In dieser Arbeit wird der Forschungsfrage nachgegangen, ob Kinder mit Migrationshintergrund tatsächlich einer statistisch nachweisbaren Bildungsbenachteiligung unterliegen, und wenn ja, was sowohl die Auslöser wie auch die gesellschaftlichen Folgen daraus sein können.
Dabei wird aufgezeigt, dass Bildung im frühkindlichen Alter sowohl im engen familiären Bereich und, darüber hinaus in den institutionellen Einrichtungen, eine nicht zu unterschätzende Rolle für die soziale Entwicklung der (Klein)Kinder spielt. Gleichzeitig stellt sie aber eine wesentliche Grundlage für den schulischen Bildungserfolg dar, da die im frühen Kindesalter nicht vermittelten kognitiven und altersgerechten Lernmöglichkeiten sich in den schulischen Leistungen widerspiegeln können, was ohne Einschränkung auch für SchülerInnen ohne Migrationshintergrund gilt.
Es wird durch verschiedene Studien (u.a. PISA, IGLU, Statistisches Bundesamt) aufgezeigt, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen den institutionellen Einrichtungen, deren Angebote und der milieubedingten Annahme dieser Leistungen gibt, die sich wiederum auf das Leistungsvermögen der SchülerInnen niederschlägt. Es wird ferner untersucht, ob durch eine Manifestation der Bildungsungleichheit damit gleichzeitig Bildungsarmut entsteht, die sich in späteren Jahren in Milieu-Strukturen widerspiegeln, die Auswirkungen auf die vorhandenen Sozialsysteme und deren Inanspruchnahme haben können.
Zuletzt soll untersucht werden, inwieweit Bildungsarmut zur sozialen Deprivation und damit zu gesellschaftlichen Spannungen führen kann.
1. Einleitung
2. Die strukturelle Integration von Kindern mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
2.1 Frühkindliche Entwicklungsrisiken
2.2 Auswirkungen des sozioökonomischen Umfelds auf den Bildungserfolg
2.3 Die gesamtgesellschaftlichen Einflüsse im Bildungswesen auf der Makroebene
2.4 Die gesamtgesellschaftlichen Einflüsse im Bildungswesen auf der Meso-Ebene
2.5 Qualifizierung der LehrerInnen und deren Erwartungen
2.6 Der Einfluss von kulturellem und sozialen Kapital in Migrantenfamilien
3. Manifestation der Bildungsungleichheit durch Bildungsarmut und die Folgen im gesellschaftlichen Kontext
3.1 Bildungssoziologische Erklärungen die zu bildungsungleichen Lebensverläufen führen können
3.2 Schule, das Nadelöhr für soziologische Ungleichheiten?
3.3 Stereotype Threat, oder die Bedrohung durch negative Stereotypen
4. Der Weg der Bildungsarmut zur sozialen Deprivation?
5. Bildungsarmut durch Bildungsungleichheit, die Vorläufer kommender sozialer Problemfelder?
5.1 Bildungsarmut, ein soziales Problem?
6. Fazit
7. Literatur und Quellennachweise
Hausarbeit
Migration, Integration und Inklusion des Fremden: Haben Kinder mit Migrationshintergrund gegenüber Kindern ohne Migrationshintergrund den gleichen Bildungserfolg im deutschen Bildungssystem, und wenn nicht, was sind die Gründe dafür?
1. Einleitung
In dieser Arbeit wird der Forschungsfrage nachgegangen, ob Kinder mit Migrationshintergrund1 tatsächlich einer statistisch nachweisbaren Bildungsbenachteiligung2 unterliegen, und wenn ja, was sowohl die Auslöser wie auch die gesellschaftlichen Folgen daraus sein können. Dabei wird aufgezeigt, dass Bildung3 im frühkindlichen Alter sowohl im engen familiären Bereich und darüber hinaus in den institutionellen Einrichtungen eine nicht zu unterschätzende Rolle für die soziale Entwicklung der (Klein)Kinder spielt. Gleichzeitig aber eine wesentliche Grundlage für den schulischen Bildungserfolg darstellt, da die im frühen Kindesalter nicht vermittelten kognitiven und altersgerechten Lernmöglichkeiten sich in den schulischen Leistungen widerspiegeln können, was ohne Einschränkung auch für SchülerInnen ohne Migrationshintergrund gilt. Es wird durch verschiedene Studien ( u.a. PISA, IGLU, Statistisches Bundesamt) aufgezeigt, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen den institutionellen Einrichtungen, deren Angebote und der milieubedingten Annahme dieser Leistungen gibt, die sich wiederum auf das Leistungsvermögen der SchülerInnen niederschlägt. Es wird ferner untersucht, ob durch eine Manifestation der Bildungsungleichheit damit gleichzeitig Bildungsarmut entsteht, die sich in späteren Jahren in Milieu-Strukturen widerspiegeln, die Auswirkungen auf die vorhandenen Sozialsysteme und deren Inanspruchnahme haben können. Bis hin zu der Fragestellung, inwieweit Bildungsarmut zur sozialen Deprivation und damit zu gesellschaftlichen Spannungen führen kann.
2. Die strukturelle Integration von Kindern mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
2.1 Frühkindliche Entwicklungsrisiken
In einer Statistik des Statistischen Bundesamtes aus 2017 zeigen sich nicht unerhebliche Unterschiede der Betreuungsquoten für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund in Tagesbetreuungen zwischen null und sechs Jahren. In absoluten Zahlen waren in Deutschland 75 Prozent in Tagesbetreuungen ohne Migrationshintergrund und 44 Prozent mit Migrationshintergrund. Somit betrug für Deutschland der Unterschied 31 Prozentpunkte, davon für Westdeutschland 26 Prozentpunkte und Ostdeutschland 41 Prozentpunkte zugunsten von Kindern ohne Migrationshintergrund. (Statistisches Bundesamt) In einem von Bund und Ländern in Auftrag gegebenen Bericht „Bildung in Deutschland 2016“ wurde eine umfassende empirische Bestandsaufnahme für das deutsche Bildungswesen vorgelegt. Dort heißt es u.a. zur Quote der Bildungsbeteiligung von unter 6-Jährigen in Tageseinrichtungen und Tagespflege, dass bei den unter 3-Jährigen die Bildungsbeteiligung um 16 Prozentpunkte und bei den 3- bis unter 6-Jährigen um 7 Prozentpunkte unter der Beteiligung von Kindern ohne Migrationshintergrund lag. (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, S. 171) Anhand dieser Zahlen wird deutlich, dass es einen nicht unerheblichen Bodensatz von Kindern gibt, die bis zu ihrer Einschulung unter Umständen nur wenige Möglichkeiten der kognitiven und intellektuellen Weiterentwicklung erhalten und somit einen schwierigeren Start haben können, um das geforderte Leistungsvermögen der Schulen zu erreichen. Dieses spiegelt sich auch im fünften Armuts- und Reichtumsbericht wider. Dort heißt es zu dieser Problematik „ Öffentliche Kindertagesbetreuung wird stärker von Kindern aus Elternhäusern mit formal höheren Bildungsabschlüssen wahrgenommen. Kinder aus Haushalten mit relativ geringem Einkommen und formaler Bildung, aber auch solche mit Migrationshintergrund, besuchen Kindertageseinrichtungen unterdurchschnittlich häufig“ (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, S. 28) . „ Die Gründe für Kinderarmut liegen insbesondere in der eingeschränkten Erwerbstätigkeit der Eltern. So beträgt das Armutsrisiko von Kindern 64 Prozent, wenn in der Familie kein Elternteil erwerbstätig ist. Bei einem in Vollzeit erwerbstätigen Elternteil fällt das Armutsrisiko für Kinder deutlich auf etwa 15 Prozent. Sind beide Elternteile erwerbstätig und arbeitet ein Elternteil Vollzeit, sinkt das Armutsrisiko der Kinder auf 5 Prozent“ (ebd.S. 25 ff). Diesen Punkt kann man noch erweitern, in dem Heckmann feststellt, dass Kinder mit Migrationshintergrund ein niedriges Ausmaß an kognitiver und sprachlicher Stimulation erhalten und traditionelle Erziehungspraktiken und Ziele, nicht mit den Praktiken und der Persönlichkeitsbildung in der Mehrheits- bzw. Aufnahmegesellschaft übereinstimmen. (Heckmann, S.142) Beginnend im Vorschulalter kann somit von einer „Pfadabhängigkeit“ gesprochen werden, die von Migration und Integration4 und den damit zusammenhängenden familiären Sozialisationsprozessen geprägt ist. (Heckmann, S. 131) So betonen auch Ramirez und Dohmen, dass der Bildungs- und Beschäftigungsstand der Eltern sowie die soziologischen Bildungsbeteiligungen eine nicht unerhebliche Rolle bei der Weiterentwicklung der Kinder spielen. (Ramirez, S. 390) Bezogen auf den Bildungsaspekt bedeutet diese Aussage, dass sich Kinderarmut in Form der sozialen Ausgrenzung in ihrem engeren und weiterem sozialen Umfeld zeigen kann, wenn z.B. SchülerInnen beim Schulwechsel in den gymnasialen Bereich wechseln, wo eine regelmäßige Teilnahme an außerschulischen Veranstaltungen ein „freiwilliges muss“ ist. Sich auch in so banalen Alltagsdingen wie die Handymarke oder die nicht Benutzung eines Pads niederschlagen kann. Wobei darauf hinzuweisen ist, dass diese vermeintlichen Schwächen auch für Kinder ohne Migrationshintergrund gelten. Was zeigt, dass schon an diesen Stellen grundlegende Voraussetzungen für die weiteren Persönlichkeitsentwicklungen der Kinder gelegt werden. Als Schlussfolgerung daraus könnten staatliche Programme zur frühkindlichen Erziehung, und damit zur Vorbereitung auf die Schule, einen nicht unerheblichen Beitrag dazu leisten, dass durch diese speziellen Angebote auch Kinder mit Migrationshintergrund in den Genuss einer quantitativen und qualitativen altersgerechten Bildung kommen. (Schofield, S. 115). Bisherige Forschungen zeigen darüber hinaus, dass ein entwickeltes pädagogisches und vorschulisches Bildungskonzept die Abhängigkeit von sozialer Herkunft und den ggf. vorhandenen Migrationshintergrund verringern. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die sprachliche Förderung zur frühzeitigen Bildungspartizipation der Kinder, da Sprache die Eingangsvoraussetzung jeglicher kommunikativen und gesellschaftlichen Teilhabe ist.
2.2 Auswirkungen des sozioökonomischen Umfelds auf den Bildungserfolg
Einer der Gründe, die die Bildungslage der Migrantenkinder beeinflussen, ist die soziologische und ethnische Zusammensetzung der Schülerschaft. Die Einflüsse innerhalb der Schülerschaft über Peer-Gruppen-Strukturen ist ein wesentlicher Faktor für die Lernbereitschaft und damit die Leistungsentwicklung der einzelnen SchülerInnen. Implizit wird innerhalb der Gruppen festgelegt, in wieweit die Anstrengungsbereitschaft des Einzelnen goutiert wird. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die örtliche Schullage einen unmittelbaren Einfluss auf das Lernverhalten der einzelnen SchülerInnen hat, da die Wohnstruktur in unmittelbarer Nähe der Schule die Milieu-Struktur auch innerhalb der Schule bestimmt. „Brennpunktschulen“ machen bundesweit immer wieder negative Schlagzeilen, so unter anderem in Berlin. Eine Lehrerin beschreibt in einem Interview, welche vielfältigen Problemfelder es an dieser Art von Schule gibt, die nur in Ansätzen gelöst werden können. (Kinder) Die gleiche Problemlage, aber mit einem anderen pädagogischen Ansatz beschreibt ein Artikel aus der SZ unter dem Titel „Klassenarbeit“ mit dem Untertitel „Ausgerechnet in einem der schicksten Viertel in Berlin liegt eine Brennpunktschule. Nun will sie ihren Ruf loswerden. Über die schöne Aufgabe, nicht aufzugeben“ (Mayer). Schulsegregation [5] und Schulklassensegregation sind damit ein zentraler Aspekt der Bildungslage von Migrantenkindern. So besucht in Deutschland von der Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen Schüler jeder vierte Schüler mit Migrationshintergrund eine Schule, in der Kinder solcher Herkunft die Mehrheit bilden . (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2007, S 9) Segregierte Wohnstrukturen führen somit tendenziell zu segregierten Schulstrukturen. (Heckmann, S. 131) Es wird damit umschrieben, dass Bildungsungleichheit hier ihren Anfang finden kann, der gesellschaftlich und bildungspolitisch nur sehr schwer in akzeptable Strukturen zu überführen ist .
2.3 Die gesamtgesellschaftlichen Einflüsse im Bildungswesen auf der Makroebene
Auf der Makroebene wird die Bildungsstruktur durch den Bundesgesetzgeber festgelegt. Das Bildungssystem in Deutschland ist fünfstufig und setzt sich zusammen aus der Primarstufe, der Sekundarstufe I und II dem tertiären und den quartären Bereich. Bildungspolitik und deren Ausführung sind Länderhoheit nach Artikel 7 (1) GG, dort heißt es u.a. "Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates“. Die Bundesländer entscheiden autonom in welcher Struktur und welcher Form die Lerninhalte durchzuführen sind. Bezogen auf SchülerInnen mit Migrationshintergrund liegen internationale Forschungsergebnisse vor, die Aussagen, dass durch das dreigliedrige Schulsystem durch unterschiedliche Lernpläne es zu Bildungsdifferenzen kommt, die dazu beitragen, dass der Unterschied zwischen leistungsstarken und leistungsschwachen SchülerInnen zum Nachteil der leistungsschwächeren die Entwicklung der Letzteren beeinträchtigt wird. Weiter wird ausgeführt, dass die unterschiedlichen kulturellen- und soziologischen Aspekte in den Lernplänen eine nur untergeordnete Rolle spielen und demnach auf das Selbstbild und das Selbstbewusstsein der Kinder mit Migrationshintergrund einen negativen Wirkungseffekt haben, was sich wiederum auf die Leistungsstärke auswirken kann. (Heckmann, S. 136 ff) Auch die fehlende Anzahl der Lehrpersonen mit Migrationshintergrund können zu diesem Effekt beitragen. (ebd.) Diese Aussagen machen deutlich, dass die Bildungssysteme im engeren Sinne, und die dazugehörigen Schulstrukturen, eine bedeutende Rolle für den Lern- und Qualifikationserfolg aller SchülerInnen bildet. PISA 2018
Unter dem Titel „Chancengerechtigkeit und Migrationshintergrund“ hatten nach der PISA-Studie aus 2018 22 Prozent der SchülerInnen in Deutschland einen Migrationshintergrund6. Knapp 50 Prozent dieser Gruppe waren sozioökonomisch benachteiligt. Deutschland gehört demnach zu den Ländern mit einem hohen Anteil ansässiger geringqualifizierter Zuwanderer. Der Leistungsabstand bei der Lesekompetenz gegenüber den Schülerinnen ohne Migrationshintergrund lag bei 63 Punkten. Trotzdem lagen in Deutschland die Leseleistungen von rd. 16 Prozent der SchülerInnen mit Migrationshintergrund im oberen Quartil der Leistungsverteilung. (OECD) „Der Rückstand der Entwicklung von Bildungsförderung im internationalen Vergleich zeigt sich jedoch u. a. darin, dass bei den PISA-Tests der Zusammenhang zwischen der Herkunft als Migrantenkind und (schlechten) Schulleistungen in Deutschland besonders stark ausgeprägt war“ Heckmann, S. 148).
Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU 2016)
Trotz vielfältiger Anstrengungen ist es am Ende der vierjährigen Grundschulzeit in Deutschland nicht gelungen, das bildungspolitische Ziel der Verringerung von zuwanderungsbezogenen Disparitäten zu realisieren. Berücksichtigt werden muss allerdings, dass sich die Zusammensetzung der Schülerinnen und Schüler aus Familien mit Migrationshintergrund in den letzten 15 Jahren verändert hat. Die Heterogenität ist größer geworden. Die Förderung von Kindern entsprechend ihren unterschiedlichen individuellen, sprachlichen sowie soziokulturellen Voraussetzungen muss stärker als bisher in den Fokus bildungspolitischer sowie schulischer Bemühungen rücken. (Autorengruppe 2016, S.22) In Deutschland erzielen Viertklässlerinnen und Viertklässler, die angeben, immer oder fast immer zu Hause Deutsch zu sprechen, einen Leistungsmittelwert von 549 Punkten erreichen. Ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, die angeben, nie oder nur manchmal zu Hause Deutsch zu sprechen, erreichen lediglich 509 Punkte. Die Leistungsdifferenz in Deutschland beträgt 40 Punkte und somit fast eine halbe Standardabweichung vom Skalenmittelwert. Dieser Unterschied entspricht in etwa dem Leistungszuwachs von einem Schuljahr . (Autorengruppe 2016, S. 224) Bei der IGLU-Studie wurde auch die soziale Herkunft leistungsschwacher Schüler erforscht. Als leistungsschwach galt bei der IGLU-Studie ein Schüler, der nicht in der Lage war, kurze Sätze sinnvoll zu verstehen. Dies traf auf 10,3 Prozent der Kinder in der vierten Klasse zu. Insgesamt waren es nur 3 Prozent der Akademikerkinder, aber 20 Prozent der Kinder ungelernter Arbeiter, auf die dies zutraf. (Autorengruppe 2016, S. 290/291)
2.4 Die gesamtgesellschaftlichen Einflüsse im Bildungswesen auf der Meso-Ebene
Es sind unterschiedliche Aspekte die eine „gute“ Schule auszeichnen. Integrationserfolgsreiche Schulen zeichnen sich dadurch aus, dass es ein gemeinsames pädagogisches Konzept gibt, was sich u.a. durch eine hohe Qualität der Leitung und des Managements der Schule auszeichnet. Es eine hohe Kooperation zwischen den LehrerInnen und Stabilität des Kollegiums gibt. An den SchülerInnen hohe Anforderungen seitens der LehrerInnen gestellt wird umso eine hohe Leistungsfähigkeit der SchülerInnen in Bezug auf den Bildungserfolg, zu gewährleisten, verbunden mit der Bereitschaft diese zu unterstützen. Geringe Stundenausfälle aufgrund von Krankheit oder Abwesenheit von LehrerInnen, sowie eine hohe Elternbeteiligung am Schulleben (Heckmann S. 138). Das Gegenteil von „guten Schulen“ ist die Segregation von Schulen. Die Bildungsforschung versteht darunter, dass die Mehrheit der SchülerInnen einen Migrationshintergrund haben oder aus ethnisch dominierten Gruppen kommen, und aus einem Wohngebiet stammen, in denen diese Strukturen ebenfalls überwiegend vorhanden sind. Dieser Einfluss kann noch dadurch verstärkt werden, dass Eltern aus gehobenen Milieu-Strukturen die unmittelbaren Wohnumgebungen räumlich verlassen, um ihren Kindern auf einer anderen Schule den Schulbesuch zu ermöglichen. (ebd.) Die Ängste der Eltern müssen sich nicht primär gegen ethnische Vorbehalte richten, sondern in der Tatsache die Angst der Eltern, dass Kinder dort weniger lernen. (ebd.)
2.5 Qualifizierung der LehrerInnen und deren Erwartungen
Für den Schulerfolg im engeren Sinne ist eine positive SchülerInnen-LehrerInnen-Beziehung von entscheidender Bedeutung. Die Schulleistungen von SchülerInnen werden in einem ersten Schritt auch durch die Erwartungshaltungen der LehrerInnen geprägt. „ Der Zusammenhang von Lehrererwartungen und Schülerleistungen stellt sich nach dem Prinzip einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung (self fulfilling prophecy) her: Lehrer erwarten mehr von bestimmten Schülern, und weniger von anderen, und ihre Erwartungen beeinflussen die Art, wie sie mit Schülern interagieren und was sie ihnen zumuten, was wiederum die Leistungen der Schüler beeinflusst“ (Heckmann, S. 141, Zitate aus Farley (2005), Schofield (2006) und Stevens (2007). Die Forschung dazu bringt zum Ausdruck, dass sich durch individuelle Voreinstellungen der einzelnen LehrerInnen über ethnische Zugehörigkeit und deren soziale Milieu-Strukturen ggü. diesen Kindern eine selbst erfüllende Prophezeiung einsetzt. (ebd.)
2.6 Der Einfluss von kulturellem und sozialen Kapital in Migrantenfamilien
Nach Pierre Bourdieu (1930-2002) ist die Kapitalmarkttheorie eine Theorie zur Beschreibung von Gesellschaften. Die Theorie beinhaltet das ökonomische, kulturelle und soziale Kapital. Im Sinne der Forschungsfrage interessiert uns das kulturelle und soziale Kapital. Das kulturelle Kapital beinhaltet ein körpergebundenes Bildungskapital als Bestandteil einer Person in Form von Wissen, Gewohnheiten, Vorlieben und Lebensstil, dem sogenannten Habitus, dass sich die Person durch Lernen und einem Verinnerlichungsprozess aneignet. Dieser Inkorporationsprozesses wird stark durch das kulturelle Kapital der Herkunftsfamilie bestimmt, er beginnt in der frühkindlichen Phase und setzt sich in den darauffolgenden Phasen fort, wobei auch hier die Milieu-Frage eine nicht zu unterschätzende Eingangskomponente ausmacht. Das soziale Kapital setzt sich u.a. aus den Ressourcen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe zusammen. Diese können sich auf gesellschaftliche Institutionen wie Schule, Beruf, Freizeit oder auf den familiären Kontext beziehen. Es entsteht ein Beziehungsnetzwerk, das einen späteren Nutzen beinhalten kann. Durch das gegenseitige Kennlernen und Schätzen, entsteht eine Gruppenzugehörigkeit, die sich positiv auf das eigene Selbstbild auswirkt und somit zu einem positiven Eigenbild beiträgt. Ein Mangel an für Bildungsprozesse relevantem sozialen Kapital kann die Bildungsbenachteiligung von Migrantenkindern mit erklären. (Heckmann, S. 144) Der Zusammenhang zwischen ethnisch-nationaler Zugehörigkeit oder Herkunft und dem Bildungserfolg von Migrantenkindern wird im wissenschaftlichen und politischen Kontext stark thematisiert, da es ein zentrales Thema zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund ist. (Heckmann, S. 144)
[...]
1 Nach der Definition des Statistischen Bundesamts hat eine Person „einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt“. Dabei werden vier Gruppen unterschieden: zugewanderte und nicht zugewanderte Ausländer/innen, zugewanderte und nicht zugewanderte Eingebürgerte, (Spat-)Aussiedler und mit deutscher Staatsangehörigkeit geborene Nachkommen der drei zuvor genannten Gruppe. (Statistisches Bundesamt 2017, S. 4).
2 Hinweis: In der wissenschaftlichen Literatur sind unter dem Aspekt der ethnischen Bildungsungleichheit eine hohe Vielfalt und deren Auswirkungen in der Beurteilung der jeweiligen Gründe und deren Ursachen zu finden. Dabei handelt es sich u.a. darum. ob Unterschiede in den Bildungsabschlüssen oder den schulischen Leistungen betrachtet werden – beispielsweise beim Vergleich zwischen der Grundschule und der Sekundarschule-. Auch welche ethnischen Gruppen betrachtet werden, haben einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Auswirkungen der jeweiligen Analysen und deren empirische Schlussfolgerungen. Innerhalb der Analysen wird nochmals ein Unterschied z.B. über elementare Sachausstattungen mit Lernmittel und sonstigen Ressourcen gemacht. Andere Autoren fokussieren ihre Blickrichtung auf das Bildungssystem als solches und die Lehrkräfte an den Schulen, die die Benachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund unbewusst fördern bzw. die individuellen Situationen, sowohl der Ethnie wie auch dem engeren sozialen Umfeld, nicht wahrnehmen. (Dollmann, S.488, 489) Die wenigen Aussagen machen deutlich, wie hochgradig komplex das Thema Bildung und die ggf. daraus folgende Bildungsarmut ist.
3 Bildung, im pädagogischem Sinne Formung des Menschen durch die Vermittlung von inneren Anlagen und äußeren Einflüssen. Bildung beinhaltet somit die Prozesse der Mitteilung und Entwicklung von Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Werthaltungen, Gefühlen, Einstellungen und weiteren Adjektiven. (Hillmann, S. 101)
4 „Integration ist der Mitgliedschaftserwerb von Zuwanderern in den Institutionen, sozialen Beziehungen und sozialen Milieus der Aufnahmegesellschaft. Integration als Prozess der Mitgliedschaftswerdung und Angleichung der Lebensverhältnisse entwickelt sich schrittweise entlang der Dimensionen der strukturellen, kulturellen, sozialen und identifikativen Integration. Sie erfordert Integrationsleistungen der Migranten und bedarf der Offenheit und Förderung seitens der Aufnahmegesellschaft. Sie ist somit ein wechselseitiger, wenngleich nicht gleichgewichtiger Prozess, der über Generationen verläuft. Integration als Zustand und Ergebnis soll heißen, dass volle und gleichberechtigte gesellschaftliche Mitgliedschaft einer zugewanderten Gruppe in der Aufnahmegesellschaft besteht und sich die Lebensverhältnisse angeglichen haben. Ethnische Herkunft und Migrationshintergrund spielen für Ressourcenverteilung und die Strukturierung sozialer Beziehungen keine Rolle mehr (Heckmann, S. 82)
5 Segregation ist ein Konzept physischer und sozialer Distanz zwischen Gruppen. Schulsegregation bedeutet [..], dass sich die Schülerschaft einer Schule überwiegend aus Schülern mit Migrationshintergrund und/oder einer bestimmten ethnischen Gruppe oder Nationalität zusammensetzt. (Heckmann, S. 139)
6 Der Begriff „SchülerInnen“ mit Migrationshintergrund steht bei PISA für SchülerInnen, deren beide Eltern im Ausland geboren sind.