Die Forschungsfrage dieser Arbeit lautet: Inwiefern instrumentalisiert die Reichsbürgerbewegung die Corona-Krise für Ihre Zwecke?
Ausgehend von dieser werden die Verbreitungsmethoden der Reichsbürger*innen analysiert. Außerdem wird mithilfe der Thesen von Sebastian Bartoschek geklärt, welche Rolle Verschwörungstheorien dabei spielen. Exemplarisch wird dies verdeutlicht an der Corona-Krise, welche Verschwörungsideolog*innen enormen Aufwind gegeben hat. Zum Schluss wird geklärt, ob die Forschungsfragen beantwortet werden konnte und zu welchen Ergebnissen die Hausarbeit gelangte.
Bereits seit vielen Jahrhunderten und natürlich auch in der heutigen Zeit gibt es eine Vielzahl von Verschwörungstheorien. Seit dem Durchbruch des Internets, erreichen diese Theorien einen nicht unerheblichen Teil unserer Bevölkerung. Mithilfe Sozialer Netzwerke lassen sich Verschwörungstheorien leicht verbreiten und für ein großes Publikum zugänglich machen. Anhänger*innen, der sogenannten Reichsbürgerbewegung, bezweifeln die Existenz der BRD, oder zumindest deren Souveränität. Sie erkennen die Gesetze und Gerichte dieses Staates nicht an und sind der Überzeugung, nur freiwilliges Personal einer BRD GmbH zu sein. Auf dieser Bewegung soll das Hauptaugenmerk der Arbeit liegen. Zu Beginn wird die Entstehung der Reichsbürgerbewegung erklärt, sowie die Struktur und die Gruppierungen beleuchtet. Anschließend wird die Ideologie der Bewegung analysiert. Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der eigentlichen Fragestellung meiner Hausarbeit:
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Reichsbürger
2.1 Entstehungsansätze
2.2 Gruppierungen und Soziostrukturelle Erkenntnisse
2.3 Ideologie und Bezug zum Rechtsextremismus
3 Mediale Präsenz von Reichsbürgern
3.1 Die Bedeutung von Verschwörungstheorien
3.2 Das "Internet" als Hauptverbreitungsmedium
3.3 Die Verunsicherung zu den Zeiten der Corona-Pandemie nutzen
4 Zusammenfassung & Fazit
5. Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Bereits seit vielen Jahrhunderten und natürlich auch in der heutigen Zeit gibt es eine Vielzahl von Verschwörungstheorien. Seit dem Durchbruch des Internets, erreichen diese Theorien einen nicht unerheblichen Teil unserer Bevölkerung. Mithilfe Sozialer Netzwerke lassen sich Verschwörungstheorien leicht verbreiten und für ein großes Publikum zugänglich machen. Anhänger*innen, der sogenannten Reichsbürgerbewegung, bezweifeln die Existenz der BRD, oder zumindest deren Souveränität. Sie erkennen die Gesetze und Gerichte dieses Staates nicht an und sind der Überzeugung, nur freiwilliges Personal einer BRD GmbH zu sein. Auf dieser Bewegung soll das Hauptaugenmerk der Arbeit liegen. Zu Beginn wird die Entstehung der Reichsbürgerbewegung erklärt, sowie die Struktur und die Gruppierungen beleuchtet. Anschließend wird die Ideologie der Bewegung analysiert. Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der eigentlichen Fragestellung meiner Hausarbeit:
Inwiefern instrumentalisiert die Reichsbürgerbewegung, die Corona-Krise für Ihre Zwecke?
Ausgehend von der Forschungsfrage werden die Verbreitungsmethoden der Reichsbürgerinnen analysiert. Außerdem wird mithilfe der Thesen von Sebastian Bartoschek geklärt, welche Rolle Verschwörungstheorien dabei spielen. Exemplarisch wird dies verdeutlicht an der Corona-Krise, welche Verschwörungsideologinnen enormen Aufwind gegeben hat. Zum Schluss wird geklärt, ob die Forschungsfragen beantwortet werden konnte und zu welchen Ergebnissen die Hausarbeit gelangte.
2 Die Reichsbürger
2.1 Entstehungsansätze
Um die Reichsbürgerbewegung besser verstehen zu können, ist es wichtig vorerst auf die Entstehungsgeschichte einzugehen. Im November 2016 wurde das Reichsbürgermilieu, sowie das der Szene zugeordnete Milieu der Selbstverwalter, vom Verfassungsschutz zum Beobachtungsobjekt erhoben.1 Das Bundesamt für Verfassungsschutz rechnet dem Spektrum mehr als 19.000 Personen zu.2 Die Angehörige der Szene agieren jedoch bereits viele Jahre vor der Beobachtungserklärung des Verfassungsschutzes. Dies äußerte sich durch zahlreiche Gewalt- und Straftaten, wie z.B. im Herbst 2016, als ein Mitglied der Reichsbürgerszene einen Polizisten auf seinem Grundstück ermordete.3 Die historischen Ursprünge, der Bewegung in ihrer heutigen Ausprägung, gehen zurück auf die erste Reichsbürgerorganisation mit dem Namen „Kommissarische Regierung des Deutschen Reiches“ (KRR), diese wurde im Jahre 1985 von Wolfgang Ebel gegründet. Nach Ebels Angaben, wurde er von dem alliierten Oberkommando bevollmächtigt, die Funktion des Präsidenten des Deutschen Reiches einzunehmen.4 Die Thesen, auf welche sich Wolfgang Ebel stütz, werden im Absatz 2.3 ausführlich behandelt. Aus der KRR gingen im Laufe der Jahre etliche weitere Organisationen hervor, einige andere Gruppierungen entstanden unabhängig davon. Der größte Teil der Reisbürgerszene heutzutage ist nur sehr lose zusammengeschlossen. Meist handelt es sich um organisatorisch nicht vernetzte Einzelpersonen oder aber um instabile Kleingruppen.5
2.2 Gruppierungen und Soziostrukturelle Erkenntnisse
Die Szene der Reichsbürger*innen ist heterogen und zersplittert. Es gibt eine schiere Anzahl an verschiedenen Gruppierungen, die zwar mehr oder weniger identische Ziele verfolgen, aber meistens völlig unabhängig voneinander agieren. Es lässt sich jedoch eine Einordnung in 4 größere Übergruppen treffen. Welche in diesem Absatz vorgestellt werden. Die erste große Gruppe sind die traditionell und nationalistisch geprägten Reichsbürger*innen, die zweite Gruppe sind sogenannten Selbstverwalter*innen, die sich selbst als staatenlose Aussteiger*innen bezeichnen und sich von der Bundesrepublik Deutschland losgesagt haben. Die dritte Gruppe sind selbst ernannte Monarch*innen eigener Fürstentümer oder Königreiche und die vierte Gruppe sind eher gewinnorientierte Reichsbürger*innen, deren Hauptinteresse darin besteht, mit dem Verkauf von Fantasiedokumenten Geld zu verdienen. Oftmals sind die Übergänge zwischen den Gruppen allerdings fließend, weshalb Keil von einer „lose verknüpften Bewegung Gleichgesinnter“ spricht.6 Einige Beispiele für solche Gruppierungen wären die Germaniten, Fürstentum Germania, Königreich Deutschland sowie das Deutsche Polizei Hilfswerk.
Weitere soziostrukturelle Daten konnte der Verfassungsschutz erheben. Beim Milieu der Reichsbürger*innen handelt es sich um ein stark männlich dominiertes Phänomen.7 Der Anteil von Frauen beträgt nur 26%. Wenngleich dieser Frauenanteil gering erscheinen mag, ist er verglichen mit dem Durchschnitt in der rechtsextremistischen Szene höher.8 Der Altersdurchschnitt der Reichsbürger*innen liegt bei ungefähr 50 Jahren.9 Trotz der dargestellt starken Heterogenität und der geringen Struktur, verfügt das Milieu über eine enge Vernetzung durch das Internet. Dieser Besonderheit wird in Kapitel 3.2 besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
2.3 Ideologie und Bezug zum Rechtsextremismus
Die verschiedenen Strömungen innerhalb des Milieus der Reichsbürger*innen stimmen in einem Punkt überein. Sie alle leugnen die Existenz einer verfassungsrechtlich legitimen Bundesrepublik Deutschland. Die BRD sei in ihren Augen kein souveräner Staat, sondern eine GmbH und die Bürger deren freiwillige Angestellte. Als Indiz dafür verweisen die Reichsbürger*innen gerne auf den Personalausweis, an dessen Name man bereits erkennen könne, dass die Bürger nur Personal wären.10 Damit einher geht die Verweigerung von Bußgeld- und Steuerzahlungen, denn in der Ansicht der Reichsbürger, existieren die Gesetzte und Gerichte unrechtmäßig oder eben gar nicht. Unterschiedlich hingegen sind die Erklärungen, weshalb die Bundesrepublik Deutschland kein souveräner Staat sein könne. Eine Argumentationsgrundlage, derer sich die Reichsbürger gerne bedienen, ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Grundlagenvertrag zwischen BRD und DDR, in dem sie geschickt einen Teil des Zitates unterschlagen.11
„Das Grundgesetz [...] geht davon aus, dass das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist; das ergibt sich aus der Präambel, aus Art. 16, Art. 23, Art. 116 und Art. 146 GG. Das entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, an der der Senat festhält. Das Deutsche Reich existiert fort [...], besitzt nach wie vor Rechtsfähigkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation, insbesondere mangels institutionalisierter Organe selbst nicht handlungsfähig. [.] Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert [...] Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht ,Rechtsnachfolger‘ des Deutschen Reiches [...].“ Der letzte Satz wird bewusst abgekürzt und lautet ursprünglich:
„Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht ,Rechtsnachfolger‘ des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat ,Deutsches Reich‘, - in bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings ,teilidentisch‘ [...].“12
Aufgrund dieser Auslassung sehen sich viele der selbsternannten Reichsregierungen als legitime Staatsorgane, die das Deutsche Reich wieder handlungsfähig machen würden. Die Bundesrepublik Deutschland kann dies im Verständnis der Anhänger*innen dieser Gruppierungen nicht unterbinden, da sie kein legitimer Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches und somit zu solchen Handlungen nicht im Stande sei. Reichsbürger*innen, die in ihren selbst gegründeten Staaten Selbstverwaltung betreiben, berufen sich hingegen häufig auf den Artikel 9 der UN-Resolution A/RES/56/83 vom 28.01.2002, der besagt:
„Verhalten im Falle der Abwesenheit oder des Ausfalls der staatlichen Stellen: Das Verhalten einer Person oder Personengruppe ist als Handlung eines Staates im Sinne des Völkerrechts zu werten, wenn die Person oder Personengruppe im Falle der Abwesenheit oder des Ausfalls der staatlichen Stellen faktisch hoheitliche Befugnisse ausübt und die Umstände die Ausübung dieser Befugnisse erfordern“.13
Wieder ausgehend davon, dass die BRD nicht existiert, ergeben sich für die Selbstverwalter*innen zahlreiche Vorteile, da diese Resolution sie in ihren Augen zum rechtmäßigen Vertreterinnen ihres eigenen Staates macht. Dass diese Resolution eigentlich einem anderen Zweck dient, wird dabei außer Acht gelassen, lediglich die brauchbaren Aussagen werden verwertet und überhaupt genannt.
Ausgehend von diesem Standpunkt, versuchen die betroffenen Personen beispielsweise, der Zahlung von Steuern und Bußgelder zu entgehen und sich über geltendes Recht hinwegzusetzen.
Es gibt noch viele weitere Thesen und Ansätze, aufgrund derer die Existenz der BRD angezweifelt wird, jedoch würde die Betrachtung aller Argumente den Rahmen dieser Hausarbeit übersteigen, weshalb nur diese beiden exemplarisch darstellen sollen, wie Reichsbürger*innen vorgehen.
Die Argumente und Begründungen wurzeln oftmals tief in dem Rechtsextremismus. Die Forderung zur Wiedererrichtung eines Deutschen Reiches, auch unter Aneignung fremder Staatsgebiete, ist eine Einstellung, die als (Gebiets-)Revisionismus dem Rechtsextremismus zuzuordnen ist.14 Außerdem versuchen Reichsbürger*innen in Archiven ihre deutsche Abstammung („Blutslinie“) bis in die Zeiten des Deutschen Reiches von 1871 bis 1913 nachzuverfolgen. Sie vertreten die These, dass alle Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht seit der Abdankung des Kaisers Wilhelm II. im Jahr 1918 keinen Bestand hätten, weil ab diesem Zeitpunkt kein deutscher Staat mehr rechtmäßig gegründet wurde. Alle Deutschen seit der Weimarer Republik wären damit bewusst staatenlos gehalten worden. Mit dem Nachweis der deutschen Abstammung würden sie sich wieder auf eine andere „staatliche Ebene“ stellen. Mit dieser These schließen sich „Reichsbürger“ rechtsextremistischen Vorstellungen einer organischen Demokratie mit dem Grundsatz einer völkischen Homogenität an. Rechtsextremisten gehen davon aus, dass eine von unterschiedlichen Ethnien geprägte Demokratie unmöglich demokratisch sein kann. Da diese Protagonisten aus dem Reichsbürgermilieu zugleich eine konstitutionelle Monarchie einfordern, liegt die Vermutung nahe, dass sie sich am chauvinistischen Reichsnationalismus des Deutschen Kaiserreiches orientieren. Dieser verband den Nationalismus mit der „Rassenfrage“ und dem Antisemitismus.15
Die Ansichten von Reichsbürger*innen sind wie dargelegt, tief im rechtextremistischen Denken verankert. Es bildet sich eine neue Reichsideologie, welche sich aus geschichtsrevisionistischen Mythen, Verschwörungsfantasien, realen Geschichten und erfundenem Beiwerk zusammensetzt. Elemente wie diese, gab es schon in der völkischen und antisemitischen Bewegung des 19. und 20. Jahrhunderts und die aktuell nach wie vor bei Rechtsextremisten zu finden ist. Jedoch ist deshalb nicht jeder Szeneaktivist rechtsextrem. Je länger er sich jedoch im Milieu bewegt, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass er den dort vorherrschenden. Rechtsextremistischen Grundton verinnerlicht.
3 Mediale Präsenz von Reichsbürgern
3.1 Die Bedeutung von Verschwörungstheorien
Neben den dargestellten geschichtsrevisionistischen Mythen bemühen Reichsbürger*innen Verschwörungsfantasien, um die Bundesrepublik Deutschland zu delegitimieren. Diese erleichtern es dem Milieu, an politik- bzw. staatsverdrossene Stimmungen in der Bevölkerung anzuknüpfen. Doch wieso glauben Menschen diese absurden Theorien?
Nach Bartoschek haben religiöse Menschen eine verstärkte Affinität an Verschwörungstheorien zu glauben. Glaube und Religion gehen zurück auf zumindest ähnliche, evolutionär bedingte Prozesse. Das Finden von Mustern war in der Evolution des Menschen eine überlebenswichtige Eigenschaft. Im Laufe der Zeit, hat sich diese Eigenschaft „verselbstständigt“, sodass Menschen auch dort Zusammenhänge und Muster erkennen versuchen, wo es in Wirklichkeit keine gibt. Verschwörungstheorien versuchen einfache Antworten auf komplexe Sachverhalte zu geben. Unstimmige Beobachtungen und Wahrnehmungen im Alltag werden durch Vereinfachung „aufgelöst“ und einer „Erklärung“ zugeführt. Die eigene Unsicherheit wird durch einfache Ursache-Wirkungs-Modelle reduziert. Sie sind ein Mittel, um die Welt „klarer“ zu sehen bzw. der Welt Struktur zu stiften.16
[...]
1 Spiegel 2016.
2 Aktuelle Zahlen der „Reichsbürger und Selbstverwalter" 2020.
3 Straf- und Gewalttaten von „Reichsbürgern" und „Selbstverwaltern" 2019.
4 Wilking 2015, S. 207.
5 Schönberger und Schönberger 2019, 176-183.
6 Keil 2015, S. 39.
7 Schönberger und Schönberger 2019, 439-486.
8 Personenpotenzial von „Reichsbürgern und Selbstverwaltern" 2019.
9 Der Auswertung lagen insgesamt 2 585 Personendaten zugrunde. Vgl. auch Keil 2015, S. 44.
10 Caspar und Neubauer 2015, S. 124.
11 Hüllen et al. 2015, S. 20.
12 Bundesverfassungsgericht 31.07.1973.
13 United Nations 2002, S. 3.
14 Rathje 2015.
15 Hüllen et al. 2015, S. 24.
16 Bartoschek 2017.