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Eine Korpusanalyse der Corona-Krise. Was macht COVID-19 diskursiv-medial zu einer Krise?

©2020 Hausarbeit (Hauptseminar) 18 Seiten

Zusammenfassung

Aktuelle Schlagzeilen wie „Corona-Krise: Belgien sperrt zu“ und „Corona-Krise: Langsamer leben in Zeiten des Coronavirus“ geben den Anlass, die diskursiv-mediale Darstellung der sogenannten Corona-Krise auf Besonderheiten der Lexik und Grammatik zu untersuchen. In dieser Arbeit soll demnach ein eigens erstelltes Korpus diskurslinguistisch analysiert werden, wobei folgende Fragestellung grundlegend ist: Mit welchen sprachlichen Mitteln, das heißt, syntaktischen und semantischen Mustern, wird die Corona-Krise diskursiv-medial dargestellt und dadurch der Begriff der Corona-Krise konstituiert und konstruiert.

Hierbei orientiere ich mich für Begrifflichkeiten und Methodik an Sprachgebrauchsmuster. Korpuslinguistik als Methoden der Diskurs- und Kulturanalyse (Bubenhofer, 2009) und für die Analyse an dem Aufsatz Korpuslinguistische Zugänge zum öffentlichen Sprachgebrauch: spezifisches Vokabular, semantische Konstruktionen und syntaktische Muster in Diskursen über „Krisen“ (Ziem, 2014), der im Rahmen des DFG-Projektes Sprachliche Konstruktionen von sozial- und wirtschaftspolitischen ‚Krisen‘ in der BRD von 1973 bis heute entstanden sind.

Die in dem Projekt zugrundeliegende Untersuchung, mit welchen sprachlichen Mitteln wirtschaftliche, soziale und politische Krisen in Deutschland diskursiv-medial erzeugt werden, bildet die Grundlage dieser Arbeit. Die Annahme, dass eine Krise erst durch ihre Vermittlung und Verbreitung in medialer Weise einen gesellschaftlichen Wissens- und Realitätsstaus erhält, führt zu der Schlussfolgerung, dass Krisen als diskursiv-medial hergestellte Wirklichkeiten verstanden werden können (Ebd.).
Bevor ich mich der linguistischen Analyse widme, soll zunächst ein Kapitel folgen, in dem die wichtigen Begriffsdefinitionen geklärt werden, die ich verwenden werde und eine Darlegung der Methodik und Vorgehensweise der Korpusanalyse erfolgen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffliche Erlauterungen
2.1 DerDiskursbegriff
2.2 (Sprachliche) Muster
2.3 Konkordanzen
2.4 Kookkurenzen und Kollokationen

3 Methodik
3.1 Zusammenstellung des Korpus
3.2 >corpus-driven< und >corpus-based<

4 Linguistische Analyse
4.1 Das spezifische Vokabular
4.1.1 Krisenbenennung
4.1.2 GegenstandederKrise
4.1.3 Zeitbezuge
4.1.4 Zahlen
4.1.5 Symptome
4.1.6 MaBnahmen
4.1.7 OrtederKrise
4.1.8 Akteure
4.2 Konkordanzanalyse und syntaktische Muster
4.3 4.4
4.2.1 Syntaktische Muster mit >Corona-Krise< als nominalem Kern
4.2.2 Transitivkonstruktionen und semantische Aspekte
4.2.3 Possesivkonstruktionen und semantische Aspekte
4.2.4 Temporale, Lokale Adverbien und Zahlen Semantische Besonderheiten Zusammenfuhrende Interpretation

5 Schlussfolgerungen und Ausblick

1 Einleitung

Aktuelle Schlagzeilen wie „Corona-Krise: Belgien sperrt zu"l und „Corona-Krise: Langsa-mer leben in Zeiten des Coronavirus " 1 geben den Anlass, die diskursiv-mediale Darstellung der sogenannten Corona-Krise auf Besonderheiten der Lexik und Grammatik zu untersuchen. In dieser Arbeit soil demnach ein eigens erstelltes Korpus diskurslinguistisch analysiert wer-den, wobei folgende Fragestellung grundlegend ist: Mit welchen sprachlichen Mitteln, d.h. syntaktischen und semantischen Mustern, wird die Corona-Krise diskursiv-medial dargestellt und dadurch der Begriff der Corona-Krise konstituiert und konstruiert.

Hierbei orientiere ich mich fur Begrifflichkeiten und Methodik an Sprachgebrauchsmuster. Korpuslinguistik alsMethoden der Diskurs- undKulturanalyse (Bubenhofer, 2009) und fur die Analyse an dem Aufsatz Korpuslinguistische Zugdnge zum offentlichen Sprachgebrauch: spezifisches Vokabular, semantische Konstruktionen und syntaktische Muster in Diskursen fiber „Krisen"(Ziem, 2014), derimRahmen desDFG-Pro]ektesSprachlicheKonstruktionen von sozial- und wirtschaftspolitischen ,Krisen'in der BRD von 1973 bis heute entstanden sind.

Die in dem Projekt zugrundeliegende Untersuchung, mit welchen sprachlichen Mitteln wirtschaftliche, soziale und politische Krisen in Deutschland diskursiv-medial erzeugt wer-den, bildet die Grundlage dieser Arbeit. Die Annahme, dass eine Krise erst durch ihre Vermitt-lung und Verbreitung in medialer Weise einen gesellschaftlichen Wissens- und Realitatsstaus erhalt, fuhrt zu der Schlussfolgerung, dass Krisen als diskursiv-medial hergestellte Wirklich-keiten verstanden werden konnen (Ebd., S. 330).

Bevor ich mich der linguistischen Analyse widme, soil zunachst ein Kapitel folgen, in dem die wichtigen Begriffsdefinitionen geklart werden, die ich verwenden werde und eine Darlegung der Methodik und Vorgehensweise der Korpusanalyse erfolgen. hagesschau 13.03.2020. 2 BerlmerZeitung 12.03.2020.

2 Begriffliche Erlauterungen

2.1 Der Diskursbegriff

Der Diskursbegriff ist fur meine Analyse grundlegend und soil in diesem Abschnitt erlautert werden. Da die Frage, wie der Terminus >Diskurs< genau auffzufassen und zu definieren sei, aus philosophischer und linguistsicher Sicht sehr unterschiedlich wahrgenommen wird, mochte ich auf nur auf eine linguistische Persepktive eingehen.

Trotzdem sollte Foucault als einer der philosophischen Begriinder und Vertreter des heu-tigen Diskursbegriffes genannt werden, da an seiner Untersuchung „Die Ordnung des Dis-kurses" viele linguistische Auffassungen angelehnt sind. Busse/Teubert (1994) haben diesen Begriff fur die linguistische Diskursanalyse operationalisiert. Nach deren Definition ist ein definierter Diskurs ein nach semantischen Kriterien zusammengestellter Textkorpus, dessen Texte einen intertextuellen Zusammenhang durch text- oder kontextsemantische erschliefiba-re Verweisungen bilden (Bubenhofer, 2009, S. 33). Dabei stellt das „untersuchte Korpus nur eine relevante Teilmenge des Diskurses dar" (Ebd., S. 33).

Warnke (2002) fasst den Diskursbegriff etwas differenzierter auf; er versteht „Diskursivi-tat als textkonstitutives Textmerkmal" (Ebd., S. 34). Aus diesen beiden Definitionen wird deutlich, dass unterschiedlichen linguistischen Zielen ein nicht kongruenter Diskursbegriff zugrunde liegen kann.

Allgemein lasst sich der Terminus Diskurs als „das Netz aller in einer Gesellschaft mogli-chen Aussagen zu einem bestimmten Thema" verstehen, wobei der Diskurs sozial und histo-risch bedingte inhaltliche und formale Strukturen ausweist, sowie syntaktische und semanti-sche Muster bzw. Konstruktionen beinhaltet, die iiber eine Analyse sichtbar gemacht werden konnen (Linke, Nussbaumer und Portmann, 2004, S. 290).

2.2 (Sprachliche) Muster

Es gilt nun, die Definition des eben genannten Begriffes des Musters zu formulieren. Hierbei ist eine Definition wichtig, die moglichst genau und prazise formuliert wird und zudem auf die Interessen der vorliegenden Analyse angepasst wird. Ich werde mich hier stark an den Uberlegungen Bubenhofers orientieren, da mir diese logisch und passend erscheinen. Buben- hofer expliziert drei Phanomene, die unter den Musterbegriff gefasst werden sollen. Dabei ist die Frequenz einer auftretenden Wortfolge relevant, zudem die Wahrscheinlichkeit bestimm-te Kollokationen zu finden signifikant hoher als der Zufall und das Auftauchen einer Phrase zuriickzufuhren auf eine Argumentationsfigur. Diese Phanomene weisen auf einen muster-haften Sprachgebrauch hin. Das Zustandekommen einer bestimmten Phrase etwa, wird von den Regeln der Syntax, der Semantik und Pragmatik, und der morphosyntaktischen Flexion ermoglicht (Bubenhofer, 2009, S. 22). Bubenhofer kommt zu folgendem Ergebnis:

Ein (sprachliches) Muster Ein solches sprachliches Muster kann auf der analytischen Ebene bei der Untersuchung eines Korpus festgestellt werden. Dabei kann ein Korpus Muster aufweisen, die aus genau defmierten lexikalischen Fullungen und verwendeten Wortformen bestehen, aber auch Mus­ter, „die Slots fur variable Fullungen offen halten" (Ebd., S. 24).

2.3 Konkordanzen

Konkordanzen, haufig auch key words in context (abgekurzt KWIC) genannt, bezeichnen ein ausgewahltes Wort im Kontext. Dieses wird dann listenartig in den verschiedenen Verwen-dungen der Bestandteile des Korpus dargestellt. So konnen Aussagen iiber die verschiedenen Bedeutungen des Wortes gemacht werden und grammatische Strukturen oder auch sprachli-che Muster erkannt werden; beispielsweise die verschiedenen Verwendungen eines Verbes, die allein durch die Einbettung in dessen Kontext sichtbar werden.

2.4 Kookkurenzen und Kollokationen

Urn die in 2.2 beschriebenen musterhaften Strukturen ausfindig zu machen, bietet sich das Konzept der Kookkurenzen bzw. der Kollokationen an. Ich werde versuchen, die Begriffe so zu defmieren, wie ich sie spater in der Korpusanalyse mithilfe des Programmes AntConc gebrauchen werde. Zunachst werde ich einen kurzen Einblick in zwei gangige Auffassungen geben.

„Statistisch signifikante Kookkurenzen sind Wortverbindungen, die uberzufallig oft in ei-ner bestimmten Datenbasis auftreten" (Lemnitzer, 2006, 147f.). Kollokationen konnen so als eine Untergruppe von Kookkurenzen aufgefasst werden, die arbitrare Wortverbindungen be-schreiben (Bubenhofer, 2009, S. 114). Hierbei werden die zusammen auftretenden Worter als „strukturell interessante Einheiten" interpretiert.

Im Gegensatz zu dieser expliziten Unterscheidung von Kookkurenzen und Kollokationen, gibt es auch Forschungsauffassungen, die diese Unterscheidung nicht unternehmen. Fur die nachfolgende Analyse gebrauche ich jedoch nur den Begriff der Kollokationen, weswegen ich diesen nun auch festlegen werde: Als Kollokation werden haufig auftretende, d.h. statis-tisch auffallende Wortverbindungen bezeichnet. Diese sind fur einen bestimmten Teilbereich einer Sprache charakteristisch (Ebd., S. 112). Dabei werden Worter, die in Verbindung mit dem gesuchten Wort auftreten, als Kollokationspartner bezeichnet (Scherer, 2006, S. 46).

3 Methodik

3.1 Zusammenstellung des Korpus

Fur die nachfolgende Analyse habe ich ein Text-Korpus mit Pressetexten aus Suddeutscher Zeitung (abgekurzt SZ), ZEIT und BILD.de zusammengestellt, das Daten aus der Zeitspan-ne des 01.01.2020 bis zum 12.03.2020 einbezieht. Diese Zeitspanne begriindet sich auf den ersten Meldungen von COVID-19-Fallen Ende Dezember in der chinesischen Stadt Wuhan und der Entwicklung des COVID-19 im Januar 2020 zu einer Epidemie in China und der darauffolgenden weltweiten Pandemie. Die Pressetexte der SZ und ZEIT wurden direkt bei den Archiven der einzelnen Zeitungen erworben und die Pressetexte der BILD iiber die Da-tenbank Afet/s Uni heruntergeladen.

3.2 >corpus-driven< und >corpus-based<

In der methodischen Vorgehensweise der Korpus-Analyse sollten die Begriffe >corpus-driven< und >corpus-based<3 differenziert werden. Dabei wird bei der >corpus-driven< -Perspektive das Korpus als Datenbestand aufgefasst, in dem durch methodisches Vorgehen Strukturen sichtbar gemacht werden, die im Nachhinein erst gedeutet und klassifiziert werden.

Bei der >corpus-based<-Perspektive wird eine bestehende Hypothese getestet, indem die Korpus-Analyse mit bestehenden Theorien durchgefuhrt wird. Bei einer Vorgehensweise nach der >corpus-based<-Perspektive wird demnach untersucht, ob, wie oft und wo ein Phano-men im Korpus auftritt, wohingegen die >corpus-driven<-Perspektive die Daten des Korpus zum Ausgangspunkt der Theoriebildung macht (Bubenhofer, 2009, 100 f.). Bubenhofer be-tont die Wichtigkeit des Zusammenspiels von >corpus-driven- und >corpus-based<-Analyse.4

4 Linguistische Analyse

Die Auswertung des erstellten Korpus erfolgt mit dem Programm AntCONC. Bei der lin-guistischen Analyse meines erstellten Korpus nutze ich die >Tools<, die das Programm zur Verfugung stellt. Dabei mochte ich die in 2.2 definierten sprachlichen Muster ausfmdig ma-chen und gehe zunachst nach der induktiven, >corpus-driven< Analysemethode vor, da ich vorerst nicht weifi, was das Korpus, das ich nachfolgend als Corona-Korpus betiteln werde, beinhaltet.

4.1 Das spezifische Vokabular

Ich beginne die Analyse mit dem Erstellen von Wortlisten des gesamten Korpus. Dabei wird das Korpus auf lexikalischer Ebene untersucht und ein spezifisches Vokabular herausgefiltert, wobei es sich urn Worter handelt, die besonders haufig im Korpus vorkommen.

Ein erstes Erstellen einer Wortliste fur das Korpus gibt 137.652 Wort-Types und 3.741.831 Wort-Token an. Aus der Frequenz-Angabe wird ein nach Haufigkeit abfallendes Ranking er-stellt. Die haufigsten Wortformen sind typischerweise keine Nomen, Adjektive und Verben, sondern Funktionsworter wie Prapositionen, Artikel und Pronomen. Allerdings ist eine all- gemeine Wortliste fur meine Analyse nicht wirklich hilfreich und aussagekraftig, weswegen ich mich im weiteren Vorgehen an Korpuslinguistische Zugdnge zum offentlichen Sprach-gebrauch: spezifisches Vokabular, semantische Konstruktionen und syntaktische Muster in Diskursen fiber „Krisen" (Ziem, 2014) orientieren werde und deren Erkenntnisse ggf. als Vergleich heranziehen kann.

4.1.1 Krisenbenennung

Urn die spezifische Krisenbennenung herauszufiltern, verwende ich das Tool concordance und durchsuche das Korpus unter dem Begriff *krise. Insgesamt werden 893 Begriffe ange-zeigt. In die Kategorie >Krisenbenennung< fallen die Begriffe: Krise, Coronakrise, Corona-Krise, Finanzkrise, Viruskrise, Klimakrise, Systemkrise, Weltwirtschaftskrise, Gesundheits-krise, Bankenkrise. Zudem sollte das haufig auftauchende Wort Pandemie in das spezifische Vokabular aufgenommen werden, da es auch eine Art der Krisenbenennung darstellt.

Nach Priifung, ob die genannten Begriffe auch tatsachlich im Kontext des Coronavirus stehen, wird ersichtlich, dass es sich bei der medialen Darstellung der sogenannten Corona-Krise urn eine allgemeine und viele Bereiche umfassende Krise handelt.

Ob dies tatsachlich der Fall ist, ist nicht Ziel herauszufinden, j edoch ist die Verwendung der oben aufgezahlten Begriffe ein Hinweis darauf, dass die Krise als eine solche aufgefasst wird und dadurch medial-sprachlich vermittelt wird. Es ist durchaus naheliegend den Begriff der Weltwirtschaftskrise bzw. Finanzkrise oder die spezifischere Finanzkrise 2008 in Zusammen-hang mit der Coronakrise zu lesen, da sich das Virus durch Ausfalle und Beeintrachtigung bestimmter Logistikablaufe etc. auf die gesamte Wirtschaft und damit die finazielle Lage vieler Unternehmen jeder GroBe auspragt. Darunter fallen auch die Begriffe Bankenkrise und Systemkrise, wobei sich der letze Begriff nicht nur auf den finanziellen Sektor beziehen kann, sondern auch auf das Gesundheitssystem. Auch der Begriff der Klimakrise ist im Zu-sammenhang der Coronakrise zu lesen, da es Meinungen gibt, die besagen, dass das Virus durch Auswirkungen for Klimakrise entstanden sei. Diese kurze Erlauterung soil hier nur als thematische Erganzung dienen, zahltj edoch nicht zum linguistischen Teil der Analyse.

[...]


1 ist eine Wortform, eine Verbindung von Wortformen oder eine Kombination von Wort-formen und nichtsprachlichen Elementen, also ein Zeichenkomplex,

2 der als Vorlage fur die Produktivitat weiterer Zeichenkomplexe dient

3 dabei aber von gleicher Materialitat ist, wie die daraus entstehenden Zeichenkomplexe (Ebd, S. 23).

4 Linguistische Analyse

Details

Seiten
Jahr
2020
ISBN (eBook)
9783346178640
ISBN (Paperback)
9783346178657
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Erscheinungsdatum
2020 (Juni)
Note
1,0
Schlagworte
corona-krise covid-19 eine korpusanalyse krise
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Titel: Eine Korpusanalyse der Corona-Krise. Was macht COVID-19 diskursiv-medial zu einer Krise?