Von Interesse für diese Arbeit ist der erste Traum, in dem Heinrichs Gefühlswelt dargelegt und damit das Primat der Aufklärung, Erkenntnisse durch die empirische Beobachtung der Natur zu gewinnen, umgekehrt wird. Novalis sucht die Erkenntnis sozusagen nicht im Äußeren, sondern im Inneren. Überdies zeigt der Traum, so wie er zu einem Ort der Erfahrbarkeit und Präsenz wird, nicht mehr stellvertretend auf etwas Abwesendes, sondern erzeugt etwas Neuartiges.
Bewerkstelligt wird dies durch Erzählstrategien der performativen Präsenzerzeugung, die teilweise mit Novalis’ Romantisierungspostulat korrespondieren. Um diese Strategien aufzuspüren, verwende ich größtenteils das textbezogene Performativitätskonzept nach Häsner et al., welches eine geeignete Trennschärfe zur Strukturierung der performativen Elemente darbietet. Zuvor jedoch folgt ein kurzer Querschnitt in Novalis’ Denken, sodass sich etwas mehr erhellt, welche Ambitionen ihn zur Wiederverzauberung der Welt treiben.
Die Epoche der Aufklärung wurde einst als „Entzauberung der Welt“ bezeichnet. In ihrer Dialektik der Aufklärung demonstrieren Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, wie durch das wissenschaftliche Kalkül seit der Neuzeit nicht nur Mythen aufgelöst werden, sondern auch das menschliche Vorstellungs- und Abstraktionsvermögen und damit auch das Sinnliche verdrängt werden. Die Aufklärung trägt so gesehen eine totalisierende Dynamik in sich, welche auch schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit Argwohn betrachtet wurde.
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Tendenzen seiner Zeit
3. Theorien des Performativen
3.1 Das sprachphilosophische Performanzkonzept
3.2 Das literaturwissenschaftliche Verständnis der Performativität
4. Das Performative im Traum des Heinrich von O fterdingen
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Epoche der Aufklarung wurde einst als „Entzauberung der Welt"1 bezeichnet. In ihrer Dialektik der Aufklärung demonstrieren Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, wie durch das wissenschaftliche Kalkül seit der Neuzeit nicht nur Mythen aufgelöst werden, sondern auch das menschliche Vorstellungs- und Abstraktionsvermögen und damit auch das Sinnliche verdrängt werden.2 Die Aufklärung trägt so gesehen eine totalisierende Dynamik in sich, welche auch schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit Argwohn betrachtet wurde. So kritisiert besonders Johann Gottfried Herder in Anlehnung an Alexander G. Baumgartens „anthropologisch fundierte Asthetik"3 die mit der Aufklärung einhergehende Erkenntnislehre dahingehend, dass eine „Austreibung des Dunklen [...] dem Menschen nicht dazu [verhilft], seine Realität besser zu sehen."4 In diesen und weiteren Kritiken, aber auch Erneuerungsbestrebungen, wird eine Diskussion um eine „Neubestimmung des Menschen [entfacht], die einen jahrhundertmittenspezifischen Lebensweltverlust des Menschen zu kompensieren versuch[t]"5 und zum Ende des 18. Jahrhunderts in der Frühromantik ihre ästhetische Antwort findet. Der wohl exponierteste Vertreter dieser Antwort ist Friedrich von Hardenberg, bekannt als Novalis.6 In seinem Bestreben, der Entfremdung des Menschen entgegenzuwirken, ist er, so wie Herder, von der emanzipatorischen Wirkung der Poesie7 überzeugt und beschäftigt sich ebenfalls philosophisch mit den Möglichkeiten das Sein und darüber hinaus auch das Chaos zu denken.8 Davon fasziniert, dass diese Phänomene nicht wirklich begreifbar sind, aber „trotzdem [...] eine Ahnung davon"9 existiert, entwickelt er ein elementares Kennzeichen seiner Dichtung: Was philosophisch nur als Ideal figuriert werden kann - so wie im zeitgenössischen Idealismus -, wird durch die weltverändernde Kraft der Poesie realisiert.10 Konkret ruft Novalis zur weltumfassenden Romantisierung auf. In seinem berühmt gewordenen Fragment Nr. 105 ermutigt er zur Selbstreflexion der Poesie, die ihre Möglichkeitsbedingungen herauskehrt und ihren eigenen ästhetischen Wahrheitsdiskurs etabliert. Diese Art von Poesie ist einer anthropologisch fundierten Weltbetrachtung zugeneigt. Gleichzeitig wendet sie sich vom traditionellen Gedanken der Mimesis ab.11 Anstelle der Nachahmung vorgegebener Wirklichkeiten, geht es mit Blick auf die „schopferische Kraft [und] geistige Bemuhung des Menschen urn die Schaffung einer Welt, die zwar in der Gegenwart abwesend ist, aber vom Künstler und Schriftsteller als wirklich wahrgenommen wird."12 In diesem Impetus der Gegenaufklärung erwächst der frühromantische Geist, der gleichsam der Aufklärung ein „Konzept zur Verbesserung der Welt"13 mit sich bringt,14 dieses jedoch auf ein überbietendes und nach ihrer Vorstellung ganzheitlicheres Fundament stellt.15
Wie das poetisch realisiert wird, demonstriert Novalis beispielhaft mit seinem letzten, unvollendeten Roman, dem Heinrich von Ofterdingen,16 der 1802 post mortem veröffentlicht wurde (nachfolgend HvO abgekürzt). Darin begegnet der gleichnamige Protagonist bei seinem Reifeweg zum Dichter einer Reihe von Personen, die ihm und damit dem Leser17 die Poesie näherbringen und ihn sukzessive an das sogenannte goldene Zeitalter als erlösendes Ziel bringen.18 Von Interesse für diese Arbeit ist hierbei der erste Traum, in dem Heinrichs Gefühlswelt dargelegt und damit das Primat der Aufklärung, Erkenntnisse durch die „empirische Beobachtung der Natur"19 zu gewinnen, umgekehrt wird. Novalis sucht die Erkenntnis sozusagen nicht im Äußeren, sondern im Inneren. Überdies zeigt der Traum, so wie er „zu einem Ort der Erfahrbarkeit und Prasenz"20 wird, nicht mehr stellvertretend auf etwas Abwesendes, sondern erzeugt etwas Neuartiges.
Bewerkstelligt wird dies durch Erzählstrategien der performativen Präsenzerzeugung, die teilweise mit Novalis' Romantisierungspostulat korrespondieren. Um diese Strategien aufzuspüren, verwende ich größtenteils das textbezogene Performativitätskonzept nach Häsner et al., welches eine geeignete Trennschärfe zur Strukturierung der performativen Elemente darbietet. Zuvor jedoch folgt ein kurzer Querschnitt in Novalis' Denken, sodass sich etwas mehr erhellt, welche Ambitionen ihn zur Wiederverzauberung der Welt treiben.
2. Die Tendenzen seiner Zeit
Für eine nähere Betrachtung des HvO ist eine zumindest fragmentarische Konturierung der philosophischen und literarischen Impulsgeber, zu denen letztlich auch Novalis selbst gehört, fruchtbar. Was sich hier abzeichnet, ist eine Serie der Überbietung, die das ausgehende 18. Jahrhundert als Solche charakterisiert und Novalis' Produktionsästhetik21 auszeichnet. So gehen dem magischen Idealismus des Novalis als Erweiterung des Idealismus22 intensive Studien mit Johann Gottlieb Fichte voraus. Was Fichte wiederum vorausgeht, ist die von ihm als halbwertig empfundene ,kopernikanische Wende in der Erkenntnislehre', ausgelost durch Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft (erstveröffentlicht im Jahre 1781). Nach Kant ist es so, dass Erkenntnis nicht durch Gegenstände, sondern durch die von den Gegenständen gemachten Begriffe, die sich das Erkenntnisorgan aneignet, generiert wird. Daran zeichnet sich auch die zugrundeliegende Erkenntnisstruktur des Menschen ab: Er nimmt die Welt nicht so wahr, wie sie tatsächlich ist, sondern so wie sie ihm räumlich und zeitlich erscheint, wodurch der Mensch mit seiner natürlichen wahrnehmungsbezogenen Prädisposition an der Formung seiner Welt mitbeteiligt ist. Fichte geht noch einen Schritt weiter: Für ihn ist der Mensch nicht nur teilweise, sondern vollständig an der Formung der Welt beteiligt. Die gesamte objektive Realität geht hervor aus einer Tathandlung des Ich,23 sodass in „konsequenter Fortfiihrung des idealistischen Denkansatzes alles Sein aus dem Bewusstsein abgeleitet"24 wird. Das heißt, die dem Subjekt antipodisch entgegengesetzte Objektwelt wird unter der Einbildungskraft des Menschen vollständig aus eigenem Schöpfungsimpetus erzeugt. Damit spricht Fichte das grenzenlose Potenzial und die damit einhergehende grenzenlose Freiheit des Menschen an.25 In dieser Hinsicht übt seine Philosophie auf die Künstler und Literaten seiner Zeit eine große Faszination aus.26 Von Novalis' engem Freund Friedrich Schlegel wird er „in [dem] bekannten ,Athenaums' -Fragment 216 neben der Franzosischen Revolution und Goethes ,Wilhelm Meister' zu den ,groBten Tendenzen des Zeitalters'"27 gezählt.
Aus derselben Feder entstammt auch das wohl weitaus bekanntere 116. Athenäums-Fragment, das in dreifacher Weise zu künstlerischen Grenzüberschreitungen aufruft.28 Hier heiBt es gleich zu Beginn: „Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie."29 Der Leitgedanke zur grenzüberschreitenden Universalität30 betrifft dabei erstens die traditionellen literarischen Grenzen von Drama, Epik und Lyrik, um „alle getrennte[n] Gattungen [...] wieder zu vereinigen".31 Zweitens die der Kunst und Wissenschaft, sodass „die Poesie mit der Philosophie und Rhetorik in Beriihrung"32 kommt. Und drittens die der Kunst und des Lebens, da die romantische Poesie „das Leben und die Gesellschaft poetisch machen"33 möchte. Der Begriff der Progressivität meint - neben dem überbietungsgeleiteten Fortschrittsgedanken, der sich dezent in der Programmatik, „alle Poesie [soil] romantisch sein"34, durchsetzt -das unendliche Fortschreiten an sich. Das heißt, dass „[d]ie romantische Dichtart [...] ewig nur werden, nie vollendet sein kann."35
Überdies meint es auch die aktive Bezugnahme auf andere Epochen, Texte und Autoren sowie die nie endenden Dialoge (textbasiert) zwischen diesen. Damit spricht Schlegel in etwa das an, was „die heutige Literaturwissenschaft als die Intertextualitat von Literatur"36 versteht. Trotz verschiedengestaltiger Verflechtungen, sind „alle Teile ähnlich organisiert, wodurch ihr die Aussicht auf eine grenzenlos wachsende Klassizität eröffnet wird."37 Während Schlegel damit auf die verschiedenen Querbezüge verweist, macht er an anderer Stelle auch die Selbstbezüglichkeit der Poesie stark. Mit der poetischen Reflexion macht sich die Poesie selbst zum Gegenstand und damit zur Transzendentalpoesie,38 die nach ihren Möglichkeitsbedingungen fragt. Es ist also eine Poesie, die nicht lediglich etwas darstellt, sondern zugleich den Prozess dieser Darstellung reflektiert und diese somit „potenzieren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen"39 kann. das Sein. Siehe dazu: Blanckenburg: Versuch über den Roman. Zitate: Ebd. S. 18, S. 355. Zitiert nach: Shi Yen: Literatur und Performanz um 1800. S. 33.
Dieser Vorgang fasziniert auch Novalis.40 In seinem Fragment Nr. 105 heißt es: „Die Welt muss romantisiert werden. [...] Romantisieren ist nichts, als eine qualitative] Potenzierung. Das niedre Selbst wird mit einem bessern Selbst in dieser Operation identifiziert." (Bd. II, S. 545, Nr. 105) Ähnlich wie bei Schlegel wird hierbei auch an eine Verknüpfung verschiedenartiger Elemente von unterschiedlicher Komplexität gedacht. So wird auch hier die Grundlage gesetzt, das Einfache mit dem Komplexen, das Bekannte mit dem Unbekannten in Verbindung zu setzen. Gleichermaßen wird in umgekehrterBewegung das „H6here [und] Mystische" (II, S. 545, Nr. 105) mit einem „gelaufigen Ausdruck" (II, S. 545, Nr. 105) versehen, was der zur Potenzierung entgegengesetzten Operation der Logarithmisierung (oder auch Depotenzierung) entspricht.41 Mit diesen dynamischen Komplexitätsskalierungen, die auf „ Alltagserfahrungen absteigen und von ihr ausgehen"42, operiert auch Novalis' Roman HvO. So knüpft er an bekannte Erfahrungsmuster an, steht damit „auf dem Boden der empirischen Welt",43 imaginiert aber den „Kopf seines Protagonisten Heinrich poetisch „in den Wolken".44 Damit wird der poetische Sollzustand, also das Denken und Empfinden gleichermaßen umfassende goldene Zeitalter, als Erlösung von der Entfremdung angestrebt. Erreicht wird dies, indem das Werk gelesen wird. Und damit, also mit Blick auf seine Rezeptionsästhetik45, werden Anknüpfungspunkte zum literaturwissenschaftlichen Performativitätsverständnis impliziert, nicht jedoch ohne Reibungspunkte aufzuweisen. Um dem nachzugehen und die Methode der Analyse zu erklären, entfalte ich im folgenden Kapitel das Thema der Performativität.
3. Theorien des Performativen
Das Forschungsfeld des Performativen hat mehrere Ursprünge und ist nicht auf einen einförmigen Theoriekern zurückzuführen. Unabhängig von seinen verschiedenen Ausprägungen, die sich bisweilen in den Sprach- und Kulturwissenschaften etabliert haben, liegen dem Performativen zwei Eigenschaften zugrunde: Die der (sozialen) Wirklichkeitskonstituierung und der Selbstreferentialität.46 Was hier im Folgenden überblickt wird, ist eine kurze Historie des Begriffs, als auch ein Blick auf eine für die Untersuchungen fruchtbare Selektion der mittlerweile facettenreichen Ausprägungen des Performanzkonzepts.47
3.1 Das sprachphilosophische Performanzkonzept
Der Begriff der Performanz48 wurde von dem Sprachphilosophen John L. Austin geprägt. In seiner 1955 gehaltenen Vorlesung Zur Theorie der Sprechakte (Original: How to do things with words) postuliert er, dass durch die Verwendung von Sprache nicht nur etwas konstatiert wird, sondern darüber hinaus durch Sprechen auch reale Tatbestände geschaffen werden können. So wird durch die ,Erklärung von einem Zum anderen, weil auch Hans Rudolf Velten, der im Folgenden zu den Verbindungslinien zwischen Performativitätsforschung und Literaturwissenschaft angeführt wird, von dem Rezeptionsbegriff ausgeht. Zum Begriff der Rezeptionsästhetik vgl.: Gfrereis: Grundbegriffe der Literaturwissenschaft. S. 158, 230; Wünsch: Rezeption. In: Literaturwissenschaftliche Lexikon. S. 342f.
Mann und einer Frau zu einem Ehepaar' ein sozialer Fakt konstituiert.49 Oder etwa durch eine Äußerung wie ,Ich eröffne hiermit die Sitzung'.50 Dabei handelt es sich um einen performativen Sprechakt. Was hier bereits offensichtlich wird, sind zwei wesentliche Eigenschaften des Performativen: Zum einen die Schaffung eines realen Tatbestandes durch das Sprechen. Zum anderen die Selbstreferentialitat, bei der „das performative Verb eine Selbstbeschreibung dessen, was es tun wird"51 darbringt. Nicht ganz so offensichtlich, jedoch elementar für die nachfolgende Analyse, ist dessen „Fahigkeit, dichotomische Begriffsbildungen zu destabilisieren, ja zum Kollabieren zu bringen."52 Das Sprechen als Handlung entzieht sich also dem Konstativen, ist inkommensurabel. Als Handlung kann es weder reproduziert, noch vergleichend nebeneinandergestellt werden. Es geschieht im Hier und Jetzt. Damit wird eine weitere grundlegende Eigenschaft und gleichzeitige Bedingung formuliert: Die ich-hier-jetzt-Deixis, die mit der „zentrale[n] Bedeutung der Simultaneity von Sprechen und Handeln"53 einhergeht. Für eine literaturwissenschaftliche Untersuchung wie die Folgende ist diese Bedingung augenscheinlich problematisch, da die Rezeption des HvO zeitlich und räumlich unabhängig vom Autor geschieht. Das stellt das Konzept vor Fragen, die im Folgenden behandelt werden.
3.2 Das literaturwissenschaftliche Verst ändnis der Performativität
Was in der literaturwissenschaftlichen Auffassung von Performativität besonders im Fokus steht - dies geht mit der Destabilisierung dichotomischer Begriffsbildungen einher - sind die Praktiken des Aufführens und Wahrnehmens, die Präsenz, Körperlichkeit und Materialität hervorbringen, sich jedoch einem hermeneutischen und semiotischen Zugang entziehen.54 Um dies zu verstehen, ist es hilfreich, die dichotomische Aufspaltung von Textualität und Performativität zu veranschaulichen, die sich im Zuge des sogenannten performative turn55 Ende der 50er-Jahre konsolidiert hat. Gemeint ist die disziplinübergreifende Gegenüberstellung von der Metapher „Kultur als Text", bei dem in Rückgriff auf Max Weber und Clifford Geertz56 „[e]inzelne kulturelle Phanomene ebenso wie ganze Kulturen [...] als ein strukturierter Zusammenhang von Zeichen begriffen"57 werden und der Metapher „Kultur als Performance"58, bei der sich Kulturen zu einem betrachtlichen Teil durch ihre .cultural performances' definieren und damit selbst aufführen.59 Etwas eingehender kann diese Zweiteilung, dessen Initiatoren im Bereich der Anthropologie und Ethnologie zu verorten sind,60 an der theaterwissenschaftlichen Adaption skizziert werden. Hier wird die traditionelle Auffassung, die dem Dramentext gegenüber der Inszenierung den Vorrang gibt, invertiert.61 So wird nicht nur die transitorische und ereignishafte Aufführung in den Mittelpunkt geriickt (womit die Bedingung des ,Hier und Jetzt' auch hier verankert ist), sondern es wird zudem der Körper des Schauspielers in seinem phänomenalen Auftreten betont. Ohne sich auf etwas Vorgegebenes zu beziehen, also selbstreferentiell, bringt der Körper aus sich selbst heraus etwas Neues hervor.62 Ein Ausschnitt aus einer 1903 von Hermann Bahr verfassten Rezension zu „Max Reinhardts Inszenierung der Sophokleischen Elektra"63 kann diese Körperbetonung im Kontrast zur traditionellen Theaterauffassung erhellen: „Ein nackter Mensch, auf das Letzte zurückgebracht. Ausgestoßen wie die Nacht. HaB geworden. [...] Schreie, wie aus ferner Urzeit her, Tritte des wilden Tieres, Blicke ins ewige Chaos."64 Seine gesamte Rezension enthält kaum Beschreibungen des Dargestellten, weder Gesten einer Papstrede), sondern viel mehr das oszillierende Spannungsverhältnis zwischen den beiden Ansätzen rückt dabei in den Fokus. Eine solche Betrachtungsweise, so Häsner et al., konvergiert mit den allgemeinen Tendenzen der Literaturwissenschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Vgl. Häsner et al.: Text und Performativität. Zitat: S. 70. noch Körperhaltungen. Vielmehr wird einsichtig, dass die Darstellung einen schonungslosen Eindruck bei ihm hinterließ. Und damit, so stellt die Theaterwissenschaftlerin Erika Fischer-Lichte fest, zeigt er, dass die Schauspielerin Getrud Eysoldt Grenzen überschritten hat. Da sich dies auch bei anderen Kritiken zu ihrer Darstellung herauskristallisiert, gelangt Fischer-Lichte zu der These, dass sich die Grenzuberschreitung an zwei Momenten festmachen lasst: „[E]rstens die Körperverwendung der Schauspielerin, ihren Umgang mit dem Leib sowie zweitens das Verhältnis zwischen Bühne und Publikum, zwischen Schauspielern und Zuschauern."65 Allen Normen der griechischen Tragödie zum Trotz, ging sie mit ihrem Körper in einer gewaltvollen Weise um. Dies ließ die Zuschauer auf Basis ihrer Empathie daran partizipieren. Daraus folgt: Anstelle einer Illusion im Sinne übermittelter Zeichen, die es auf sich einwirken zu lassen gilt, ist die Aufführung ein „Spiel, Aller fur Alle. Ein Spiel in dem Alle Teilnehmer sind, [...]. Das Publikum ist sozusagen Schöpfer der Theaterkunst"66, indem die entstehenden Gefühle und unmittelbaren Assoziationen in den Rezeptionsprozess einfließen.
Dieser koproduzierende Schöpfungsimpetus rezeptionsästhetischer Art ist auch in der literaturwissenschaftlichen Auffassung von Performativität dominant. Demnach werden vor allem die prinzipiell inhaltliche Offenheit des Textes und die damit konvergierende Lesepraxis in ihrem dynamischen Rezeptionsprozess betont, wofür Bernd Häsner et al. den Begriff der ,funktionalen Performativität' vorschlagen.67 Neben den „nicht-intendierten Emergenzeffekte[n]"68, zielt der Begriff auf den außertextuellen Wirkungsgrad, einschließlich seiner gesellschaftlichen Zirkulation, der Einbindung in kulturelle Praktiken sowie seiner materiellen Existenzform ab. Diesbezüglich sei auf Stephen Greenblatts Betonung der Durchlässigkeit zwischen Text und Gesellschaft verwiesen, „wenn er Texte als Instrument der ,Zirkulation sozialerEnergie'betrachtet."69
[...]
1 Adorno; Horkheimer: Dialektik der Aufklärung. S. 12; Dabei beziehen sich die beiden Theoretiker der Frankfurter Schule auf Max Weber, der in seinem Vortrag Wissenschaft als Beruf von 1917 das Verhältnis von zunehmender Intellektualisierung und tatsächlicher Lebenskenntnis als ungleichmäßig darstellt. Vgl.: Weber: Wissenschaft als Beruf.
2 Dabei wird damit nicht allein die philosophische Denkweise des Rationalismus kritisch hinterfragt, auch die fortschreitende gesellschaftliche Tendenz zu rein zweckorientierten Lebensweisen bis hin zum Kapitalismus werden in ihren Zusammenhängen aufgezeigt und angeklagt. Vgl.: Haslinger: Die Ästhetik des Novalis. S. 28.
3 Shih Yen: Literatur und Performanz im deutschen Roman um 1800. S. 26; Konkret formuliert Herder diesen Gedanken in Vom Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele: „Vor solchem Abgrunde dunkler Empfindungen, Kräfte und Reize graut unserer hellen und klaren Philosophie am meisten: [...]". Siehe: Ebd. S. 179f.
4 Shih Yen: Literatur und Performanz im deutschen Roman um 1800. S. 26f; Alternativ zur Schulphilosophie entwickelt er einen Ansatz uber den Begnff des Seins, der „unzerghederlich" und „indemonstrabel" als „Grundlage aller andern Erfahrungsbegnffe" dient. Im Begnff des Seins mundet die Einheit der Vielheit, welche in anderen Begriffen höchstens teilweise garantiert wird. In diesem Gegenentwurf zur siegesbewussten Rationalisierungsdynamik steckt nicht allein die Rückbesinnung zu der sinnlichen Erfahrung, vielmehr erhebt Herder das Sein zur philosophischen Grundlage seiner Poesietheorie (zur Definition der Poesie siehe Anm. 7). So spricht er der Poesie darauf aufbauend das Potenzial zu, die in der Welt bestehende ,Manmgfaltigkeit zu vereimgen', als auch em nicht kommensurables Erkenntnisfundament zu etablieren. Vgl.: Herder: Über das Sein. S. 12. Zitate: Ebd.
5 Marquard: Der angeklagte und der entlastete Mensch in der Philosophie des 18. Jahrhunderts. S. 195.
6 Zu dem lateinischen Pseudonym Novalis, was so viel wie „der Neuland Bestellende" heiflt, bekannte sich von Hardenberg mit seiner 1798 veröffentlichten Fragmentsammlung Blüthenstaub. Vgl.: Roberg: Novalis. In: Metzler Lexikon Autoren. S. 598ff. Zitat: S. 598.
7 Vom griechischen Wort „poietike" abgeleitet, meint die Poesie bzw. Poetik im Allgememen das Schaffen, im Besonderen das literarische Dichten. Während sich ihre Aufgabenbereiche in drei Teile untergliedern, der technisch-praktischen, der theoretischen und der kritischen Seite, sind die Theoretiker der Frühromantik, zu denen auch Novalis gehört, von der Idee angetan, das Theoretische mit dem Praktischen zu vereinen. Vgl.: Greiner: Poetik. In: Literaturwissenschaftliches Lexikon. S. 314-320. Zitat: S. 314.
8 Inwieweit Herder dabei direkten oder indirekten Einfluss auf Novalis ausgeübt hat, kann in diesem Rahmen nicht geklärt werden. Dass er einleitend skizziert wird, hängt mit der ideengeschichtlichen Relevanz, der zeitlichen und inhaltlichen Einordnung erster gegenaufklärerischer Tendenzen wie auch der damit einhergehenden Überzeugung hinsichtlich der emanzipatorischen Wirkung der Poesie zusammen.
9 Wanning: Novalis zur Einführung. S. 90.
10 Vgl.: Ebd. S. 69.
11 Vgl.: Shih Yen: Literatur und Performanz im deutschen Roman um 1800. S. 40; Josef Haslinger wurde die „fruhromantische Kunstproduktion noch im Rahmen der anstotelischen Mimesis, wenngleich am Rande derselben" verorten. Tatsachlich hat er nicht Unrecht damit, bedienen sich die Verfasser frühromantischer Poesie doch gewohnter Muster, um diese in etwas Neuartiges zu transformieren. Siehe: Haslinger: Die Ästhetik des Novalis. S. 125f. Zitat: S. 126.
12 Shih Yen: Literatur und Performanz im deutschen Roman um 1800. S. 40.
13 Kaiser: Literarische Romantik. S. 60.
14 Dass die Poeten der Frühromantik die zunehmende seelische Verrohung durch die Aufklärung stark kritisiert haben, schmälerte nicht ihre grundlegende Haltung gegenüber der genuin aufklärerischen Ambition, die Welt zu verbessern. Auch sollte die Art der Gegenaufklärung nicht zu der Annahme verleiten, die Frühromantik wende sich in ihrer Ansicht komplett gegen den Rationalismus. Was sich gerade bei Novalis abzeichnet, ist, dass er sich mit seiner Poesie und seinen theoretischen Schriften der rationalistischen Tradition verschreibt. Remigius Bunia geht sogar davon aus, er radikalisiere den Rationalismus. Vgl.: Bunia: Romantischer Rationalismus. S. 9-19.
15 Vgl.: Schmitz-Emans: Einführung in die Literatur der Romantik. S. 26f.
16 Im Folgenden werden unter Angabe von Seitenzahl und Vers alle Textpassagen aus dem Primärtext nach dieser Ausgabe zitiert: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Ein Roman. Hg. v. Wolfgang Frühwald. Stuttgart: Reclam 1987.
17 Vereinfachend gehe ich hier von meiner eigenen Perspektive als männlichem Leser aus und verzichte somit auf die zusätzliche Nennung der weiblichen Endung.
18 Das goldene Zeitalter ist ein bis auf den griechischen Dichter Hesiod zurückgehender Mythos, der in seinem narrativen Kern einen idealisierten Urzustand friedlicher Harmonie vor dem Eintreten der sozial verrohenden Zivilisation beschreibt. Erstmalig übernimmt Novalis diesen Gedanken von dem Philosophen Frans Hemsterhuis, der mit seinem allumfassenden Liebesverständnis, welches nach einer Ureinheit strebt, einen prägenden Eindruck hinterlässt. Dass diese Ureinheit erst durch die Poesie erreicht wird, ist wiederum (in Hinzunahme von Fichtes Ideen) Novalis' Idee und Bestreben. Vgl.: Mähl: Die Idee des goldenen Zeitalters im Werk des Novalis. S. 1-8, S. 268-286.
19 Alt: Aufklärung. S. 12.
20 Velten: Performativitätsforschung. In: Methodengeschichte der Germanistik. S. 551.
21 Produktionsästhetik meint hier die Entstehungsbedingungen, die Novalis zu seiner Poesie im Allgemeinen, seinen theoretischen Schriften und schließlich seinem Roman HvO beeinflusst und motiviert haben. Vgl.: Gfrereis: Grundbegriffe der Literaturwissenschaft. S. 158; Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang ein Abschnitt aus dem 1798 von Novalis verfassten Romanfragment Die Lehrlinge zu Sais: „Man beschuldigt die Dichter der Ubertreibung [...]; aber mir scheinen die Dichter noch bei weitem nicht genug zu übertreiben, nur dunkeln den Zauber j ener Sprache zu ahnden und mit der Fantasie nur so zu spielen." (Bd. I, S. 100) Zitate aus Novalis' sonstigem Werk werden mit Bandnummer, Seitenzahl und ggf. Fragmentnummer entnommen aus: Samuel (Hg.) et al.: Novalis. Schriften. In 4 Bänden.
22 Der Idealismus ist eine seit Platons Ideenlehre bestehende erkenntnistheoretische Anschauung, die der geistigen Welt gegenüber der materiellen, den Vorrang einräumt. Der magische Idealismus hingegen wird von Novalis damit charakterisiert, verschiedenste Gedanken und Strömungen miteinander zu verbinden und in ein Ganzes zu verflechten. Letzteres findet erstmalig in den 1798 verfassten Teplitzer Fragmenten Erwähnung. Zum Begriff des Idealismus vgl.: Grün: Idealismus. In: Metzler Lexikon Philosophie. S. 253f; Zur Erklärung des magischen Idealismus vgl.: Roder: Novalis. Die Verwandlung des Menschen. S. 403f.
23 Vgl.: Fichte: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre als Handschrift für seine Zuhörer. S. 10.
24 Schmitz-Emans: Einführung in die Literatur der Romantik. S. 30.
25 Dabei ist sich Fichte bewusst darüber, dass seine Konzeption auch Angriffsfläche zur Kritik bietet. So gesteht Fichte ein, dass seine Untersuchungen, ohne die „wohlthatige Tauschung der Einbildungskraft" nicht moglich seien. Vgl: Fichte: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre als Handschrift für seine Zuhörer. S. 191. Zitat: Ebd.
26 Einräumend ist zu ergänzen, dass Novalis mit der vermeintlichen Lösung Fichtes nicht vollständig zufneden war. Wahrend Fichte glaubt, in der aktiven Setzung des Ich's und Nicht-Ich's das Sein ergriindet zu haben, ist Novalis davon uberzeugt, dass das Sein nur durch einen „Scheinsatz" (Bd. II, S. 104, Nr. 1) zur Darstellung gebracht werden kann: „Wir verlassen das Identische urn es darzustellen" (Bd. II, S. 104, Nr. 1). Zur Verbildlichung des Vorgangs vergleicht Novalis das Resultat dieser Reflexion, die er „mtellektuale Anschauung" nennt, mit „em[em] Maler", der „sem Selbstportrat von einem Spiegel kopiert." Siehe: Uerlings: Friedrich von Hardenberg, genannt Novalis. S. 116. Zitate: Ebd.; Eine weitere prägnante Differenz zwischen Fichte und Novalis betrifft ihr jeweiliges Naturverhältnis. In Fichtes Konzeption wird die Natur dem Menschen durch seine Einbildungskraft unterworfen, was aus der genuinen Aufklärungsdynamik der Naturbeherrschung und der gleichzeitigen Entfremdung von dieser herrührt. Novalis, der sich freilich nicht völlig von der Aufklärung abwendet, jedoch nach der sinnlichen Einheit von Mensch und Natur trachtet (inspiriert durch den Philosophen Frans Hemsterhuis), setzt diese Verbundenheit zugleich als Ziel, welches im goldenen Zeitalter erreicht werden soll. Vgl.: Haslinger: Die Ästhetik des Novalis. S. 28ff.
27 Borries: Deutsche Literaturgeschichte. Romantik. S. 31; Was die Französische Revolution betrifft, sei so viel gesagt, dass sich Novalis gegen sie gestellt hat. Dabei kritisiert er vor allem die sogenannten „revolutionaren Phihster", die „m lhrem umsturzlenschen Eifer einer Idee nachsinnen und jede andere aufler Acht lassen." Das entspncht seiner grundlegenden Abneigung gegen den Phihster-Typus überhaupt, der mit mangelnder Eigenreflexion und pedantischem Ordnungszwang charakterisiert wird. Gerade Letzteres widerstrebt mit seinem Drang zum Kategorisieren und Trennen dem grundlegenden Tenor der Romantiker, das Ganzheitliche zu sehen. Vgl.: Bunia: Romantischer Rationalismus. S. 117-124. Zitate: Ebd. S. 121.
28 1798 wurde das 116. Athenäums-Fragment in der eigens von Friedrich Schlegel und seinem Bruder August Wilhelm gegründeten Zeitschrift Athenäum veröffentlicht. Diese war ein wichtiger Taktgeber frühromantischer Literaturpolitik. Vgl.: Kaiser: Literarische Romantik. S. 22ff
29 Behler: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. II, S. 182.
30 Mit dem Gedanken der Universalität festigt Schlegel eine bereits bestehende Grundtendenz der sich herauskristallisierenden literarischen Gattung des Romans. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang vor allem Friedrich Blanckenburg, der bereits 1774 mit dem Versuch über den Roman seine Geltung als Kunstform betont. Darin heiflt es, dass „[d]as ,Seyn des Menschen' und ,sem innerer Zustand' [... ] als das Sujet des Romans gelten", weshalb „die Aufgabe des Romandichters darin [besteht], dass ,er das Innre des Menschen aufklart, und lhn sich selber kennen lehrt.'" Damit spricht Blanckenburg das an, was auch Novalis zum Gegenstand seiner Poesie macht: Die Bewusstwerdung über das Innere und
31 Behler: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. II, S. 182.
32 Ebd.
33 Ebd.
34 Ebd. S. 183.
35 Ebd.
36 Kaiser: Literarische Romantik. S. 27.
37 Behler: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. II, S. 183.
38 Dabei führt Schlegel den Begriff der Transzendentalpoesie erstmalig in seinem 238. Fragment ein. In Anlehnung an die Philosophie des deutschen Idealismus bezieht sich der Begriff ,transzendental' auf die Möglichkeitsbedingungen von Erkenntnis. In diesem Sinne verweist Schlegel auf das künstlerische Schaffen und ihre gleichzeitige theoretische Reflexion, was ihn auf den Gedanken bringt, die Grenzen der Philosophie und Poesie ineinander übergehen zu lassen. Zu unterscheiden ist der Begriff der Transzendentalität von dem der Transzendenz, welche wiederum jene Wissensbereiche betrifft, die außerhalb der Erfahrung liegen. Nicht zu bestreiten ist, dass auch die Transzendenz in dem romantischen Verständnis Schlegels eine Rolle spielt. Vgl.: Esfeld: Transzendental. In: Metzler Philosophie Lexikon. S. 619f; Kremer: Prosa der Romantik. S. 8-12.
39 Behler: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. II, S. 182f.
40 Was nicht zu der Annahme verleiten sollte, die Schnittmengen zwischen der progressiven Umversalpoesie Schlegels und dem Romantisierungspostulat Novalis' fuhren zu dem gleichen Poesiebegriff der beiden, auch wenn der Roman HvO die progressive Universalpoesie grundlegend umsetzt. Wie Josef Haslinger in seiner Dissertation Die Ästhetik des Novalis feststellt, werde allgemein zu wemg beachtet, dass Novalis die von Schlegel geforderte „Willkiir des Dichters" in Widerspruch zu seinem romantischen Sendungsbewusstsein sieht. Außerdem werde mit dieser Willkür das poesiegeleitete Erkenntnisinteresse, welchem Novalis sehr nahesteht, negiert. Siehe dazu: Haslinger: Die Ästhetik des Novalis. S. 131f. Zitat: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. II, S. 183.
41 In einem seiner Bl üthenstaub-F ra gmente wird diese oszillierende Bewegung prononciert mit der Approximation, die, wie sich zeigen wird, wesentlicher Teil des Traumes ist, in Verbindung gebracht: „Der Gang der Approximazion ist aus zunehmenden Progressen und Regressen zusammengesetzt. Beyde retardiren, beyde beschleunigen, beyde führen zum Ziel." (Bd. II, S. 457, Nr. 99)
42 Haslinger: Die Ästhetik des Novalis. S. 131.
43 Daiber: Expenmentalphysik des Geistes. S. 216; Der „Boden der empirischen Welt" ist, so Daiber, em entscheidender Kntikpunkt Novalis' an Johann W. von Goethes Wilhelm Meister. Nach seiner anfanglichen Bewunderung verschmaht Novalis den Roman als „fatales und albernes Buch" (Bd. Ill, S. 646, Nr. 536) und kritisiert dabei vor allem die durchökonomisierte und prosaische Schreibweise auf Kosten der Poesie. Gleichzeitig wird Goethes Werk zu einem entscheidenden Impulsgeber für Novalis, der seinen HvO ebenfalls als Bildungsroman und auch in ähnlicher Figurenkonzeption verfasst, jedoch darüber hinaus die Poesie als das real Imaginierte zum zentralen Thema macht. Vgl.: Ebd. S. 214ff.
44 Ebd. S. 216.
45 Rezeptionsästhetik meint hier die durch den Leser im Leseprozess generierte Wirkung und Entfaltung der Narration im Gegensatz zur werkimmanenten Interpretation. Berücksichtigt wird dabei auch der durch die Epoche und das Bewusstsein geprägte Erwartungshorizont des Lesers. Damit wird auch die zeitbedingte Veränderlichkeit eines Kunstwerks (im Unterschied zur eng verwandten Wirkungsästhetik) betont. Dass in dieser Arbeit der Rezeptionsbegriff, anstelle der Wirkungsästhetik verwendet wird, verschuldet sich zum einen den literaturpohtischen Ambitionen Novalis', die am Horizont seiner Epoche zu verorten sind und schließlich in der Fragestellung nicht ausgeschlossen sind.
46 Fischer-Lichte: Performativität. Eine Einführung. S. 38.
47 Hier sei der 2002 herausgegebene Sammelband Performanz von Uwe Wirth erwähnt, der eine Auswahl an relevanten Texten zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften wie auch Adaptionen medien- sowie systemtheoretischer Überlegungen aufführt. Siehe: Wirth: Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften.
48 Performanz wird aus dem Englischen Verb ,to perform' abgeleitet. Das damit verwandte Nomen .Performance' wird grundlegend als „Verkorperung bzw. Ausfuhrang und Wahrnehmung korperlicher Handlungen defimert". Im Deutschen fungiert der Begriff auch als Fremdwort fur die theatralische Kunstform performance'. Zwischen den deutschen Begriffen Performanz und Performativität, so Hans Rudolf Velten, gibt es kerne „prazise und zuverlassige Unterscheidung". Vgl: Velten: Performativitätsforschung. In: Methodengeschichte der Germanistik. S. 549. Zitate: Ebd.; Etwas mehr Trennschärfe verschafft Klaus W. Hempfer mit einer Rückführung der einzelnen Theorien auf ihre jeweiligen Disziplinen. In Performance, Performanz, Performativität zeigt er auf, dass es keinen Einzelstrang gibt, an dem sich diese zurückverfolgen ließen. Vielmehr unterliegen die einzelnen Vorgehensweisen einer ,rhizomatischen Struktur' (nach dem von Gilles Deleuze und Felix Guattari geprägten Begriff des Rhizoms). Siehe: Hempfer W., Klaus: Performance, Performanz, Performativität. In: Theorien des Performativen. S. 13-41; Im literaturwissenschaftlichen Kontext verwende ich den Begriff der Performativität anstelle der Performanz, da dieser in der hier vorliegenden Forschungsliteratur dominiert.
49 Vgl.: Austin: Zur Theorie der Sprechakte. In: Wirth: Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. S. 63f.
50 König: Bausteine einer Theorie des Performativen. In: Theorien des Performativen. S. 46.
51 Wirth: Der Performanzbegriff im Spannungsfeld von Illokution, Iteration und Indexikalität. In: Wirth, Uwe: Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. S. 11.
52 Fischer-Lichte: Ästhetik des Performativen. S. 34.
53 Hempfer: Performance, Performanz, Performativität. In: Theorien des Performativen. S. 23.
54 Vgl.: Velten: Performativitätsforschung. In: Methodengeschichte der Germanistik. S. 549.
55 Der sich aufdrängenden Vermutung, der performative turn löse damit das textdominierte Kulturverständnis durch das Performative ab, ist zu widersprechen. Über die Ansicht hinaus, dass es zu einer Gleichgewichtung von Text und der bis dahin vernachlässigten Rituale performativer Kulturen kommt, pladieren Hasner et al. dafur, „Textualitat und Performativitat nicht als Dichotomie zu fassen". Nicht allein die Berücksichtigung der Einbindung von Texten in performative Praktiken (wie bspw. in
56 Vgl.: Ebd. S. 69.
57 Fischer-Lichte: Ästhetik des Performativen. S. 36.
58 Ebd. S. 36; Die Initnerung des Kulturverstandnisses als performance' wird vor allem Milton Singer zugeschrieben, der 1959 proklamiert, dass Kulturen sich zu einem beträchtlichen Teil durch ihre cultural performances' definieren und damit selbst auffuhren. Vgl. dazu: Fischer-Lichte: Performativität. Eine Einführung. S. 31ff.
59 Vgl.: Singer: Traditional India.
60 Maßgebend sind Milton Singer und Victor Turner, wobei Letzterer mit seiner interdisziplinären Sichtweise zwischen Ethnologie und Theater zu der theaterwissenschaftlichen Entwicklung des Performanzkonzepts beigetragen hat. Dem „kogmtive[n] Reduktiomsmus" der schablonenhaften und vom Leben entfremdeten Ethnographien setzt er die Ansicht entgegen, dass ein tieferes Kulturverständnis nur durch gelebte, prozesshafte und gefühlsbezogene Erfahrungen möglich sei. Maßgeblich profitiert hat der Theaterregisseur Richard Schechner durch die Zusammenarbeit mit ihm. Vgl.: Turner: Dramatisches Ritual - Rituelles Drama. In Wirth: Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. S. 193-209. Zitat: S. 196.
61 Vgl.: König: Bausteine einer allgemeinen Theorie des Performativen. S. 52.
62 Vgl.: Fischer-Lichte: Ästhetik des Performativen. S. 37.
63 Fischer-Lichte: Performativität. Eine Einführung. S. 9.
64 Bahr: Glossen im Wiener Theater. S. 276.
65 Vgl.: Fischer-Lichte: Performativität. Eine Einführung. S. 10.
66 Hermann: Über die Aufgaben eines theaterwissenschaftlichen Instituts. In: Klier: Theaterwissenschaft im deutschsprachigen Raum. S. 19.
67 Vgl.: Häsner et al.: Text und Performativität. S. 70.
68 Ebd. S. 85.
69 Greenblatt: Verhandlungen mit Shakespeare. S. 7.