Ziel dieser Arbeit ist es, die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung nach den §§193 ff. AO darzulegen, sowie verschiedene Auffassungen aus Verwaltung, Rechtsprechung und Literatur zu erörtern.
Die wichtigsten Grundsätze der Besteuerung sind gemäß §85 AO der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz und der Gleichmäßigkeitsgrundsatz. Um diesen zu entsprechen, ist es essentiell, dass die Finanzbehörden den Sachverhalt zutreffend und vollständig ermitteln. Daher erfolgt nach §88 Abs. 1 AO die Sachverhaltsermittlung von Amts wegen. Diese Pflicht zur Sachverhaltsermittlung wird ergänzt durch die Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen. Diese haben bei Erfüllung der jeweiligen Tatbestände zum Beispiel die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach den §§140 ff. AO und die Erklärungspflichten nach den §§149 ff. AO zu beachten.
Deshalb geht die Sachverhaltsermittlung der Finanzbehörden im Grundfall nicht über das Verlangen der Vorlage von Rechnungen oder über ein Benennungsverlangen gemäß §160 AO hinaus. Im Kern beschäftigt sich die Veranlagung demnach mit der Subsumtion der dargelegten Kennzahlen aus den Erklärungen unter den gesetzlichen Tatbestand. In bestimmten Fällen gebietet die Art und der Umfang des Sachverhalts jedoch eine Ausweitung der Sachverhaltsermittlung. Dazu hat der Gesetzgeber in den §§193 ff. der AO die Außenprüfung als besonderes Mittel im Ermittlungsverfahren geschaffen.
Dieser Teil des Ermittlungsverfahrens wird durch einen besonderen Verwaltungsakt - Prüfungsanordnung nach §196 AO - eingeleitet und stellt einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre des Steuerpflichtigen dar. Daher ist das aus Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes abgeleitete Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung der Gesetzmäßigkeit des staatlichen Handelns zu beachten. Dies bedeutet konkret, dass eine Außenprüfung grundsätzlich nur nach rechtmäßiger Prüfungsanordnung durchgeführt werden darf.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsbestimmungen
2.1 Außenprüfung
2.2 Prüfungsanordnung
2.3 Rechtmäßigkeit
3 Materielle Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung
3.1 Zulässigkeit der Außenprüfung
3.1.1 Allgemeines zur Zulässigkeit
3.1.1.1 Systematik des § 193 AO
3.1.1.2 Außenprüfung und Bestandskraft
3.1.1.3 Außenprüfung und Festsetzungsverjährung
3.1.1.4 Außenprüfung und Steuerstrafverfahren
3.1.2 Zulässigkeit der Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO
3.1.2.1 Tatbestandsmerkmale
3.1.2.2 Steuerpflichtiger im Sinne des § 193 Abs. 1 AO
3.1.2.3 Einkünfte im Sinne des § 193 Abs. 1 AO
3.1.3 Zulässigkeit der Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO
3.1.4 Zulässigkeit der Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO
3.1.5 Zulässigkeit der Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 3 AO
3.2 Umfang der Außenprüfung
3.2.1 Persönlicher Umfang
3.2.2 Gegenständlicher Umfang
3.2.3 Zeitlicher Umfang
4 Formelle Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung
4.1 Zuständigkeit
4.2 Form und Inhalt
4.3 Begründung
4.4 Bekanntgabe
5 Ergebnis
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Rechtsvorschriften
Verzeichnis der Verwaltungsanweisungen
Verzeichnis der Rechtsprechung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Die wichtigsten Grundsätze der Besteuerung sind gemäß § 85 AO der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz und der Gleichmäßigkeitsgrundsatz. Um diesen zu entsprechen, ist es essentiell, dass die Finanzbehörden den Sachverhalt zutreffend und vollständig ermitteln. Daher erfolgt nach § 88 Abs. 1 AO die Sachverhaltsermittlung von Amts wegen.
Diese Pflicht zur Sachverhaltsermittlung wird ergänzt durch die Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen.1 Diese haben bei Erfüllung der jeweiligen Tatbestände zum Beispiel die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach den §§ 140 ff. AO und die Erklärungspflichten nach den §§ 149 ff. AO zu beachten.
Deshalb geht die Sachverhaltsermittlung der Finanzbehörden im Grundfall nicht über das Verlangen der Vorlage von Rechnungen oder über ein Benennungsverlangen gemäß § 160 AO hinaus. Im Kern beschäftigt sich die Veranlagung demnach mit der Subsumtion der dargelegten Kennzahlen aus den Erklärungen unter den gesetzlichen Tatbestand.2
In bestimmten Fällen gebietet die Art und der Umfang des Sachverhalts jedoch eine Ausweitung der Sachverhaltsermittlung. Dazu hat der Gesetzgeber in den §§ 193 ff. der AO die Außenprüfung als besonderes Mittel im Ermittlungsverfahren geschaffen.3 Dieser Teil des Ermittlungsverfahrens wird durch einen besonderen Verwaltungsakt - Prüfungsanordnung nach § 196 AO - eingeleitet und stellt einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre des Steuerpflichtigen dar.
Daher ist das aus Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetztes abgeleitete Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung der Gesetzmäßigkeit des staatlichen Handelns zu beachten. Dies bedeutet konkret, dass eine Außenprüfung grundsätzlich nur nach rechtmäßiger Prüfungsanordnung durchgeführt werden darf.
Ziel dieser Arbeit ist es, die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung nach den §§ 193 ff. AO darzulegen, sowie verschiedene Auffassungen aus Verwaltung, Rechtsprechung und Literatur zu erörtern.
2 Begriffsbestimmungen
2.1 Außenprüfung
Die Außenprüfung ist ein spezielles Mittel im Ermittlungsverfahren, welches auf vollständige und abschließende Bearbeitung des jeweiligen Steuerfalls abzielt.4 Gemäß § 2 Abs. 1 der Betriebsprüfungsordnung - BpO 2000 - definiert die Verwaltung die Aufgabe der Außenprüfung als Ermittlung steuerlich bedeutsamer Sachverhalte zur Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nach § 85 AO.
Die Ermittlung erfolgt dabei vor Ort beim Steuerpflichtigen unter Einsichtnahme der Buchführung und der tatsächlichen Verhältnisse. Die Außenprüfung erzeugt bei Beginn eine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 4 AO und nach ihrem Ende eine Änderungssperre gemäß § 173 Abs. 2 AO für die Änderung wegen neuen Tatsachen. Außerdem soll nach dem Ende einer Außenprüfung ein möglicherweise vorhandener Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 3 Satz 3 AO aufgehoben werden.
2.2 Prüfungsanordnung
Die Prüfungsanordnung nach § 196 AO ist die formelle Einleitung des Außenprüfungsverfahrens. Als hoheitlicher Akt einer Finanzbehörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Außenwirkung handelt es sich dabei um einen Verwaltungsakt gemäß § 118 Satz 1 AO. Die Prüfungsanordnung wird nach § 124 Abs. 1 Satz 1 AO im Moment Ihrer Bekanntgabe wirksam. Genau zu diesem Zeitpunkt beginnt daher auch die rechtliche Wirkung der Außenprüfung.5
2.3 Rechtmäßigkeit
Eine Definition der Rechtmäßigkeit hat der Gesetzgeber nicht in die Abgabenordnung aufgenommen. Die Verwaltung und die Literaturmeinungen definieren den Begriff übereinstimmend wie folgt: Ein Verwaltungsakt ist rechtmäßig, wenn er im Zeitpunkt seines Wirksamwerdens nicht gegen das geltende Recht verstößt.6
Im konkreten Bezug auf den Verwaltungsakt Prüfungsanordnung bedeutet dies, dass die Anordnung im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe sowohl den materiellen als auch den formellen Vorschriften der Abgabenordnung entsprechen muss.
Für die Prüfung der materiellen Voraussetzungen sind die §§ 193 und 194 der Abgabenordnung einschlägig. § 193 AO beschäftigt sich dabei mit der Frage, bei welchem Steuerpflichtigen die Außenprüfung zulässig ist. Diese Vorschrift ergänzt § 194 AO dahingehend, was gegenständlich, zeitlich und persönlich bei dem zulässigen Prüfungssubjekt geprüft werden darf.7
Die Regelungen zur formellen Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung finden sich allgemein in den §§ 119 ff. AO, da ein Verwaltungsakt vorliegt. Dazu treten § 196 und § 197 der AO als Lex specialis mit weiteren Bestimmungen.
3 Materielle Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung
3.1 Zulässigkeit der Außenprüfung
3.1.1 Allgemeines zur Zulässigkeit
3.1.1.1 Systematik des § 193 AO
§ 193 AO lässt sich dogmatisch entsprechend der beiden Absätze unterteilen. Absatz 1 beschäftigt sich mit der Zulässigkeit von Außenprüfungen bei Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften und mit hohen Überschusseinkünften nach § 147a AO. Für nicht in Absatz 1 erfasste Steuerpflichtige finden sich in Absatz 2 bestimmte Voraussetzungen, unter denen auch bei ihnen Außenprüfungen zulässig sind.
Die Gemeinsamkeit beider Absätze ist die Intention des Gesetzgebers. Durch Außenprüfungen soll eine gerechte Besteuerung gesichert werden, indem man Steuerverkürzungen aufdeckt. Diese Absicht lässt sich anhand der letzten Änderung des Gesetzestextes zum 29.07.2009 durch Artikel 3 Nr. 5 des Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes8 nachvollziehen. Dabei wurde in § 193 Abs. 1 AO die Zulässigkeit der Außenprüfung bei Überschusseinkünften von mehr als 500.000 € im Kalenderjahr gemäß § 147a AO hinzugefügt, da diese Fälle oft hohe Mehrergebnisse mit sich bringen.9 Zusätzlich ergänzte man in § 193 Absatz 2 AO die Nummer 3, welche es ermöglicht Auslandssachverhalte besser nachzuprüfen.10
Unabhängig ob eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 oder Abs. 2 angeordnet werden soll, gelten allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen, die durch höchstrichterliche Rechtsprechung entschieden wurden.
3.1.1.2 Außenprüfung und Bestandskraft
Nach Auffassung des BFH ist eine Prüfungsanordnung auch dann zulässig, wenn eine Steuerfestsetzung bereits bestandskräftig ist und nicht unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO steht.11 In diesen Fällen stützen sich die Änderungen aufgrund der Außenprüfung im Regelfall auf das Bekanntwerden neuer Tatsachen gemäß § 173 AO. Dabei ist es für die Zulässigkeit der Prüfungsanordnung nicht notwendig, dass die Tatsachen bereits vor Anordnung bekannt geworden sind.12
3.1.1.3 Außenprüfung und Festsetzungsverjährung
Nach Literaturmeinung ist eine Außenprüfung unzulässig, wenn deren Ergebnisse unter keinen Umständen steuerlich verwertet werden dürfen.13 Dies wäre zum Beispiel bei eingetretener Festsetzungsverjährung der Fall. Laut BFH-Rechtsprechung ist die Außenprüfung bei eingetretener Festsetzungsverjährung jedoch nur unzulässig, wenn die Festsetzungsfrist offensichtlich abgelaufen ist und auch keine Indizien für eine Verlängerung oder Ablaufhemmung sprechen.14 Eine Außenprüfung kann daher auch bei möglicherweise eingetretener Festsetzungsverjährung angeordnet werden, weil die Frage der Verjährung meist nur durch die Prüfung beantwortet wird.15
Eine besondere Frage der Verjährung ist die Dauer der Verjährungsfrist nach § 169 Abs. 2 AO. Diese beträgt grundsätzlich 4 Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO), verlängert sich aber, soweit Steuern leichtfertig verkürzt oder hinterzogen wurden, auf 5 bzw. 10 Jahre gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO. Laut Kommentarmeinung darf nach abgelaufener vierjähriger Festsetzungsfrist wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung keine Außenprüfung, sondern nur eine Steuerfahndung durchgeführt werden.16 Der BFH teilt diese Rechtsauffassung nicht und hält die Außenprüfung zur Frage, ob Steuerhinterziehung vorliegt, auch nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist für zulässig.17
3.1.1.4 Außenprüfung und Steuerstrafverfahren
Die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens könnte einer Außenprüfung dahingehend entgegenstehen, dass der Steuerpflichtige von seinem Recht der Verweigerung der Mitwirkung nach § 393 Abs 1 Satz 2 AO Gebrauch machen könnte. Bereits aus dem Wortlaut des § 393 Abs. 1 Satz 1 AO ist jedoch ersichtlich, dass offenbar Steuerermittlungs- und Steuerstrafverfahren nebeneinander möglich sind. Laut BFH-Rechtsprechung ist die Fortsetzung der Außenprüfung auch dann zulässig, wenn ein Steuerstrafverfahren eingeleitet wird und der Steuerpflichtige von seinem Verweigerungsrecht nach § 393 Abs. 2 Satz 2 AO Gebrauch macht.18 Die Außenprüfung ermittelt dann insoweit nur noch die richtigen Besteuerungsgrundlagen, welche im Steuerstrafverfahren verwertet werden.19
3.1.2 Zulässigkeit der Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO
3.1.2.1 Tatbestandsmerkmale
§ 193 Abs. 1 AO enthält vier Alternativen der Zulässigkeit von Außenprüfungen. Bei jeder Alternative existieren dabei zwei Tatbestandsmerkmale. Erster Tatbestand ist stets der des Steuerpflichtigen als Grundvoraussetzung. Dazu tritt jeweils die in § 193 Abs. 1 genannte Einkunftsart als zweites Tatbestandsmerkmal.
Darüber hinaus ist keine weitere Tatbestandsvoraussetzung für die Zulässigkeit der Außenprüfung notwendig.20 Trotzdem bietet § 193 Abs. 1 AO nur die Möglichkeit der Durchführung einer Außenprüfung, die tatsächliche Anordnung hat durch Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nach § 5 AO zu erfolgen.21 Die Verwaltung hat sich dabei in § 2 Abs. 1 BpO selbst Maßstäbe für die Ermessensauslegung gesetzt: Demnach sollen bei der Ermessensausübung die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit der Mittel und des geringstmöglichen Eingriffs gewahrt werden. Der BFH konkretisiert diese Auslegung dahingehend, dass sich die Finanzbehörden nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen dürfen, die den steuerlichen Zweck in den Hintergrund verweisen.22
3.1.2.2 Steuerpflichtiger im Sinne des § 193 Abs. 1 AO
Prüfungssubjekt nach § 193 Abs. 1 AO kann nur sein, wer Steuerpflichtiger nach § 33 Abs. 1 AO ist.23 Dies ist bei natürlichen Personen und Körperschaften unproblematisch.
Natürliche Personen sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG sowohl persönlich als auch sachlich steuerpflichtig hinsichtlich der in § 193 Abs. 1 AO genannten Gewinn- und hohen Überschusseinkünfte. Dabei ist auf jede natürliche Person einzeln abzustellen. Dies gilt auch bei nach § 26b EStG zusammenveranlagten Ehegatten, denn jeder Ehegatte ist Steuerpflichtiger nach § 33 Abs. 1 AO.24
Für Körperschaften sind § 1 Abs 1 und § 8 Abs. 1 des KStG einschlägig, wonach diese als eigene Rechtssubjekte Steuerpflichtige hinsichtlich ihrer Einkünfte sind.
Fraglich ist dagegen, wer bei Personengesellschaften Prüfungssubjekt ist, da nach erfolgter einheitlicher und gesonderter Feststellung gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a) AO die Gesellschafter selbst einkommensteuerpflichtig sind. Der BFH hat diese Thematik für mitunternehmerische Personengesellschaften mehrfach entschieden und argumentiert folgendermaßen: Da die Gesellschaft nach den §§ 238 ff. des Handelsgesetzbuches und § 140 AO zur Buchführung verpflichtet ist, gilt sie auch insoweit als Steuerpflichtiger gemäß § 33 Abs. 1 AO und ist Prüfungssubjekt.25 Im Umkehrschluss sind bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft die Gesellschafter selbst Prüfungssubjekte.
3.1.2.3 Einkünfte im Sinne des § 193 Abs. 1 AO
Voraussetzung für die Zulässigkeit der Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO ist, dass der Steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb, land- und forstwirtschaftlichem Betrieb oder einer freiberuflichen Tätigkeit erzielt (Alternativen 1 - 3). Demnach sind grundsätzlich alle Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften zulässige Prüfungssubjekte. Eine Ausnahme besteht jedoch darin, dass nur Freiberufler nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG unter § 193 Abs. 1 AO fallen, sonstige in § 18 EStG genannte Personen können nur nach § 193 Abs. 2 AO zu einer Außenprüfung herangezogen werden.26 Die Zulässigkeit der Außenprüfung ist bei Freiberuflern im Sinne des § 102 AO, wie z. B. bei Steuerberatern oder Rechtsanwälten, trotz ihres Auskunftsverweigerungsrechts gegeben, da nur so der Gleichmäßigkeitsgrundsatz nach § 85 AO gewahrt werden kann.27
Laut Auffassung des BFH ist eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO auch zulässig, wenn dabei die Frage geklärt werden soll, ob überhaupt ein Gewerbebetrieb vorliegt. Voraussetzung dafür ist allerdings das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte nach § 15 Abs. 2 EStG für das Bestehen der gewerblichen Tätigkeit.28
Nach dem Wortlaut des § 193 Abs. 1 AO ist es Zulässigkeitsvoraussetzung, dass der Steuerpflichtige den jeweiligen Betrieb zum Zeitpunkt der Prüfung unterhält.29 Die höchstrichterliche Rechtsprechung legt die Vorschrift davon abweichend nach ihrem eigentlichen Zweck dahingehend aus, dass der Betrieb auch nach Aufgabe, Veräußerung oder Vererbung durch den vorherigen Unternehmer geprüft werden darf.30
Ein Streitpunkt zwischen Rechtsprechung und Literaturmeinung stellt der Umfang der Zulässigkeit einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO dar. Der BFH bekräftigt die Auffassung, dass auch private Verhältnisse des Unternehmers zulässiger Gegenstand der Außenprüfung sein können, da oft privater und betrieblicher Bereich miteinander verstrickt sind.31 Abweichend davon fordert die Literatur für die Erweiterung der Prüfung auf den privaten Bereich eine separate Prüfungsanordnung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO, welche mit ihren Voraussetzungen später thematisiert wird.32
Neben Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften können auch Steuerpflichtige im Sinne des § 147a AO zulässigerweise nach § 193 Abs. 1 AO geprüft werden (4. Alternative). Darunter fallen gemäß § 147a Abs. 1 Satz 1 AO Steuerpflichtige mit einer Summe ihrer Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG (Überschusseinkünfte) von mehr als 500.000 € im Kalenderjahr. Diese Summe ist bei zusammenveranlagten Ehegatten nach § 147a Abs. 1 Satz 2 AO für jeden Ehegatten getrennt zu ermitteln.
Ebenso erfasst ist § 147a Abs. 2 AO, laut dem beherrschende Drittstaaten-Gesellschafter besondere Aufzeichnungspflichten zu beachten haben. Auch für sie gilt § 193 Abs. 1 AO als Zulässigkeitsvoraussetzung für Außenprüfungen.
3.1.3 Zulässigkeit der Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO
Gemäß § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO ist eine Außenprüfung bei nicht in Absatz 1 genannten Steuerpflichtigen zulässig, soweit die Prüfung Steuern betrifft, die der Steuerpflichtige auf Rechnung eines anderen einzubehalten und abzuführen hat. Dies ist vor allem im Bereich der Lohnsteuer der Fall, bei welcher der Arbeitgeber nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG die Lohnsteuer vom Arbeitslohn einzubehalten hat. Unter § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO fallen somit Arbeitgeber, die nicht schon in Absatz 1 erfasst sind, beispielsweise Vermieter mit geringen Einkünften, welche Arbeitnehmer beschäftigen. Andere Fälle des Absatzes 2 Nr. 1 sind z. B. die Kapitalertragsteuer und die Bauabzugsteuer.33
Ebenso wie in Absatz 1 genügen konkrete Anhaltspunkte für die Pflicht der Abführung der Steuer für Dritte, daher kann eine Außenprüfung auch zum Zweck der Feststellung der Arbeitgebereigenschaft angeordnet werden.34
3.1.4 Zulässigkeit der Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO
Nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO ist eine Außenprüfung bei Steuerpflichtigen zulässig, die keine Einkünfte im Sinne des Absatzes 1 erzielen und deren für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse aufklärungsbedürftig sind. Zudem darf die Prüfung des Sachverhalts in der Finanzbehörde nach Art und Umfang nicht zweckmäßig sein. Steuerpflichtige in diesem Sinne sind solche mit Überschusseinkünften unter 500.000 € und solche mit sonstigen selbständigen Einkünften nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 EStG.35
Zur Erfüllung des Tatbestands der Aufklärungsbedürftigkeit sind laut BFH-Rechtsprechung konkrete Anhaltspunkte dafür notwendig, dass der Steuerpflichtige seine Steuererklärungen nicht, nicht vollständig oder mit unrichtigem Inhalt abgegeben hat.36 Als Anhaltspunkt reicht dabei die begründete Erfahrung der Finanzverwaltung aus, dass die Möglichkeit einer solchen Erklärung besteht.37 Die Rechtsprechung legt dieses Tatbestandsmerkmal also sehr weit aus. Laut Literaturmeinung sind die Finanzbehörden aber dahingehend eingeschränkt, dass sie nicht „ins Blaue hinein“ tätig werden dürfen, sondern stets objektive Beweisanzeichen für das Entstehen einer Steuerschuld oder für das Vorliegen von Steuerverkürzung haben müssen.38
[...]
1 Vgl. Niewerth in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, Rn. 1 zu § 88 AO
2 Vgl. Grashoff, Dietrich, Grundzüge des Steuerrechts, Rn. 583
3 Vgl. Koenig/Intemann, AO, Rn. 1 zu § 193 AO
4 Vgl. Koenig/Intemann, AO, Rn. 14 zu § 193 AO
5 Vgl. Meyers in Braun/Günther, Das Steuer-Handbuch - ABC-Praxis des Steuerrechts, Stichwort „Außenprüfung, Prüfungsanordnung“ S. 1
6 Vgl. AEAO Nr. 1 zu § 131 AO; Klein/Rüsken, AO, Rn. 20 zu § 130 AO
7 Vgl. Klein/Rüsken, AO, Rn. 1 zu § 194 AO
8 Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung, BGBl. I 2009 S. 2302 BStBl. I 2009 S. 826, in Kraft getreten am 01.08.2009
9 Vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 16/12852, S. 10, Begründung zu Artikel 3 Nr. 5 a)
10 Vgl. Deutscher Bundestag, a.a.O., Begründung zu Artikel 3 Nr. 5 b)
11 Vgl. BFH, Urteil vom 28.03.1985 - IV R 224/83, BStBl. II 1985 S. 700
12 Vgl. Koenig/Intemann, AO, Rn. 23 zu § 193 AO; BFH, Urteil vom 11.04.1990 - IV R 167/86, BStBl. II 1990 S. 772, Leitsatz Tz. 2
13 Vgl. Koenig/Intemann, AO, Rn. 26 zu § 193 AO
14 Vgl. BFH, Urteil vom 10.04.2003 - IV R 30/01, BStBl. II 2003 S. 824, Rn. 14
15 Vgl. BFH, Urteil vom 23.07.1985 - VIII R 48/85, BStBl. II 1986 S. 433, Rn. 12 a.E.
16 Vgl. Niewerth in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, Rn. 7 zu § 193 AO; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Rn. 6 zu § 193 AO
17 Vgl. BFH, Urteil vom 04.11.1987 - II R 102/85, BStBl. II 1988 S. 113; BFH, Beschluss vom 13.01.2010 - X B 113/09, BFH/NV 2010 S. 600
18 Vgl. BFH, Urteil vom 19.08.1998 - XI R 37/97, BStBl. II 1999 S. 7
19 Vgl. Niewerth in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, Rn. 7 zu § 193 AO
20 Vgl. Andrascek-Peter/Braun, Lehrbuch Abgabenordnung, Rn. 712; BFH, Urteil vom 02.10.1991 - X R 1/88, BStBl. II 1992 S. 274
21 Vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Rn. 3 zu § 193 AO; Deutscher Bundestag, Drucksache VI/1982, S. 161
22 Vgl. BFH, Urteil vom 28.09.2011 - VIII R 8/09, BStBl. II 2012 S. 395, Rn. 27
23 Vgl. Koenig/Intemann, AO, Rn. 33 zu § 193 AO
24 Vgl. Koenig/Intemann, AO, Rn. 48 zu § 193 AO
25 Vgl. BFH, Urteil vom 16.11.1989 - IV R 29/89, BStBl. II 1990 S. 272, Rn. 6; BFH, Beschluss vom 19.02.1996 - VIII B 4/95, BFH/NV 1996 S. 660, Rn. 12
26 Vgl. Klein/Rüsken, AO, Rn. 36 zu § 193 AO
27 Vgl. BFH, Urteil vom 08.04.2008 - VIII R 61/06, BStBl. II 2009 S. 579, Rn. 13
28 Vgl. BFH, Urteil vom 23.10.1990 - VIII R 45/88, BStBl. II 1991 S. 278, Rn. 20
29 Vgl. Klein/Rüsken, AO, Rn. 37 zu § 193 AO
30 Vgl. BFH, Urteil vom 24.08.1989 - IV R 65/88, BStBl. II 1990 S. 2, Rn. 13 und 14
31 Vgl. BFH, Urteil vom 28.11.1985 - IV R 323/84, BStBl. II 1986 S. 437, Rn. 9
32 Vgl. Koenig/Intemann, AO, Rn. 47 zu § 193 AO; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Rn. 20 zu § 193 AO
33 Vgl. Koenig/Intemann, AO, Rn. 78 zu § 193 AO
34 Vgl. BFH, Urteil vom 01.08.1986 - VI R 26/85, BFH/NV 1987 S. 77, Rn. 8
35 Vgl. Koenig/Intemann, AO, Rn. 83 zu § 193 AO
36 Vgl. BFH, Urteil vom 05.11.1981 - IV R 179/79, BStBl. II 1982 S. 208-211, Rn. 21; BFH, Urteil vom 07.11.1985 - IV R 6/85, BStBl. II 1986 S. 435, Rn. 13
37 Vgl. BFH, Urteil vom 16.12.1986 - VIII R 123/86, BStBl. II 1987 S. 248, Rn. 22
38 Vgl. Klein/Rüsken, AO, Rn. 41 zu § 193 AO