaft war zu dieser Zeit eher von geringer Bedeutung, da die Familie eher als Zweckgemeinschaft zum Leben und Arbeiten gesehen wurde (Niederbacher, 2011, et. al., S.74). Es darf nicht als Übertreibung angesehen werden, wenn die Familie die längste Zeit der Geschichte als soziale überlebenssichernde Zweckgemeinschaft angesehen wird, in der weder Kindheit noch Großelternschaft eine besondere Rolle eingenommen hätten. Denn hohe Kindersterblichkeit und eine geringe Lebenserwartung verhinderten die Bildung von Dreigenerationenfamilien (Niederbacher, 2011, et. al., S.74). Eine Veränderung dieses Zustandes trat dann infolge der Industrialisierung ein:„Vor allem im späten 18. und 19. Jahrhundert differenzierte sich im Bürgertum eine zeitliche und räumliche Trennung von Familienleben und Erwerbsarbeit heraus“ (Niederbacher, 2011, et. al., S.74). Die Bürgerliche Kleinfamilie, die vom Patriarchat geführt wurde, war die Regel und hatte bis ins 20. Jahrhunert hinein Tradition. Mit dieser Entwicklung einher ging auch eine Veränderung der Heirats- und Beziehungsmodelle. Geheiratet wurde nicht mehr nach Stand, sondern nach Zuneigung, was einen erheblichen Einfluss auf das Familienleben nach sich zog, in dem sich so etwas wie Kindheit im heutigen Sinne entwickeln konnte. Bis dahin waren Kinder und Kindheit nicht der Mittelpunkt des Familienlebens. Kinder wurden neben der Erwärbstätigkeit mit erzogen und schon früh mit Arbeit betraut, sodass so etwas wie Kindheit im heutigen Sinne nicht existierte. Mit der Entwicklung der bürgerlichen Kleinfamilie wuchs auch das Interesse an den Kindern und der Art und Weise wie sie zu erziehen seien (Niederbacher, 2011, et. al., S.74). Dies könnte ein Hinweis auf eine zunehmendes Gesellschaftsbewusstsein im 19. Jahrhundert sein, womit gemeint ist, dass die Kulturen sich ihrer selbst mehr bewusst wurden und auch begannen sich untereinander zu vergleichen. Ein Aspekt der hier nicht weiter behandelt werden soll. Das 20. Jahrhundert ist vor allem von einer zunehmenden Pluralisieriung der Familienformen geprägt, was vor allem einer wachsenden Anzahl an Scheidungen der Eltern und der damit oft verbundenen sogenannten Alleinerziehung geschuldet ist. Auch die Bildung von Patchworkfamilien und Gleichgeschlechtlichen Partnerschaften trägt ihren Teil dazu bei. Niederbacher und Zimmermann sprechen für die gegenwärtige Situation von einer Abnahme der Kindzentriertheit und damit von einer Veränderung der familialen Sozialisation (2011, S.74). Inwiefern sich in ihr auch eine Entwicklung der Großelternschaft vollzogen hat soll in Abschnitt 2.3.1 dargestellt werden.
2.3 Die Definiton der Großelternschaft
Die Großelternschaft in ihrer heutigen Form besteht aus historischer Sicht erst seit einem recht geringen Zeitraum. Die beiden größten Einflussfaktoren für die heutige Situation sind einerseits die höhere Lebenserwartung der 3. Generation seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert und zum anderen die geringer gewordene Geburtenrate seit der Mitte des 20. Jahrhunderts. Das Ergebnis dieses demographischen Wandels ist, dass eine große Anzahl älterer Menschen einer geringeren Anzahl junger Menschen gegenüber steht (Igel, 2011, S. 21). Die bedeutendste Schlussfolgerung dieses Prozesses ist, dass Großeltern ihre Aufmerksamkeit, angesichts des Verhältnisses, heutzutage besser auf ihre Enkel konzentrieren können als früher. Wie bei der in dieser Arbeit vorangegangenen Definition der Familie beschränkt sich die Definition der Großelternschaft hierbei nicht einzig und allein auf eine vorhandene Blutsverwandtschaft. Angesichts von Patchworkfamilien und der vom Subjekt wahrgenommenen Familie besteht die Möglichkeit, dass ein heranwachsendes Kind mehr als nur zwei Großmütter und zwei Großväter haben kann. Ein ausschließendes Definitionskriterium ist allerdings die über eine Generation bestehende Verbindung. Das heißt ein Heranwachsender der 1. Generation steht einem Großelternteil der 3. Generation gegenüber. Die Elterngeneration ist die 2. Generation und steht dazwischen.
2.3.1 Historische Einordung der Großelternschaft
Eine genaue und differenzierte Wahrnehmung der Großelternschaft als gesellschaftlicher Faktor fand erstmals im späten 18. Jahrhundert statt (Höpflinger, Hummel, Hugentobler, 2006, S. 17). Davor wurden ältere Menschen kaum als Großeltern beschrieben und auch ihre Rollen im familiären Rahmen nicht als solche wahrgenommen. Allerdings kann es im Rahmen von Verwaisung zu einer Übernahme elterlicher Pflichten gekommen sein, welcher keine geringere Bedeutung zukommt. Seine Kinder von den Großeltern betreuen zu lassen soll um 1800 herum an Akzeptanz gewonnen haben (Höpflinger, et. al., 2006, S. 18). Im Rahmen der sich im 19. Jahrhundert vorrangig bildenden bürgerlichen Kleinfamilien hatten auch die Großeltern ihre Bedeutung. Durch die gestiegene Lebenserwartung wurde es erstmals möglich die Gründung von Großfamilien zu initiieren, wie es in der vorbürgerlichen Zeit kaum möglich war (Niederbacher, et. al., 2011, S. 73). In der Wahrnehmung der Großeltern fand eine durchaus starke Entwicklung statt. Im 19. Jahrhundert wird mit Blick auf den Großvater das vorherrschende Patriarchat ins Zentrum des familialen Lebens gesetzt, das über die Generationen hinweg durchgesetzt wurde. Trotz des Patriarchats wurden Großeltern schon zu dieser Zeit von ihren Enkeln als eine Art Zufluchtsort vor den eher strengeren Eltern wahrgenommen. Sie hatten dabei den Ruf ihren Enkelkindern größere Freiräume zu bieten als ihre Eltern und der Begriff des Verwöhnens fällt häufig (Höpflinger, et. al., 2006, S. 18). Ein wichtiger Aspekt ist auch die bereits damals vorhandene Zuschreibung altmodisch zu sein, wobei es eine gute Erklärung für diesen Umstand gibt. Denn der im 19. Jahrhundert rasch voranschreitende gesellschaftliche und technologische Wandel prägt die Generationen auf seine ganz unterschiedliche Weise elementar (Höpflinger, et. al., 2006, S. 18). Dabei wird die Bezeichnung der Großeltern altmodisch zu sein als konfliktlösend beschrieben, da sie der älteren Generation die Last der Anpassungpflicht nimmt. Generationenkonflikte gab es also auch schon zu dieser Zeit und Höpflinger, Hummel und Hugentobler beschreiben einen Entmachtungsvorgang. Denn der Großvater, der lange Zeit als eine Art Vorbildfuntion als Lehrmeister inne hatte, wird in der Gesellschaft zu eine Art Märchenonkel stilisiert (2006, S. 18). Damit einher ging dann der Verlust von Autorität gegenüber der Elterngeneration, während das Verhältnis zur Enkelgeneration sich ebenfalls wandelte. Gut zusammengefasst wird dies im folgenden Zitat: „Die Entwicklung spezifischer Grosselternrollen ist zudem eng mit der sozialen Entwicklung von Kindheit zu sehen, wie sie das Zeitalter der Aufklärung auslöste. Auch dies ist ein Rollenmuster, das heute eine deutliche post-moderne Aufwertung erfährt, indem eine gute und enge Beziehung zu Kleinkindern zum Idealbild von Grosselternschaft gehört“ (Höpflinger, et. al., 2006, S. 19). Die Entwicklung von Idealbildern hat aber auch durchaus Konfliktpotenzial in sich. Denn bis in die jüngste Zeit herrschte zwar der Gedanke vor, dass Großeltern ein gutes Verhältnis zu ihren Enkelkindern zu pflegen haben, gleichzeitig aber nicht in die Erziehung einzugreifen hatten. Vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschte im Bezug darauf auch ein negatives Bild von Großelternschaft, da die Gefahr der Erziehungsunterwanderung bestand. Dieser Konflikt ist auch gegenwärtig. Z.B. beschreiben Höpflinger, Hummel und Hugentobler die Nichteinmischung der Großeltern in die Erziehung ihrer Enkel als Teil der bis heute geltdenen Idealvorstellung (2006, S. 20). Demgegenüber stehen Meinungen anderer Wissenschaftler, nach denen Großeltern mittlerweile, trotz der Präferenz als optionale Kinderbetreuung, zwar nicht den Erziehungsauftrag haben, aber sich trotzdem den Erziehungsmethoden der Elterngeneration nicht voll und ganz anpassen müssen (Igel, 2011, S. 24). Dies gibt den Großeltern heute einen größeren Freiraum zur Ausgestaltung der intergenerationellen Beziehung, welches den Sozialsationsprozess fördern kann.
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