Haben Lobbyisten zu starken Einfluss auf EU-Entscheidungen?
Zusammenfassung
Leseprobe
Der folgende Essay beschäftigt sich mit der Fragestellung, ob Lobbyisten zu starken Einfluss auf EU-Entscheidungen nehmen. Lobbyismus ist keine Neuerscheinung am politischen Horizont, sondern entstand Anfang des 19. Jahrhunderts durch die Versuche von Wirtschaftsvertretern, Abgeordnete in der Vorhalle des „Willard Hotels“ in Washington D.C. zu beeinflussen. Aus dem englischen Wort „lobby“(Vorhalle), wurde dann Lobbyist.[1] Nach Hans Merkle ist eine zeitgemäße Definition von Lobbying: „Die zielgerichtete Beeinflussung von Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung“.[2] Mittlerweile werden 84 Prozent der neuen Gesetze in Brüssel verabschiedet, [3] deswegen nimmt der EU-Lobbyismus eine immer wichtiger werdende Rolle ein und auf allen Ebenen des Gesetzgebungsprozess wird der Versuch EU-Entscheidungen zu beeinflussen, betrieben. Wo genau die Grenze zwischen legitimer Partizipation, die durch das Grundgesetz geschützt ist und illegaler Nötigung, Korruption und Erpressung liegt, soll im nächsten Abschnitt anhand von bestimmten Kriterien erläutert werden, die es ermöglichen Licht in diese Grauzone zu bringen.
Nach Martin Sebaldt und Alexander Straßner sind Verbände: „Elementare Bestandteile moderner Gesellschaften, und deshalb lässt sich die Zukunftsfähigkeit eines demokratischen Gemeinwesens auch am besten an der Vielfalt und dem Einfluss seiner organisierten Interessen ablesen: Wo die Regierenden regelmäßig Ratschläge verschiedenster Interessensgruppen achten, ist auch Politik von hoher Qualität“.[4] Dieser pluralistische Ansatz der Partizipation beschreibt den akzeptablen und für eine funktionierende Demokratie wichtigen Aspekt des Lobbyismus. Weitere demokratiefördernde Tätigkeiten werden dem Lobbyismus zu geordnet, wie die vermittelnde Position zwischen Gesellschaft und Politik, die Politikberatung und
nach der Doktrin des Neokorporatismus auch die Entlastung des Staates.[5] Allerdings ist bei dieser Konfliktfrage eine Schwarz-Weiß Betrachtung nicht hilfreich, denn es scheint offensichtlich, dass Korruption und Erpressung zu verachten sind und Partizipation das Lebenselixier der Demokratie ist. Um die Frage nach einem zu starken, Demokratiedefizit fördernden und somit unrechtmäßigen Einfluss der Lobbyisten beantworten zu können, ist die Auseinandersetzung mit dieser Grauzone, die zwischen weiß und schwarz liegt, elementar. Die folgenden Kriterien erlauben eine neutrale Analyse und Bewertung des meist sehr pejorativ bewerteten Themas. Interessensorganisationen unterscheiden sich in ihrer Organisationsform, Ideologien und Adressaten. Diese Aspekte sind allerdings normativ neutral zu bewerten. Entscheidend sind die Aktionsformen der Organisationen, die zur Durchsetzung ihrer Interessen genutzt werden, denn hier liegt die „Achillesferse“ des Lobbyismus. Die folgenden vier Aktionsformen können legal, sowie auch illegal genutzt werden und sind deshalb als Kriterien zur Analyse sinnvoll, wobei die illegalen Aspekte als „zu starker Einfluss“ gewertet werden. Der erste Aspekt „Information und Kommunikation“ verkörpert den Informationsaustausch zwischen Abgeordneten und Lobbyisten, sowie den Aufbau von Beziehungsnetzwerken.[6] Diese Aktivitäten sind keineswegs verwerflich, allerdings dürfen die Netzwerke nicht missbraucht werden oder Gemeinwohlideologien als Tarnung für private Interessen dienen. Ein weiterer Aspekt ist die Asymmetrie der Interessensorganisationen, die auf Grund von unterschiedlichen finanziellen und professionellen Ressourcen, ungleiche Zugangsvoraussetzungen haben.[7] Das zweite Kriterium mit dem Titel „Personelle Penetration“ spricht die Verschmelzung von Politik und Interessensorganisationen an, die entsteht, wenn Verbandsvertreter
politische Positionen einnehmen oder zu politischen Beratung hinzugezogen werden.[8] Illegitim werden diese Handlungen, wenn durch diese zwiespältige Situation Einzelinteressen in der Lage sind, Gemeinschaftsinteressen zu verdrängen. Desweiteren werden auf diese Weise Entscheidungen in die Ausschüsse vorgelagert, so dass der Ministerrat nur über den schon zu Gunsten der Interessenorganisationen veränderten Gesetzesvorschlag abstimmen kann. Diese Tatsachen widersprechen den demokratischen Grundsätzen und die Öffentlichkeit wird ausgeschlossen.[9] Ein weiterer Aspekt dieses Kriteriums ist die Besetzung von einflussreichen Positionen in der Wirtschaft durch gerade ausgeschiedene Politiker. Eine sehr übliche Praktik, die allerdings den Vorwurf von Beeinflussbarkeit und Absprache laut werden lässt. So wurde der SPD-Europaabgeordnete Rolf Linkohr direkt nach seiner Amtszeit als Sonderberater für den EU-Kommissar in Energiefragen, Aufsichtsratsmitglied von Vattenfall Europe Mining AG.?[10] Das nächste Kriterium befasst sich mit dem heiß diskutierten Thema der „Politikfinanzierung“. Dieser Aspekt wird oft mit Korruption in Verbindung gebracht, aber es gibt bisher keine einheitliche Stellung der EU zu dem Thema. Auf Grund dieser Intransparenz sind Beispiele für Spender, die durch ihre finanzielle Unterstützung eine bestimmte Handlungsweise hervorrufen wollen, nur sehr schwer zu finden.[11] Das letzte Kriterium ist die „politische Pression“, die nur auf einer inhaltlich-argumentativen Art akzeptiert werden kann. Sobald allerdings Drohpotenzial vorhanden ist, wird die schmale Grenze zwischen Recht und Unrecht überschritten. Transparenz ist das Mittel zur Erhellung der Grauzone.
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[1] Vgl. Speth, Rudolf; Leif, Thomas, 2006: Die fünfte Gewalt, S.18.
[2] Vgl. Merkle, Hans, 2003: Das Praxishandbuch für Unternehmen, S. 10.
[3] Vgl. http://www.rp-online.de/public/article/aktuelles/politik/ausland/hintergrund/417406. (12.09.07)
[4] Vgl. Sebaldt, Martin; Straßner, Alexander, 2004: Verbände in der BRD. Eine Einführung, S.13.
[5] Vgl. Straßner, Alexander, 2006: Funktionen von Verbänden in der modernen Gesellschaft S.10-17.
[6] Vgl. Von Alemann, Ulrich; Eckert, Florian, 2006: Lobbyismus als Schattenpolitik, S. 3 – 7.
[7] Vgl. Leif; Speth, a.a.O. (Anm. 1): S.334.
[8] Vgl. Von Alemann; Eckert, a.a.O. (Anm. 7) :S. 8-10.
[9] Vgl. Leif; Speth, a.a.O. (Anm. 1): S.15.
[10] Vgl. www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/klima/Verflechtung_ Energiewirtschaft_Politik.pdf. (12.09.07)
[11] Vgl. Von Alemann; Eckert, a.a.O. (Anm. 7) :S. 8-10.