Die Autorin geht der Frage nach, wie sich das Phänomen der Transparenz entwickelt und im Film "The Circle" dargestellt wird. Des Weiteren geht die Arbeit auf die Frage ein, wie sich die Thematik des Films auf die heutige Realität beziehen lässt beziehungsweise bezogen werden sollte.
Der Film "The Circle" fokussiert sich auf ein Phänomen, das unsere soziale Wirklichkeit prägt: Transparenz. Bereits im Roman- beziehungsweise Filmtitel klingt diese Thematik an und spielt er doch auf die als Closed Circuit (oder CCTV) von Überwachungskameras bekannte Beobachtungssituation an.
Nach einer knappen Zusammenfassung des Geschehens wird das Unternehmen "Circle" vorgestellt und wie seine Ziele die im Film dargestellte Welt beeinflussen und Partizipation an und in dieser Circle-Welt Kontrolle, Überwachung und Transparenz zur Folge haben. Nach dem Gegenüberstellen derer, die sich außerhalb des Einflusskreises des Circles bewegen und somit als Gegenstück zum diesem und der Welt des Digitalen gesehen werden können, werden anschließend die Gefahren und Problematiken der dargestellten digitalen Gesellschaft an der Protagonistin aufgezeigt. In Anschluss an die Verortung des Filmes im Genre der Dystopie soll der Film auf die heutige Realität übertragen werden und gezeigt werden, dass er als Spiegel der heutigen Gesellschaft gesehen werden kann mit einer Vorstellung des aktuellen Realzustandes und seiner Entwicklungen. Am Schluss wird zusammengefasst, inwieweit der Film sich auf die heutige Zeit beziehen lässt und ein Fazit, wie der Film verstanden werden kann, gezogen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Thematiken des Films
2.1 Leitfäden des Circles
2.2 Partizipation, Kontrolle, Überwachung, Transparenz
2.3 Gegenfiguren und Gegenstück Natur
2.4 Dargestellte Gefahren und Problematiken
2.6 Dystopische Momente
3. Bezug zur Realität
3.1 Der Film als Spiegel der heutigen Gesellschaft
3.2 Aktueller Realzustand und seine Entwicklungen
4. Fazit
5. Quellen
Anhang: Circle-Logo
1. Einleitung
Das Smartphone als Wecker, Terminkalender, Adressbuch, Notizblock, Kamera, Uhr, Navigationsgerät, Geldbeutel, Taschenrechner, Fernseher, Diktiergerät, Wörterbuch, Zeitung, Taschenlampe … und Telefon, Live-Video-Konferenzen mit Personen am anderen Ende der Welt: Der digitale Wandel bietet unbestreitbar etliche Chancen und steht für Fortschritt und Komfort. Viele Funktionen und Auswirkungen der Digitalisierung sind in der heutigen digitalen Gesellschaft so alltäglich, normal, teilweise selbstverständlich und ein Leben ohne sie nicht beziehungsweise nur schwer vorstellbar. Erst im Vergleich mit anderen Jahrzehnten oder Kulturen fällt oft auf, welches Privileg die Digitalisierung ist. Gleichzeitig sollte aber die Kehrseite der Digitalisierung nach optimistischer Betrachtung ebendieser keineswegs ignoriert werden. Neben ihren Chancen und Möglichkeiten birgt die Digitalisierung auch viele Risiken und Gefahren, wie die Gefährdung der Privatsphäre und des Datenschutzes durch das Nutzen von digitalen Medien, vor allem von sozialen Medien, und aktiver Partizipation an ebendiesen. Während Nachrichten über geheimdienstliche Aktivitäten und über die Vermarktung der privaten Daten den Großteil der Gesellschaft unberührt lassen, werden Informationen und Daten im Netz bereitwillig mit Freude öffentlich preisgegeben. Ein Kennzeichen der digitalen Revolution ist der schleichende Wandel des Weltbezugs mit dem Bröckeln der Wand zwischen Privatem und Öffentlichem. „Ein Kind, das heute geboren wird, wird nie einen privaten Augenblick kennenlernen“ (bpb), prognostiziert in diesem Zusammenhang Whistleblower Edward Snowden.
Nur wenige Monate nach der Enthüllung der NSA-Affäre durch Edward Snowden erschien 2013 Dave Eggers Roman The Circle1 und traf somit den Nerv der Zeit. Trotz kontroverser Kritiken stieß er auch beim europäischen Publikum auf große Resonanz. (vgl. Gellai 2018: 170) 2017 folgte die Verfilmung und auch heute, zwei Jahre später ist das Thema Datenschutz und Privatsphäre nach wie vor sehr populär und topaktuell.
Der Film The Circle fokussiert sich auf ein Phänomen, das unsere soziale Wirklichkeit prägt: Transparenz. Bereits im Roman- beziehungsweise Filmtitel klingt diese Thematik an und „spielt er doch auf die als Closed Circuit (oder CCTV) von Überwachungskameras bekannte Beobachtungssituation an“ (Gellai 2016: 290).
Wie dieses Phänomen der Transparenz sich entwickelt und im Film dargestellt wird sowie die Frage, wie sich die Thematik des Films auf die heutige Realität beziehen lässt beziehungsweise bezogen werden sollte, sind Thema der hier vorliegenden Arbeit. Nach einer knappen Zusammenfassung des Geschehens wird das Unternehmen Circle2 vorgestellt und wie seine Ziele die im Film dargestellte Welt beeinflussen und Partizipation an und in dieser Circle -Welt Kontrolle, Überwachung und Transparenz zur Folge haben. Nach dem Gegenüberstellen derer, die sich außerhalb des Einflusskreises des Circles bewegen und somit als Gegenstück zum diesem und der Welt des Digitalen gesehen werden können, werden anschließend die Gefahren und Problematiken der dargestellten digitalen Gesellschaft an der Protagonistin aufgezeigt. In Anschluss an die Verortung des Filmes im Genre der Dystopie soll der Film auf die heutige Realität übertragen werden und gezeigt werden, dass er als Spiegel der heutigen Gesellschaft gesehen werden kann mit einer Vorstellung des aktuellen Realzustandes und seiner Entwicklungen. Am Schluss wird zusammengefasst, inwieweit der Film sich auf die heutige Zeit beziehen lässt und ein Fazit, wie der Film verstanden werden kann, gezogen.
2. Thematiken des Films
Der 2017 erschienene Film The Circle des Regisseurs und Drehbuchautors James Ponsoldt basiert auf dem gleichnamigen dystopischen Roman Dave Eggers und spielt in der nahen Zukunft.3 Knapp zusammengefasst geht es in der Geschichte um Mae Holland, die über eine Freundin einen Job bei dem hippen und innovativen IT-Konzern Circle, dem weltweit einflussreichsten Technologieunternehmen und Social Media-Giganten, anfängt. Die wichtigste Innovation des Unternehmens ist TruYou, die Zentralisierung aller (bekannten) Internetdienste und somit das Angebot sämtlicher Dienstleistungen aus einer Hand: alle Benutzerprofile, E-Mail- und Online-Konten sowie Zahlungssysteme einer Person werden in eine einzige der wahren Identität des Users4 entsprechende Online-Identität, mit der sich zentral für alle Dienste angemeldet werden kann, zusammengeführt. Hierdurch erhält der Konzern sehr viele Informationen über seine Kunden, untergräbt somit die Privatsphäre der Bevölkerung und hat binnen weniger Jahre die Anonymität im Netz zum Verschwinden gebracht.
„Zwei Merkmale der panoptischen Anlage, wie Michel Foucault sie beschrieb, werden im Bild auf die Spitze getrieben: die totale Sichtbarkeit zum einen und der Fallencharakter dieser Sichtbarkeit zum anderen.“ (Gellai 2016: 304). Doch bedarf es in diesen im Film dargestellten Zeiten der Technisierung und Digitalisierung keines Panoptikums: Dieser Zustand zum (scheinbaren) Wohle der Gemeinschaft wird vielmehr durch die digitale Vernetzung erzeugt, wie im Firmenname und deren Logo5 sowie den Leitsätzen des Unternehmens verdeutlicht wird.
2.1 Leitfäden des Circles
Denn um die Welt zu einem besseren Ort zu machen, stellt der Circle hierfür besonders drei Phrasen als Leitfäden des Unternehmens dar: „Geheimnisse sind Lügen“, „Teilen ist Heilen“ und „Privatsphäre ist Diebstahl“. Die beiden Pfeiler der sozialen Überwachung, Partizipation und Transparenz, sind in diesen Leitsätzen beschrieben. Denn Transparenz ist durch Partizipation bedingt, Transparenz entsteht durch die permanente Partizipation in den sozialen Medien.
Mit dem ersten Leitfaden wird umschrieben, dass alles, was verborgen bleibt, potentiell als deviant zu sehen ist; Geheimnisse führen zu antisozialem und unmoralischem Verhalten. Laut dem Circle gehören Wissen und Zugang zu Erfahrung zu den fundamentalen Menschenrechten. Die Forderung nach kompletter Transparenz wird laut, da alles andere einer Lüge gleichgestellt werden würde. Die implizit mitgeteilte Forderung nach „Teilen ist Heilen“ ist positiv konnotiert und betont den sozialen Aspekt der Vernetztheit. Partizipation wird als gemeinschaftsfördernd dargestellt. Im Umkehrschluss wird genauso dargestellt, dass alles Nicht-Teilen mit anti-sozialem Verhalten gleichzusetzen ist. Im letzten Leitsatz wird der Transparenzwahn auf die Spitze getrieben: Privatheit und somit Nicht-Partizipieren wird mit einer Straftat gleichgesetzt. Hierdurch wird das unausweichliche Netz gesponnen, dass Partizipation und Transparenz unumgänglich sind, wenn man nicht als antisozial, Lügner oder Straftäter gesehen werden möchte. Zusammenfassend wendet sich laut Circle das Wesen der Menschheit also durch permanente Kommunikation und allumfassende Transparenz zum Besseren und handelt durch Partizipation zum Wohle der Gemeinschaft.
In den drei Leitsätzen werden die Ansichten des Unternehmens sehr deutlich: Kommunikation und Partizipation ermöglichen Kontrolle und Überwachung, was wiederum zu Transparenz führt, was wiederum zu Kontrolle und Überwachung führt… Diese vier sich gegenseitig bedingenden und ineinander verwickelten Begriffe sollen im Folgenden unter Einbeziehung exemplarischer Beispiele aus dem Film vorgestellt und anschließend diskutiert werden.
2.2 Partizipation, Kontrolle, Überwachung, Transparenz
Mittels verschiedener Projekte, Werkzeuge oder Technologien in den verschiedensten Bereichen des Lebens und Teilen der Gesellschaft erweitert der IT-Konzern seine Reichweite und Durchsetzungskraft permanent und unaufhaltsam, indem durch (gezwungene) Partizipation Kontrolle, Überwachung und schließlich Transparenz erreicht werden.
Bei einem Vortrag wird die neueste Technologie des Konzerns vorgestellt: SeeChange. Diese umweltresistenten, murmelgroßen Kameras können an jeder Oberfläche befestigt werden, um aus öffentlichen und privaten Räumen mittels hochauflösender Kameratechnik Videos in Echtzeit von jedem beliebigen Ort der Welt zu übertragen, um Partizipation (zum Beispiel Betrachten von Sehenswürdigkeiten), Kontrolle (zum Beispiel in Form von Überwachung von Personen/Gebäuden) und Transparenz (jeder kann alles sehen) zu gewähren und weiter auszubauen. Alles was passiert, kann gesehen und gehört werden und ist der breiten Öffentlichkeit zugänglich nach der vom Geschäftsführer propagierten Devise: „Etwas zu wissen ist gut. Aber alles zu wissen, ist besser.“ Die Möglichkeit, dass Tyrannen und Terroristen keine Chancen mehr hätten, wird angepriesen und aus diesem Grund die totale Transparenz gefordert.
Aus dem Bereich des Gesundheitssystems wird eine weitere Technologie vorgestellt: mittels eines Armbands, welches mit einem vorher geschluckten Sensor im Körper synchronisiert ist, können Echtzeitdaten wie Herzfrequenz, Cholesterinwerte und Schlafqualität der Nutzer gesammelt werden, um durch Vergleichen einer Vielzahl an Daten Muster zu erkennen und somit das frühzeitige Diagnostizieren von Krankheiten zu erlauben.
Auch im Bereich der Politik möchte der Circle für Transparenz sorgen, da laut ihm die Regierung und verschiedene Politiker oft heucheln und lügen oder heimliche Vereinbarungen treffen. Sie fordern eine Rechenschaftspflicht, welche durch Transparenz erreicht werden kann. In einem öffentlichen Vortrag vor vielen der Circle -Mitarbeiter möchte eine Abgeordnete mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, wie echte Demokratie aussieht. Sie willigt ein, ab sofort rund um die Uhr eine SeeChange -Kamera um den Hals zu tragen. Jede Tätigkeit der Politikerin kann aus ihrem Blickwinkel wahrgenommen und somit kontrolliert werden, was einer hundertprozentigen Transparenz und Nachvollziehbarkeit in Echtzeit entspricht.
„Doch das ist nur eine Zwischenstufe auf dem Weg zur völligen Ausschaltung einer erwägenden und debattierenden Öffentlichkeit im Namen der totalen Transparenz“ (Steffens 337). Maßgeblich initiiert von Mae, womit sie die Protagonistin der Eskalation ist, geht der Circle später in der Erzählung den Überlegungen nach, jeden Amerikaner (oder später jeden Bürger weltweit) dazu zu verpflichten, einen Circle -Account zu nutzen. Über diesen sollen dann auch in Form eines direktdemokratischen Onlinewahlprogramms die Wahlen durch den Circle anstelle durch den Staat durchgeführt werden. Bereits vorhandene Infrastrukturen könnten hierfür genutzt werden und so seien alle Systeme in einem vereint, was den Bürgern Zeit und dem Staat viel Geld sparen würde. Durch den Zwangsaccount beim Circle kann so eine hundertprozentige Wahlbeteiligung der Bevölkerung erreicht beziehungsweise erzwungen werden. Es werden alle Stimmen gehört und so können – laut Mae – bessere Dienste gewährt werden. Denn so könne der Circle in Echtzeit erfahren, was das Volk wirklich will: das Glücksversprechen des Circle an dieser Stelle ist „100 % Demokratie“.
Mae wohnt zu Beginn der Geschichte bei ihren Eltern und verbringt ihre ersten Wochenenden dort. Nach ihrer Rückkehr in die Firma wird sie in einem Feedback-Gespräch freundlich darauf hingewiesen, dass sie doch am Veranstaltungsangebot des Campus teilnehmen solle und keineswegs Privates und Geschäftliches trennen solle. Denn in dem Unternehmen, welches durch Social-Media-Anwendungen groß geworden ist, werden alle Mitarbeiter zur Teilnahme am vielfältigen Gemeinschaftsleben und zum intensiven Austausch untereinander angehalten, was zeigt, dass dieses Angebot keineswegs fakultativ ist. Ihr TruYou -Profil gehöre entscheidend zur Beteiligung an ihrer Arbeit dazu: Sie, als ebenso wichtiges Mitglied der Community, solle über die sozialen Medien kommunizieren und teilnehmen, um damit anderen Mitarbeitern die Chance zu geben, sie kennenzulernen, womit das Gemeinschaftsgefühl gestärkt werden soll. Durch die Schuldgefühel für die anfangs spärliche Verwendung von Social Media wurden in ihr das Bedürfnis und der Wunsch nach Partizipation geweckt. Immer aktiver nutzt sie die sozialen Medien, zieht an den Campus und nimmt an dortigen Aktivitäten teil, bis sie schließlich SeeChange -Kameras bei sich und ihren Eltern installiert und später eine um den Hals trägt.
Das Phänomen und System der sozialen Kontrolle findet (schleichend und unbewusst) durch die sozialen Medien statt. Der Meinung des Circles nach, hat alles, was nicht online zu sehen ist, nie stattgefunden. Dabei sehen die Mitarbeiter das Teilen aller Informationen nicht gar als Überwachung oder Kontrolle, sondern als erstrebenswerte Aufmerksamkeit und wünschenswerte Transparenz aller. Sie begeben sich freiwillig in diese Situation und nehmen selbst aktiv an der permanenten Beobachtung teil, was eher mit einer Form von Exhibitionismus verglichen werden kann.
Besonders die eingangs des Kapitels erwähnte Präsentation der SeeChange -Kameras markiert den Beginn eines unausweichlichen, rasend schnellen Prozesses hin zur totalen Transparenz und gleichzeitigen Kontrolle staatlicher Belange durch ein Privatunternehmen, das laut eigener Argumentation zum Wohle des Fortschritts und aus ökonomischer Rentabilität handelt und „eben unter der Parole der Transparenz die reale Weltherrschaft“ (Steffens 335) übernehmen will. In diesem Unternehmen gelingt Mae ein unaufhaltsamer Aufstieg, im Laufe der Erzählung wird sie schließlich als transparente Repräsentantin des Unternehmens zum perfekten öffentlichen Ausdruck und dem Gesicht des Unternehmens. Denn durch das Tragen einer SeeChange -Kamera rund um die Uhr teilt sie ihr komplettes Privat- und Berufsleben und wird von jedem beobachtet.
Der Höhepunkt der Transparenzforderungen findet gegen Ende des Filmes statt, bei dem Mae bei einem Vortrag radikale Transparenz sowie ständigen Kontakt fordert, wodurch nie wieder der Draht zueinander verloren werden kann. Sie spricht von der Doppelmoral, dass alles in der Cloud gespeichert werden soll, die beiden Geschäftsführer jedoch über den Wolken leben. Sie fordert die beiden auf, Vorbilder für den Circle und die Welt zu werden und transparent zu werden. Nach dem Veröffentlichen all der privaten Daten und Dokumente der beiden kündigt sie an, dass Geheimnisse der Vergangenheit angehören, Privatsphäre nur eine Phase war, zwischen Privatem und Öffentlichem nicht unterschieden werden sollte und die absolute Transparenz aller Menschen folgen werde.
2.3 Gegenfiguren und Gegenstück Natur
Für ihr Handeln sowie für ihre Ansichten erntet Mae auf dem Campus sehr viel Zuspruch. Das Leben dort findet in einer Art Blase statt: Durch gegenseitiges Bestätigen und der Gesellschaft Gleichgesinnter festigen sich eigene Ansichten und entwickeln sich in diesem Kreis immer weiter, wie in den immer extremeren Forderungen von Mae schon gezeigt wurde.
Doch gibt es in ihrem Leben auch Menschen, die ihre Ansichten bezüglich des Circle s nicht beziehungsweise weniger teilen. Außerhalb des Circles sind Maes soziale Kontakte weitestgehend auf ihre Eltern und ihren Exfreund Mercer beschränkt.
Während die Eltern anfangs überzeugt sind, dass ihre Tochter für „die beste Firma der Welt“ arbeitet, stehen sie im späteren Verlauf der Geschichte dem Circle und der generellen Vernetzung und Transparenz sehr kritisch gegenüber und sorgen sich um ihre Tochter. Die Verbindung der SeeChange -Kameras in ihrem Haus haben sie getrennt, da sie sich nach mehr Privatsphäre sehnten.
Als eine weitere Gegenfigur von Mae kann ihr Exfreund Mercer Madeiros – unprätentiöser Individualist, Freigeist, naturinteressiert, handwerklich begabt – angeführt werden. Er steht sozialen Medien und somit auch dem Circle sowie dessen Aktivitäten sehr kritisch gegenüber und verweigert sich der digitalen Allgegenwart. Seine Kritik an der Übermacht des Kollektivs erinnert an Jaron Laniers Argumente gegen die Schwarmintelligenz (vgl. Gellai 2016: 301, Lanier 2010). Umso mehr Mae im Circle verankert ist und sich ihr Handlungsspektrum auf die digitale Sphäre reduziert, desto distanzierter steht er ihr gegenüber, bis sie schließlich keinen Kontakt mehr haben, da er sich als Zivilisationsflüchtiger im späteren Verlauf der Geschichte in eine abgelegene Waldregion zurückzieht. Doch ist durch das von Mae dirigierte SoulSearch ein Projekt entstanden, durch das dank kompletter Vernetzung jede beliebige Person in unter 20 Minuten gefunden werden kann, auch diese, die sich dem wachsenden Kreis der Sichtbarkeit bislang entzogen haben, denn generell gilt für den Circle jeder, der sich entzieht, als verdächtig. In einer regelrechten öffentlichen Hetzjagd auf Mercer will Mae die Effizienz des Transparenz-Projekts beweisen und zeigen, dass „die Welt mit der Circle -Technologie und der Folgebereitschaft seiner Anhänger so durchsichtig und für jeden Zugriff offen geworden ist, dass soziale Abweichler und Verbrecher selbst in entlegenen Verstecken in kürzester Zeit aufgespürt werden können“ (Steffens 338). Bei dieser Jagd stürzt Mercers Auto in den Abgrund am Wegesrand und er stirbt.
Zwar wird Mercer als Gegenfigur zu Mae dargestellt, doch kann er nicht als Gegenspieler bezeichnet werden, da er weiß, dass das Spiel gegen den Circle und seine lawinenartig anwachsende Gefolgschaft schon verloren hat. Doch ist er die Figur in der Erzählung, die von außen in die Welt des Circle blickt und somit eine Perspektive hat, aus der die enorme Erweiterung der technischen Kommunikationsmittel als eine radikale Verarmung menschlicher Kommunikation erkennbar ist.
Als ein weiteres Gegenstück in der Erzählung kann das Meer, die nicht zähmbare Natur, gesehen werden. Vor ihrem Job beim Circle ist Mae sehr oft mit dem Kajak allein auf dem Wasser, was in der Eingangsszene des Films auch gezeigt wird. Eines der ersten Wochenenden nach Beginn beim Circle verbringt sie bei ihren Eltern und geht nachts paddeln, wobei sie kentert und ein Hubschrauber sie schließlich rettet. Während sie bei der Anwesenheit des Rettungsteams zuerst an einen Zufall glaubt, wird klar, dass diese sie dank SeeChange beobachten, orten und retten konnten.
[...]
1 Die deutsche Übersetzung: Eggers, Dave (2014): Der Circle. Aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Köln: Kiepenheuer & Witsch.
2 Im Folgenden ist unter Circle dieses im Film dargestellte Unternehmen zu verstehen, mit The Circle ist der Film beziehungsweise der gleichnamige Roman gemeint.
3 Aufgrund der Länge dieser Arbeit soll an dieser Stelle auf eine ausführliche Inhaltsangabe des Films verzichtet werden, das Wissen um den Plot der Geschichte wird für folgende Ausarbeitungen als gegeben vorausgesetzt..
4 Hier und im Folgenden werden der Lesbarkeit halber bei derartigen Sammelbegriffen das grammatische Maskulinum, im Bewusstsein dessen, dass jeweils alle Geschlechter gemeint sind, verwendet.
5 Es handelt sich beim Logo um ein engmaschiges Gitter mit einem kleinen c in der Mitte, wobei c wohl für Circle steht. Eine Kopie des Logos ist im Anhang zu finden.