Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob ein positives Klassenklima eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg der Unterrichtsmethode "Scaffolding" darstellt. Es wird davon ausgegangen, dass ein unterstützendes, Geborgenheit hervorrufendes Klima eine notwendige Variable für die Steigerung der Leistungsfähigkeit der SchülerInnen bildet und umgekehrt ein negatives Klima die Kinder ablenkt, beziehungsweise ihr potenzielles Leistungsniveau einschränkt.
Um diesem Forschungsanliegen nachzukommen, wird im Folgenden zunächst die Relevanz, sowie der theoretische Rahmen dieser Thematik erläutert und im Anschluss das methodische Vorgehen der Untersuchung vorgestellt. Ein Ausblick mit dem Zweck des Forschungsprojekts sowie sich daran anschließende Fragestellungen bilden den Abschluss dieser Arbeit. Im weiteren Verlauf wird die Form des Binnen-I verwendet, um beiden Geschlechtern gerecht zu werden und gleichzeitig den Lesefluss zu erleichtern.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Problemaufriss
3. Stand der Forschung
3.1 Befunde zum Konstrukt des Scaffolding
3.2 Die Bedeutung des Klassenklimas für qualitativen Unterricht
4. Forschungsprogramm
4.1 Fragestellungen und Hypothesen
4.2 Untersuchungsdesign
4.3 Auswertungsverfahren
4.4 Stichprobe
5. Ausblick
6. Literaturverzeichnis
2 Einleitung
Dieses Forschungsprojekt beschäftigt sich mit der Frage, ob ein positives Klassenklima eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg der Unterrichtsmethode „Scaffolding“ darstellt. Es wird davon ausgegangen, dass ein unterstützendes, Geborgenheit hervorrufendes Klima eine notwendige Variable für die Steigerung der Leistungsfähigkeit der SchülerInnen bildet und umgekehrt ein negatives Klima, die Kinder ablenkt bzw. ihr potentielles Leistungsniveau einschränkt. Um diesem Forschungsanliegen nachzukommen, wird im Folgenden zunächst die Relevanz sowie der theoretische Rahmen dieser Thematik erläutert und im Anschluss das methodische Vorgehen der Untersuchung vorgestellt. Ein Ausblick mit dem Zweck des Forschungsprojekts sowie sich daran anschließende Fragestellungen bilden den Abschluss dieser Arbeit. Im weiteren Verlauf wird die Form des Binnen-I verwendet, um beiden Geschlechtern gerecht zu werden und gleichzeitig den Lesefluss zu erleichtern.
3 Problemaufriss
Die Bildungsforschung beschäftigt sich mit Aspekten des qualitativen Unterrichts. In diesem Zusammenhang stehen seit einigen Jahren die Lernumgebungen im Vordergrund der Untersuchungen, welche sich durch unterstützende Strukturierungshilfen für die Lernenden auszeichnen und dadurch zur intensiven und kognitiv aktiven Beschäftigung mit den Lerninhalten anregen (vgl. Hardy 2012, 51). Scaffolding ist eine Unterrichtsmethode, die eine solche Lernumgebung erschafft, da die SchülerInnen entsprechend ihrem aktuellen kognitiven Niveau bei ihrem Lernprozess durch die LehrerInnen unterstützt werden. Die einzusetzenden Mittel variieren je nach Aufgabe und Reaktion der Lernenden, sodass Scaffolding immer der jeweiligen Situation angepasst und nie identisch verläuft. Zu dieser Methode werden regelmäßig neue Studien veröffentlicht, die sich mit der Konzeption, dem Auftreten und der Effektivität beschäftigen (vgl. van de Pol/Volman/Beishuizen 2010, 272). Jedoch, und das ist auffällig, konnte bei der Recherche zum Thema Scaffolding nicht eine Untersuchung gefunden werden, die sich mit den Bedingungen dieses Konstrukts auseinandersetzt. Gibt es überhaupt Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Scaffolding stattfinden und seine Wirkung entfalten kann? Ein Forschungsfeld kristallisiert sich in seiner Bedeutung für Lern- und Leistungsprozesse bspw. zunehmend heraus. Es handelt sich hierbei um die Klimaforschung. „Zahlreiche Untersuchungen belegen inzwischen Zusammenhänge zwischen den sozialen Aspekten schulischen Zusammenlebens und relevanten Faktoren des Lernens, des Verhaltens und der Persönlichkeitsentwicklung von Schülern“ (Grewe 2003, 9). Die Befunde zum Klassenklima zeigen, wie essentiell dieser Faktor für qualitativen Unterricht ist und dass dieser Aspekt in der Bildungsforschung somit verstärkt Berücksichtigung finden muss (vgl. Grewe 2003, 43). Aus diesem Grund wird in unserem Forschungsprojekt untersucht, ob das Klassenklima eine notwendige Bedingung für erfolgreiches Scaffolding darstellt. Um weitere Überlegungen verständlich zu machen, wird im Anschluss der theoretische Rahmen geklärt.
4 Stand der Forschung
3.1 Befunde zum Konstrukt des Scaffolding
Scaffolding ist eine Unterrichtsmethode, die in den 70er Jahren von Wood, Bruner und Ross entwickelt wurde und in den vergangenen Jahrzehnten viel Aufmerksamkeit in der Bildungsforschung erfuhr (vgl. van de Pol/Volman/Beishuizen 2010, 271). Ursprünglich bezog sich das Konstrukt des Scaffolding auf tutorielle Situationen zwischen einem/einer ExpertIn und dem/der Lernenden oder einem Elternteil und dessen Kind, in der die erwachsene Person der jüngeren gerade genug Unterstützung für die Vollendung eines bestimmten Entwicklungsprozesses zukommen ließ. Heutzutage wird Scaffolding nicht mehr in eins-zu-eins-Situationen verwendet, sondern als Methode im Unterricht zur Unterstützung des Lernerfolgs mehrerer SchülerInnen (vgl. Puntambekar/Hübscher 2005, 1). Das ohnehin schon komplexe Konstrukt wurde durch dessen Einsatz in Lehr-Lernumgebungen in der Schule noch schwieriger in der Umsetzung, da die verschiedenen Bedürfnisse und Kompetenzen von 20 und mehr SchülerInnen durch eine Lehrkraft berücksichtigt werden müssen (vgl. Meyer/Turner 2002, 19). Durch Cazden ist Scaffolding seit 1979 eng mit Vygotskys soziokultureller Theorie verknüpft. Dieser erklärte, dass Lernen immer zwischen einem Unwissenden, in der Regel einem Kind, und einem Erfahrenerem, z.B. Erwachsenen, in der kindlichen Zone der proximalen Entwicklung stattfindet, auf englisch zone of proximal development (ZPD). ZPD definiert Vygotsky als Abstand zwischen dem aktuellen Wissensstand bzw. der momentanen Kompetenz und dem potenziellen Niveau, welches das Kind noch erreichen kann bei entsprechender Unterstützung durch den Erwachsenen (vgl. Puntambekar/Hübscher 2005, 2). Cazden verband nicht nur das Konzept des Scaffolding mit Vygotzkys ZPD, sondern schlug auch als erster vor, dieses Konstrukt auf SchülerInnen-LehrerInnen Interaktionen zu übertragen. So entwickelte sich Scaffolding zur Unterrichtsmethode. Es wird deutlich, dass sich dieses Konstrukt eines Schlüsselaspekts des kindlichen Lernens bedient, nämlich dass das Kind in der Regel unterstützende Anleitung durch andere erfährt (vgl. van de Pol/Volman/Beishuizen 2009, 46). Dies könnte ein Grund für die Effektivität dieser Unterrichtsmethode sein. Aber wie funktioniert Scaffolding? Welche Charakteristika weist es auf? Wie kann man dieses Konstrukt definieren?
Auf die letzte Frage gibt es bis heute keine einheitliche Antwort. Neuere Untersuchungen beklagen sogar die Verwässerung der Bedeutung von Scaffolding aufgrund der vielfältigen Definitionen (vgl. Hardy 2012, 52). Van de Pol, Volman und Beishuizen (2010) versuchen das Konstrukt wie folgt zu erklären: „In general, scaffolding is construed as support given by a teacher to a student when performing a task that the student might otherwise not be able to accomplish“ (S. 274). Es herrscht allerdings weitestgehend Einigung über die drei Charakteristika, die vorliegen müssen, damit man von Scaffolding sprechen kann. Zum einen handelt es sich dabei um die aufeinander abgestimmten instruktionalen Maßnahmen (contingency), die auf Grundlage der kontinuierlichen Diagnose des aktuellen kognitiven Levels der einzelnen SchülerInnen bestimmt werden, und die in Feinabstimmung zum wachsenden Leistungsniveau stetig reduziert werden. Hierfür ist ein gemeinsames Verständnis über das Problem und Ziel einer Aufgabe zwischen Lehrkraft und Lernenden notwendig. Eng verbunden damit steht das zweite Charakteristikum: das Ausblenden (fading). Es geht um die regelmäßige Verringerung an instruktionaler Unterstützung, welche abhängig vom Kompetenzniveaus des/der Lernenden ist, durch die Lehrperson. Nach Vygotzky befähigt der Prozess der Internalisation die SchülerInnen zu wachsenden Fähigkeiten. Das dritte wichtige Merkmal des Scaffolding, der Transfer von Verantwortlichkeit, steht auch in engem Verhältnis zu den vorigen. Im gleichen Ausmaß, in dem die instruktionalen Maßnahmen der Lehrkraft reduziert werden, also auch deren Verantwortlichkeit, steigt die Übernahme an Verantwortlichkeit durch die SchülerInnen (vgl. van de Pol/Volman/Beishuizen 2010, 274f.; Puntambekar/Hübscher 2005, 3). Auf diese Weise sind alle Charakteristika eng miteinander verwoben und bilden einen Kreislauf, bei dem sowohl der/die LehrerIn als auch die SchülerInnen durch Dialoge und Interaktionen eine aktive Rolle übernehmen (vgl. Puntambekar/Hübscher 2005, 3).
In der konkreten Umsetzung des Scaffolding können zahlreiche Strategien angewandt werden. Diese konstituieren sich durch die unterschiedliche Kombination zweier wichtiger Klassifikationen. Wood et al. veröffentlichten 1976 sechs Scaffolding Funktionen bzw. Ziele (functions/intentions/goals) und Tharp sowie Gallimore entwickelten 1988 sechs Scaffolding Methoden bzw. Werkzeuge (means/tools), die die Lehrperson je nach Situation nutzen kann. Van de Pol, Volman und Beishuizen (2010) vereinten diese beiden Ansätze in einem integrativen Rahmen, der sich aus fünf Scaffolding Zielen und sechs Scaffolding Werkzeugen zusammensetzt. Zu den Zielen zählen: Interesse wecken, Reduzierung der Hilfestellungen, Aufrechterhaltung der Zielverfolgung, kognitive Strukturierung und contingency Management bzw. Frustrationskontrolle. Die Werkzeuge sind: Feedback, Hinweise geben, Anweisungen, Erklärungen, Modellieren und Abfragen. Je nach Kombination von Methoden und Funktion entstehen unterschiedliche Scaffolding Strategien (vgl. van de Pol/Volman/Beishuizen 2010, 276f.).
Die gesetzten Ziele können drei übergeordneten Bereichen zugeteilt werden. Sie können auf metakognitiver, kognitiver oder auf affektiv-motivationaler Ebene wirken (Hardy 2012, 52). Obwohl alle drei Bereiche einander beeinflussen, wurde deren Verhältnis zueinander in bisherigen Untersuchungen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Emotionen wirken in vielerlei Hinsicht auf die kognitive Entwicklung der Lernenden. So können bspw. starke Emotionen die Kinder von den Unterrichtsinhalten ablenken. Auch der umgekehrte Fall ist denkbar. Eine Atmosphäre, in der man sich geborgen und sicher fühlt, fördert die Motivation, sich mit neuen Themen auseinanderzusetzen und die Schule mit ihren Zielen zu akzeptieren (vgl. Standop 2002, 165ff.). Aus diesem Grund wird sich dieses Forschungsprojekt der Bedeutung des Klassenklimas für Scaffolding widmen, einem bislang neuen Aspekt dieser Methode.
Es verwundert nicht, dass der Aspekt des Klassenklimas in den Forschungen zum Scaffolding noch keine Berücksichtigung fand. Ist doch die Unterrichtsmethode ursprünglich für eins-zu-eins-Situationen konzipiert und erst später in die Schule integriert worden. Außerdem wurde der Klimaforschung lange Zeit zu wenig Bedeutung beigemessen. Wie Klassenklima definiert wird und welche Auswirkungen es laut bisheriger Untersuchungen ausübt, wird im Folgenden beschrieben.
3.2 Die Bedeutung des Klassenklimas für qualitativen Unterricht
Lange Zeit vernachlässigten Erziehungswissenschaft und pädagogische Psychologie die Erforschung vielschichtiger Wechselbeziehungen in sozialen Gefügen, wie z.B. in Schulklassen. Stattdessen stand die Lehrperson Vordergrund (vgl. Grewe 2003, 9). Erst in den 50er Jahren änderte sich dies unter Lewin, der die zunehmenden Untersuchungen des Klassen- und Unterrichtsklimas und deren Effekte auf die entsprechenden Kinder in Gang setzte (vgl. Beeler/Gentili/Turkawka 2007, 6). Mittlerweile existieren viele empirische Studien, die Korrelationen zwischen dem Klassen- bzw. Unterrichtsklima und u.a. der Schülerleistung, -persönlichkeit oder deren Verhalten herstellen und belegen konnten (vgl. Grewe 2003, 9).
Trotz zahlreicher Untersuchungen zu diesem Thema gibt es bis heute keine einheitliche Definition des Klimabegriffs (vgl. Beeler/Gentili/Turkawka 2007, 6). Es handelt sich hierbei um ein komplexes Konstrukt, für das bisher nur wenige Theorien entwickelt wurden, die eine eindeutige Festlegung des Forschungsgegenstands zuließen (vgl. Grewe 2003, 11). Der Grund hierfür liegt zum einen in den unterschiedlichen Verwendungsweisen des Klimabegriffs. Nach Eder wird er bspw. wie folgt gebraucht: „Zur Charakterisierung der emotionalen Grundtönung der erzieherischen Gesamtatmosphäre einer Schule. Zur Charakterisierung der in erzieherischen Umwelten herrschenden Grundorientierungen und Wertehaltungen; in diesem Zusammenhang wird häufig auch von Schulkultur gesprochen. Zur Beschreibung subjektiv wahrgenommener (Lern-) Umwelten“ (Eder 1996, 180). Der dritten Verwendungsweise kommt jedoch besondere Bedeutung zu, da Klassenklima nicht objektiv beobachtbar oder messbar ist, sondern von der individuellen Wahrnehmung der Betroffenen abhängt (vgl. Diel/Nieder 2010, 8; Hissnauer 2010, 4). Zum anderen gibt es eine Anzahl an begrifflichen Differenzierungen bezüglich des Klimas, wovon Untersuchungen einerseits profitieren können. Andererseits erzeugt gerade diese Menge eine Unübersichtlichkeit in der schulischen Klimaforschung. Unterschieden werden Schulklima, Unterrichtsklima, Klassenklima und Sozialklima, die zwar alle eng miteinander verwoben, aber dennoch nicht identisch sind (vgl. Standop 2002, 195). Aus diesem Grund soll eine kurze Abgrenzung dieser Begriffe erfolgen, wodurch der Forschungsgegenstand dieser Untersuchung, nämlich das Klassenklima, klar hervorgehoben wird. Das Unterrichtsklima ist lediglich auf das Unterrichtsgeschehen beschränkt, welches mit einem speziellem Fach und dem/der dazugehörigen FachlehrerIn verbunden ist. Es beeinflusst die Leistungsmotivation der SchülerInnen und erstreckt sich über einen relativ langen Zeitraum. Das Klassenklima ist im Vergleich dazu umfassender und bezieht sich auf alle Merkmale der Lernumwelt innerhalb eines Klassenverbands. Hierzu gehören die sozialen Beziehungen ebenso wie die Lehr-Lernprozesse oder die Normen und Werte von SchülerInnen und LehrerInnen. Das Schulklima bezeichnet darüber hinaus die Atmosphäre der gesamten Schule und umfasst somit die Normen und Werte von wesentlich mehr Personengruppen, so z.B. auch die Eltern oder Fördervereine. Das Milieu und die Kultur u.a. spielen hier ebenfalls eine Rolle. Das Sozialklima hingegen beschreibt die in einer bestimmten Gruppe herrschende Stimmung über einen langandauernden Zeitraum hinweg und ist somit viel universeller, weil sie weder zeitlich-geografisch noch an bestimmte Personengruppen gebunden ist (vgl. Standop 2002, 195ff.; Juen 2005, 6).
In dieser Untersuchung soll die Auswirkung des Klassenklimas auf Scaffolding untersucht werden, da in diesem Zusammenhang insbesondere das Unterrichtsgeschehen als auch die sozialen Beziehungen von Bedeutung sind, da bspw. durch Streit in der Pause Störungen des Unterrichts verursacht werden können, wodurch die Unterrichtsmethode möglicherweise weniger bis gar keine Wirkung entfaltet. Das Unterrichts- sowie Sozialklima wäre demnach zu einschränkend für diese Untersuchung und das Schulklima zu weitläufig, da zu viele Faktoren berücksichtigt werden müssten.
[...]