Die Legalisierung von Cannabis. Mit welchen Policy-Instrumenten lässt sich die Legalisierung von Cannabis verwirklichen?
Zusammenfassung
Die Parteien Deutschlands unterscheiden sich bezüglich ihrer Cannabispolitik ebenso wie die verschiedenen Länder in der Welt. Die CDU und die CSU im Allgemeinen verstanden in den 1990er Jahren die strafrechtliche Verfolgung als Generalprävention. In den letzten Jahren gibt es auch in den Reihen der Union mehr Befürworter einer Legalisierung oder zumindest einer Entkriminalisierung bis zu einer bestimmten Menge an Besitz. Bereits 1992 brachte die SPD einen Änderungsantrag zur Reform des Betäubungsmittelgesetzes in den Bundestag ein, da sie im Strafrecht kein geeignetes Mittel zur Bekämpfung der Drogensucht sah. Beschloss die FDP 1994 parteiintern erste Schritte zur Entkriminalisierung, ist sie heute sogar für die Legalisierung. Und auch die Partei Bündnis 90/Die Grünen sah schon 1995 die Prohibitionspolitik als gescheitert an und forderte eine Entkriminalisierung. 2015 brachten die Grünen sogar ein Cannabiskontrollgesetz (CannKG) in den Bundestag ein, welches aber von der Großen Koalition abgelehnt wurde. Unabhängig von der Tatsache, dass die Parteien verschiedene Standpunkte zur Legalisierung haben, wird dieses Thema seit Jahren einmal mehr und einmal weniger breit in der Öffentlichkeit diskutiert.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Wirkung von Cannabis und seine Auswirkungen
2.1 Was ist Cannabis?
2.2 Umfragen und Statistiken
2.3 Expertenmeinungen
3. Policy-Instrumente
3.1 Gesetzesänderungen
3.2 Kampagnen und Suchthilfe
3.3 Steuern
4. Fazit
5. Anhang iv
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Zustimmung für die Legalisierung von Cannabis
Abbildung 2: Erfasste Cannabis- und Rauschgiftdelikte von 1990 bis 2016
Abbildung 3: Aufklärungsquote der Cannabis- und Rauschgiftdelikte von 1990 bis 2016
Tabelle 1: Absolute Zahlen der Cannabis- und Rauschgiftdelikte von 1990 bis 2016
Tabelle 2: Lebenszeitprävalenz des Cannabiskonsums nach Altersgruppen und Geschlecht (ausgewählte Jahre, Angaben in Prozent)
Tabelle 3: 12-Monats-Prävalenz des Cannabiskonsums nach Altersgruppen und Geschlecht (ausgewählte Jahre, Angaben in Prozent)
Tabelle 4: 30-Tage-Prävalenz des Cannabiskonsums nach Altersgruppen und Geschlecht (ausgewählte Jahre, Angaben in Prozent)
Tabelle 5: Arten von Politikinstrumenten
Tabelle 6: Wirkungsweise von Steuerungsinstrumenten
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Seit im Januar letzten Jahres der Deutsche Bundestag den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften durch den Ausschuss für Gesundheit einstimmig angenommen hat, können schwerkranke Patienten seit März mit Arzneimitteln auf Basis der Cannabispflanze, getrocknete Cannabis-Blüten und Cannabis-Extrakte aus kontrolliertem Anbau, versorgt werden. Vor diesem Beschluss war eine Ausnahmegenehmigung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), welches immer im Einzelfall entschied, notwendig. Die Notwendigkeit wird in Zukunft aufgrund der Gesetzesänderung vom behandelten Arzt festgelegt. (vgl. Deutscher Bundestag 2017a) Mit der Einführung des medizinischen Cannabis und der vereinfachten Verschreibung durch den behandelten Arzt können viele kranke Menschen ihre Schmerzen lindern und ihren Appetit anregen. (vgl. Zimmer/Morgan/Bröckers 2004: 38)
In der Öffentlichkeit wird seit Jahren immer wieder über die Legalisierung für den Genusskonsum des Einzelnen diskutiert. In Deutschland steht der Anbau, die Herstellung und der Handel sowie der Besitz nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unter Strafe. In anderen Ländern dagegen wurde Cannabis staatlich legalisiert oder zumindest toleriert. In den Niederlanden gibt es seit den 1970er Jahren eine offene Cannabispolitik. Allerdings ist Cannabis nicht legal, sondern wird nur in einem bestimmten Maße geduldet. So gibt es keine staatliche Kontrolle über die Anbaumethoden und auch keinen Verbraucherschutz. In einzelnen Bundesstaaten der USA ist Cannabis dagegen legal. Beispielsweise in den Staaten Colorado und Washington darf jeweils eine bestimmte Menge gekauft beziehungsweise angebaut werden. Auch in Uruguay, einem der demokratischsten Länder der Welt, ist der Kauf sowie der Anbau gesetzlich zugelassen und geregelt. (vgl. The Economist 2015: 4; Deutscher Hanfverband 2017a) Die neueste Entwicklung gibt es in Norwegen. Dort hat das Parlament die Entkriminalisierung des generellen Drogenkonsums beschlossen. Statt die Konsumenten zu bestrafen, soll ihnen dadurch Hilfe angeboten werden. (vgl. Kurier.at 2017)
Die Parteien Deutschlands unterscheiden sich bezüglich ihrer Cannabispolitik ebenso wie die verschiedenen Länder in der Welt. Die CDU und die CSU im Allgemeinen verstanden in den 1990er Jahren die strafrechtliche Verfolgung als Generalprävention. In den letzten Jahren gibt es auch in den Reihen der Union mehr Befürworter einer Legalisierung oder zumindest einer Entkriminalisierung bis zu einer bestimmten Menge an Besitz. (vgl. Neumeyer 1996: 12; Haucap 2017) Bereits 1992 brachte die SPD einen Änderungsantrag zur Reform des Betäubungsmittelgesetzes in den Bundestag ein, da sie im Strafrecht kein geeignetes Mittel zur Bekämpfung der Drogensucht sah. (vgl. Neumeyer 1996: 12) Beschloss die FDP 1994 parteiintern erste Schritte zur Entkriminalisierung ist sie heute sogar für die Legalisierung. Und auch die Partei Bündnis 90/Die Grünen sahen schon 1995 die Prohibitionspolitik als gescheitert an und forderten eine Entkriminalisierung. (vgl. ebd.: 13 f.) 2015 brachten die Grünen sogar ein Cannabiskontrollgesetz (CannKG) in den Bundestag ein, welches aber von der Großen Koalition abgelehnt wurde. (vgl. Deutscher Bundestag 2017b) Unabhängig von der Tatsache, dass die Parteien verschiedene Standpunkte zur Legalisierung haben, wird dieses Thema seit Jahren einmal mehr und einmal weniger breit in der Öffentlichkeit diskutiert. In dieser Arbeit stellt sich aber nicht die Frage, wann und durch wen eine mögliche Legalisierung durchgesetzt wird, sondern auf welche Art und Weise dies geschieht. Mit welchen politischen Instrumenten, wie zum Beispiel Gesetzen, kann eine Legalisierung von Cannabis gelingen? Aus dieser Überlegung ergibt sich folgende Forschungsfrage: Mit welchen Policy-Instrumenten lässt sich die Legalisierung von Cannabis verwirklichen? Um diese Frage zu beantworten wird in dieser Arbeit zunächst auf die Droge Cannabis eingegangen, erläutert, was Cannabis eigentlich ist und aus welchen Gründen der Autor die Legalisierung für sinnvoll erachtet. Herangezogen wird dafür Literatur über Cannabis, verschiedene Statistiken und Umfragen sowie Meinungen von Experten. Zu nennen sind vor allem die Umfragen von Infratest Dimap, die Kriminalstatistiken des Bundeskriminalamts und die Drogen- und Suchtberichte der Bundesregierung sowie die Beiträge der Experten Rainer Thomasius, Bernd Werse, der Richtervereinigung und einer Suchtkommission. Die Stellungnahmen der Experten, die in dieser Arbeit verwendet werden, wurden für die Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages zum damaligen CannKG erstellt.
Bevor anschließend das Diskutierte in Zusammenhang mit den notwendigen Politikinstrumenten gebracht wird, müssen zunächst die verschiedenen Formen der Policy-Instrumente erklärt werden. Dazu dienen die Arbeiten von Sonja Blum und Klaus Schubert „Politikfeldanalyse“ (2011) und von Dietmar Braun und Olivier Giraud „Politikinstrumente im Kontext von Staat, Markt und Governance“ in Klaus Schuberts und Nils Bandelows „Lehrbuch der Politikfeldanalyse“ (2014). Die restlichen Quellen zur Umsetzung und Diskussion der verwendeten Instrumente setzen sich aus verschiedenen Internetquellen sowie Zeitungsartikeln und eigenen Überlegungen zusammen.
2. Die Wirkung von Cannabis und seine Auswirkungen
Über die Wirkung der Cannabispflanze mit seinen verschiedenen Konsumformen, Marihuana und Haschisch, wird seit Jahrzehnten diskutiert und geforscht. Doch seit wann und wozu nutzt der Mensch die Cannabispflanze? Seit wann wird sie verwendet, um sich an ihrer Wirkung zu berauschen? Und was sind die Auswirkungen und Folgen des Cannabiskonsums? Der erste Teil dieser Arbeit beantwortet diese Fragen und gibt einen Überblick über die aktuelle Kriminal- und Konsumlage in Deutschland.
2.1 Was ist Cannabis?
Die Cannabis- oder Hanfpflanze, in der binären Nomenklatur Cannabis sativa genannt, hat ihren Ursprung auf dem asiatischen Kontinent, genauer in Zentralasien. (vgl. Hall/Pacula 2003: 13) Nach Überlieferungen wurde die Pflanze zunächst von den Chinesen zwischen 4200 und 1150 v. Chr. als Faserpflanze für Tücher, Seile und ähnliches genutzt. (vgl. Clarke 2000: 24) Über Jahrhunderte stellte die Pflanze nicht nur in Asien eine Nutzpflanze dar, sondern diente auch in Europa sie zur Bogen-, Papier- und Segelherstellung. Doch nicht nur die Fasern wurden zur Herstellung von einzelnen Produkten genutzt. So beschrieb der griechische Geschichtsschreiber Herodot etwa 500 v. Chr., dass skythische Nomadenstämme in Asien um 1500 v. Chr. zur Beisetzung eines bedeutenden Vertreters ihres Stammes Hanfsamen auf heiße Steine warfen und sich so daran berauschten. (vgl. Köhler 2008: 64) Cannabis als Rauschmittel und in der Medizin als Sedativum hat in der asiatischen Geschichte eine lange Tradition. Nicht nur die Skythen, welche das Cannabis am wahrscheinlichsten nach Indien und Persien mitbrachten, nutzten diese Rauschzustände. Auch in Indien und Nepal wurde die berauschende Wirkung vor allem für religiöse Zwecke genutzt. (vgl. Clarke 2000: 32-34; Köhler 2008: 63) Durch den immer größer werdenden Handel in der Weltgeschichte und spätestens mit den europäischen Kolonien auf dem asiatischen und afrikanischen Kontinent kam auch das Cannabis vor allem als Genuss- und Heilpflanze auf den europäischen Markt. (vgl. Clarke 2000: 34-46; Köhler 2008: 64) Napoleon beispielsweise verbot den Ägyptern nach seinem Ägyptenfeldzug 1798 den Konsum von Haschisch. Doch mit seinen Soldaten, die nach Frankreich zurückkehrten, kam die Praxis des Haschischkonsums auch nach Frankreich. (vgl. Clarke 2000: 45)
Haschisch sowie Marihuana gehören zu den gebräuchlichsten Cannabispräparaten. Das Marihuana wird aus den Blättern und den getrockneten Blütenspitzen der Pflanze gewonnen. (vgl. Hall/Pacula 2003: 13) Das Harz der Pflanze kann weiter zu Haschisch verarbeitet werden. Der Wirkstoff, welcher sich in der Pflanze befindet und für die berauschende Wirkung verantwortlich ist, heißt Tetrahydrocannabinol (THC). (vgl. Clarke 2000: 22) Die geringste Konzentration des THC befindet sich in den Blättern, dem Stängel und den Samen, während die höchste Konzentration in den Blütenspitzen zu finden ist. (vgl. Hall/Pacula 2003: 13) Deshalb wird das Harz auch hauptsächlich aus den Harzdrüsen der Blüten gewonnen. Dabei ist zu erwähnen, dass lediglich die weiblichen Pflanzen den Wirkstoff THC in ausreichender Form zum Genuss produzieren. Der Konsum der psychoaktiven, bewusstseinsverändernden, Substanz THC führt im sozialen Umfeld zu ansteckendem Gelächter und Redseligkeit. Dabei hängt die Wirkung allerdings von früheren Erfahrungen des Konsumenten und dessen aktuellem Stimmungszustand ab. (vgl. ebd.: 38) Marihuana und Haschisch können einerseits eine anregende Wirkung, die den Geist beflügelt (Euphorisierung), oder andererseits eine beruhigende Wirkung haben und den Verbraucher schläfrig machen (Sedierung). (vgl. Clarke 2000: 244) Außerdem wird das Kurzzeitgedächtnis, die Motorik und die motorische Koordination sowie die Reaktionszeit beeinträchtigt, ähnlich wie beim Alkoholkonsum. (vgl. Hall/Pacula 2003: 38) Wurden die Cannabispräparate in der Geschichte zunächst gekaut, was die geringste Auswirkung auf den Körper hatte, oder der Dampf beim Verbrennen inhaliert, so werden heutzutage typischerweise die Präparate mit Tabak gemischt, zu einer Zigarette gerollt und dann geraucht. Dies zieht die effizienteste Wirkung nach sich. (vgl. Clarke 2000: 32; 53; Hall/Pacula 2003: 14) Alternativ können Marihuana und Haschisch auch in Essen, wie zum Beispiel Gebäck, verarbeitet und dann verzehrt werden. Die inhalierten Cannabinoide gelangen schneller in das Blut und wirken somit rascher und effizienter. Beim oralen Konsum wirkt das THC im menschlichen Organismus verzögert. (vgl. Köhler 2008: 65 f.)
2.2 Umfragen und Statistiken
In Deutschland ist der Konsum von Marihuana und Haschisch allerdings verboten. Das Verbot ist im Betäubungsmittelgesetz, eigentlich ‚Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln‘, festgeschrieben. Jedoch wird seit Mitte der 1990er Jahre wieder vermehrt über eine Legalisierung der berauschenden Cannabisprodukte diskutiert. Der Deutsche Hanfverband (DHV) gibt seit 2014 jährlich eine Umfrage in Auftrag, welche prüft, ob die deutsche Bevölkerung für oder gegen eine Legalisierung beziehungsweise Entkriminalisierung der Droge ist. Ebenfalls werden jährlich Rauschgiftdelikte vom Bundeskriminalamt und Drogen- und Suchtberichte der Bundesregierung veröffentlicht.
Umfragen
Eine der ersten Umfragen wurde 2010 in Auftrag gegeben. Das Meinungsforschungsinstitut Emnid untersuchte dabei, wie die Befragten zur Legalisierung von Cannabis und zur Entkriminalisierung stehen. 19 Prozent gaben an, dass sie eine Legalisierung der bisher verbotenen Droge unterstützten.1 (vgl. Deutscher Hanfverband 2016a) Ab 2014 wurde bisher jedes Jahr eine weitere repräsentative Umfrage von Infratest Dimap durchgeführt.2 So gaben 30 Prozent der Befragten 2014 an, eine Legalisierung zu befürworten und 39 Prozent sprachen sich für die Entkriminalisierung aus. (vgl. Infratest Dimap 2018) Im Jahr 2015 lag der Zustimmungswert für eine Legalisierung bei 42 Prozentpunkten. (vgl. Deutscher Hanfverband 2016b) Eine vom Stern ebenfalls 2015 in Auftrag gegebene Umfrage, die von Forsa durchgeführt wurde, fand allerdings heraus, dass 37 Prozent für eine Legalisierung seien. (vgl. Stern 2015) Sie befragten die Teilnehmer zwar nur nach Haschisch, die Bezeichnungen Cannabis, Marihuana und Haschisch werden aber fälschlicherweise oft als Synonyme verwendet. Eine weitere Umfrage des Jahres 2015 des Meinungsforschungsinstituts Yougov hat herausgefunden, dass 39 Prozent eine Legalisierung unterstützen. (vgl. Schmidt 2015)
Abbildung 1: Zustimmung für die Legalisierung von Cannabis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigendarstellung. Datenbasis: Deutscher Hanfverband 2016a, 2016b, 2017b; Infratest Dimap 2018.
2016 sank der Zustimmungswert dagegen auf 35 Prozent. Der DHV ließ anschließend die von Infratest durchgeführte Umfrage nochmals durch Emnid überprüfen. Dabei kam eine Zustimmung von 34 Prozent heraus. Im Jahr 2017 sprechen sich nach Infratest Dimap 39 Prozent für eine Legalisierung und 52 Prozent für eine Entkriminalisierung aus. (vgl. Deutscher Hanfverband 2017b)
Trotz verschiedener Fragestellungen der einzelnen Umfragen und Einbruch um sieben Prozentpunkte vom Jahr 2015 auf das Jahr 2016 ist eine deutliche Tendenz für eine Legalisierung von Cannabis zu erkennen. Dennoch sind die Legalisierungsgegner immer noch in der Mehrheit. Aber auch die Zustimmung zur Entkriminalisierung ist von 39 Prozent im Jahr 2014 auf 52 Prozent im Jahr 2017 gestiegen. Fakt ist, dass innerhalb von sieben Jahren ein Zuwachs der Legalisierungsbefürworter von derzeit 20 Prozent zu verzeichnen ist (vgl. Abb. 1).
Kriminalstatistiken
In den vergangenen Jahren ist nicht nur die Zustimmung für die Legalisierung von Cannabis als Genusspflanze in Deutschland gestiegen, sondern auch die Kriminalstatistik hat einen erheblichen Anstieg der Cannabis- bzw. Rauschgiftdelikte3 zu verzeichnen.
Abbildung 2: Erfasste Cannabis- und Rauschgiftdelikte von 1990 bis 2016
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigendarstellung. Datenbasis: Bundeskriminalamt 1991: 189; Bundeskriminalamt 1996: 235; Bundeskriminalamt 2001: 225; Bundeskriminalamt 2006: 223; Bundeskriminalamt 2011: 231; Bundeskriminalamt 2016: 326 f.; Bundeskriminalamt 2017: 139 f.
So stiegen die erfassten Fälle von Straftaten in Verbindung mit Rauschgift in Deutschland seit 1990 (103.629 Fälle) auf fast das Dreifache. Im Jahr 2016 waren es 302.594 Fälle. Im Vergleich dazu stiegen die erfassten Fälle von Cannabisdelikten im Jahr 2016 (183.015 Fälle) um dreieinhalb Mal so viel als im Jahr 1990 (52.633 Fälle). Die Graphen aller Rausch- und Cannabisdelikte verlaufen seit 1990 fast parallel. Abbildung 2 zeigt deutlich, wie sehr der Verlauf aller Rauschgiftdelikte von den Cannabisdelikten beeinflusst wird. Während der Graph anderer Delikte, wie Kokain, Heroin und Amphetamine, gleichmäßig verläuft oder nur langsam steigt, orientieren sich die anderen beiden Graphen sichtbar aneinander. So machte seit dem Jahr 2000 der Handel, die Herstellung, die Abgabe und der Besitz von Cannabis mindestens über 50 Prozent aller erfassten gesetzlichen Verstöße im BtMG aus (vgl. Tab. 1). In den Jahren 2005 und 2016 lag der Anteilswert von Cannabis sogar bei insgesamt über 60 Prozent. Trotz des gesetzlichen Verbots im BtMG und hoher Aufklärungsraten der Polizei von mindestens immer 93 Prozent seit 1990 (vgl. Abb. 3), steigt die Anzahl der Delikte, mit einem kurzen Tief im Zeitraum von 2005 bis 2010, weiter an.
Abbildung 3: Aufklärungsquote der Cannabis- und Rauschgiftdelikte von 1990 bis 2016
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigendarstellung. Datenbasis: Bundeskriminalamt 1991: 189; Bundeskriminalamt 1996: 235; Bundeskriminalamt 2001: 225; Bundeskriminalamt 2006: 223; Bundeskriminalamt 2011: 231; Bundeskriminalamt 2016: 326 f.; Bundeskriminalamt 2017: 139 f.
Tabelle 1: Absolute Zahlen der Cannabis- und Rauschgiftdelikte von 1990 bis 2016
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigendarstellung. Datenbasis: Bundeskriminalamt 1991: 189; Bundeskriminalamt 1996: 235; Bundeskriminalamt 2001: 225; Bundeskriminalamt 2006: 223; Bundeskriminalamt 2011: 231; Bundeskriminalamt 2016: 326 f.; Bundeskriminalamt 2017: 139 f.
Nicht nur in Deutschland ist Cannabis die meist gehandelte Droge, sondern auch in der Europäischen Union (EU). Zwar ging die sichergestellte absolute Menge an Cannabis im Jahr 2015 zurück, dennoch beläuft sich der Anteil der sichergestellten Cannabisprodukte, bezogen auf alle Drogenfunde, auf über 70 Prozent. (vgl. Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht 2017: 20 f.) Trotz der erfassten Straftaten und einer hohen Aufklärungsrate in Deutschland gibt es immer noch eine Dunkelziffer, die nicht vernachlässigt werden darf und vermutlich um einiges höher liegt.
Konsum- und Suchtstatistiken
Laut Schätzungen der EU haben im Jahr 2016 17,1 Millionen junge Erwachsene im Alter von 15 bis 34 Jahren mindestens einmal Cannabis konsumiert. Im Gegensatz dazu haben von den Erwachsenen im Alter von 35 bis 64 Jahren nur 6,4 Millionen Menschen Cannabis in den letzten zwölf Monaten konsumiert. Insgesamt hätten 87,7 Millionen Menschen im Alter von 15 bis 64 Jahren schon einmal die psychoaktive Wirkung von Cannabis in ihrem Leben ausprobiert. (vgl. Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht 2017: 15; 45) Die aktuellste Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) untersucht das Verhalten Jugendlicher, im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren, und junger Erwachsener, im Alter zwischen 18 und 25 Jahren, gegenüber Alkohol und Drogen im Jahr 2015 in Deutschland.4 In dieser und vorherigen Studien der BZgA zum Konsum illegaler Drogen wurden die Prävalenzen der Jugendlichen und den jungen Erwachsenen in einer repräsentativen Umfrage ermittelt. Die Prävalenzen geben an, ob der Befragte in der untersuchten zeitlichen Periode Drogen, in diesem Fall Cannabis, konsumiert hat. So liegt die Lebenszeitprävalenz im Jahr 2015 für beide Altersgruppen zusammen bei 25 Prozent (vgl. Tab. 2). Weitere Zahlen zeigen, dass der Konsum von Männern insgesamt sowie in den verschiedenen Altersgruppen generell höher liegt als der Wert der Frauen. 29,5 Prozent der männlichen Befragten haben in ihrem bisherigen Leben schon einmal Cannabis konsumiert, allerdings nur 20,3 Prozent der Frauen. Männer scheinen im allgemeinen anfälliger für illegale, aber auch legale Drogen wie Alkohol zu sein. Diese Annahme wird in einer Studie der Hirnforscherinnen Liana Fattore und Miriam Melis von der Universität Cagliari bestätigt. Sie gehen davon aus, dass Männer durch ihren hohen Testosteronwert impulsiver sind und sich durch Drogen jeglicher Art belohnen. (vgl. BZgA 2016) Es ist außerdem nicht nur deutlich zu sehen, dass Männer mehr konsumieren als Frauen. Auch die beiden Altersgruppen unterscheiden sich sichtlich voneinander. So konsumierten von den Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren insgesamt 8,8 Prozent bisher mindestens einmal Cannabis (Männer: 10,4 Prozent; Frauen: 7,2 Prozent) und von den jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren insgesamt 35,5 Prozent (Männer: 41,9 Prozent; Frauen: 28,7 Prozent). Dieser Trend bezieht sich jedoch nicht nur auf das Jahr 2015. Auch in der Vergangenheit war der Konsum der älteren Gruppe weitaus höher. Vergleicht man nun die Jahre insgesamt miteinander, so ist festzustellen, dass es seit 1993 mit 16,3 Prozent einen erheblichen Anstieg gab. Mit dem Höhepunkt 2008 von 28,3 Prozent hat sich der Anteil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den vergangenen Jahren zwischen 24 und 25 Prozent eingependelt.
Tabelle 2: Lebenszeitprävalenz des Cannabiskonsums nach Altersgruppen und Geschlecht (ausgewählte Jahre, Angaben in Prozent)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Orth 2016: 82.
Bei der Befragung der 12-Monats-Prävalenz lassen sich ähnliche Beobachtungen feststellen (vgl. Tab. 3). Zwar stieg der gesamte Konsum beider Altersgruppen von 1993 (10,9 Prozent) bis 2015 (12,4 Prozent) an. Diese Veränderung ist aber im Vergleich zu der Lebenszeitprävalenz marginal. Die Männer konsumierten auch im Jahr 2015 mehr. Insgesamt haben 15,9 Prozent der Männer und nur 8,8 Prozent der Frauen Cannabis in verschiedenen Formen zu sich genommen. Seit 1993 ist der Verbrauch der älteren Gruppe (1993: 14,5 Prozent; 2015: 16,3 Prozent) wesentlich höher als der Verbrauch der Jugendlichen (1993: 5,0 Prozent; 2015: 6,6 Prozent). In der Regel konsumiert die Gruppe von 18 bis 25 Jahren zwischen zwei bis drei Mal mehr Cannabis.
Tabelle 3: 12-Monats-Prävalenz des Cannabiskonsums nach Altersgruppen und Geschlecht (ausgewählte Jahre, Angaben in Prozent)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Orth 2016: 83.
Tabelle 4 zeigt die 30-Tage-Prävalenzen. Insgesamt ist hier der Konsum von 1993 (6,9 Prozent) bis 2015 (4,6 Prozent) gesunken. Gleiches gilt für die Altersgruppe von 18 bis 25 Jahren (1993: 9,9 Prozent; 2015: 6,3 Prozent). Dagegen ist der Konsum bei den Jugendlichen über die Jahre mit kleinen Schwankungen relativ konstant geblieben (1993/2015: 2,2 Prozent). Ansonsten sind die gleichen Beobachtungen festzustellen wie bei den vorherigen Prävalenzen. Die Männer (1993: 9,4 Prozent; 2015: 5,8 Prozent) konsumieren durchschnittlich öfter als Frauen (1993: 4,4 Prozent; 2015: 3,4 Prozent) und insgesamt konsumieren die jungen Erwachsenen (1993: 9,9 Prozent; 2015: 6,3 Prozent) öfter als die Jugendlichen (1993/2015: 2,2 Prozent).
Tabelle 4: 30-Tage-Prävalenz des Cannabiskonsums nach Altersgruppen und Geschlecht (ausgewählte Jahre, Angaben in Prozent)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Orth 2016: 84.
Die Zahlen der Prävalenzen lassen darauf schließen, dass der Konsum von Cannabis generell antizyklisch verläuft und vor allem in der Altersgruppe von 18 bis 25 Jahren nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa verbreitet ist. Dies zeigen auch Umfragen der EU, in denen sich der Cannabiskonsum in verschiedenen Ländern unterschiedlich entwickelt. Dabei wurden sowohl zu- als auch abnehmende Trends beobachtet. (vgl. Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht und Europol 2016: 16; Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht 2017: 44) Die Werte des Konsums beider Altersgruppen in Deutschland sinken und steigen seit 2008 immer wieder marginal ohne ersichtlichen Grund. Es ist anzunehmen, dass die Schwankungen durch Phasen, Hypes, in der Gesellschaft zu erklären sind. Die Lebenszeitprävalenz liegt derzeit bei ca. 25 Prozent, die Werte der 12-Monats-Prävalenz (12,4 Prozent) und der 30-Tage-Prävalenz (4,6 Prozent) liegen aber um einiges darunter. Das heißt, wenn Menschen in Deutschland an die Droge Cannabis gelangen wollen, dann scheint dies möglich zu sein, wenn immerhin ein Viertel der Zwölf- bis 25-jährigen in ihrem Leben schon einmal ein Cannabispräparat ausprobiert hat. Die Prävalenzen zeigen aber außerdem, dass nicht jeder, der schon einmal Cannabis konsumiert hat, also die theoretische Möglichkeit hat, dies regelmäßig zu tun, auch auf diese Möglichkeit eingeht. Würde jeder der Befragten darauf eingehen, dann entsprächen die ermittelten Werte der 12-Monats- und 30-Tage-Prävalenzen den Werten der Lebenszeitprävalenz und der Konsum wäre deutlich höher. Des Weiteren bewegen sich die Lebenszeitprävalenzen von LSD, Kokain und anderen neuen psychoaktiven Substanzen zusammen in einem Bereich von ein bis drei Prozent. Bei Heroin, Chrystal Meth und Crack sind es weniger als ein Prozent. Somit ist Cannabis die Konsumdroge Nummer Eins in Deutschland. Die 30-Tage-Prävalenz aller sonstigen illegalen Drogen ohne Cannabis liegt in beiden Altersgruppen insgesamt bei unter einem Prozent. (vgl. Orth 2016: 70; 88)
[...]
1 Der DHV veröffentlicht auf seiner Homepage die Ergebnisse der Umfragen. Allerdings werden nicht alle Werte genannt. Aus dem Jahr 2010 der Emnid-Umfrage fehlt der Wert der Entkriminalisierung. Außerdem sind im Folgenden nicht alle Infratest-Umfragen der letzten Jahre zugänglich und die Fragestellungen unterscheiden sich. Die Frage nach der Entkriminalisierung wird nicht immer gestellt.
2 Die Frage von Infratest zur Legalisierung von Cannabis lautet: „Cannabis sollte für Volljährige legal und reguliert erhältlich sein, zum Beispiel über Fachgeschäfte wie in Colorado. Stimme eher nicht zu/Stimme ich zu.“
3 Nach §29 bis §30a des BtMG sind Rauschgiftdelikte alle Verstöße gegen jenes Gesetz, wie der unerlaubte Anbau, die unerlaubte Herstellung sowie der unerlaubte Handel von illegalen Drogen.
4 Studien im Allgemeinen sowie die Studien der BZgA orientieren sich mehrheitlich am Konsumverhalten junger Menschen, weswegen die Prävalenzen für das Konsumverhalten ab 26 Jahren und älter kaum vorhanden sind. Ältere Menschen scheinen nach den Erhebungen der EU in der Summe weniger zu konsumieren.