Das Ziel dieser Arbeit ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit Rassismus-Skandalen in der Modeindustrie. Die zwei Modeskandale von Elle und H&M werden aufgegriffen und mit Hilfe verschiedener Theorien analysiert. Der Begriff Rassismus wird definiert und sein geschichtlicher Ursprung und die Entwicklung erläutert. Der Text “Schwarze Haut Weiße Masken” von Frantz Fanon dient im Folgenden mit seiner Theorie zur weiteren Analyse und Einordnung der Modeskandale.
Anschließend wird Rassismus aus verschiedenen Blickwinkeln und Ausführungen betrachtet, seine Relevanz aufgearbeitet und die wichtigsten Erkenntnisse im Zuge dessen genannt. Die Skandale werden schlussendlich mit Blick auf die genannten Punkte bewertet und im Licht der aktuellen Gesellschaft reflektiert. Im Fazit werden die wichtigsten Thesen der Arbeit zusammengefasst, offene Fragen festgehalten und Lösungsansätze aufgezeigt. Die Auseinandersetzung mit Rassismus wird vorweg bereits als notwendig betrachtet, weil die Skandale auf große Resonanz in unserer Gesellschaft stoßen und dort auf eine gespaltene Emotionalität treffen. Die Diskussion findet, vorwiegend sichtbar, in den sozialen Medien statt und die zwei Skandale stehen in dieser Arbeit repräsentativ für eine Vielzahl an Skandalen. Die Frage stellt sich, ob die Skandale Anhaltspunkte dafür sind, dass es herrschende Strukturen und Denkweisen gibt, die Rassismus fördern und befürworten. Außerdem wird der Frage nachgegangen, woher strukturelle Gegebenheiten stammen können, in welchem Umfang sie auftreten und wen sie betreffen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Skandale
2.1 Definition
2.2 Elle
2.3. H&M
2.4 Anklage Analyse
3. Rassismus
3.1. Definition
3.2. Geschichte
3.3. Frantz Fanons „Schwarze Haut weiße Masken“
4. Analyse
4.1 Frantz Fanon
4.2 Eurozentrismus, Institutioneller Rassismus und Racial Profiling
5. Fazit: Ewige Masken oder Wandel?
6. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
„Jedes menschliche Problem muss von der Zeit her betrachtet werden. Wobei das Ideal ist, dass die Gegenwart stets dazu dient, die Zukunft aufzubauen.”1
Das Ziel dieser Arbeit ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit Rassismus Skandalen in der Modeindustrie. Die zwei Modeskandale von Elle und H&M werden aufgegriffen und mit Hilfe verschiedener Theorien analysiert. Der Begriff Rassismus wird definiert und sein geschichtlicher Ursprung und die Entwicklung erläutert. Der Text “Schwarze Haut Weiße Masken” von Frantz Fanon dient im Folgenden mit seiner Theorie zur weiteren Analyse und Einordnung der Modeskandale. Anschließend wird Rassismus aus verschiedenen Blickwinkeln und Ausführungen betrachtet, seine Relevanz aufgearbeitet und die wichtigsten Erkenntnisse im Zuge dessen genannt. Die Skandale werden schlussendlich mit Blick auf die genannten Punkte bewertet und im Licht der aktuellen Gesellschaft reflektiert. Im Fazit werden die wichtigsten Thesen der Arbeit zusammengefasst, offene Fragen festgehalten und Lösungsansätze aufgezeigt. Die Auseinandersetzung mit Rassismus wird vorweg bereits als notwendig betrachtet, weil die Skandale auf große Resonanz in unserer Gesellschaft stoßen und dort auf eine gespaltene Emotionalität treffen. Die Diskussion findet, vorwiegend sichtbar, in den sozialen Medien statt und die zwei Skandale stehen in dieser Arbeit repräsentativ für eine Vielzahl an Skandalen. Die Frage stellt sich, ob die Skandale Anhaltspunkte dafür sind, dass es herrschende Strukturen und Denkweisen gibt, die Rassismus fördern und befürworten. Außerdem wird der Frage nachgegangen, woher strukturelle Gegebenheiten stammen können, in welchem Umfang sie auftreten und wen sie betreffen.
Diese Arbeit ist als aufklärender Apell gedacht, der auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert und soll dem Thema eine greifbarere Dimension bieten. Damit werden die Gründe der Debatte und der Umgang mit ihnen auf das Wesentliche heruntergebrochen.
2. Skandale
2.1 Definition
Skandalisierung lässt sich seit jeher als Kommunikationsprozess beschreiben, der durch einen postulierten Verstoß gegen den Leitcode des sozialen Referenzsystems öffentliche Empörung auslöst. Die vermeintlichen Verfehlungen haben häufig nicht den Anlass zum Skandal gebildet, sondern lediglich einen mitunter historisch relevanten Vorwand für die Ausgrenzung Einzelner und für die Abgrenzung von Vielen.2
2.2 Elle
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 Elle Cover3 Abb.2 Black is back Models4
Die deutsche Novemberausgabe 2019 des Modemagazins Elle erschien unter dem Titel “Back to BLACK schwarz ist wieder da - unwiderstehlich ". Das Cover ziert die blonde Dänin Gertrud Hegelund in einer Schwarz-Weiß-Fotografie, die ihre Hautfarbe deutlich dunkler erscheinen lässt. Im Magazin werden sechs schwarze Models porträtiert, mit dem Titel: “Black is back ” & “Schön, erfolgreich, engagiert: Nie waren Models of Color so gefragt wie jetzt.”, dabei verwechselt Elle Janaye Furman mit einem anderen schwarzen Model. Die Ausgabe wurde international in den sozialen Medien kritisiert, unter anderem vom Instagram-Account Diet Prada , der bekannt ist für seine hemmungslose, aber konstruktive Kritik in der Modewelt.
“Not a good look, @ellegermany . For their November 2019 issue, the presumably white-led publication declares that “black is back”. Ironic when they, along with much of the fashion industry, have been complicit in denying visibility to black models until relatively recently. Oh, and apparently they can’t actually tell models apart. […] The issue, titled “Back to Black”, also features a white model on the cover. You can’t make this stuff up!”5
Auch Model Naomi Campbell äußerte sich schockiert zu dem Skandal und wandte sich via Instagram direkt an die Elle Chefredakteurin Sabine Nedelchev: “I’ve said countless of times we are not a TREND. We are here to STAY.”6 Die Kritik von Diet Prada und Campell ist, dass mit der Aussage “Schwarz ist wieder da” nicht nur die Farbe Schwarz, sondern auch die Hautfarbe als Trend erklärt wird. Es impliziert das weiße Models die Norm sind, während Schwarze eine temporäre Modeerscheinung darstellen, die so schnell wie sie kamen, wieder gehen können. Außerdem verwechselte Elle das Model Janaye Furmann mit Naomi Chin Wing und beleidigte damit nicht nur sie, sondern alle People of color7 , die das Vorurteil kennen, dass Menschen mit schwarzer Hautfarbe gleich aussehen. Alisha Mendgen appelliert in einem Zeit Kommentar:
“Models of Color verschwinden nicht nach einer Saison aus den Karteien, schwarze Menschen verschwinden nicht aus dem täglichen Leben, wenn Diversität wieder out sein sollte. Wir wollen nicht bloß die Sonderausgabe sein, nicht nur Teil eines Black-Features, um Magazine wie die Elle nach außen hin woke erscheinen zu lassen. Es reicht nicht, uns in nur einer Ausgabe besonders hervorzuheben.”8
In einem offiziellen Statement entschuldigt sich die Marke und schreibt: “This has definitely been a learning experience for us”.9 Die Kommentare unter dem Post lassen allerdings darauf schließen, dass diese Entschuldigung nicht ausreicht.
2.3. H&M
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3 Coolest Monkey in the Jungle10 Abb. 4 Survival Expert11
Eine Werbekampagne von H&M Anfang 2018, sorgte wegen eines Pullovers für große Aufruhr im Netz. Zu sehen ist ein schwarzer Junge in einem grünen Pullover mit der Aufschrift ”Coolest Monkey in the Jungle“ und ein weißes Kind mit der Aufschrift ”Survival Expert” auf seinem Pullover. Die Bilder gingen viral12 durch die Medien, sorgten für viel Aufregung und lösten eine Flut an Hasskommentaren aus. Prominente, wie TheWeeknd wurden darauf aufmerksam, woraufhin er weitere Kollaborationen mit H&M verweigerte. “woke up this morning shocked and embarrassed by this photo. I’m deeply offended and will not be working with @hm anymore...”13 Laut der Süddeutschen Zeitung rutschten H&Ms Aktien auf den tiefsten Stand, seit April 2009.14 Die Mutter des Kindes hingegen spricht konsequent gegen schlechte Absichten von H&Ms Seite aus: "Hört auf die ganze Zeit zu schimpfen, das hier ist ein unnötiges Problem. Kommt darüber hinweg"15
2.4 Anklage Analyse
Den Modeunternehmen wird vorgeworfen auf rassistische Weise mit ihren Produkten geworben zu haben. Diese Analyse wird sich damit beschäftigen, ob diese Anklage gechtfertigt ist und den Fragen nachgehen: Woraus resultierten die Skandale und was bedeuten sie? Die Skandale stehen an dieser Stelle repräsentativ für eine Vielzahl von rassistischen Modeskandalen und eignen sich besonders zur Analyse, auf Grund ihrer Aktualität, weil sie in den sozialen Medien polarisierten und von namenhaften Unternehmen stammen. Die Skandale entstanden erst durch die starke Empörung von People of Color, die sich in herrschenden Vorurteilen bestätigt sahen und ein klares “Machtgefälle” erkannten, dass mit der Typisierung von Schwarzen einhergeht.
“Any modern society that wants to protect its members against racial discrimination feels a need to clarify what is meant by this and this in turn invites clarification of what race is.”16
Der Ursprung des Rassismus mag nicht vollständig erschließbar sein, doch die Aufarbeitung der Geschichte zeigt, welche Idealismen und Systeme einst Grundbaustein unserer Gesellschaft waren.
3. Rassismus
3.1. Definition
Es gibt keine allgemein akzeptierte Definition von Rassismus, da verschiedene Interpretationen enge und weite Bedeutungen des Ausdrucks parallel benutzten. Im klassischen Sinne ist Rassismus eine Ideologie, welche die Menschheit in eine Anzahl von biologischen Rassen mit genetisch vererbbaren Eigenschaften einteilt und die so verstandenen “Rassen” hierarchisch einstuft.17 Der Duden beschreibt ihn als Lehre oder Theorie, nach der Menschen bzw. Bevölkerungsgruppen mit bestimmten biologischen Merkmalen hinsichtlich ihrer kulturellen Leistungsfähigkeit anderen von Natur aus über- bzw. unterlegen sein sollen.18 Rassismus wird häufig mit Fremdenfeindlichkeit oder Ausländerfeindlichkeit gleichgesetzt, ist aber von dessen zu unterscheiden, weil es nur Formen davon sind.19
3.2. Geschichte
“Modern racism has, by now, quite a long history of development”20
Wo der Ursprung des Rassismus liegt ist sehr umstritten. In jedem Fall ist die Bezeichnung jünger als das Bezeichnende und der Rassismus älter als die Namensgeburt bestimmenden Rassen.21 Benjamin Isaac nach lassen sich erste Züge bis in die Antike zurückverfolgen. In einer Schrift Aristoteles konstruiert dieser ein Bild des Barbaren, um die Sklaverei Griechenlands zu legitimieren. Eine Erfindung, die viele mit ihm teilten und die Eroberungskriege anderer Kulturen rechtfertigten. “barbarians are by nature more slavish then Greeks and those in Asia more so than these in Europe”22 Das klassische Konzept von Rassismus war vorherrschend in der Epoche des europäischen Kolonialismus und Imperialismus bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese pseudo-biologische Ideologie diente der Rechtfertigung des Kolonialismus, der Sklaverei, der Verbrechen der Nazis oder von Apartheidregimes23
Eine Liste an weiteren Beispielen bei denen Rassismus eine tragende Rolle spielt(e):
- Genozid in Rwanda und im ehemaligen Jugoslawien24
- Strukturelle Diskriminierung in den USA25
- Resultierende Rassenunruhen im Nahen Osten, die zur “Flut” von Flüchtlingen führte26
- Antisemitische, antimuslimische und ausländerfeindliche Stimmungen & Attentate in Europa27
- Diskriminierung der Burakumin-Minderheit in Japan28
- Indisches Kastensystem29
- Australische Assimiliationspolitik”30
- Brasilianische Rassenpolitik31
Der Rassismus ist weder natürlich noch universal oder in anderer Weise metahistorisch, sondern ein Produkt menschlicher Kultur, eine Hervorbringung menschlichen Denkens, eine Form menschlichen Handelns und somit ein durch und durch historisches Phänomen.32 Interessanter Weise müsste es ihn nach Wulf institutionell kaum mehr geben. Er befand sich als wissenschaftliches System bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts auf dem Rückzug und war als politisches System nach dem Nationalsozialismus “völlig diskreditiert” und verlor nach Ende der Apartheit seine letzte staatliche Bastion.33
3.3. Frantz Fanons „Schwarze Haut weiße Masken“
Frantz Fanon wurde 1925 im französischen Martinique geboren, er war ein Psychiater, Politiker und Philosoph und galt als Vordenker seiner Zeit mit seinen Arbeiten über Postkolonialismus, Rassismus und die Unterdrückung Schwarzer. In seinem erfolgreichsten Werk „Schwarze Haut Weiße Masken“, geht es um die Selbstentfremdung des Schwarzen und er argumentiert mit persönlichen Erfahrungen, die er in den postkolonialen Antillen gemacht hat. Fanon erwähnt zu Beginn seiner Arbeit, dass er unausweichlich seiner Epoche angehört und mit diesem Gedanken im Hinterkopf sollen seine Aussagen betrachtet werden.34
[...]
1 Fanon, Frantz: Schwarze Haut Weiße Masken. Wien 2013, S. 13.
2 Vgl. Bulkow, Kristin/Peterson, Christer: Skandale: Strukturen und Strategien öffentlicher Aufmerksamkeitserzeugung. Wiesbaden 2011, S.131.
3 Online unter: https://www.wuv.de/medien/elle_entschuldigt_sich_fuer_back_to_black_titel
4 Online unter: https://www.instagram.com/p/B4NOd4vnnmA/?hl=de
5 DietPrada: Not a good look. Online unter: https://www.instagram.com/p/B4NOd4vnnmA/?hl=de
6 Campbell, Naomi: Online unter: https://www.instagram.com/p/B4N43dDHJ9P/
7 eine Selbstbezeichnung von nicht-weißen Minderheiten vgl.https://www.ikud.de/glossar/people-of-color-poc-definition.html
8 Alisha, Mendgen: Hautfarbe ist kein Modetrend. Online unter: https://www.zeit.de/zeit-magazin/mode-design/2019-11/modebranche-dunkle-hautfarbe-modetrend-elle-magazin-diversitaet
9 Elle: Statement. Online unter: https://www.elle.de/statement
10 Online unter: https://www.lexisnexis.de/blog/medienbeobachtung/rassismus-skandal-hm
11 Online unter: https://www.lexisnexis.de/blog/medienbeobachtung/rassismus-skandal-hm
12 Durch Kontakt in den Sozialen Medien oder Ähnliches Verbreitung findend. Online unter: https://www.wortwurzel.de/VIRAL
13 TheWeeknd: woke up this morning. Online unter: https://twitter.com/theweeknd/status/950447182829699072
14 Höhn, Simone: H&M Skandal: Kalkür oder einfach nur blöd? Online unter: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.rassismus-in-der-werbung-h-m-skandal-kalkuel-oder-einfach-nur-bloed.0bf2d860-46e1-4f01-8848-77cd7747b47f.html
15 KleineZeitung: Werbeskandal bei H&M. Online unter: https://www.kleinezeitung.at/international/5352307/Kommt-darueber-hinweg_WerbeSkandal-bei-HM_Jetzt-meldet-sich-die
16 Isaac, Benjamin: The Invention of Racism in Classical Antiquity. Princeton, New Jersey 2006, S.28.
17 Vgl. http://rd.humanrights.ch/de/Menschenrechte-Themen/Rassismus/Begriff/index.html
18 Vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Rassismus
19 Vgl. Schultze, Günther: Ausländerfeindlichkeit und was man dagegen tun kann. S. 409. Online unter: http://195.243.222.33/gmh/main/pdf-files/gmh/1989/1989-07-a-404.pdf
20 Isaac: The Invention of Racism, S.5.
21 Vgl. Hund, Wulf D.: Rassismus. Bielefeld 2007, S.5.
22 Isaac: The Invention of Racism, S.73.
23 Vgl. Online unter: http://rd.humanrights.ch/de/menschenrechte-themen/rassismus/begriff/
24 Vgl. Geulen, Christian: Geschichte des Rassismus. München 2007, S.8.
25 Vgl. ebd., S.8.
26 Vgl. ebd., S.8.
27 Vgl. ebd., S.8.
28 Vgl. Hund: Rassismus. S.158.
29 Vgl. ebd., S.12.
30 Vgl. ebd., S.5.
31 Vgl. ebd., S.5.
32 Vgl. Geulen: Geschichte des Rassismus, S.7f.
33 Vgl. Hund: Rassismus, S.5.
34 Vgl. Fanon: Schwarze Haut weiße Masken, S.13.