Die Kritische Theorie. Theorieprogramm für eine andere Gesellschaftsordnung
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Ein erster Zugang zur Kritischen Theorie: Das technisierte Subjekt
1.1 Verwaltende Philosophie? Technisierter Wahnsinn?
1.2 Praktiken des Kapitals
2. Bedürfnisbildung im Kapitalismus
2.1. Wahre und falsche Bedürfnisse, fertige Bedürfnisse?
2.2. Kapitalisierung des Subjekts
3. Gesellschaftliche Totalität als Zeichen Ihrer Zeit
4. Revolutionäres Subjekt?
5. Gedanken zur Emanzipation durch eine andere neue Eigentumsordnung
6. Zur Dialektik der Aufklärung
6.1 Praktische Relevanz
7. Kritik an der kapitalistischen Kultur und Hegemonie / Sektorkritik
7.1. Kulturindustrie am Beispiel derMassenmedien
7.2. Die pornografische Industrie als ein modernes Beispiel der Kulturindustrie / Social Networking als Verdinglichter Zusammenhang
8. Gegenentwurf zur bürgerlichen Gesellschaft? Quo Vadis kritische Theorie?
9. Partizipativer Sozialismus und Kritische Theorie
10. Schlussfolgerungen
11. Verwendete Quellen und Empfehlungen
1. Ein erster Zugang zur Kritischen Theorie: Das technisierte Subjekt
„Die Waren können nichts dafür, dass Sie mH einem Tauschwert versehen werden“. (Überliefert)
Sich mit Kritischer Theorie zu beschäftigen ist immer eine Leistung an sich für jeden, der sich damit beschäftigt. Die sozialphilosophischen Texte enthalten viele Metaphorismen, viele Versinnbildlichungen voller Idee und Hingabe an die Philosophie selbst. Wer sie versteht und nachvollziehen kann, der begibt sich in die Weiten der Philosophie und beflügelt mitunter seine eigene Geistestätigkeit.
Das ideell-abstrakte Denken ist ein Grundpfeilerder Kritischen Theorie, die verschnörkelte Sprechweise und Lesart kann durchaus anstrengen, die Formalisierungstendenzen der Sprache sind nicht zu leugnen.
Kritisch anzumerken bleibt, dass die Kritische Theorie die „verwaltete Welt“ kritisiert, aber selbst Formalismen predigt und huldigt1, die der freien Philosophie einen „verwalteten Charakter“ aufgibt. Hinter vielen Metaphorismen verbirgt sich ein großes Theoriegerüst das auf die Demaskierung der kapitalistischen Gesellschaft zielt. Brauchen wir eine Verwaltung durch die Philosophie oder wäre es besser, die reale Welt endlich zu beeinflussen? Die Kritische Theorie hält sich bedeckt bis pessimistisch bei dieser Frage.
Ziel der folgenden Überlegungen und Ausführungen ist ein kleiner Rundumschlag hinsichtlich der Aspekte der Kritischen Schule. Was macht die Kritische Schule aus? Wie kommt über das sprachphilosophische Firmament der Sinn zustande? Welche Aspekte der Kulturindustrie sind auch heute noch sichtbar oder relevant?
1.1 Verwaltende Philosophie? TechnisierterWahnsinn?
Es ist eben Philosophie, genauer gesagt: Geschichtsphilosophie. „Geschichtlichkeit als eine Geschehensweise des Seins, als dessen (Da) die Philosophie den Menschen zu erkennen hat.“ Dieser Satz ist einer der wenigen philosophischen Sätze, die ich im Studium verinnerlichen konnte. Der mir irgendwie nicht abstrakt ist, weil er die reale Note der Veränderung und Erkenntnis des Menschen im Fokus steht. Philosophie in Reinform bleibt ohne empirische Basis, Sie lebt von den flottierenden sprachlichen Auswüchsen Ihrer eigenen Ontologie. Gerade deshalb mahnte Marx, dass es darauf ankommt, die Welt zu verändern, statt „herumzuphilosophieren“. Die historische Formation der Kritischen Theorie habe sich überlebt, wie eingangs impliziert wird. Die spannende Frage dieser Ausarbeitung wird sein, ob sich bloß das Format „Kritische Schule“ überlebt hat, die Inhalte der Kritischen Theorie oder ob Sie im Gegenteil aktueller denn je ist. Ein Postulat der Kritischen Theorie ist: Der Mensch handelt unvernünftig, da er die eigene Vernunft der Technik und dem Herrschaftssystem preisgibt.
Die Vernunftkritik der Kritischen Theorie unterstellt der Vernunft einen Wandel zum Formalismus, bei der eine Tätigkeit nur dann vernünftig erscheint, wenn Sie einem äußeren Zweck dient. Zweckrationalisierte Entscheidungen sind das oberste Gebot formalisierter Vernunft. Vernunfthandeln als kategorischer Imperativ wird in den modernen kapitalistischen Gesellschaften pervertiert. Der Fortschritt der Gesellschaft wird umgekehrt in die Barbarei, weil die Technik überden Menschen herrscht.
Es ist nicht von einer generellen Technikfeindschaft der Kritischen Theorie auszugehen , doch die technizitsisch- rationalisierte Gesellschaft erstickt den Keim der Aufklärung, die Sie versucht zu erschaffen. Was würde Horkheimer heute zur Digitalisierung derWirtschaft sagen?
Seine Prognose würde noch viel negativer ausfallen als zu seiner Lebzeit, denn die technisierte verwaltete Welt scheint im Angesicht mit dem Massenkonsum an Technik sich zu bewahrheiten.
Die Menschen haben den Kapitalismus in weiten Teilen verinnerlicht als die fortschrittlichere Version einer funktionierenden Gesellschaft.
Mit dem Niedergang des Sozialismus 1989 in allen osteuropäischen Staaten und dem Fall der Mauer in der DDR mit anschließender Grenzöffnung wurde deutlich, wohin „Sozialismus“ führen kann, der nicht auf verschiedenen Eigentumsformen basiert, sondern alles in nie gekanntem Ausmaße kollektiviert. Ökonomischer Verschleiß durch Misswirtschaft und Verstaatlichungen wurde in den letzten beiden Jahrzehnten der DDR.
1.2 PraktikendesKapitals
In der digitalisierten Gesellschaft werden die Menschen zu Verwaltern der Technik, die Sie beherrschen müssen. Der Vermittlunsgszusammenhang der Individuen untereinander sinkt auf einen sozialen Tiefpunkt, (s.a später Beitrag zur Verdinglichung)
Gleichzeitig zeigt sich eine Ambivalenz der Fähigkeiten. Einerseits sollen die Individuen die technischen Fähigkeiten ausbilden, andererseits noch kognitive- emotionale Ressourcen aufwenden.
Die Illusionen der Automatengesellschaft gehen im Konsum auf, im Gelderwerb als notwendiges Übel. Für die Härten der Kapital- Gesellschaft locken die frohen Konsumangebote der Industrie und Kulturgüter.
Das freie Leben wird abhängig von der spezialiserten Profession in einem Unternehmen, Humankapital.
Die Verwertung des Werts wird im digitalen Kapitalismus zunehmend zu einer immateriellen Kategorie.
Die Kritik am Kapitalismus ist zwar nicht verstummt, doch Kritische Theorie meint mehr als ökonomische Kapitalismuskritik. Es sind vielmehr die Praktiken des Kapitalismus, die Verschleierungen, die Werbungen, der Konsumterror, den kritische Theorie verstehen möchte. Eine Zeit der Industriegesellschaft, die die massenhafte Einordnung der Individuen in Lohnarbeitsverhältnisse forderte.
Die Kritische Schule fragt nach der fehlenden Vernunft und der Vermittlung von Theorie und Praxis. Wie kann es sein, dass eine so fortschrittliche Gesellschaft immer wieder in die Barbarei oder ähnliche Zustände zurückfällt? Die Kritische Theorie entwickelt zu Beginn noch die Hoffnung einer Emanzipation der Gesellschaft, von der Massse der Arbeiterklasse aus, die sie als Referenzpunkt ihrer Theoriebemühungen sah. Doch der negativen Geschichtsphilosophie bei Horkheimer und Adorno musste die Utopie zunehmend weichen.
2. Bedürfnisbildung im Kapitalismus
2.1. Wahre und falsche Bedürfnisse, fertige Bedürfnisse?
Die Kritische Theorie hat eine eigene Bedürfnisphilosophie ausgebildet. Schon Herbert Marcuse unterscheidet zwischen „falschen“ und „wahren“ Bedürfnissen.2
„Falsche Bedürfnisse“ seien die, die den Herrschenden und ihren Unterdrückungsmechanismen entspringen. Die das Hohnlied der Selbstentfaltung in harter Arbeit singen, die mit Reklame/ Werbung den menschlichen Geist verwirren. Die Kapitalistische Gesellschaft bringt dabei schon eine Vielfalt an Bedürfnissen hervor.
Sieht man sich das Meer an Waren an und der geschickten Produktion von Waren, die alle etwas erfüllen können, aber doch nicht das perfekte Objekt abliefern.
Wir Menschen kaufen uns schöne Dinge, die uns dann doch nicht mehr gefallen und neue Kaufangebote frohlocken schon, uns der Misere des alten Kaufs zu entgehen und wieder etwas „Neues“ haben zu wollen.
Aus ihr (der Warenproduktion und den Vertriebswegen) entstehen immer neue Kaufanreize, die mehr befriedet werden sollen, denn etwas mit wahrer Bedürfnisbildung zutun haben, geschweige denn Bedürfnisbefriedigung.
Die Ambivalenz der Konsumgesellschaft liegt in der Vorfertigung einer Bedürfnisstruktur manipulativen Charakters und der Verpflichtung des Einzelnen, zum Konsum. Der Mensch scheint manipuliert i.S. von Differenzierungen seiner Bedürfnisrealisierung. Die Bedürfnisrealisierung richtet sich nach dem eigenen Geldbeutel und dem erwirtschafteten Wertäquivalent. Bestimmte Bedürfnisse sind in dieser Gesellschaft nicht für jeden erlebbar oder befriedbar. Besonders die Realisierung von sexuellen Bedürfnissen stehen bei vielen sozialen Gruppen hinten an.
Als besonders armer Mensch merkt man, wenn man im Supermarkt einkaufen geht folgenden Sachverhalt: Man möchte alles haben, alles gleich verkonsumieren und muss sich gerade noch auf die Durststrecke des Einkaufs einlassen. Die Not ist für viele der blanke Kaufanreiz. Die niederen Klassen der Gesellschaft müssen ihr weniges Geld „verkonsumieren“, weil Sie überleben wollen. Zusätzlich wird zwischen Für viele ist der tägliche Einkauf ganz normaler Alltag, sie denken nicht überden Prozess des Kapitalismus nach.
2.2. Kapitalisierung des Subjekts
Kritisches Denken hat sich mit der normalen Integration aller Individuen in den Kapitalismus damit ein Stück weit verabschiedet. Wenn alle vom Kapitalismus profitieren können, dann erscheint er als legitimes Mittel einerWirtschaft, die niemanden ausgrenzen möchte.
Das „affirmative Bewusstsein“ ( i.S. einer Bekräftigung der Ideologien des Kapitalismus) der bürgerlichen Gesellschaft sind sehr stark ausgeprägt, mit fadenscheinigen Argumenten wird die Legitimation des Kapitalismus untermalt: Er habe viel Reichtum geschaffen, jeder kann überleben, der Sozialstaat ermögliche ein Mindestmaß an Absicherung. Die Verschleierung durch die schimmernde Welt der Warenwirtschaft und der Kapitalisierung des Subjekts soll so nicht sichtbar gemacht werden. Im kapitalistischen Wirtschaftssystem werden Bedürfnisse beiläufig befriedet, sie sind nicht das Ziel der Produktion. Die Kritische Theorie regt an, die Kritik an einer warenförmigen Gesellschaft lebbar zu machen, Prof. Heinz Dieterich hat als mexikanischer Professor für Venezuela ein alternatives sozialistisches Modell entwickelt.
Dieses fungiert auch im Rahmen eines anderen Umgangs mit Waren und Werten. Doch all diese Modelle bleiben Theorie ohne Praxisversuch.
„Waren produzieren, konsumieren, kaufen, alles ganz normal??“
3. Gesellschaftliche Totalität als Zeichen IhrerZeit
Im Zuge von bspw. Architekturkritik oder auch Musikkritik blieb die Zeit Adornos und Horkheimers noch viel mehr in eine Totalität verwickelt, als wir Sie heute wahrnehmen können.
Die negative Kulturkritik Adornos hat sich zu seiner Enttäuschung sicher heute verwirklicht. Wir betören uns an den Musik-Videos unserer Zeit, auch wenn das Format VIVA untergegangen sein mag. Auch heute ist YouTube und andere Formate noch aktueller Bestandteil gesellschaftlicher Entwicklung.
Das Zeitbewusstsein aus der historischen Zeit Adornos war eingehegt in die Totalität der Arbeitswelt. Das angenehme bürgerliche Leben prägte die Zeitgenossen Horkheimer und Schopenhauer, doch die breiten industriellen Arbeitermassen wohl weniger. Horkheimer war erstaunt von der Auflösung des Liberalismus mit Beginn des Faschismus. Er war erstaunt, auf welche Art und Weise ein totaler Staat errichtet wurde. Die bürokratischen Autoritäten blieben im Amt und wurden unter einen faschistischen Dirigismus gestellt. Wenn alle gleich denken und handeln sollen, ergibt sich ein Bild der Totalität von Uniformierung und Durchdringung totaler Verhaltensabsicht.
4. Revolutionäres Subjekt?
Heute gibt es verschiedene Formen der Erwerbsarbeit, der Selbständigkeit, der Arbeitsorganisation. Doch nach wie vor sind viele Heerscharen von Arbeitslosen vom Produktionsprozess ausgeschlossen. Die Jobcenter- Damen arbeiten oftmals an der Grenze der Nicht- Vermittelbarkeit. Denn wie wir aus soziologischen Studien wissen, hat die Arbeitslosigkeit an sich ebenso negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit wie das in die-Arbeitslosigkeit-rutschen.
Gewiss: Das Angebot passt nicht immer zur Nachfrage, doch ich glaube die Alternativlosigkeit unserer strengen Wirtschaftskultur ist ein Grund, warum viele keine Möglichkeiten für sich persönlich sehen, teilzunehmen an Wirtschaftsstrukturen, die wir nun mal haben.
Wenn die Komplexität der Arbeitswelt zunehmen wird, so ist es wahrscheinlich, dass noch viel mehr Menschen aus dem kapitalistischen Zusammenhang „entfernt“ werden. Je höher die Komplexität der Arbeitswelt, desto wahrscheinlicher wird es, dass ein bestimmter Prozentsatz der Menschen ausbrennen wird, oder gar nicht erst „Nutzbar“ gemacht wird.
Der Kapitalismus findet zudem heute noch andere Möglichkeiten als den „Verblendungszusammenhang“ durch die Kulturindustrie. Die Menschen sind nicht nur verblendet, Sie sind auch sehr angepasst an die Wirtschaftsweise des industriellen Systems. Viele Produkte, die die Industrie produziert, sind gesundheitlich nicht immer positivzu bewerten.
In der Kritischen Theorie geht es auch um die Entwicklung eines „neuen Menschen“, auch wenn dieser Begriff selbst nicht gerne genutzt wurde. 34 Dabei ist die persönliche Entwicklung des Einzelnen die Vorbedingung für den qualitativen Sprung.
Dass die Industrie uns teilweise krank macht, ist die gewünschte Folge einer schnellen Verwertung von Menschenmaterial. Menschen blitzen auf und sind schneller wieder weg als man glauben mag. In Amerika war der Jobwechsel nie so schnell wie andernorts.
Die große Individualisierung hat das Gesellschaftssystem längst hinter sich, beschädigte Identitäten findet man überall. Herauslösung und zwanghafte Einhegung aufgrund des Geldmittels. Jeder kann machen,was erwill, doch irgendwas muss man machen, das ist gesellschaftlicher Konsens.
5. Gedanken zur Emanzipation durch eine andere neue Eigentumsordnung
Der Kapitalismus integriert jeden einzelnen Menschen und setzt ihm Prinzipien wie Egoismus - HabenEigentum und Profitstreben vor. (S.133 Haben oder Sein)3 4 5. Ausgehend vom Privateigentümer an den Produktionsmitteln und Privateigentum heutzutage mehr denn je , ergeben sich pathogene Charaktere, die ihr soziales Handeln an den Prinzipien der kapitalistischen Marktwirtschaft ausrichten.
Die schwere körperliche Arbeit ist dabei in den Hintergrund getreten durch Maschinerie und Automatik. Auch der Kampf um die Geldmittel ist eine Form von Konkurrenz und fördert den Egoismus.
Zwar sind einige Berufsbilder verschwunden, doch neue entstehen fortwährend, der Gesellschaft ist die Arbeit trotz Robotisierungstendenzen noch nicht ausgegangen. Der Kapitalismus hat seine Berufsbilder dynamisiert und bietet viele Ausbildungsbetriebe und Möglichkeiten der beruflichen Entwicklung.
Um auf die Eigentumsordnung zu kommen: Nur die Veränderung der Eigentumsordnung heißt noch nicht, dass das Endziel einer klassenlosen, sozialistischen Gesellschaft erreicht ist. Wir wissen heute, wenn wir Konservativen folgen möchten, dass die Bildung von Privateigentum ein menschliches Bedürfnis ebensosehr ist. Die Gesellschaft kann nur ein soziales Minimum bereitstellen in Form einer finanziellen Hilfe. Die Gesellschaft kann kein bedingungsloses Grundeinkommen garantieren, da dazu die Verteilungsressourcen dauerhaft nicht ausreichen. In der Hinwendung zum Sozialismus einiger Anänger der Kritischen Theorie entspringt mehr die Sehnsucht nach einer anderen menschengerechten, würdevollen Ordnung, wie sie auch in der sozialstaatlichen Demokratie diskutiert wird. Verteilungspolitik ist heute stärker denn je gefragt, doch wie sinnvoll ist eine Anhebung von Steuersätzen, wie stark sind die Eingriffe in die Wirtschaftsordnung? Auch der Marktsozialismus scheitert schon bald in der Praxis. Die Grundsicherung in Deutschland kann nur ein kleiner Trost sein, von der nicht mal alle Bürgerinnen profitieren können. Die Abhängigkeitsstruktur von Grundsicherungsleistungen ist deutlich sichtbar.
Sozialisten, sofern Sie radikaler Natur sind, sind sich einig: Ohne die Abschaffung aller Kategorien des Kapitalismus, kann keine neue Gesellschaft entstehen. Erst wenn wir aus dem Finanzierungsdilemma unserer Politiken erwachsen, können wir befreit leben.
Mit dem Scheitern der DDR ist der Sozialismus dieser Art ein Stück weit gescheitert, doch neue kreative Sozialismen warten auf sich. Wenn sich kein Subjekt der Welt für den Sozialismus entschließt, kann auch keine neue Gesellschaft entstehen, auch in Venezuela wurden die Reformvorschläge von Chavez nie umgesetzt. Wer den einen die absolute Freiheit schenkt, und dies unter dem Terminus der „Solidargemeinschaft“ verkauft, der kann nur irren, denn dies kann nicht erstrebenswert für alle Gesellschaftsglieder sein. Dem System fehlt ohne Profit der Antrieb, verstaatlichen wir, verlieren wir den Treibstoff. In der Entwicklung eines Sozialismus wird es mehr darum gehen als Kategorien abzuschaffen. Es wird ein alternatives System erwachsen müssen in kapitalistischen Strukturen. Symbolpolitiken einer antikapitalistischen Alltagspolitik ist für mich all das, was auf anderen Werten als den oben von Erich Fromm beschriebenen basiert.
Mit dem Fall des eisernen Vorhangs und der Auflösung des Ost-West-Konflikts löste sich ein Stück weit auch die Sehnsucht nach der Utopie einer anderen Gesellschaft auf. Der Siegeszug des Kapitalismus begann.
6. ZurDialektik der Aufklärung
„Schon der Mythos ist Aufklärung, und Aufklärung schlägt in Mythologie zurück“.
Eine vollumfängliche Gleichsetzung von Mythologie und Aufklärung ist sicherlich nicht bei Adorno gemeint, es geht vielmehr um die Gefahr, dass Aufklärung den Keim in jenen Rückschritt enthalten kann, den Sie selbst zu überwinden versuchte. Dass Menschen wieder in alte Muster fallen der Barbarei.
Die Dialektik der Aufklärung fragt nach den Ursachen, wie die Schreckensherrschaft des Faschismus ihren Siegeszug antreten konnte. Die hörigen Automaten der Subjekte sind nicht aufgeklärt, weil die Auflklärung selbst ein unreflektiertes Unterfangen darstellt. Sie basiert auf instrumentellen Prinzipien des Glauben an wissenschaftlich- technischen Fortschritt, der um Zuge der Naturbeherrschung immer weiter ausgebaut wird.
Da die kapitalistische Gesellschaft Triebe und Sinnlichkeiten unterdrückt, objektiviert sich der Mensch schließlich selbst. „Das Programm der Aufklärung war die Entzauberung der Welt“, doch die Aufklärung enthielt den Rückfall in jene Mythologie, die sie versuchte zu vernichten.
Der Keim in jeden Rückschritt zur Massenvernichtung der jüdischen Bevölkerung als die tiefste Zäsur eines historischen Völkermords. Die Ausbeutung jüdischer Arbeitskraft in Arbeits- und Zwangslagern, die Verwahrung in Ghettos bis zum Genozid in Konzentrationslagern.
Heute sagt man: Auschwitz darf nie wiederkommen“. Doch der Keim einer faschistischen Entwicklung kann auch in bürgerlich- kapitalistischen Gesellschaften innewohnen. Wenn Arbeiter untereinander konkurrieren und Fremdenfeindlichkeiten sich in den Arbeitsorganisationen einerGesellschaftfestsetzen.
Wenn rechtsterroristische Morde eine ganze Bevölkerung erschüttern, wenn es organisierte Netzwerke gibt, die rechten Hass organiseren und Mordserien planen. Dann ist nicht nur das LKA im Einsatz und die Sicherheitsbehörden, die Gesellschaft wird durch das „Gift“ des Rassismus neu wachgerüttelt. Rassismus ist eine Kategorie, die aus den menschlichen Trieben nach Macht, Geld und Anerkennung entspringen kann. Wir leben in einer Gesellschaft, die in der Disposition steht, diese Kategorien zu konservieren, statt abzuschaffen.
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1 s.a. Wiggershaus, Rolf: Kapitel 16, Verschwinden hinter Formeln in: „Max Horkheimer, Unternehmer in Sachen „Kritische Theorie“
2 Marcus, Herbert: Der eindimensionale Mensch, 5. Auflage (2005), erschienen im Dtv- Verlag, S. 25 ff.
3 Vgl. Gespräche mit Herbert Marcuse (1996): S. 27. edition suhrkamp 3319, einmalige Sonderausgabe
4 Haben oder Sein (1979): S. 205. Wesensmerkmale vom Neuen Menschen
5 Fromm, Erich: Haben oder Sein, 44. Auflage (2017), dtv- Verlagsgesellschaft, ungekürzte Ausgabe 1979