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Formen der Demokratie in Südostasien. Scheitert das westliche Modell?

von R. Schneider (Autor:in)
©2004 Seminararbeit 13 Seiten

Zusammenfassung

In Bezug auf weltweite Demokratisierungsprozesse scheint die westliche, insbesondere die amerikanische, Sichtweise von der Vorstellung geprägt, Demokratien nach unserem Vorbild ließen sich jederzeit und überall etablieren.
Dieser modernisierungstheoretische Ansatz läßt jedoch außer Acht, daß für die erfolgreiche Konsolidierung einer Demokratie bestimmte sozioökonomische Bedingungen erfüllt sein müssen, wie die Entstehung einer Mittelschicht und Ausformung einer Zivilgesellschaft, sowie daß die Institutionalisierung administrativer und politischer Strukturen und Prozesse vorausgesetzt wird. Nicht berücksichtigt werden ferner die historischen und kulturellen Grundlagen der jeweiligen Länder, durch die die Etablierung einer westlichen Demokratie verhindert wird. So fußt die amerikanische Demokratietradition auf dem Lockeschen Verständnis des Gesellschaftsvertrags, in dem der Staat von Individuen gebildet wird, die ihn wiederum nur mit minimalen Machtbefugnissen ausstatten.
Der südostasiatischen Sichtweise ist im Gegensatz dazu ein kommunitaristischer Ansatz inhärent, der die Verantwortlichkeit gegenüber der Familie und der Gesellschaft betont, die dem Recht des Individuums übergeordnet ist. Zusammen mit dem Respekt vor Autoritäten, dem Glauben an starke familiäre Bindungen und der Ablehnung des Wohlfahrtsstaates machen diese Unterschiede die vielzitierten ‚Asian values’ aus. Von asiatischen Staatsführern in Abgrenzung zu den Werten und Vorstellungen der westlichen Welt bemüht und bisweilen instrumentalisiert, stellt sich allerdings die Frage nach der Glaubwürdigkeit eines einen, den gesamten asiatischen Raum umfassenden Wertekodexes. Jürgen Rüland warnt vor einer Überbetonung der ‚Asian values’, die er als eine „ideologische Mehrzweckwaffe“ der Eliten beurteilt. Schlußendlich kann auch die kulturrelativistische Sichtweise nur begrenzt Erklärungen soziokultureller Erscheinungen und Werte liefern.
Welchen Weg nimmt vor diesem Hintergrund also die Demokratie in Südostasien und welche Formen bilden sich aus? Ist die westliche Demokratie überhaupt ein realistisches Modell für die Länder dieser Region? Die vorliegende Arbeit betrachtet von dieser Fragestellung ausgehend zwei völlig unterschiedlich ausgeprägte südostasiatische Länder, Burma und Singapur, die jedoch eine Gemeinsamkeit haben: Es handelt sich um multi-ethnische Staaten, die von jeweils einer Ethnie dominiert werden.

Leseprobe

Inhalt

A. Einleitung

B. Demokratie: Eine Begriffsdefinition

C. Demokratisierungsprozesse in Südostasien?
1. Das Beispiel Burma
2. Das Beispiel Singapur

D. Schluß

Literatur

A. Einleitung

In Bezug auf weltweite Demokratisierungsprozesse scheint die westliche, insbesondere die amerikanische, Sichtweise von der Vorstellung geprägt, Demokratien nach unserem Vorbild ließen sich jederzeit und überall etablieren.

Dieser modernisierungstheoretische Ansatz läßt jedoch außer Acht, daß für die erfolgreiche Konsolidierung einer Demokratie bestimmte sozioökonomische Bedingungen erfüllt sein müssen, wie die Entstehung einer Mittelschicht und Ausformung einer Zivilgesellschaft, sowie daß die Institutionalisierung administrativer und politischer Strukturen und Prozesse vorausgesetzt wird.[1] Nicht berücksichtigt werden ferner die historischen und kulturellen Grundlagen der jeweiligen Länder, durch die die Etablierung einer westlichen Demokratie verhindert wird. So fußt die amerikanische Demokratietradition auf dem Lockeschen Verständnis des Gesellschaftsvertrags, in dem der Staat von Individuen gebildet wird, die ihn wiederum nur mit minimalen Machtbefugnissen ausstatten.[2]

Der südostasiatischen Sichtweise ist im Gegensatz dazu ein kommunitaristischer Ansatz inhärent, der die Verantwortlichkeit gegenüber der Familie und der Gesellschaft betont, die dem Recht des Individuums übergeordnet ist. Zusammen mit dem Respekt vor Autoritäten, dem Glauben an starke familiäre Bindungen und der Ablehnung des Wohlfahrtsstaates machen diese Unterschiede die vielzitierten ‚Asian values’ aus. Von asiatischen Staatsführern in Abgrenzung zu den Werten und Vorstellungen der westlichen Welt bemüht und bisweilen instrumentalisiert, stellt sich allerdings die Frage nach der Glaubwürdigkeit eines einen, den gesamten asiatischen Raum umfassenden Wertekodexes. Jürgen Rüland warnt vor einer Überbetonung der ‚Asian values’, die er als eine „ideologische Mehrzweckwaffe“ der Eliten beurteilt.[3] Schlußendlich kann auch die kulturrelativistische Sichtweise nur begrenzt Erklärungen soziokultureller Erscheinungen und Werte liefern.

Welchen Weg nimmt vor diesem Hintergrund also die Demokratie in Südostasien und welche Formen bilden sich aus? Ist die westliche Demokratie überhaupt ein realistisches Modell für die Länder dieser Region? Die vorliegende Arbeit betrachtet von dieser Fragestellung ausgehend zwei völlig unterschiedlich ausgeprägte südostasiatische Länder, Burma und Singapur, die jedoch eine Gemeinsamkeit haben: Es handelt sich um multi-ethnische Staaten, die von jeweils einer Ethnie dominiert werden. Die Tieflandburmesen stellen ca. 65% der burmesischen Bevölkerung, die Chinesen haben mit 75% den größten Anteil an der Bevölkerung Singapurs.[4]

Nach einer Definition des in diesem Zusammenhang verwendeten Demokratiebegriffs wird zunächst in die historischen Grundlagen beider Länder eingeführt. Besonderes Augenmerk gilt dabei den Entwicklungen bezüglich demokratischer Tendenzen (bzw. der ausdrücklichen Ablehnung derselben). In einem letzten Schritt erfolgt die zusammenfassende Erörterung der Fragestellung, inwieweit das westliche Demokratiemodell für Burma bzw. Singapur umsetzbar sein könnte.

B. Demokratie: Eine Begriffsdefinition

Die liberale Demokratie nach westlichem Verständnis ist gekennzeichnet durch die Möglichkeit zur gewaltlosen Regierungsablösung in allgemeinen, freien und geheimen Wahlen, durch Gewaltenteilung und die Garantie der unveränderbaren Grundrechte, insbesondere Menschenrechte. Dabei sind die Grundlagen aller Staatshandlungen das Mehrheitsprinzip sowie die Rechtsstaatlichkeit. Es ist diese Definition von Demokratie, die der Betrachtung Burmas und Singapurs in diesem Zusammenhang zugrundeliegt.

Die in den südostasiatischen Ländern in Bezug auf politische Prozesse zu beobachtende Konfrontations- und Konfliktvermeidung und die ausdrückliche Betonung der Kollektivinteressen stehen diesen Merkmalen zunächst gegenüber.[5] Darüberhinaus liefern die historischen Entwicklungen in den jeweiligen Ländern wichtige Hinweise zum Verständnis der Ausprägung politischer Systeme.

C. Demokratisierungsprozesse in Südostasien?

1. Das Beispiel Burma

Die überaus wechselvolle Geschichte Burmas läßt sich, auf die wesentlichen Punkte in der Entwicklung verknappt, wie folgt darstellen:[6] Burma, heute offiziell Myanmar, wurde seit 1886 als eher zweitklassige Provinz Britisch-Indiens behandelt und erst 1937 direkte Kolonie Großbritanniens. Der in Burma etablierte Verwaltungsapparat bestand dabei zu großen Teilen aus in Indien ausgebildeten, englischsprachigen Indern, deren Zuzug durch die britische Kolonialmacht subventioniert wurde. Da sich im Land von Beginn der Kolonialzeit an ein ausgeprägter Widerstand gegen die Besatzer regte, verzichtete man auf die Ausbildung und den Einsatz von ethnischen Burmesen in der Kolonialverwaltung und ermutigte loyale Inder zur Immigration. Diese Politik fand ihren Ausdruck im zahlenmäßigen Anstieg indischer Immigranten von 84.000 in den Jahren 1883 – 84 bis zu über 400.000 im Jahr 1927.[7] Die Form der „Teile und herrsche“-Staatsführung, die von den Briten in Burma angewandt wurde, trug dabei weder zum Ansehen der Kolonialherren selber noch dem der kollaborierenden ethnischen Inder bei und legte den Grundstein für eine ausgeprägt ablehnende Haltung gegenüber beiden Parteien.

[...]


[1] Mauzy, D. K.: The human rights and ‚Asian values’ debate in Southeast Asia: trying to clarify the key issues, in: The Pacific Review, Vol. 10 No. 2, 1997, S. 227

[2] (ebd.), S. 227

[3] Rüland, J.: Politische Systeme in Südostasien. Eine Einführung, Landsberg am Lech 1998, S. 24

[4] Ganesan, N.: Cultural Pluralism and the Unifying Potential of Democracy in South East Asia, in: Schmiegelow, M. (Hrsg.): Democracy in Asia, Frankfurt/Main, New York 1997, S. 196

[5] Rüland: Politische Systeme in Südostasien, S. 24

[6] vgl. hierzu Frasch, T.: Birma (Myanmar), in: Dahm, B., R. Ptak: Südostasienhandbuch. Geschichte, Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Kultur, München 1999, S. 205 – 218

[7] Tejapira, K.: Independent Siam and Colonial Burma: A Comparative Historical Perspective, in: Satha-Anand, S. (Hrsg.): Asian Review 7, Bangkok 1993, S. 16

Details

Seiten
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783638545068
ISBN (Buch)
9783656449744
DOI
10.3239/9783638545068
Dateigröße
512 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Erscheinungsdatum
2006 (September)
Note
2,0
Schlagworte
Formen Demokratie Südostasien Scheitert Modell Veranstaltung Einführung Theorie Ideengeschichte

Autor

  • R. Schneider (Autor:in)

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