War der Friedrichsplatz wirklich ein sich verselbstständigender Wegweiser in eine gesellschaftspolitisch neue Zeit, oder war er nur ein cleveres Projekt eines Landgrafen, der sich ein Platz in den Reihen der führenden europäischen Metropolen sichern wollte?
Der Königsplatz entstand 1768 als eine vom Residenzkomplex völlig unabhängige Anlage an der Nahtstelle zwischen Altstadt und Oberneustadt.
Dort befanden sich die Post, die Gewerbehalle und einige private Paläste.
Trotz seines Namens erhob er jedoch nicht mehr den Anspruch symbolische Mitte der neu vereinten Stadt zu sein, sondern fungierte eher als ein Zusammenführer der unterschiedlichen Strukturiertheitsformen von Oberneustadt und Altstadt. Die dort aufeinanderprallenden ja schon fast verschiedenen Kulturen wurden vom Königsplatz aufgefangen, ausgeglichen und abgefedert.
Der Friedrichsplatz wurde zwischen 1769 und 1783 im Auftrag von Landgraf Friedrich II. Von Hessen-Kassel(1720-1785) erbaut. Dem Friedrichsplatz in Kassel kommt, neben der Place Royale in Nancy und der etwa Zeitgleich gebauten Place Royal in Brüssel, große Bedeutung in Bezug auf den Entfesselungsprozess der Städte und die damit verbundene Neuordnung zwischen Stadt- und Landschaftsraum in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu.
Inhaltsverzeichnis
1. - Der Friedrichsplatz in Kassel
1.1 Introduktion
1.2 These
1.3 Einführung in die Thematik
2. - Baubeschreibung des Museums Fridericianum
3. - Der Königsplatz in Kassel
3.1 - Fazit
4. - Quellen
5. - Bilder
1. Der Friedrichsplatz in Kassel
1.1 Der Friedrichplatz wurde zwischen 1769 und 1783 im Auftrag von Landgraf Friedrich II. Von Hessen-Kassel(1720-1785) erbaut. Dem Friedrichsplatz in Kassel kommt, neben der Place Royale in Nancy und der etwa Zeitgleich gebauten Place Royal in Brüssel, große Bedeutung in Bezug auf den Entfesselungsprozess der Städte und die damit verbundene Neuordnung zwischen Stadt- und Landschaftsraum in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu. (Bild 1)
1.2 Meine Fragestellung, die diese Hausarbeit anführen soll, lautet: War der Friedrichsplatz wirklich ein sich verselbstständigender Wegweiser in eine gesellschaftspolitisch neue Zeit, oder war er nur ein cleveres Projekt eines Landgrafen, der sich ein Platz in den Reihen der führenden europäischen Metropolen sichern wollte?
1.3 Doch vorerst folgt eine kurze Einführung in die Thematik: Der Friedrichsplatz war als Verbindungsglied zwischen der Alt- und der Neustadt Kassels geplant und ersetzte somit die Befestigungsanlagen, die vorher die Fuge an der Nahtstelle zwischen den beiden Stadtteilen zierte. Die neuentstandene Gesamtstadt sollte nach der Schleifung und den damit verbundenen Umbaumaßnamen wieder in der Liga umliegender Residenzstädte und deren internationalen Standards mitspielen können. Thronend auf einem Plateau über der Flusslandschaft der Fulda, erstreckt sich der Friedrichsplatz, ähnlich wie schon in Nancy, rechteckig von der Königsstraße bis zum Auehang auf dem Gelände zwischen Alt- und Neustadt.
Bisher folgt der Friedrichsplatz noch den Normen seiner Place Royal- Vorbilder aus Frankreich, doch mit dem Bau des Museum Firdericianum beschreitet der Platz neue, vorher noch nicht betretene, Pfade. Plötzlich wird der Platz nicht mehr von einem Repräsentationsbau mit städtischen oder fürstlichen Absichten flankiert sondern von einem Kulturbau.
Dieser präsentiert sich zwar noch in einer Form, die eher die vorher schon genannten Verbindungen vermuten lässt, die Hoheitsform des Schlossbaus, dient aber ausschließlich den Kasseler Bürgern und hat mit fürstlicher Machtausübung nichts mehr zu tun.
Trotz der mächtigen Erscheinung des Museum Fridericiamun wurden zur Unterstützung die Fassaden der Gebäude links und rechts neben dem Museum in einem ähnlichen Stil, der jedoch dem Museum untergeordnet war, errichtet. Auf der östlichen rechten Seite entstand die katholische Elisabethkirche und auf der nördlichen linken Seite das Palais Junkern. Durch auf dem Platz platzierte doppelte Lindenalleen wurde das Museum Fridericianum von seinen Nachbargebäuden optisch isoliert und sie dienten ebenfalls dazu den Platz Richtung Norden hin geschlossen wirken zu lassen.
Auf der durch den Mittelbau des Fridericianums vorgegebenen Achse stand, ganz nach französischem Vorbild, ein Standbild von Friedrich II., dargestellt in antiker Rüstung und zeitgenössischen Feldherrenmantel.
Sein Blick war Richtung Altstadt gerichtet und somit dem Fridericianum zugewendet. Damit wurde nicht nur die vom Museum kommende Mittelachse an das Museum zurück gespiegelt, sondern es zeigte auch noch mal auf einer weiteren visuellen Ebene die neue Anbindung der Neustadt an die Altstadt. Doch statt direkter Anbindung an den Fürstensitz, stand das Monument hier für eine nachhaltige Präsenz des Herrschers in der neuen Stadtmitte.
Friedrich selbst, der 1760 sein Amt als Landgraf ergriff, fand sich zu seiner Zeit in einem Modell einer Stadt wieder, das schon längst überholt war.
Trotz der großen Erschließungen der Wilhelmshöher Parkanlage und der Karlsaue, war noch immer keine Schleifung der Befestigungsanlagen vorgenommen worden, obwohl sie während der mehrmaligen Besetzung durch die Franzosen von Kassel im 16. und 17. Jahrhundert, mehr geschadet als genützt hatte. Zusätzlich drohte sie auch noch die weitere Stadtentwicklung zu hemmen.1
Doch der neue und gestaltungsfreudige Fürst sah darin nicht nur eine Chance seine Residenz von den Kriegsschäden und den altmodischen Bastionen zu befreien, sondern auch die Neustadt und die Altstadt zu vereinigen, den Terrain-unterschied zu begradigen und so eine neue Stadt zu schaffen.
Die damals als stadt-erweiternd gebaute Oberneustadt im barocken Stil, entstand vor den Festungsanlagen und wurde somit von ihr umschlossen. Die lange Bauzeit, die der Platz benötigte, lässt sich hierdurch leicht begründen, da es ein zeitaufwendiger Prozess war, die Mauer- und Toranlagen samt Fundament zu entfernen um daraufhin den Platz anzulegen und die Gebäude, die den Platz säumten zu errichten.
Neben den schon bereits erwähnten Gebäuden der nordöstlichen Seite des Friedrichsplatzes, wurde der Platz von den anderen Seiten her hauptsächlich mit bürgerlichen Häusern bebaut. Hiervon ist eines besonders hervorzuheben, das des Bildhauers und Innenarchitekten Johann August Nahl, der die Fassade seines Hauses in der Königsstraße 41 mit aufwendigen Bildhauerarbeiten und Stuckaturen verzierte. (Bild 2)
Verantwortlich für den Friedrichsplatz an sich, das Museum Fridericianum, die Elisabethkirche und das Palais von Junkern, ist der Architekt Simon Louis Du Ry2. Er war der Sohn des französischen Baumeisters Charles du Ry und war zu seiner Zeit ein Pionier auf seinem Gebiet. Zu seinen Lebzeiten war er Oberhofbaumeister und Architekt am Kasseler Hof. Zunächst unter Landgraf Wilhelm VIII. Und ab 1760 unter Friedrich II. Seine Ausbildung macht er in den Niederlanden, Frankreich und Italien, wo er unter anderem bei Jacques Francois Blondel in Paris ausgebildet wurde. Während seines Aufenthalts in Paris von 1748 bis 1752, stand gerade die Anlage „königlicher Platz“, also repräsentativer Stadtplatz mit Denkmal des Herrschers, im Mittelpunkt der städtebaulichen Diskussionen. Zu diesem Zeitpunkt war gerade die Planung und Gestaltung des „Place Louis XV“, der später in „Place de la Concorde“ umbenannt wurde, ausgeschrieben worden und Du Ry bekam die Arbeit von Jacques-Ange Gabriel mit, der damalige Hofarchitekt Ludwigs XV. Inspiriert von den Arbeiten Gabriels über klassizistische Platzarchitektur, entstanden so die ersten Pläne für den Friedrichsplatz in Kassel. Du Ry war einer der ersten, die im klassizistischen Stil in Deutschland baute und gilt so als einer der Pioniere des Klassizismus.
In diesem Stil baute er dann das Museum Fridericianum im Auftrag Friedrich II. mit dem er das auf dem Kontinent erste öffentlich zugängliche Museum schuf. Ebenfalls gestaltete Simon Du Ry das Aussehen des Friedrichplatzes, des Königsplatzes, zu dem später noch mehr gesagt werden wird, sowie die Königsstraße, des Kasernenplatzes, des Holländische Platzes, des Kornmarkts und des Leipziger Platzes, der später zum Unterneustädter Kirchplatz umbenannt wurde. Mit dem Gedanken sein Volk zu bilden, wurde das Museum Fridericianum mit der Kunstsammlung von Wilhelm VIII. , dem Vater von Friedrich II. ausgestattet und so konnte sich jeder Bürger gegen eine Eintrittsgebühr die Sachen ansehen. Dieser Schritt ein Museum statt eines neuen repräsentativen Residenzschlosses bauen zu lassen, wie seine Zeitgenossen Herzog Karl Eugen von Würtenberg in Stuttgart, Friedrich der Große in Potsdam, Kurfürst Clemens Wenzeslaus von Trier in Koblenz oder der Fürstbischof von Münster in seiner Residenz, war zu dieser Zeit ein völlig Neuer aber Entscheidender.
An der nordwestlichen Seite des Platzes, dem Opernplatz, befand sich schon 1765 das Opernhaus, das zu späterer Zeit ebenfalls für Schauspielaufführungen genutzt wurde.
Die hier neugeschaffene Platzanlage stellt eine kulturgeschichtliche Einzigartigkeit dar, die den Maßstab für Bildungswillen und Aufklärung in einem deutschen Fürstentum deutlich erhöht. Sie verbindet Museum und Theater und bildet einen Schmelztiegel voll mit bürgerlicher Gesittung und Wissenschaftsgläubigkeit. In Gedenken an den Stifter des Platzes und an die Toleranz, die Fürst Friedrich II. damals seinen Bürgern entgegenbrachte, steht auch heute noch ein Denkmal auf dem Friedrichsplatz in Kassel. (Bild 3)
Bereits 1767 wurde zu Ehren des Generalmajors und Staatsministers von Junkern das Weiße Palais oder auch das Palais Junkern, am nordöstlichen Rand des Friedrichsplatzes erbaut. Jenes Palais griff das barocke Fassaden- schema der Oberneustadt auf. Seit 1772 wird das ehemalige Adelspalais allerdings als Ständehaus genutzt und somit in den Dienst der Allgemeinheit gestellt. Währenddessen befand sich das Museum Fridericianum schon im Bau und es wurden Räumlichkeiten für die vorher noch im Marstall und im Kunsthaus untergebrachten Bereiche der Naturgeschichte, der Mathematik, der Physik, der Altertumsforschung, der Mechanik und Medaillen sowie der öffentlichen Bibliothek eingerichtet. Dies alles sollte später im Museum für alle Bürger zugänglich sein.
Bei der Benennung seine Bildungstempels hielt sich Friedrich II. ganz an seine Amtskollegen, beispielsweise Landgraf Moritz mit seinem Mauricianum oder Landgraf Karl und sein Carolinum, jedoch brach er alle weiteren üblichen Vorgehensweisen und trennte die fürstlichen Kunstsammlungen komplett vom fürstlichen Residenzkomplex um sie im Museum Fridericianum unterzubringen.
Dieses Vorgehen zeigte sich auch im Gesicht des Fridericianums, seiner Fassade. Durch das Beibehalten des traditionellen Schlossbauwerks, wie es im 17. und 18. Jahrhundert üblich war, erwarb das Museum das Recht, sich als Erbe der Residenz im Zentrum der neu entstandenen Stadt zu positionieren. Doch durch das Mimen einer antiken Tempelfront zeigte das Bauwerk auch eine gewisse Innovation gegenüber seinen Vorgängern. Durch das niedrige Sockelgeschoss verlieh es seiner neuen Bedeutung als öffentliches, für alle Bürger zugängliches Gebäude, ebenfalls Nachdruck. Um die Vermählung der Altstadt mit der Neustadt nochmals auch hier deutlich zu machen, wurde der alte Turm des Zwehrener Tores mit dem Museumsgebäude verbunden.
Schon zu Zeiten Landgraf Karls wurde dieser Turm, der bis dahin als Grenz- und Kontrollpunkt zwischen Stadt und Land gedient hatte zu einer Sternenwarte umfunktioniert und wurde so seinen verteidigungstechnischen Funktionen enthoben. Als das Fridericianum errichtet wurde, ließ Friedrich II. ihn in zu einem Observatorium umbauen, womit er so zu einem Fixpunkt wurde, der sowohl die Kontinuität der Geschichte der Stadt Kassel, als auch die Ideale der Wissenschaft und des Fortschritts, die mit seinem Um- beziehungsweise Anbau an das Museum eingeläutet wurde, repräsentiert.
Zwischen 1770 und 1774 wurde die Elisabethkirche als optisches Pendant zum Weißen Palais an der nordöstlichen Seite des Friedrichsplatzes erbaut. Dass sie rein entwicklungsgeschichtlich der katholischen Hofkapelle des Schlosses abstammt wird schon dadurch sinnfällig, dass sie auf einer Achse mit dem Triumphbogen und dem Schloss lag. Fügt sie sich in ihrem Äußeren fast gänzlich dem Museum Fridericianum eben wie dem Palais Junkern, so ist ihre Funktion doch ganz mittelalterlich zur Hervorhebung des Stadtzentrums durch die Präsenz von „Herrschaftspalast und Kirche“.
Gleichzeitig wurde das Museum jedoch zum Sakralbau ernannt und die Kirche zum Profanbau degradiert. Dies sollte dazu beitragen, die Neuerungen innerhalb normierter und tradierter Zentrumsbauten vor Augen zu führen. Hier hebt sich der Friedrichsplatz in Kassel auch völlig von seinen Verwandten ab. Während bei anderen Stadtzentren die Platzanlagen oft untrennbar mit Verwaltungsgebäuden und Gerichtsgebäuden verwoben waren, so war der Friedrichsplatz durch die ihn umgebenden Gebäude, mit Ausnahme des Ständehauses, ein Tor zur Erschließung des Menschen und seines Geistes.
Diese tiefgreifende Veränderung verwiesen auf eine Wandlung des Regierungsprinzips Friedrich II. von einer Jurisdiktion als Ordnungsinstanz im Staate zu einem Grundsatz der Bildung für alle, dem nun Frieden und Gerechtigkeit unterstellt waren.
Durch diese neue Ordnung, die durch die Lockerungen seitens der Notwendigkeit des Überwachen und des Strafens eingeführt wurden, entstand ein Sinnbild einer neuen Staatsidee, die dem ganzen ein neues Gesellschaftskonzept entgegenstellte. Zum Anfang der 1780er Jahre wurden zusätzlich zur Königsstraße und zur Bellevue, zwei weitere Straßen, die aus der Oberneustadt kamen, über den Platz geführt.
Durch diese Ergänzung verlor der Friedrichsplatz seine Stellung als eigenständiges und neutrales Verbindungsstück, zwischen den zwei Stadtteilen. Durch die über den Platz verlaufenden neuen Straßen, wurde er optisch in mehrere Rechtecke aufgeteilt, die zusätzlich mittels strahlenförmiger Wegführung geometrisch aufgeteilt wurdeb, wodurch die Tiefenwirkung des Platzes verstärkt wurde.
Der Friedrichsplatz wurde nun als öffentlich zugängliche Parkanlage und Promenadenplatz, dem Dienst der Öffentlichkeit übergeben. Zwischen 1779 und 1782 wurde das Auetor (auch Friedrichstor genannt) an der südöstlichen Seite des Platzes in Richtung Auepark errichtet (Bild 4).
Es war ebenfalls ein Sinnbild der Umorientierung und wurde zum neuen Point de Vue am Ende der neuen Hauptachse, die jetzt parallel zum Museum Friedericianum mitten über den Platz verlief und im Auetor ihr Ziel fand. Obwohl es nicht direkt Bestandteil des Platzes war und als Appendix des Platzes für Öffnung zur Landschaft diente, wurde der Betrachter dadurch unmittelbar über die Weite der Park- und Flusslandschaft erhoben. Durch die Straße der Bellevue ( heute die Frankfurter Straße), die über den Platz verlief, bekam sie selbst sowie der abgeschnittene Teil des Platzes, der Richtung Auepark lag, Terrassen-ähnlichen Charakter und war somit Stadtbegrenzung und Orientierung in die Weite zugleich.
Diese Aussichtsplattform, die den Blick vom Friedrichsplatz in Richtung Südosten freigab und die Nordwest-Südost Achse des Paltzes sowie die Schloss-Bellevue Achse, die neuen Erschließungsachsen, in sich kreuzen ließ, galt nun als neuer Schwerpunkt innerhalb der Erschließung von Stadt und dem umliegenden Terrain. Um hier wieder den Vergleich mit Nancy zu wagen, wo der zentrale Augenpunkt noch dem König oder seinen in Stein gemeißelten Vorgängern vorbehalten war, wurden hier gänzlich neue Wege beschritten und die Kontrolle sozusagen in bürgerliche Hände übergeben. Der vorher als Luxus geltende und fürstliche Fernblick wurde dadurch auch eines Bürgers würdig. Aus einer zwar aufwendigen aber doch simplen Umgestaltung einer Stadt, wurde somit eine historisch gesellschaftlich gesehen einschlägige und vorbildhafte Gesellschaftsordnung geschaffen, die sinnlich erfahrbar war.
Das Tor, dass nun die vorher noch so feindlich erscheinende und ins Land ragende Bastion, öffnete nicht nur des Betrachters Auge für den neu gewonnenen Ausblick sondern war ebenfalls Inbegriff der intellektuellen Freiheit und Mündigkeit des Bürgers.3
Eine neue Identität hielt somit Einzug in die Mauern Kassels. Das bisher herrschende Verhältnis zwischen Fürst und Staat wurde zugunsten eines pluralistischen Staats- beziehungsweise Gesellschaftsverständnisses aufgehoben. Dies war auch der Grund dafür, warum das Standbild des regierenden Landgrafen, Friedrich II., erst vier Jahre nach der Einweihungszeremonie des Friedrichsplatzes und des Museum Fridericianum, 1783, in der Mitte des Platzes errichtet wurde.
Die Tatsache, dass der Fürst nun offen hinter das Auge des Bürgers zurücktrat, zeigten die, für alle sichtbaren urbanistischen Neuerungen, die an der Grenze zwischen Stadt und Land stattfanden und sich nicht mehr im steinernen Ebenbild des Fürsten ausbalancierten. Das Standbild des Landgrafen in der Mitte des Platzes vor den zwar oberflächlich altbewährten Ausdrucksmitteln, die sich jedoch innerlich stark gewandelt haben, zeigt ihn in seinem neuen Selbstverständnis als Wohltäter der Stadt, fortdauernder Schützer, Amtsträger des ihm anvertrauten Wissens, Schirmherr der Künste und fortdauernder Schützer der Stadt Kassel.
Aus dieser Perspektive könnte man die Neuerungen von Friedrich II. auch als Versuch werte, die alte Ordnung mit in die neue Zeit zu nehmen, in den geistigen Aufbruch, und so wenigstens ein Stück von ihr zu retten.
Die Schleifung der militärischen Analgen und die damit einhergehende neue Erschließung des umliegenden Territoriums um Kassel wurde somit zum Vorbild einer gesellschaftspolitischen Umwälzung.
Fraglich bleiben die Gründe, aus denen Friedrich II. diesen Weg beschritten hat und ob er sich den zahlreichen Konsequenzen, die seine fast schon revolutionär anmutenden Maßnahmen, mit sich brachten. Ob er gezwungen war Veränderungen einzuläuten, weil es für einen Fürsten zu seiner Zeit keine anderen Möglichkeiten gab seine Führungsposition zu behalten, als dem Volk bahnbrechende Neuerungen, wie ein öffentlich zugängliches Museum und andere Bildungs- und Kulturinstitutionen sowie ein Verbindung zur Natur, die sonst nur eines Fürsten würdig gewesen war, anzubieten. Oder ob er wirklich ein Pionier war, der aus internationalem Innovationsdruck die Chance ergriff und seiner Residenzstadt den Rang einer führenden europäischen Metropole sicherte.
Sicher bleibt, dass durch die Weiterentwicklung bestehender baulicher Strukturen und Ortsbindungen beziehungsweise der Wahrung Anderer, sich die Pläne von Friedrich II. als kontinuierlich verlaufende Entwicklung herausstellten.
Kennzeichnend hierfür waren war die Spezialisierung, die Isolierung und vor allem die Ausdifferenzierung von zentralen Gesichtspunkten der Stadt. Der Königsplatz erlöste den Friedrichsplatz von der verkehrstechnischen Erschließung, was ökonomisch gesehen der ideologischen Erschließung mehr Raum zur Verfügung gab. All die Gebäude, die sonst immer zentralisiert auf die fürstliche Machtdemonstration hinwiesen, waren nun nicht mehr aufeinander bezogen, sondern präsentierten sich nun als eigenständige städtebauliche Ausdrucksmittel mit verschiedenen Zuständigkeitsbereichen.
Eine Vielzahl von ökonomischen sowie verkehrs- und gesellschaftspolitischen Kriterien ersetzten nun Zentralität in der Person des Fürsten.
Alles was dem Fürsten blieb, ist eine Illusion eines ungebrochenen Herrschaftsanspruches, durch den Ausblick vom Balkon seines Schlosses.
Die sonst so machtvolle und ausdrucksstarke Gesamtordnung, die sich in einem Fürstenmonument so punktuell und symbolisch fokussiert und widerspiegelt, ist, man kann es nicht anders sagen, durch den Friedrichsplatz enorm ins Schleudern geraten.
Die sonst so genau durchdachten Achsenbewegungen, die eigentlich für die Sicherung und Ordnung im Reich des Fürsten dienen sollten, haben sich weiterentwickelt und bewegen sich nun in allen erdenklichen Richtungen fort in die unbegrenzte Weite. Die Anwesenheit von Friedrich II. durch sein in Stein gemeißeltes Abbild, dass nun nicht mal mehr in der Mitte des Friedrichsplatzes steht, ist somit nur noch ein Schatten, der gestaltlos an das Ende eines Zeitalters erinnert.
[...]
1 - Keim, Christiane: „Städtebau in der Krise des Absolutismus. Die Stadtplanungsprogramme der Hessischen Residenzstadt Kassel, Darmstadt und Wiesbaden“. Marburg 1990, S. 27-33, 71-81, 111-119
2 - Fenner, Gerd: „Zum Studienaufenthalt des Kasseler Architekten Simon Louis de Ry in Stockholm (1746-48)“. In: Burmeister, Helmut: Friedrich. König von Schweden, Landgraf von Hessen-Kassel. Studien zu Leben und Wirken eines umstrittenen Fürsten (1676-1751). Hofgeismar 2003, S. 387-400
3 - Wegner, Karl-Hermann: „Das Stadtbild Kassels im 18. Jahrhundert. Von der Festung zur Stadt in der Landschaft“. In: Wegner, Karl Hermann, Christina Vanja, Heide Wunder (Hg.): Kassel im 18. Jahrhundert. Residenz und Stadt. Kassel 2000, S. 143-159