Die vorliegende Arbeit behandelt nach einer kurzen Definition des Begriffes Mittelstand durch die KMU die derzeitige Situation und empirischen Befunde zum Thema Factoring in Deutschland. Wesentlicher Schwerpunkt der Arbeit ist die anschließende kritisch abwägende Beurteilung der Vor- und Nachteile der Arten, Funktionen und Auswirkungen des Factoring-Einsatzes aus der Sicht von kleinen und mittleren Unternehmen mit einem abschließenden Fazit.
Im Rückgrat Deutschlands, dem Mittelstand, ist es immer wieder erforderlich, die Finanzierungsstrukturen der kleinen und mittleren Unternehmen gemäß den Möglichkeiten im Zuge der sich stetig verändernden Rahmenbedingungen und Herausforderungen anzupassen.
Ein Finanzierungsinstrument ist dabei das Factoring. Im Zuge der Corona-Krise, die vor allem eine wirtschaftliche Herausforderung hinsichtlich der liquiden Mittel eines Betriebes darstellt, wird deutlich, dass einige Funktionen des Factorings hierfür Teillösung bieten können. Darüber hinaus können auch noch weitere Dienstleistungsfunktionen für das Debitoren- und Mahnwesen v einer Factoring-Gesellschaft erworben werden. Weiterhin kann es auch zu einer Verbesserung der Rentabilität sowie einer deutlichen Aufwertung der Bilanzkennzahlen und Bonität eines Unternehmens kommen.
Gerade beim Einsatz dieses Instrumentes muss aber bei der Verwendung eine individuelle kritische Beurteilung aus der Sicht des jeweiligen KMU stattfinden, da alle Funktionen in einem unterschiedlichen Maß je nach Größe u Einbezug des Factoring ins Unternehmen wirken u folglich entsprechend - individuell gesehen - jeweils andere positive wie negative Auswirkungen haben können.
Inhaltsverzeichnis
Kurzfassung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Definition des Begriffes „Mittelstand“ durch „kleine und mittlere Unternehmen“
3 Besondere Charakteristika und Formen des Factorings
3.1 Begriffsdefinition „Factoring“ und Erläuterung des Ablaufes
3.2 Charakterisierung wesentlicher Arten des Factorings
4 Factoring in Deutschland
4.1 Aktuelle Entwicklungen, Ergebnisse von Meinungserhebungen und empirischen Befunden sowie Bewertung der derzeitigen Factoring Situation durch kleine und mittlere Unternehmen
4.2 Einflüsse auf die Factoring-Situation vor dem Hintergrund der Corona-Krise
5 Kritische Beurteilung der wesentlichen Funktionen des Finanzierungsinstrumentes „Factoring“ aus Sicht von kleinen und mittleren Unternehmen
5.1 Anwendung des Debitorenmanagementes
5.2 Sicherung der Liquidität und Rentabilität
5.3 Optimierung der Bilanz und Verbesserung der Bonität
5.4 Mögliche Beeinträchtigung der Kundenbeziehung und des Images
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Monographien
Zeitschriften
Internetquellen
Kurzfassung
Im wirtschaftlichen Rückgrat Deutschlands, dem Mittelstand, ist es immer wieder erforderlich, die Finanzierungsstrukturen der kleinen und mittleren Unternehmen gemäß den Möglichkeiten im Zuge der sich stetig verändernden Rahmenbedingungen und Herausforderungen anzupassen.
Ein Finanzierungsinstrument ist dabei das sogenannte Factoring, welches immer populärer wird. Ein stetiger Zuwachs bei der Anzahl der Factoring-Nutzer sowie die Absicht vieler Entscheider aus dem Mittelstand lassen einen weiteren Anstieg erahnen. Im Zuge der Corona- Krise, die vor allem eine wirtschaftliche Herausforderung hinsichtlich der liquiden finanziellen Mittel eines Betriebes darstellt, wird deutlich, dass einige Funktionen des Factorings hierfür Teillösung bieten können. Darüber hinaus können auch noch weitere Dienstleistungsfunktionen für das Debitoren- und Mahnwesen von einer Factoring-Gesellschaft erworben werden. Weiterhin kann es auch zu einer Verbesserung der Rentabilität sowie einer deutlichen Aufwertung der Bilanzkennzahlen und Bonität eines Unternehmens kommen.
Gerade beim Einsatz dieses Finanzierungsinstrumentes muss aber bei der Verwendung jeder einzelnen Funktion eine individuelle kritische Beurteilung aus der Sicht des jeweiligen kleinen oder mittleren Unternehmens stattfinden, da alle Funktionen in einem unterschiedlichen Maß je nach Größe und Einbezug des Factoring ins Unternehmen wirken und folglich entsprechend - individuell gesehen - jeweils andere positive wie negative Auswirkungen haben können, während dieses Finanzierungsinstrument grundsätzlich im Mittelstand langfristig wohl weitere Zuwachsraten verzeichnen und darüber hinaus weiterhin zunehmend an Bedeutung gewinnen können dürfte.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Eigene Abbildung „KMU-Tabelle“ nach Karcher, Fritz (2018): Der Mittelstand - Motor der deutschen Wirtschaft und dessen Finanzierungsmöglichkeiten, in Unternehmensfinanzierung im Mittelstand - Lösungsansätze für eine maßgeschneiderte Finanzierung, Springer Gabler Verlag, Wiesbaden 2018,S.21-35
1 Einleitung
Die Rahmenbedingungen und Herausforderungen für mittelständische Unternehmen haben sich in den letzten Jahren stark verändert und unterliegen auch weiterhin einem stetigen Wandel. Wie auch im Rahmen der Expertenbefragung des „Zukunftpanels Mittelstand“ des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn (IfM) deutlich wurde, zeichnen sich aus Unternehmersicht wichtige Themenbereiche wie die Frage nach der Sicherung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit, der Einbindung der Digitalisierung in Unternehmensprozesse sowie der vernünftigen Finanzierung all dieser und weiterer bedeutender Handlungsfelder vor dem Hintergrund der Nutzung von Intemationalisierungschancen, der Sicherung des Unternehmensbestandes sowie dem nachhaltigen Wirtschaften ab.1
Um dabei das optimale Finanzierungsportfolio für ein Unternehmen zu erreichen, werden immer häufiger kombinierbare bzw. alternative Finanzierungsinstrumente wie beispielsweise das Factoring in die Überlegungen integriert. Die vorliegende Arbeit behandelt daher nach einer kurzen Definition des Begriffes Mittelstand durch die kleinen und mittleren Unternehmen die derzeitige Situation und empirischen Befunde zum Thema Factoring in Deutschland. Wesentlicher Schwerpunkt der Arbeit ist die anschließende kritisch abwägende Beurteilung der Vor- und Nachteile der Arten, Funktionen und Auswirkungen des Factoring-Einsatzes aus der Sicht von kleinen und mittleren Unternehmen mit einem abschließenden Fazit.
2 Definition des Begriffes „Mittelstand“ durch „kleine und mittlere Unternehmen“
Dem Mittelstand, welcher häufig auch als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bezeichnet wird und dessen unternehmerische Bestandteile sowohl hierzulande als auch international für ein bedeutendes Maß an Qualität angesehen werden, wird eine bedeutsame Rolle zugesprochen, wenngleich es für den Begriff „Mittelstand“ aufgrund der enormen Heterogenität bezüglich Rechtsformen, Umsätze und Branchen keine exakte oder stets allgemeingültige sowie genaue einheitliche Definition gibt. Im Laufe der Zeit haben sichjedoch zwei quantitative Definitionen herausgebildet, welche im Rahmen der Verwendung des Begriffes „Mittelstand“ sowie „kleine und mittlere Unternehmen“ (KMU) eine gemeinsame Grundlage bilden. Neben der Mittelstandsbezeichnung des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn (IfM), welche 2017 festgelegt wurde, gibt es eine feingliedrigere Definition der KMU durch die Europäische Union (EU) aus dem Jahr 2005, die an die entsprechenden Ausführungen der EU-Kommission 1996/2003 angelehnt ist (siehe nachfolgende Tabelle). Dabei sind insgesamt Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten und einem Umsatz bis 50 Mio. Euro, den KMU zuzuordnen.2
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: KMU-Tabelle, Quelle: Eigene Abbildung nach: Karcher, F. (2018), S. 22
Mit etwa 2,5 Mio. Betrieben zählte Ende 2017 die überwiegende Mehrheit (99,3 Prozent) der deutschen Unternehmen zu den KMU. In Anlehnung an die Empfehlung bezüglich der Definition der KMU der Europäischen Union arbeiten rund 61 Prozent der 29,8 Mio. Beschäftigten laut offiziellen Angaben des Statistischen Bundesamtes in kleinen und mittleren Unternehmen. Dabei fanden ca. 18,5 Prozent der tätigen Personen in Kleinstunternehmen, wovon es mehr als zwei Millionen Stück gibt, eine Beschäftigung. Weiterhin engagieren sich rund 23 Prozent in kleinen sowie ca. 19,3 Prozent in mittleren Unternehmen.3
3 Besondere Charakteristika und Formen des Factorings
3.1 Begriffsdefinition „Factoring“ und Erläuterung des Ablaufes
Unter dem Finanzierungsinstrument Factoring versteht man laut Definition den stetig fortlaufenden Verkauf von in der Regel kurzfristigen Geldforderungen, welche aus Lieferung von Waren, Dienstleistungen oder sonstigen Leistungen entstanden sind, an eine FactoringGesellschaft. Dieses Unternehmen, auch Factor genannt, verpflichtet sich auf der Grundlage eines gemeinsam vereinbarten Rahmenvertrages dem Veräußerer der Forderungen, auch als Factoring-Kunde bezeichnet, gegenüber zum Abkauf der laufenden Forderungen aus Lieferung und Leistung gegen seine Kunden, auch dessen Abnehmer oder Debitoren genannt.4
Über die Definition des Begriffes hinaus, lässt sich zum Ablauf des Factorings festhalten, dass ein Unternehmen, nachdem es seine Leistung vollständig erbracht hat, die ausgestellte Rechnung (Original) wie üblich an seinen Kunden, den Debitor, sendet. Gleichzeitig lässt es dabei der Factoring-Gesellschaft eine Ausfertigung zukommen, auf Basis welcher - je nach Vertrag - die Gesellschaft dem Unternehmen den vom Kunden geforderten Betrag (in der Regel zu ca. 80 bis 90 Prozent) auszahlt. Die entsprechende Summe der restlichen Prozentpunkte wird nach anfallenden Gebühren und Abzügen des Factors bei Erhalt der Rechnungsbegleichung durch den Debitor des Factoring-Kunden an diesen überwiesen.5
3.2 Charakterisierung wesentlicher Arten des Factorings
Da es verschiedene Arten des Factorings gibt, werden nun einige wesentliche davon erwähnt und im Folgenden näher erläutert, um deren besonderen charakterlichen Elemente für die weitere Ausführung dieser Arbeit darzustellen.
Das „offene“ Factoring, auch als „Notification Factoring“ bezeichnet, ist die übliche Art der Forderungsabtretung. Dabei wird der Debitor hinsichtlich der Abtretung informiert, sodass im Anschluss eine Tilgung mit schuldbefreiender Wirkung nur an den Factor erfolgen kann. Beim „stillen“ Factoring hingegen wird der Debitor nicht über die Abtretung informiert, was in der Regel auch zu höheren Anforderungen des Factoring-Unternehmens an die Bonität des übertragenden Unternehmens führt, da die Verifizierung nur schwer nachvollziehbar ist.6
Als „echtes“ Factoring wird weiterhin das Verfahren bezeichnet, bei welchem der Factor das Ausfallrisiko des Debitors tatsächlich übernimmt. Diese Variante ist somit deutlich teurer, als das „unechte“ Factoring, bei dem der Factor seinem Kunden keinen Ausfallschutz gewährt.7
4 Factoring in Deutschland
4.1 Aktuelle Entwicklungen, Ergebnisse von Meinungserhebungen und empirischen Befunden sowie Bewertung der Situation durch kleine und mittlere Unternehmen
Laut den neuesten Branchenzahlen wuchsen die Umsätze der Mitglieder des Deutschen Factoring-Verbandes e.V., der rund 98 Prozent des verbandlich organisierten deutschen Factoring-Marktes repräsentiert, im Jahr 2019 um 13,9 Prozent auf mehr als 275 Mrd. Euro an, wobei die Kundenzahl dabei auf über 90.000 anstieg.8
Einer weiteren aktuellen Erhebung des Bundesverband Factoring für den Mittelstand e.V. (BFM) zufolge, welche auch anführt, dass die deutsche Factoring-Branche von einer stabilen Entwicklung gekennzeichnet ist, setzen derzeit mehr als 7000 KMU Factoring ein.9
Neben den reinen Wachstumsdaten und wirtschaftlichen Zahlen des BFM gibt es von dieser Seite aber auch regelmäßige repräsentative Studien sowie umfassende Meinungserhebungen zur Finanzierung im Mittelstand. Die BFM Factoring-Studie 2019 beinhaltet so die Ergebnisse einer Befragung von mehr als 1650 kleinen und mittleren Unternehmen. Danach fürchten ca. 39 Prozent der KMU den Forderungsausfall des größten Debitors, der sie folglich in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten bringen könnte. Das Risiko, für welches das Factoring ein Lösungsansatz wäre, wird dabei mit rund 57 Prozent von der in der Statistik abgegrenzten Größenklasse der Unternehmen mit 2,5 bis 50 Mio. Euro Umsatz, also den mittleren, am größten eingeschätzt. Demgegenüber steht aber auch noch immer eine nicht zu unterschätzende Unsicherheit, welche in den Chefetagen vorherrscht. Zwar finden laut der Studie etwas mehr als die Hälfte (55 Prozent) eine Finanzierung, welche automatisch mit den Umsätzen des Unternehmers ansteigt, in- teressantjedoch bezeichnen gleichzeitig mehr als zwei Drittel (70 Prozent) die vorherrschende Unsicherheit durch mangelndes Wissen und Kenntnisse als ein relevantes Hemmnis, welches nach wie vor mit dem umsatzkongruenten Konzept des Factorings einhergeht.10
Insbesondere sprechen Unternehmen aus den Branchen des Im- und Exportes (78 Prozent), dem verarbeitenden Gewerbe (69 Prozent) und im Handel (58 Prozent) ihr Interesse aus.11
Trotz der Unsicherheiten wollen aber laut der BFM-Befragung dennoch 18 Prozent der deutschen KMU durch Factoring ihre Liquidität verbessern, Bilanzkennzahlen und ihr Rating bei der Bank aufwerten, was sie mitunter dazu antreibt, sich mit dieser Form der Finanzierung auseinanderzusetzen. Konkret wollen dies 17 Prozent der Klasse bis 2,5 Mio. Euro Umsatz und sogar über 30 Prozent in der höheren Klasse (2,5 Mio. bis 50 Mio. Euro Umsatz) anstreben.12
4.2 Einflüsse auf die Factoring-Situation vor dem Hintergrund der Corona-Krise
Die Anfang 2020 die Wirtschaft erschütternde Corona-Krise fordert von vielen Unternehmen und Finanzdienstleistern auch über die bekannten Ansätze hinaus zu denken und schnelle Lösungen für in Schieflage geratene Firmen zu finden. Gerade die kleinen Unternehmen werden von dieser Krise mitunter am schwersten getroffen, dajene aufgrund eines erheblichen oder gar vollständigen plötzlichen Umsatzeinbruches ihre Liquidität sicherstellen müssen, da ansonsten die Insolvenz droht.13
Von der Krise betroffenen mittelständischen Unternehmen steht die Regierung der Bundesrepublik Deutschland seit Mitte April 2020 mit KfW-Krediten zur Seite. Da jedoch im Rahmen des Programms des Bundes Hausbanken zehn Prozent der Absicherung der Finanzierung hätten übernehmen müssen, wurden viele beantragte Finanzierungen abgelehnt und zahlreiche Unternehmen berichteten von erheblichen Beeinträchtigungen bei der Beantragung, sodass schließlich sogar eine Haftungsfreistellung in Höhe von 100 Prozent der KfW-Darlehen im Zuge einer Absicherung durch die Garantie des Bundes ausgesprochen wurde.14
Neu gegründete Betriebe und viele Unternehmen, die größenmäßig der unteren Kategorie der KMU angehören, habenjedoch aufgrund ihrer kurzen Historie und ihrer vergleichsweisen eher geringen Umsätze oftmals auch Schwierigkeiten, sich in einem überdurchschnittlichen Maße, welches diese Krise aber nun mit sich bringt, schnell bei ihrer Bank zu refinanzieren.
Da es beim Factoring keine Wartezeiten gibt, ist es auch für kleine und junge Unternehmen sowie Existenzgründer ein schnell integrierbares Finanzierungsinstrument.15
Gleichzeitig kann im Mittelstand grundsätzlich festgestellt werden, dass vor dem Hintergrund einer eingetrübten Konjunktur das Factoring bereits seit längerem vor allem für KMU an Bedeutung gewinnt und einen Wachstumsimpuls fürjenes Finanzierungsinstrument darstellt.16 Zudem wird bei der Form des „echten“ Factorings auch das Ausfallrisiko übernommen.17 Neben den Bankkrediten und den Corona-Hilfen geht es vor allem auch darum, die Liquidität eines Unternehmens über verschiedene Finanzierungsformen sicherzustellen. Denn bereits vor der Corona-Krise haben rund 62 Prozent der KMU mehr Unabhängigkeit von ihrer Hausbank angestrebt. Aus diesem Grund prüfen zahlreiche KMU nun vermehrt den erstmaligen Einsatz des Factorings. Auch der Vorstand des BFM, Michael Ritter, führte diesbezüglich an, dass vor allem KMU, die bisher kein Factoring eingesetzt haben, die derzeitige Situation nutzen können, auch diese Finanzierungsform mit in ihrem Unternehmen zu etablieren. Unabhängig dieser Äußerung und der aktuellen Probleme gilt es aber auch die Herausforderungen des Mittelstandes nach der Corona-Pandemie nicht aus den Augen zu verlieren. Denn in zahlreichen Fällen werden zudem auch noch weitere Anschubfinanzierungen aufgrund der Krise erforderlich sein.18 Vor allem sind von der Krise Branchen wie das verarbeitende Gewerbe oder der Handel betroffen, die laut vorangegangener Studie des BFM (vgl. 4.1) bereits zuvor ihr Interesse an diesem Finanzierungsinstrument kundtaten. Womöglich werden sie dieses nun detaillierter betrachten. Mitunter auch auf dieser Vermutung basierend wittern derzeit viele Fintechs ihre Chance, da sie sich aufgrund ihrer agilen Struktur binnen weniger Tagen anpassen können, neue Systeme live schalten und somit zu sich schnell ändernden Umständen neue Programme mit passenden Angeboten für Kleinunternehmen, ihre möglichen neuen Factoring-Kunden, anbieten können.19 Folglich ist daher davon auszugehen, dass das Factoring unter dieser Krise und der neuen Konkurrenzsituation zugunsten der Kunden einen Zuwachs erfahren dürfte, da viele - für diese Krise typischen - negativen wirtschaftlichen Auswirkungen auf die KMU durch die Vorteile dieses Finanzierungsinstrumentes zu einem erheblichen Teil eingeschränkt und diesen entgegengewirkt werden können. Die wesentlichen dieser umfangreicheren Gesichtspunkte des Factorings sowie einzelne relevante Funktionen werden im Folgenden aufgeführt und hinsichtlich eines sinnvollen Einsatzes aus der Sicht von KMU detaillierter differenziert.
5 Kritische Beurteilung der wesentlichen Funktionen des Finanzierungsinstrumentes „Factoring“ aus der Sicht von kleinen und mittleren Unternehmen
5.1 Anwendung des Debitorenmanagementes
Das Factoring trägt bei der Anwendung aus der Sicht kleiner und mittlerer Unternehmen zu wichtigen Funktionen für einen Betrieb bei, die aber nur vereinzelt adaptiert und wirtschaftlich sinnvoll umgesetzt werden. Für welche Unternehmensgröße der KMU sich welche Vorteile ergeben und wo dabei gleichzeitig Risiken lauern, wird im Folgenden näher kritisch erläutert. Je nach Wunsch kann ein Unternehmen bei einer Factoring-Gesellschaft neben dem reinen Forderungsankauf auch weitere Dienstleistungsfunktionen in den Vertrag mit aufnehmen lassen. Diese können dabei zum Beispiel außerdem die anfängliche Überprüfung hinsichtlich der Bonität eines Kunden umfassen, aber auch noch weiter reichen und sogar die Übernahme des Debitorenmanagementes sowie des Mahnwesens mit Inkassoverfahren beinhalten.20 Insbesondere die Kleinst- und Kleinuntemehmen des Mittelstandes benötigen ihre Personalkapazität für die konzentrierte Ausführung ihrer unternehmerischen Tätigkeit und profitieren daher von einer nennenswerten Entlastung bei der Auslagerung des Bereiches des Debitorenmanagements, da dies oftmals mit günstigeren Kostenstrukturen verbunden ist, als eine eigene Abteilung im Unternehmen für diese Tätigkeit einzubinden.21
Es muss jedoch auch erwähnt werden, dass das Einbeziehen eines Forderungs- und Mahnwesens im Standardverfahren durch eine Factoring-Gesellschaft den individuellen kundenspezifischen Freiraum einschränkt. Gerade bei Kleinst- und Kleinunternehmen liegt in der Regel ein Augenmerk auf dem persönlichen Kontakt zu wichtigen Kunden. Diesen wird möglicherweise manchmal entgegenkommen, um deren Aufträge weiterhin in den Büchern zu halten und auch neue übertragen zu bekommen. Eben jene besondere, die Kundenbindung bereichernde, spezifische Steuerung kann beim Factoring allerdings verloren gehen.22
Folglich kann also resümiert werden, dass diese Funktion für kleine Unternehmen personell gesehen Entlastung bietet, dies aber zu Lasten der Kundenbeziehung gehen kann und daher individuell sehr strak darauf geachtet werden sollte, ob die Rahmenbedingungen der FactoringGesellschaft den bisherigen Verfahren und der Akzeptanz der eigenen Kunden entspricht (hierzu wird v. a. in Gliederungspunkt 5.4 näher eingegangen). Gerade bei den Kleinunternehmen ist ein Einsatz aufgrund der Kundenanzahl und Bürokratie, wenngleich dies nicht zum Kerngeschäft des Unternehmens gehört, überschaubar, in den meisten Fällen wohl aber vor allem auch aus Kostengesichtspunkten im Verhältnis zum Umsatz fraglich.23
In diesen Betrieben sollten daher mögliche andere Finanzierungslösungen priorisiert werden. Ein direkter Vergleich der Kosten mit einem normalen Bankkredit ist allerdings auch insofern kritisch anzusehen, da darüber hinaus durch diese Funktion weitere indirekte Einsparungen möglich sind, auf welche in den folgenden Gliederungspunkten weiter eingegangen wird.24 Mittlere Unternehmen dürften hingegen aufgrund eines größeren Kundenstammes und umfangreicherer Managementanforderungen im Mahnwesen erheblich größere Vorteile schöpfen können, was sich auch mit dem Ergebnis der Meinungserhebung des BFM aus Gliederungspunkt 4.2 deckt, wonach 30 Prozent der Unternehmen dieser Kategorie Überlegungen anstreben und sich intensiver mit dem Factoring auseinandersetzen wollen.
5.2. Sicherung der Liquidität und Rentabilität
Die wohl wichtigste Funktion beim Einbezug des Forderungsmanagements für KMU istjedoch die Liquiditätssicherung. Gerade Unternehmen mit einem Jahresumsatz von weniger als 10 Mio. Euro erfahren diesen Aspekt äußerst positiv.25
Da bereits zu Beginn der Kooperation mit einem Factor der aktuelle Debitorenbestand angekauft werden kann, wird dem kleinen Unternehmen eine sofortige Liquidität zur Verfügung gestellt. Kommt es zur Ausweitung der Geschäftsbeziehungen, welche ein stetiges oder auch sprunghaftes Umsatzwachstum mit sich bringt, wächst das Factoring dank seiner umsatzkongruenten Finanzierung automatisch und ohne größere Umstrukturierungen im Unternehmen mit. Gerade Kleinst- und Kleinunternehmen, die neue Kunden gewinnen, sich neue Aufträge sichern, Saisonspitzen erleben, kontinuierlich wachsen, Umsatzsprünge verzeichnen, oder auch in der Größenkategorie nach Mitarbeitern sowie Umsatz vom kleinsten oder kleinen zum mittleren Unternehmen aufsteigen, erfahren hier ohne zusätzlich aufzuwendende (Personal-)Ressourcen oder ein grundlegend neues Finanzierungskonzept nicht nur im Bereich der Buchhaltung mit diesem mitwachsenden Finanzierungsinstrument in ihren Liquiditäts- und Managementbereichen eine durchaus verlässliche Planbarkeit sowie flexible und ständig angepasste finanzielle Sicherheit bei Wachstumsfmanzierungen sowie zugleich auch einen Schutz vor Zahlungsausfällen.26
Darüber hinaus kann der wirtschaftliche Effekt der höheren Liquidität mit eingesetzt werden, um im Zuge der Berücksichtigung der günstigeren Anschaffungskosten durch das gezielte Ausnutzen von Skonti oder ähnlichen Sonderkonditionen bei Vorlieferanten als positive Auswirkung in die anschließende eigene Preiskalkulation mit einzufließen. So kann daraus eine indirekt günstigere Kondition am Markt, welche Wettbewerbsvorteile in einer im Zuge der weiteren Geschäftspolitik anstehenden oder bereits im (regionalen) Markt der kleinen und mittleren Unternehmen bestehenden Konkurrenzsituation mit sich bringt, platziert werden.27 Im Rahmen der Liquidität ist auch ein Blick auf den zeitlichen Faktor interessant, denn eines der Hauptprobleme des deutschen Mittelstandes sind verspätete Zahlungen. Diese könnten betroffene Betriebe dezimieren, indem sie vermehrt auf Factoring setzen. Gleichzeitig gilt es aber trotz dieser scheinbar einfachen Lösung für dieses existenzgefährdende Problem auch den Aspekt zu berücksichtigen, dass gerade für viele Kleinuntemehmen, die auf Factoring setzen, auch die Tatsache zu Buche schlägt, dass einige Factoring-Gesellschaften aufgrund des Klumpenrisikos ihre Gebühren deutlich erhöhen, wenn ein Kunde bei einer Firma für mehr als 20 Prozent des Umsatzes verantwortlich ist. Gerade bei Kleinstunternehmen, die eben jenes benannte Problem haben, ist dies oft der Fall.28
Für die kleinsten und kleinen Unternehmen gilt es daher (wie auch beim umfangreicheren Debitorenmanagement, s. 5.1) in jedem individuellen Fall besonders kritisch abzuwägen, ob nun die tatsächliche Ersparnis aus Inanspruchnahme von Skonti, Boni und Sonderkonditionen in einem sinnvollen und finanziell positiven Verhältnis zur Factoring-Gebühr, die je nach Umfang der Inanspruchnahme des Services, welcher gerade bei den besagten Unternehmen oftmals weite Teile der kostspieligen und umfangreichen Auslagerung beinhaltet, um dann selbst keine Mitarbeiterressourcen stellen zu müssen, variiert, steht.29
Grundsätzlich hilft diese Funktion des echten Factorings aber allen Untemehmensgrößen und kann den Befürchtungen der KMU aus der BFM Factoring-Studie (siehe 4.1) entgegenwirken.
5.3 Optimierung der Bilanz und Verbesserung der Bonität
Neben der Liquiditätslage führt eine optimierte Bilanzstruktur zu einer besseren Ausgangslage im Gespräch mit Finanzinstituten, da das Unternehmen dort eine bessere Bonität sowie ggf. ein besseres Rating ausweisen kann.30
[...]
1 Vgl. Welter (2014), S. 3
2 Vgl. Karcher (2018), S. 21 ff.
3 Vgl. Statistisches Bundesamt: (2019): Kleine und mittlere Unternehmen
4 Vgl. Jahrmann (2009), S. 156
5 Vgl. Ritter (2018), S. 105 u. 106
6 Vgl. Ritter (2018), S. 107
7 Vgl. Stumpf(2012), S. 1045 ff.
8 Vgl. DeutscherFactoring Verband e. V. (2020): Branchenzahlen Factoring 2019
9 Vgl. BFM e.V. (2020): Branchenzahlen 2019 - Stabiles Wachstum, S. 2
10 Vgl. BFM e.V. (2019): Repräsentative Studie zur Finanzierung im Mittelstand, S.l - 2
11 Vgl. BFM e.V. (2019): Neue Impulse für Wachstum im Mittelstand, S. 1
12 Vgl. BFM e.V. (2019): Repräsentative Studie zur Finanzierung im Mittelstand, S.l - 2
13 Vgl. Schneider (2020)
14 Vgl. Deutscher Mittelstands-Bund (2020): Bundesregierung stellt KfW-Schnellkredite zur Verfügung
15 Vgl.Ritter (2018), S.112
16 Vgl. BFM e.V. (2020): Branchenzahlen 2019
17 Vgl. Stumpf(2012), S. 1045 ff.
18 Vgl. Bundesverband mittelständische Wirtschaft Untemehmerverband Deutschlands e.V. (2020)
19 Vgl. Schneider (2020)
20 Vgl. Vollmer-Mengen (2009), S. 27
21 Vgl. Hartmann-Wendels (2014), S. 16 ff.
22 Vgl. Linke(2017),S.3
23 Vgl. Factoring-Mittelstand.de (2020)
24 Vgl. Deutscher Factoring Verband e. V. (2020): Fragen zum Thema Factoring
25 Vgl. Hartmann-Wendels (2019), S. 85
26 Vgl.Ritter (2018), S.109
27 Vgl. Hartmann-Wendels (2014), S.17
28 Vgl. Schönwitz (2015)
29 Vgl. Linke (2017), S. 3 f.
30 Vgl. Hartmann-Wendels (2014), S.17