In dieser Hausarbeit möchte ich der Frage nachgehen, inwiefern die Einschulung, besonders wenn das Erreichen der Schulfähigkeit dabei unbeachtet bleibt, ein kritisches Lebensereignis für das Kind darstellt. Mein Ziel ist es, beantworten zu können, ob Standard-Einschulungsverfahren und festgelegte Stichtage vertretbar sind, oder ob durch die staatlichen Regelungen über das Kind hinweg entschieden und somit der persönliche Entwicklungsstand des Kindes übergangen wird, wodurch möglicherweise schwerwiegende Folgen für das Kind aus einer zu frühen Einschulung hervorgehen können.
Als Reaktion auf die Pisa-Studie war das Bildungsministerium bestrebt, die frühkindliche Bildung auszubauen, um einem weiteren schlechten Abschneiden im internationalen Vergleich vorzubeugen. So wurde auf der Kultusministerkonferenz im Jahr 2002 das Ziel der frühzeitigen Einschulung verkündet, woraufhin einige Bundesländer den Stichtag in Bezug auf das Einschulungsalter nach vorne schoben. Fünfjährige in der ersten Klasse sind seitdem keine Seltenheit mehr, sondern zum Teil schon die Regel. Doch dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass Kinder dadurch auch früher, effizienter und schneller lernen.
Eltern sind an einer guten Ausbildung für ihre Kinder interessiert und so vertrauen sie auf die Richtigkeit des vorgegebenen Schuleintrittsalters und des Stichtages, können dabei aber nicht nach den individuellen Gegebenheiten entscheiden, denn jedes Kind ist anders und hat ganz eigene Fähigkeiten, die es zu unterschiedlichen Zeiten entwickelt. Nicht selten sind zum Schulbeginn die dafür benötigten Fähigkeiten und Fertigkeiten bei den Kindern noch nicht vorhanden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitu
2. Einschulungskriterien
2.1. Das Kieler Einschulungsverfahren
2.2. Zusammenfassung
3. Der Früher-Einschulen-Tre
3.1. Zu früh eingeschult - Folgen und Auswirkungen auf das Kind
3.2. Schuleintrittskrisen - Schuleintritt als kritisches Lebensereignis
3.3. Zusammenfassung
4. Schulreife aus Sicht der Waldorfpädagog
4.1. Das Geheimnis der Kinderbilder
4.2. Zusammenfassung
5. Fazi
6. Literaturverzeich
1. Einleitung
„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr!“. Aufgrund dieser weit verbreiteten Meinung sind viele Eltern bereit, ihre Kinder so früh wie möglich einzuschulen.
Als Reaktion auf die Pisa-Studie war das Bildungsministerium bestrebt, die frühkindliche Bildung auszubauen, um einem weiteren schlechten Abschneiden im internationalen Vergleich vorzubeugen. So wurde auf der Kultusministerkonferenz im Jahr 2002 das Ziel der frühzeitigen Einschulung verkündet, woraufhin einige Bundesländer den Stichtag in Bezug auf das Einschulungsalter nach vorne schoben. Fünfjährige in der ersten Klasse sind seitdem keine Seltenheit mehr, sondern zum Teil schon die Regel. Doch dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass Kinder dadurch auch früher, effizienter und schneller lernen.
Als Mutter zweier kleiner Kinder steht auch mir das Thema Einschulung in den nächsten Jahren bevor. Meine Kinder sind beide kurz nach dem Stichtag in Schleswig Holstein (30.06.) geboren und somit ist die Entscheidung mit welchem Alter sie eingeschult werden sollen, sprich mit knapp sechs Jahren oder erst mit sieben Jahren, für uns als Eltern schwierig. Möchte man seine Kinder doch lange genug Kind sein lassen und sie andererseits nicht unterfordern bzw. früh genug fördern, ohne ihnen dabei zu schaden. Eltern sind an einer guten Ausbildung für ihre Kinder interessiert und so vertrauen sie auf die Richtigkeit des vorgegebenen Schuleintrittsalters und des Stichtages, können dabei aber nicht nach den individuellen Gegebenheiten entscheiden, denn jedes Kind ist anders und hat ganz eigene Fähigkeiten, die es zu unterschiedlichen Zeiten entwickelt. Nicht selten sind zum Schulbeginn die dafür benötigten Fähigkeiten und Fertigkeiten bei den Kindern noch nicht vorhanden.
In dieser Hausarbeit möchte ich der Frage nachgehen, inwiefern die Einschulung, besonders wenn das Erreichen der Schulfähigkeit dabei unbeachtet bleibt, ein kritisches Lebensereignis für das Kind darstellt.
Mein Ziel ist es, beantworten zu können, ob Standard-Einschulungsverfahren und festgelegte Stichtage vertretbar sind oder ob durch die staatlichen Regelungen über das Kind hinweg entschieden und somit der persönliche Entwicklungsstand des Kindes übergangen wird, wodurch möglicherweise schwerwiegende Folgen für das Kind aus einer zu frühen Einschulung hervorgehen können.
Zu Beginn dieser Arbeit werde ich darlegen, an welchen Kriterien Schulfähigkeit fest zu machen ist und mit welchen Methoden diese am Kind festzustellen sind. Am Beispiel des »Kieler Einschulungsverfahren« wird ein in Schleswig-Holstein im Jahr 1986 entwickeltes Beobachtungsverfahren erläutert. Davon ausgehend werden die Folgen und Auswirkungen durch zu frühes Einschulen auf die Kinder aufgezeigt und dargestellt wie kritisch das Lebensereignis »Einschulung« für Kinder sein kann. Abschließend wird noch die Sichtweise der Waldorfpädagogik betrachtet, die auf der Grundlage der Menschenkunde nach Dr. Rudolf Steiner eine deutliche Stellung zum Thema »frühe Einschulung« vertritt.
2. Einschulungskriterien
Der Eintritt in die Schule ist ein wichtiger Schritt im Leben eines Kindes. Von nun an muss es sich in einer neuen Sozialisationsinstanz behaupten und aus der vertrauten Umgebung der Familie lösen. Jedes Bundesland hat seine eigenen Gesetze, die über den Beginn der Schulpflicht entscheiden. Jedoch ist für alle Kinder, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt des Kalenderjahres sechs Jahre alt werden, der Schulbesuch nach den Sommerferien Pflicht. Dieser Stichtag ist in acht Ländern der 30. Juni eines Jahres, weitere Termine fallen auf den 1. oder 31. August, 30. September oder gar 31. Dezember.
Bevor ein Kind eingeschult wird, werden schulärztliche Untersuchungen durchgeführt, in denen der körperliche Entwicklungsstand der Kinder erfasst, das Seh- und Hörvermögen diagnostiziert, der individuelle Entwicklungsstand mit den Schwerpunkten Wahrnehmung, Motorik, Wissen und Sprache festgestellt, sowie ein möglicher medizinischer und gesundheitspräventiver Förderbedarf ermittelt werden. Nach dieser Schuleingangsdiagnostik durch einen Schularzt wird den Eltern die Schulfähigkeit ihres Kindes in Form der Schuleingangsuntersuchung bescheinigt. In der Regel geschieht dies mit dem 6. Lebensjahr, hierdurch kann es aber auch zu Empfehlungen der frühzeitigen Einschulung, sowie zu Zurückstellungen kommen.
Mit Hilfe verschiedener Einschulungskriterien in Bereichen wie Körperwahrnehmung, Geschicklichkeit und Sozialverhalten, lässt sich feststellen, ob ein Kind schulfähig ist oder den Anforderungen der Schule noch nicht gewachsen sein könnte und somit zurückgestelltwird. Im Folgenden ist eine Liste zusammengestellt, die einige der Kriterien aufzeigt:
Tabelle 1: Einschulungskriterien auf Seiten des Kindes
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zusätzlich zur Schuleingangsdiagnostik gibt es auch diverse Beobachtungsverfahren, wie das Kieler Einschulungsverfahren, mit dessen Hilfe der Entwicklungsstand des Kindes festgestellt werden kann.
2.1. Das Kieler Einschulungsverfahren
Das Kieler Einschulungsverfahren wurde 1986 von S. Fröse, R. Mölders und W. Wallrodt entwickelt und zählt zu den Verfahren, die derzeit am ehesten den heutigen Erkenntnissen über Schulfähigkeit entsprechen.
„Über die kognitiven Dimensionen der traditionellen Schulreifetests (Gliederungsfähigkeit, Formerfassung, Hand-Auge-Koordination, feinmotorisches Geschick, Mengenauffassung) hinaus versucht es, auch Sprache, Gedächtnis, Leistungsmotivation, Ansprechbarkeit eines Kindes in der Gruppe, Kontaktfähigkeit und zwei schulrelevante Dimensionen der emotionalen Befindlichkeit (Leistungsangst und soziale Angst) zu erfassen.“ (KÜRZER/ GRASS, 2000, S.123)
Neu an diesem Verfahren ist, dass die pädagogische und psychologische Kompetenz mit einbezogen wird und die Lehrer somit die Möglichkeit haben, vielfältige Informationen zu sammeln, die sie dann unter Berücksichtigung der familiären und schulischen Situation zu einem eigenen Urteil über die Schulfähigkeit des Kindes führen sollen. Theoretischer Hintergrund des Verfahrens ist der »ökopsychologische« Ansatz nach Nickel, der Schulfähigkeit als »interventionistisches« Konstrukt betrachtet (vgl. KNÖRZER/ GRASS, 2000).
Demnach ist das Erreichen der für die Schule erforderlichen Lernvoraussetzungen abhängig von den Anregungen, die das Kind aus seiner soziokulturellen Umwelt in der es lebt, bekommt.
Das Unterrichtsspiel wird von zwei Grundschullehrern durchgeführt, wovon der unterrichtende Lehrer der zukünftige Klassenlehrer sein sollte. Ein Lehrer führt die Beobachtungen durch, teilweise sind auch noch weitere Erzieherinnen anwesend. Das Spiel ist für eine Gruppe von maximal sechs Kindern gedacht. Inhaltlich gliedert sich das Unterrichtsspiel in sieben Einheiten und dauert ca. 80 Minuten. Inhalte dieses Spiels sind unter anderem ein gemeinsames Gruppenspiel, malen, Formen und Linien zeichnen, Zahlen und Mengen, freies Erzählen, Bildergeschichte und Bewegungsspiele. Bei all diesen Tätigkeiten werden die Kinder auf Verhalten, Emotionalität, Sprache, Fein- und Grobmotorik hin beobachtet.
Auf der Grundlage der Beobachtungsdaten aus dem Unterrichtsspiel und der Einschätzung der Erzieherin aus dem Kindergartenalltag wird dann eine differenzierte Aussage über die Stärken und Schwächen des Kindes möglich und eine Entscheidung zur Schulfähigkeit des Kindes kann getroffen werden. Es tauchen in diesem Unterrichtsspiel eine Reihe von Aufgaben auf, die von den klassischen Schulreifetests bereits bekannt sind. Hier sind die Aufgaben allerdings in der Gruppe zu bearbeiten und werden in spielerischer Form angeboten (vgl. KNÖRZER/GRASS, 2000).
Kritisch im Kieler Einschulungsverfahren zu sehen ist unter anderem, dass die Fähigkeiten in der mündlichen Sprache - als Voraussetzungen für den Schriftspracherwerb - nicht beachtet werden. Des Weiteren wird nicht berücksichtigt, ob die Kinder die Schrift als solche schon wahrnehmen (Symbolverständnis aufweisen) können und ob sie Kenntnisse von Begriffen, wie z. B. den Zahlen, Buchstaben, oder dem Wort an sich besitzen. Auch konkrete Fördervorschläge gehen aus dem Verfahren nicht hervor.
2.2. Zusammenfassung
Jedes Bundesland hat seine eigenen Gesetze zu welchem Stichtag die Schulpflicht beginnt. Durch Schuleingangsdiagnostiken wird der Entwicklungsstand eines Kindes festgestellt und von diesem Ergebnis ausgehend auf vorhandene oder nicht vorhandene Schulreife geschlossen. Es gibt sogenannte Einschulungskriterien, anhand derer sich ermitteln lässt, ob ein Kind befähigt ist, die Schule zu besuchen.
Auch mit Hilfe von Beobachtungsverfahren, wie das Kieler Einschulungsverfahren, kann die Schulfähigkeit beim Kind festgestellt werden.
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