Inwieweit kann die Verknüpfung der Kompetenzen „Systeme erschließen“ und „räumliche Orientierung“ mittels der Kartogramme von „Worldmapper“ im Geographieunterricht umgesetzt werden?
Die globalisierte Gesellschaft ist mit Problemen wie dem Klimawandel und wachsenden sozialen Disparitäten konfrontiert, welche nicht durch einfache Ursache-Wirkung-Ketten zu lösen sind. Aufgrund dieser Komplexität der Welt bedarf es Ordnungen und Strukturen, um dieses System darzustellen. Durch die Interdisziplinarität der Geographie kann diese die Aufgabe erfüllen und die Probleme sowie Prozesse der Welt strukturieren. Die Aufgabe der Geographiedidaktik ist es, den Schülerinnen und Schülern umfangreiche Kompetenzen zu vermitteln, damit sie selbst in der Lage sind, sich mit Hilfe von Strukturen in dieser Komplexität zurechtzufinden. Dabei kann man keiner einzelnen Kompetenz den alleinigen Wert dieser Strukturvermittlung anrechnen oder andere in ihrer Wertigkeit herabsetzen, jedoch leisten Systemkompetenz und die Kompetenz zur räumlichen Orientierung einen großen Beitrag zu dieser Strukturierung. Die Kompetenzen können jedoch nicht getrennt voneinander gelehrt werden, da für die Strukturierung des komplexen Systems der Welt eine gleichzeitige Anwendung der Kompetenzen von Nöten ist.
Diese Arbeit untersucht, wie die Verknüpfung der beiden Kompetenzen gelingen kann und somit den Anspruch des Geographieunterrichts gerecht wird, wodurch sich eine forschungsgebende Relevanz ergibt. Durch die Digitalisierung ist es dabei möglich, auf neue Medien wie unter anderem die Kartogramme von „Worldmapper“ zurückzugreifen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Projekt „Worldmapper“
3 Erklärung der Kompetenzen Systeme erschließen und räumliche Orientierung
3.1 Systeme erschließen
3.2 Kompetenz Räumliche Orientierung
4 Didaktische Anwendung der Kartographien von „Worldmapper“ im Geographieunterricht
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Erstellung eines Rasterkartogramms
„Man muss die Welt nicht verstehen, man muss sich nur darin zurechtfinden.“
~ Albert Einstein
1 Einleitung
Die globalisierte Gesellschaft ist mit Problemen wie dem Klimawandel und wachsenden sozialen Disparitäten konfrontiert, welche nicht durch einfache Ursache-Wirkung-Ketten zu lösen sind. Aufgrund dieser Komplexität der Welt bedarf es Ordnungen und Strukturen, um dieses System darzustellen. Durch die Interdisziplinarität der Geographie kann diese die Aufgabe erfüllen und die Probleme sowie Prozesse der Welt strukturieren. Die Aufgabe der Geographiedidaktik ist es den Schülerinnen und Schülern umfangreiche Kompetenzen zu vermitteln, damit sie selbst in der Lage sind sich mit Hilfe von Strukturen in dieser Komplexität zurechtzufinden. Dabei kann man keiner einzelnen Kompetenz den alleinigen Wert dieser Strukturvermittlung anrechnen oder andere in ihrer Wertigkeit herabsetzen, jedoch leisten Systemkompetenz und die Kompetenz zur räumlichen Orientierung einen großen Beitrag zu dieser Strukturierung. Die Kompetenzen können jedoch nicht getrennt voneinander gelehrt werden, da für die Strukturierung des komplexen Systems der Welt eine gleichzeitige Anwendung der Kompetenzen von Nöten ist. Diese Arbeit untersucht wie die Verknüpfung der beiden Kompetenzen gelingen kann und somit den Anspruch des Geographieunterrichts gerecht wird, wodurch sich eine forschungsgebende Relevanz ergibt. Durch die Digitalisierung ist es dabei möglich auf neue Medien wie unter anderem die Kartogramme1 von „Worldmapper“ zurückzugreifen. Daraus resultiert die Frage Inwieweit kann die Verknüpfung der Kompetenzen „Systeme erschließen“ und „räumliche Orientierung“ mittels der Kartogramme von „Worldmapper“ im Geographieunterricht umgesetzt werden?
Bei der Untersuchung erfolgt zuerst eine grundlegende Einführung in das Projekt „Worldmapper“, bei welchem das Projekt und die Erstellung der Kartogramme vorgestellt werden. Daran anknüpfend erfolgt eine Definition des Begriffes Kompetenz, um darauf aufbauend die Systemkompetenz und die Kompetenz zur räumlichen Orientierung zu erläutern. Dabei wird die Kompetenz „Systeme erschließen“ nach dem Modell von Rempfler und Uphes erklärt und anschließend werden die Aspekte des räumlichen Denkens diskutiert. Daran anknüpfend erfolgt die Analyse der Implementierung der Kartogramme von „Worldmapper“ im Unterricht und der Förderung von Teildimensionen der Kompetenzen durch diese.
2 Projekt „Worldmapper“
Das Projekt „Worldmapper“ wurde 2006 als Forschungsprojekt an der Hallam Universität in Sheffield gegründet und ist heute eine unabhängige, private und gemeinnützige Organisation. Das Ziel des Projektes ist es:
einem möglichst breiten Publikum, vor allem aber Schülerinnen und Schülern und Studierenden, die Beziehungen zwischen Komponenten der Welt und deren Einflüsse auf die Gesellschaft zu kommunizieren. Dies wird mit im Internet frei verfügbaren Kartierungen, welche unter Verwendung einer außergewöhnlichen kartographischen Projektion erstellt wurden, erreicht (übersetzt. Dorling et al., 2006, S.757).
Die Themen der Kartogramme orientieren sich dabei an den von den Vereinten Nationen (2015) festgelegten „Sustainable Development Goal`s“ (SDG) für nachhaltigen Entwicklung. Dabei ermöglichten die zunehmende Verfügbarkeit von Datenquellen, die Fortschritte in der digitalen Kartierungstechnik und die Möglichkeiten des Internets für die Erstellung der Kartogramme den Erfolg des Projektes (vgl. Hennig, 2019, S.75). In den letzten 14 Jahren entstanden so über 700 Kartogramme, unter anderem in den Kategorien Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Gesundheit. (vgl. Hennig, 2018, S.66)
Die Daten stammen zumeist aus den Datenerhebungen der Vereinten Nationen, bspw. aus Berichten des Entwicklungsprogrammes (UNDP), des Umweltprogrammes (UNEP) oder des Berichtes über die menschliche Entwicklung (UNHDR). Außerdem kann das Projekt auch auf Auswertungen der CIA zugreifen. Aufgrund dessen, dass keinem Gebiet2 ein „Nullwert“ zugewiesen werden kann, da es andernfalls nicht als solches kartographiert wird, werden qualitative Schätzungen in die Kartierung mit einbezogen. So wird für dieses Gebiet der Durchschnittswert der Nachbargebiete verwendet. (vgl. Dorling et al., 2006, S.758f.)
Die Erstellung der Kartogramme basiert ursprünglich auf dem „Diffusionsalgorithmus“ nach Gastner und Newmann (2004), welcher von Gastner et al. (2018) zum „flussbasierten Algorithmus“ weiterentwickelt wurde. Das allgemeine Prinzip blieb jedoch ähnlich zu dem Diffusionsalgorithmus. Dabei wird die Welt in Raster, welche in humangeographischen Kartierungen den Gebieten entsprechen, eingeteilt (siehe Abb. 1 (2)). Innerhalb des Rasters wird die Ausprägung der dargestellten Eigenschaft als konform angenommen, sodass für das Raster eine Dichte bezüglich der Ausprägung, in Anlehnung an die Diffusionsphysik, angenommen werden kann. Der Diffusionsprozess kann mit der Diffusion von Tinte in Löschpapier exemplifiziert werden, wobei die Ausprägung der darzustellenden Eigenschaft mittels der Tinte und das Kartogramm mit dem Löschpapier metaphorisiert werden. Dabei breitet sich die Tinte solange in dem Papier aus, bis die Konzentrationsunterschiede innerhalb des abgeschlossen Systems minimal, die Teilchen also durchmischt sind. Dabei gelten proportionale Zusammenhänge, sodass bei Erhöhung der Dichte eine stärkere Ausbreitung verzeichnet werden kann. Für die Kartographierung bedeutet dies, dass die Grenze des Rasters der maximalen Ausbreitung des computergestützten Diffusionsprozesses entspricht. Aus diesem Grund werden Gebiete mit stärkerer Merkmalsausprägung gegenüber Nachbargebieten mit geringerer Ausprägung vergrößert dargestellt (siehe Abb. 1 (3)). (vgl. Gartner & Newman, 2004, S.7500)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Erstellung eines Rasterkartogramms. Links (1). Mitte (2) und Rechts (3). Bearbeitet, aus Hennig, D. (2013). Rediscovering the World. Map Transformations of Human and Physical Space. Berlin Heidelberg: Springer. S.94.
Ursprünglich wurden die Raster in Abhängigkeit des „Human Development Index“ (HDI) in den Regenbogenfarben koloriert, wobei dunkelrot einen niedrigen und violett für einen hohen HDI repräsentiert, jedoch erwies sich diese Darstellung als ungünstig, sodass die Raster in aktuellen Karten aufgrund ihrer geographischen Lage farblich gekennzeichnet werden. Die Verwendung der Regenbogenfarben blieb jedoch bestehen. (vgl. Dorling et al., 2006, S. 761)
Damit diese Kartogramme verstanden werden können, bedarf es sowohl der Ausprägung der Systemkompetenz als auch der Kompetenz zur räumlichen Orientierung, welche nachfolgend erläutert werden.
3 Erklärung der Kompetenzen Systeme erschließen und räumliche Orientierung
Weinert (2001) definierte Kompetenz als die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können‘ (zit. nach DGfG, 2014, S.8).
In der Geographie wird in die fünf Kompetenzbereiche Fachwissen, in welchem die Kompetenz Systeme erschließen inbegriffen ist, räumliche Orientierung, Erkenntnisgewinn bzw. Methoden, Kommunikation, Beurteilung bzw. Bewertung und Handlung unterteilt. (vgl. DGfG, 2014, S.9).
3.1 Systeme erschließen
Das Modell der Systemkompetenz nach Rempfler und Uphues (2011) setzt sich aus vier Dimensionen zusammen, welche sich jeweils in dreistufige Fähigkeitsniveaus teilen (vgl. Anh.1). Die erste Dimension beschreibt die Fähigkeit die Organisation eines komplexen Realitätsbereiches zu charakterisieren sowie dessen Elemente modellhaft zu beschreiben und wird aus diesem Grund als „Systemorganisation“ bezeichnet. Dabei muss zum einen die Struktur des Systems zum anderen dessen Grenzen verstanden werden. In der Systemstruktur sollten Schülerinnen und Schüler, auf basalem Niveau, Elemente identifizieren und monokausale Verknüpfungen erkennen. Die höchste Kompetenzstufe wird dabei erreicht, wenn über lineare Denkmuster hinweg die Welt als ein komplexes Wirkungsgefüge von Subsystemen erkannt wird. Im System Armut können so bspw. die Systemelemente Einkommen, Bildung und Gesundheit identifiziert werden, welche sich gegenseitig bedingen. Die Systemgrenze beinhaltet in der höchsten Kompetenzstufe die Fertigkeit einzelne Subsysteme voneinander abzugrenzen und somit klare Vergleiche innerhalb der Beziehungsgefüge und zu anderen Systemen zu erlauben. Das System Armut ist somit selbst ein Subsystem des „Wohlstandes“, welches selbst ein Subsystem des „Wirtschaftssystems“ ist. (vgl. Rempfler & Uphues, 2011, S.40)
Die zweite Dimension wird definiert als die Fertigkeit die Charakteristika der Verhaltensweisen eines Systems analysieren zu können und setzt sich aus den Teildimensionen Systememergenz, Systeminteraktion und Systemdynamik zusammen. Überdies steht hier ebenso wie bei der „Systemorganisation“ der Wissenserwerb im Vordergrund. Emergenz eines Systems heißt, dass durch das Zusammenwirken einzelner Elemente des Systems zusätzliche Bestandteile mit vielfältigen Strukturen und Eigenschaften entstehen. Die Schülerinnen und Schüler sollen grundlegend Ähnlichkeiten zwischen Elementen und der Gesamtheit des Systems erkennen, um auf höherem Kompetenzniveau die Existenz der Emergenz eines Systems wahrnehmen zu können. So teilen alle Elemente mit der Gesamtheit des Systems Armut die Eigenschaft des Mangels. Identifikation von Interaktionen zwischen Elementen des Systems stellt die Fähigkeit der Systeminteraktion dar, bei welcher die Schülerinnen und Schüler auf der substanziellen Stufe zeitliche und räumliche Entwicklung von Systemelementen erkennen sollen. Jedoch existieren negative und positive Rückkopplungen zwischen Elementen, welche auf der höchsten Stufe dieses Dimensionsaspektes erkannt werden sollen. Ebenfalls sollten Schülerinnen und Schüler dadurch entstehende Kreisläufe identifizieren, Zusammenwirkungen zwischen Elementen des Systems und externen Einflüssen verstehen sowie Ursachen und Wirkungen klar voneinander abgrenzen. Im System der Armut betrifft dies die negative Rückkopplung zwischen mangelnder Bildung und geringem Einkommen, welches hier zu einem Armutskreislauf führt. Außerdem können Naturkatastrophen als externe Einflüsse die extreme Armut einer vulnerablen Gesellschaft weiter verstärken. Unter dem dritten Dimensionsaspektes Systemdynamik wird die Fähigkeit verstanden, lineare als auch exponentielle zeitliche Entwicklungen und deren Irreversibilität zu erkennen. (vgl. ebda., S.40f)
Im Unterschied zu den Dimensionen „Systemorganisation“ und „Systemverhalten“ liegt der Fokus in der dritten Dimension, der „[s]ystemadäquate[n] Handlungsintention“, das in den Dimensionen davor erlangte Wissen anzuwenden. Diese Handlungsintention setzt sich zusammen aus der Systemprognose und der Systemregulation. Wenn die Schülerinnen und Schüler das erste Kompetenzniveau der Systemprognose erreicht haben, sind sie in der Lage Prognosen auf monokausale Erklärungsmuster gestützt darzubieten. Bei höherer Qualifikation sollten Korrelationen zwischen Elementen wahrgenommen und daraus Prognosen und Vorhersagen bezüglich des Systems getroffen werden können. Bei der Systemregulation sollen Schülerinnen und Schüler in der Lage sein, die Wirkung von Maßnahmen auf das System zu analysieren und in der höchsten Kompetenzstufe deren Wirkung zu antizipieren. Erhöht man bspw. die Investitionen in die Bildung und macht es der von Armut geprägten Gesellschaft qualitativ möglich gebildet zu werden, so verbessern sich die individuellen Fähigkeiten und somit die Chance auf ein besseres Einkommen. (vgl. ebda., S.41)
Die erworbenen Fähigkeiten der bereits diskutierten drei Dimensionen kumulieren in der vierten Dimension, dem „Systemadäquaten Handeln“. Im Gegensatz zur vorherigen Dimension werden mögliche Handlungen nicht nur mental durchdacht und auf deren Folgen geprüft, sondern auch ausgeführt. Das aktionale Handeln begünstigt die Problemlösefähigkeit, wodurch sich dessen Relevanz ergibt.
3.2 Kompetenz Räumliche Orientierung
Räumliches Denken ist eine Fähigkeit, welche zu den sieben unterschiedlichen Arten der Intelligenz gehört (vgl. Rinschede & Siegmund, 2020, S.56).
Dabei unterscheidet sich die Intelligenz im geographischen Sinn von der psychologischen. So impliziert dieser Intelligenzfaktor die Verflechtung zwischen Objekt und dessen Betrachter, das heißt zum einen die räumliche Distanz zwischen Objekt und Betrachter zum anderen die Interpretation der äußeren Erscheinung (Physiognomie) des Objektes durch den Betrachter. Weiterhin heißt räumliches Denken, dass kausale funktionale Zusammenhänge im Raum erkannt werden (vgl. ebda., S.56).
Schülerinnen und Schüler sollen Orientierungswissen erlangen und mit räumlichen Orientierungsrastern sowie Karten umgehen können. Dabei sind nicht nur das Wissen über die topographische Lage, sondern auch deren Bezug zu Orientierungsrastern von Bedeutung. Auf diesem Wissenserwerb aufbauend ergeben sich die Fertigkeiten der Orientierung in Realräumen und das Verständnis des Raums als Konstrukt (vgl. DGfG, 2014, S.17f.). Obwohl Orientierungswissen, wie bspw. topographisches Wissen, räumliche Orientierungsraster und die Orientierung in Realräumen mittels Karten durch den digitalen Fortschritt an Bedeutung verloren haben, ergeben sich zusätzliche Chancen für neue digitale Formen von Karten, wodurch der räumlichen Kompetenz weiterhin bildenden Wert zu zuschreiben ist (vgl. Rinschede & Siegmund, 2020, S.58). Karten können komplexe Situationen strukturieren sowie organisieren und somit Schülerinnen und Schülern durch Visualisierung bei der Vereinfachung von Sachverhalten helfen (vgl. Harvey, 2018, S.12). Aus diesem Grund bilden Karten und Kartogramme die essentielle Grundlage für Interpretationen, weil sie auf einem soliden Verständnis von Sachverhalten aufbauend, nicht nur das „what is where“, sondern auch das „whys of where“, also kausale Zusammenhänge, untersuchen (Kerski, 2013, S.11). Daraus folgt, dass räumliches Denken und systemisches Denken nicht vollständig voneinander abzugrenzen sind, weil beiden komplexe Wirkungsgefüge zu Grunde liegen (vgl. Rinschede & Siegmund, 2020, S.56).
Demnach kann die Existenz einer Schnittmenge beider Kompetenzen angenommen und somit deren didaktische Umsetzung im Geographieunterricht mit Hilfe der Kartogramme „Worldmapper“ am System Armut betrachtet werden und deren mögliche Verwendung im nachfolgenden diskutiert werden.
4 Didaktische Anwendung der Kartographien von „Worldmapper“ im Geographieunterricht
Wie in der Analyse der Systemkompetenz wird als Beispiel System die absolute Armut verwendet, von welchem ein Kartogramm von „Worldmapper“ angefertigt wurde (vgl. Anh.2). Das Thema Armut ist Bestandteil der Thematik Armut/ Reichtum, welche im Rahmen des Geographieunterrichtes der 7. und 8. Klasse behandelt wird. (vgl. MBJS, 2015, S.26).
Die Stellung der Anwendung der Methodik in der Unterrichtssequenz ist vielfältig und sowohl von den vorhandenen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler als auch von der beabsichtigten Dimensionsförderung abhängig. Die Wirkung von Karten für die Geographie wird meist ausschließlich auf die positive Wirkung der Visualisierung reduziert (vgl. Hennig, 2018, S.67). Die Veranschaulichung der Thematik kann so die Komplexität selbiger verringern und so zu einem verbesserten Verständnis beitragen.
Daraus folgt, dass die Methode zu Beginn der Beschäftigung der Thematik Armut/ Reichtum verwendet werden kann. Dabei wird zum einen überhaupt die Existenz von Armut herausgestellt sowie die Relevanz der Problematik, aufgrund der globalen Verteilung, für die Gesellschaft charakterisiert. Hierbei ist schon eine Verknüpfung zwischen Systemkompetenz und der Kompetenz „räumliche Orientierung“ hergestellt. So bedarf es für das Verständnis der Problematik der Armut mit Hilfe des Kartogramms, dass die Schülerinnen und Schüler grundlegende Fähigkeiten in der Kompetenz räumliche Orientierung besitzen oder ihnen diese vermittelt erstmalig vermittelt werden. Es ist gemeinhin bekannt, dass die Schülerinnen und Schüler ein Verständnis der physiognomischen Gestaltung der Weltkarte haben müssen, da sonst das Ziel den Schülerinnen und Schülern die Darstellung der Armutsstatistik in der Karte zu verdeutlichen konterkariert werden. So kann schon allein in der Einführung die Systemkompetenz die räumliche Fähigkeit, durch die Verstärkung der Kompetenz „Karten lesen“, gefördert werden. Bei geringer Ausprägung der räumlichen Kompetenz kann es bei der ausschließlichen Verwendung zu Beginn einer Thematik verblieben werden. Sollten jedoch die Schülerinnen und Schüler schon mehr Erfahrung im Umgang mit Karten haben, kann die Methode auch sequenzbegleitend Verwendung finden.
Zuzüglich gibt es noch mehr Dimensionen der Systemkompetenz, die die Kartogramme von „Worldmapper“ fördern. Die Primärkarte absolute Armut (vgl. Anh.2) kann von einer Sekundärkarte, bspw. das Bruttonationaleinkommen der Gebiete (vgl. Anh.4), ergänzt und den Schülerinnen und Schülern vorgestellt werden. Bringt man diese beiden Karten bspw. an der Tafel an, kann das Bruttonationaleinkommen des Gebietes als Element im System Armut erkannt werden. Da die beiden Karten aber nicht vollständig kontrastiert sind, folgt als Erkenntnisgewinn daraus, dass neben dem Entwicklungsstand weitere Elemente Bestandteil des Systems Armut sind. Daraus folgt, dass den Schülerinnen und Schülern vermittelt werden kann, dass keine monokausale Kette zwischen Entwicklungsstand und der zu messenden absoluten Armut existiert. Damit wird die Teildimension des Systemverhalten „Systeminteraktion“ gefördert bzw. zu deren Existenz hingeleitet.
Weiterhin ist es möglich, die Anzahl an Sekundärkarten zu erhöhen. Dabei können sowohl Kartogramme verwendet werden, welche ein anderes Element, bspw. Bildung und Gesundheit, des Systems darstellen, und Kartogramme, welche keine Elemente selbiger visualisieren (vgl. Anh.6). Die Schülerinnen und Schüler sind somit selbst gefordert die beiden Teildimensionen der Systemorganisation durch entdeckendes Lernen herauszufinden. In der Forschung der naturwissenschaftlichen Didaktik ist belegt, dass durch diese Unterrichtskonzeption sowohl Motivation zur Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand, hier das System Armut, als auch der finale Lernerfolg gesteigert werden (vgl. Nerdel, 2017, S.151). Im Bereich der Systemstruktur wird erkannt, dass das System Armut selbst ein Subsystem der Wirtschaft bildet und wiederum aus einzelnen Subsystemen besteht. Dadurch, dass die Schülerinnen und Schüler selbständig Elemente aus dem System (interne Elemente) und externe Elemente erkennen, verstehen sie gleichzeitig, dass das System Grenzen hat und somit die Teildimension der Systemgrenze gefördert wird. Daraus folgt, dass die Kartogramme bei ausreichender Ausprägung der räumlichen Orientierunskompetenz ebenso vollständig die Dimension der Systemorganisation fördern.
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1 Kartogramme sind statistische Karten, welche auf Grundlage einer vereinfachten Basiskarte, meist nur eine Raumgliederung, geographische Themen mittels Punkten, Intensitätsskalen oder Diagrammen darstellen. (vgl. Koch, 2001)
2 Das Projekt verwendet in den Datensätzen bewusst nicht das Wort „Land“ („country“) oder „Staat“ („state“), weil einzelne „Staaten“ nicht von den Vereinten Nationen als unabhängig anerkannt werden und einige Gebiete keine „Staaten“ sind. Aufgrund dessen wird die neutrale Bezeichnung Gebiet („territory“) verwendet. (vgl. Dorling et al., 2006, S.758) Dem folgend impliziert in dieser Arbeit der Begriff Gebiet synonym auch für die Bezeichnung Land sowie Staat.