In dieser Hausarbeit wird der Zusammenhang von Armut und Gesundheit näher untersucht. Konkret wird der Frage nachgegangen, inwiefern ein geringes Einkommen die Gesundheit beeinflussen kann. Untersucht wird dahingehend aus welchen Gründen Armut entsteht und welchen Risiken Betroffene ausgesetzt sind, welche Auswirkungen ein geringes Einkommen beziehungsweise Armut auf die Gesundheit haben kann und weiterhin mit welchen Interventionen man eine Verringerung der gesundheitlichen Ungleichheiten erreichen könnte. Zunächst werden einige wissenschaftliche Definitionen von Armut vorgestellt, bevor anschließend mehrere Ursachen, Risiken und Auswirkungen eines geringen Einkommens näher beleuchtet werden. Folgend werden konkrete Einflüsse und Auswirkungen auf die Gesundheit von Betroffenen untersucht. Dabei werden die Faktoren Morbidität, Mortalität, Gesundheitsverhalten und Gesundheitsversorgung spezifischer betrachtet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definitionen von Armut
3. Ursachen und Auswirkungen von Armut
4. Armut und Gesundheit im Zusammenhang
4.1 Morbidität und Mortalität
4.2 Gesundheitsverhalten und Gesundheitsversorgung
5. Erklärungsansätze und Interventionsmöglichkeiten
6. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Das Einkommen eröffnet den Zugang zu den meisten Bedarfs- und Gebrauchsgütern und stellt damit eine wesentliche Voraussetzung für die Befriedigung individueller Grundbedürfnisse dar.“ (RKI, 2005, S. 21) Vor diesem Hintergrund wird deutlich, weshalb Einkommensungleichheiten bis hin zur Armut in Deutschland die stärkste Ausprägung sozialer Ungleichheit darstellen (vgl. Butterwegge, 2016, S. 22). Soziale Ungleichheit äußert sich neben dem Einkommen auch in vielen anderen sozio-ökonomischen Feldern, wie beispielsweise dem Beruflichen Status, der Bildung aber auch in der Gesundheit.
Der enge Zusammenhang zwischen Einkommen und Gesundheit wird von zahlreichen Studien immer wieder belegt. Von Armut betroffene Bevölkerungsgruppen sind auch heute noch sowohl einem höheren Erkrankungsrisiko, als auch einem höheren frühzeitigen Sterberisiko ausgesetzt, was durch gesundheitliche Ungleichheiten bedingt wird. Die Forschung nach den Zusammenhängen der sozial ungleichen Verteilung von Erkrankungs- und Sterberisiken, die Sozialepidemiologie, ist in Deutschland noch eine recht junge Forschungsrichtung, die erst in den vergangenen 20 bis 30 Jahren an Forschungsinteresse gewonnen hat. Das Problem der gesundheitlichen Ungleichheit hat sich jedoch seit vielen Jahren nicht nur in der eigenen Forschungsrichtung, sondern auch in der Politik etabliert und gerät aktuell durch angestiegene Arbeitslosenzahlen, ein erhöhtes Armutsrisiko und die Corona-Krise wieder besonders in den politischen Diskurs. Bedingt durch die Pandemie sind die Arbeitslosenzahlen aktuell im August 2020 auf 6,4 Prozent gestiegen (vgl. Statistik der Bundesagentur für Arbeit, 2020, S. 65) und auch das Armutsrisiko erreicht, laut dem Statistischen Bundesamt, im vergangenen Jahr mit 15,9 Prozent einen neuen Höchststand (vgl. Tagesschau, 13.08.2020).
Anlässlich dieser Entwicklungen wird der Zusammenhang von Armut und Gesundheit in dieser Hausarbeit näher untersucht. Konkret wird der Frage nachgegangen, inwiefern ein geringes Einkommen die Gesundheit beeinflussen kann. Untersucht wird dahingehend aus welchen Gründen Armut entsteht und welchen Risiken Betroffene ausgesetzt sind, welche Auswirkungen ein geringes Einkommen bzw. Armut auf die Gesundheit haben kann und weiterhin mit welchen Interventionen man eine Verringerung der gesundheitlichen Ungleichheiten erreichen könnte. Zunächst werden einige wissenschaftliche Definitionen von Armut vorgestellt, bevor anschließend mehrere Ursachen, Risiken und Auswirkungen eines geringen Einkommens näher beleuchtet werden. Folgend werden konkrete Einflüsse und Auswirkungen auf die Gesundheit von Betroffenen untersucht. Dabei werden die Faktoren Morbidität, Mortalität, Gesundheitsverhalten und Gesundheitsversorgung spezifischer betrachtet. Im Anschluss folgen eine kurze Vorstellung möglicher Erklärungen und ein Ausblick auf potenzielle Interventionen und Maßnahmen für die Verringerung gesundheitlicher Ungleichheiten. Abschließend werden die signifikantesten Ergebnisse zusammentragen und die Forschungsfrage erneut aufgegriffen.
2. Definitionen von Armut
Entgegen vieler Annahmen, dass reiche Industrieländer wie Deutschland nicht mit Armut und ihrer Bekämpfung konfrontiert sind, verschärft sich die Armutsproblematik in Deutschland seit den 80er Jahren zunehmend (vgl. Hradil, 2005, S. 243). Versucht man Armut zu definieren, stellt man schnell fest, dass es keine allgemeingültige Definition von Armut gibt. Es gibt zahlreiche Ansätze, von denen einige im Folgenden vorgestellt werden, die zwar die grundsätzliche Beschreibung eines Mangelzustands gemein haben, jedoch ist Armut immer abhängig „von den sozio-ökonomischen Bedingungen, unter denen sie herrscht“ (Butterwegge, 2016, S. 22) und somit eben nicht allgemein definierbar.
Christoph Butterwegge definiert Armut als „einen Zustand, in dem Menschen ihre Grundbedürfnisse – Nahrungsaufnahme, Wohnen, eine den klimatischen Bedingungen angemessene Bekleidung, medizinische Basisversorgung – nicht befriedigen können oder von der Beteiligung am sozialen, kulturellen bzw. politischen Leben ihres Landes weitgehend ausgeschlossen sind“ (ebd. S. 21). Ersteres bezeichnet man als absolute oder extreme Armut, letzteres als relative Armut. Absolute Armut findet man, nach Stefan Hradil, in unseren heutigen modernen Gesellschaften aber eher seltener. Was heutzutage typischerweise als Armut verstanden wird, ist relative Armut (vgl. Hradil, 2010, S. 105). Diese Differenzierung findet sich in zahlreicher Fachliteratur wieder und unterstützt die Aussage, dass Armut immer relativ ist, da sie in Relation zu derjenigen Gesellschaft steht, in der die Betroffenen leben (vgl. Butterwegge, 2016, S. 22). So kann beispielsweise auch das physische Existenzminimum, also die absolute Armutsgrenze, nur im Hinblick auf die soziale, kulturelle und gesellschaftliche Umgebung bestimmt werden (vgl. ebd.).
Jacobs behauptet, Armut sei ein „soziales Konstrukt, das Politik, Wissenschaft und Medien entwerfen bzw. formen [und was] im öffentlichen Diskurs […] laufend Veränderungen unterliegt“ (Butterwegge, 2016, S.22). So ist der Armutsbegriff in der heutigen modernen Gesellschaft gleichermaßen moralisch aufgeladen, emotional besetzt und umstritten (vgl. Butterwegge, 2016, S. 22). Georg Simmel stellt für seine Armutsdefinition fest, dass Arme „weder über ihr Schicksal bestimmen noch ihr Leben selbst gestalten können“ (ebd.). Armut ist für Simmel demnach ein Abhängigkeitsverhältnis - der Arme entsteht für ihn dadurch, „dass er Unterstützung erhält oder sie nach sozialen Normen erhalten sollte“ (ebd. zit. nach Simmel, 1992, S. 551).
Die bisher vorgestellten Ansätze beschreiben fast ausschließlich den mehrdimensionalen Begriff der Lebenslagen-Armut, der ökonomische aber vor allem auch soziale und kulturelle Aspekte umfasst und so die Gesamtsituation der Betroffenen betrachtet (vgl. Hradil. 2005, S.243f.). Entgegen dieser mehrdimensionalen Definition von Armut wird in den Sozialwissenschaften jedoch häufig der eindimensionale Begriff der Ressourcen-Armut genutzt (vgl. ebd. S. 244). Nach der Ressourcendefinition liegt Armut dann vor, wenn nicht genügend Hilfsmittel des Handelns, vor allem Geldmittel, vorhanden sind (vgl. ebd. S. 243). Problematisch an dieser Definition ist, dass aus theoretischer Sichtweise dann keine Armut vorliegt, wenn zwar genügend Geldmittel vorhanden sind, diese aber für Dinge ausgegeben werden, die ultimativ zu miserablen Lebensumständen führen (vgl. ebd.). Die mehrdimensionale Betrachtung von Lebensbedingungen ermöglicht einerseits eine „sachlich angemessenere Sicht auf die Armutsproblematik“ (ebd. S. 244), andererseits ist sie besonders im Messverfahren aufwändiger, was letztlich dazu führt, dass sich meist auf die eindimensionale Ressourcendefinition bezogen wird (vgl. ebd.).
3. Ursachen und Auswirkungen von Armut
Bei der Entstehung von Armut und Einkommensungleichheiten wirken eine Vielzahl von Ursachenbereichen und Risikofaktoren zusammen. Bestimmte Bevölkerungsgruppen sind dabei besonders hohen Armutsrisiken ausgesetzt. Während Mitte des 20. Jahrhunderts primär ältere Personen und Frauen von Armut betroffen waren, sind mittlerweile immer häufiger Jüngere Menschen und große Familien einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt. Dazu gehören vor allem Alleinerziehende, Arbeitslose, kinderreiche Familien und Menschen ausländischer Herkunft (vgl. Hradil, 2005, S. 252f.). Aber auch Kinder und junge Erwachsene müssen immer häufiger in Armut aufwachsen, was das Risiko auch im späteren Leben unter Armutsverhältnissen leben zu müssen, deutlich erhöht (vgl. Groh-Samberg, 2018, S. 125). Risikofaktoren, die schließlich zu Armut führen können, sind beispielsweise geringe schulische oder berufliche Qualifikationen, Langzeitarbeitslosigkeit, Sozialhilfebezug, fehlende Arbeitsmarkterfahrung, hohes Alter, das weibliche Geschlecht und ausländische Nationalität, wobei letztere zum Teil direkt in Verbindung zu den Personengruppen mit höherem Armutsrisiko stehen (vgl. Andreß, 1999, S. 194).
Obwohl bestimmte Personengruppen höheren Armutsrisiken ausgesetzt sind und diese oftmals schon seit der Kindheit auf jene Personen einwirken, ist niemand „von Natur aus“ arm, weshalb Butterwegge empfiehlt, Armut nach den Ursachen, die zu ihrer Entstehung führen, zu klassifizieren (vgl. Butterwegge, 2016, S. 23). Arbeitsmarktrisiken wie Arbeitslosigkeit und Erwerbsunfähigkeit gehören schon seit Jahrzehnten zu den klassischen Ursachen für die Entstehung von Armutsverhältnissen und Einkommensungleichheiten (vgl. Andreß, 1999, S. 194). Regelmäßig führen auch demographische Veränderungen, Alter und Krankheit zur Armutsbildung. Konkret können Ereignisse wie eine Trennung oder Scheidung, der Tod eines Haushaltsmitgliedes, die Geburt eines neuen Haushaltsmitgliedes, oder auch Krankheit eines Haushaltsmitgliedes zur Veränderung der Einkommensverhältnisse und schließlich auch zu Armut führen (vgl. ebd.).
Armut und Einkommensungleichheiten können weitreichende Folgen sowohl für die Betroffenen, als auch für die Gesellschaft als Ganzes haben. Einkommensungleichheiten und besonders Veränderungen materieller Ungleichheiten, werden von Teilen der Gesellschaft oft als ungerecht empfunden, was sich sogleich in politischer Unzufriedenheit und in sozialen Konflikten widerspiegeln kann (vgl. Hradil, 2005, S. 255). Zugleich dürfen auch die individuellen Auswirkungen auf die Betroffenen nicht unterschätzt werden. So können sich Armutsverhältnisse auf Erfahrungsmöglichkeiten, auf die Selbst- und Fremdeinschätzung, auf die Möglichkeit und Fähigkeit Prestige und Macht zu erlangen und diverse Lebensbedingungen allgemein auswirken. Finanziell Bessergestellte genießen in diesen Bereichen Vorteile und führen meist auch generell ein gesünderes und zufriedenstellenderes Leben (vgl. ebd.). Die Auswirkungen der Einkommensunterschiede reichen sogar soweit, dass sie maßgeblich die Lebenserwartung beeinflussen können (vgl. ebd.). Auch langfristig führt ein Leben in Armut bei den Betroffenen häufig zu sozialen, psychischen und auch physischen Veränderungen. Langfristige Isolation, Einsamkeit, geringes Selbstvertrauen, Vorurteile von Außenstehenden und die Reduzierung von Aktivitäten und Interessen führen oft dazu, dass die Betroffenen nicht mehr in der Lage sind, ihre Lebenssituation zu ändern (vgl. ebd. S. 256).
4. Armut und Gesundheit im Zusammenhang
Dass zwischen Einkommen und Gesundheit ein enger Zusammenhang besteht, wird seit Beginn der 1990er Jahre auch in Deutschland stetig belegt. Die eigenständige Forschungsrichtung der Sozialepidemiologie befasst sich mit dem Themengebiet der „gesundheitlichen Ungleichheit“ oder „health inequality“ und stellt den Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit der Lebenschancen und sozial ungleicher Verteilung von Gesundheitschancen und Erkrankungsrisiken her (vgl. Lampert, 2018a, S. 226). Zahlreiche Studien und Berichterstattungen verschiedener Institutionen liefern regelmäßig Informationen über die neusten Entwicklungen der Verteilung von Gesundheitschancen und Krankheitsrisiken. Nennenswert sind zum einen die Studien des Robert-Koch-Instituts, Gesundheitsberichterstattungen auf Bundes- und Länderebene aber auch die Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung sowie zahlreiche gesundheitswissenschaftlich orientierte Fachzeitschriften (vgl. Lampert et al, 2016, S. 154). Ergebnisse vielzähliger Studien und Forschungen stellen übereinstimmend fest, „dass Personen mit niedrigem sozialen Status häufiger von Krankheiten und Beschwerden betroffen sind als Personen mit höherem sozialen Status“ (ebd. S. 155). Zudem schätzen von Armut betroffene Bevölkerungsgruppen ihre eigene Gesundheit und gesundheitsbezogene Lebensqualität vermehrt schlechter ein und unterliegen einem höheren vorzeitigen Sterberisiko (vgl. RKI, 2005, S. 21).
Die sozioökonomisch bedingten gesundheitlichen Unterschiede werden im Folgenden näher erläutert, wenn der Frage nachgegangen wird, welche Auswirkungen das Einkommen auf die Gesundheit haben kann. Fortlaufend werden Personen, die dem Armutsrisiko unterliegen, als ökonomisch schlechter gestellt, einkommensschwach und „mit niedrigem Status“ bezeichnet, was letztlich meint, dass jene Personengruppen, im Vergleich zum gesamtgesellschaftlichen Durchschnitt, über ein zu geringes Einkommen verfügen.
4.1 Morbidität und Mortalität
Die sozialen Unterschiede in der Morbidität, der Häufigkeit der Erkrankungen, lassen sich besonders bezüglich schwerwiegender chronischer Erkrankungen und Beschwerden, „die oftmals mit weitreichenden Beeinträchtigungen der Alltagsbewältigung und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität einhergehen“ (Lampert et al, 2016, S. 153) beobachten. Zu diesen chronischen Erkrankungen zählen vor allem Diabetes mellitus, chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen, Herzinfarkte und Schlaganfälle (vgl. Lampert et al, 2016, S. 155). Ökonomisch schlechter gestellte Personen sind dabei häufiger betroffen, als ökonomisch besser gestellte Personen. Bei Herzinfarkten und Schlaganfällen wird sogar von einem 2- bis 3-fach erhöhtem Risiko gesprochen (vgl. ebd.). Ergebnisse der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA) von 2009, 2011 und 2012 zeigten außerdem deutliche statusspezifische Unterschiede bei Hypertonie, Angina pectoris, Herz- und Niereninsuffizienz, chronischen Lebererkrankungen, Adipositas, Osteoporose, Arthrose und Arthritis (vgl. Lampert, 2018a, S. 227). Aus Daten der gesetzlichen Krankenversicherung lässt sich zudem ablesen, dass soziale Unterschiede auch bei bestimmten Krebserkrankungen, wie Magen-, Darm- und Lungenkrebs vorherrschen (vgl. Lampert et al, 2016, S. 155.). Ebenso sind psychische Erkrankungen, wie beispielsweise Depressionen, Angststörungen und Substanzstörungen vermehrt bei Männern und Frauen mit niedrigem sozialen Status zu finden (vgl. ebd.). Eine Studie des Robert-Koch-Instituts stellte diesbezüglich auch soziale Unterschiede betreffend depressiver Symptomatik und chronischem Stress fest, was womöglich auf arbeitsbezogene und soziale Überlastung sowie Mangel an sozialer Anerkennung zurückzuführen ist (vgl. Lampert, 2018a, S. 228). Signifikante Unterschiede treten auch bei Unfallverletzungen, Behinderungen und funktionellen Einschränkungen auf, die deutlich häufiger bei niedrigen Statusgruppen anzutreffen sind (vgl. Lampert et al, 2016, S. 155). Auch über das Vorkommen von starken körperlichen Schmerzen in Armutsrisikogruppen lassen sich Aussagen treffen. Das Sozio-ökonomische Panel 2003 stellte fest, dass das Schmerzvorkommen in von Armut betroffenen Personengruppen am stärksten ist. Die Schmerzprävalenz nimmt bei Männern und Frauen im Alter zu, wobei Frauen mit einer 2-fach erhöhten Betroffenheit noch stärker betroffen sind (vgl. RKI, 2005, S. 26). Das Sozio-ökonomische Panel weist zudem auch auf gesundheitsbedingte Einschränkungen in der Alltagsgestaltung und der Lebensqualität hin. Im mittleren und höheren Alter wirken sich Gesundheitsprobleme häufiger durch die Kumulation von Gesundheitsproblemen, das Fortschreiten chronischer Krankheiten und Beschwerden und der geringeren Bewältigungs- und Kompensationsmöglichkeiten auf das alltägliche Leben der Betroffenen aus (vgl. ebd.).
Die erhöhten Morbiditätsraten und Risikofaktoren bedingen in den einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen auch eine höhere frühzeitige Mortalität (vgl. Lampert, 2018a, S. 228). Nach Angaben des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) ist das Mortalitätsrisiko in den einkommensschwächeren Gruppen deutlich erhöht. In den von 1995 bis 2005 durchgeführten Studien ließ sich ableiten, dass das Mortalitätsrisiko bei Frauen und Männern der niedrigsten Einkommensgruppe 2,4 bis 2,7-fach erhöht war, was sich in einer Verkürzung der Lebenszeit von 8,4 bis 10,8 Jahren äußert (vgl. Lampert, 2018a, S. 229). Die Todesursachen der vorzeitigen Sterbefälle sind ebenfalls von sozialen Unterschieden geprägt, was sich in der Prävalenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krankheiten der Atmungsorgane und Krebserkrankungen, vor allem Lungenkrebs, äußert (vgl. Lampert et al, 2007, S. 11). Hier lässt sich eine deutliche Verbindung zu den häufig vorkommenden Krankheiten der einkommensschwachen Bevölkerungsschicht herstellen.
Das SOEP hat neben der Analyse der Einkommensunterschiede in der Mortalität auch die Lebenserwartung in der Gesundheit untersucht. Dabei wurden alle Lebensjahre in gutem bis sehr gutem allgemeinem Gesundheitszustand betrachtet. Wie bei der vorhergehend dargestellten Analyse der Lebenserwartung wurden auch bei der Untersuchung der Lebenserwartung in Gesundheit deutliche Einkommensunterschiede entdeckt. Laut dem SOEP können Männer von der Geburt an 64,8 und Frauen 66,6 gesunde Lebensjahre erwarten. Die Differenz zwischen höchster und niedrigster Einkommensgruppe äußert sich jedoch in 14,3 Jahren für Männer und in 10,2 Jahren für Frauen, zuungunsten der einkommensschwachen Gruppen (vgl. ebd. S. 16).
Zusammenfassend weisen diese Ergebnisse der Untersuchung der Einkommensunterschiede in der allgemeinen sowie der gesunden Lebenserwartung darauf hin, dass die vorzeitige Sterblichkeit umso höher ist, je niedriger das Einkommen ist (vgl. ebd.). Anzumerken ist jedoch, dass diese Unterschiede in der Mortalität bei Männern stärker ausgeprägt sind als bei Frauen, was wiederum darauf schließen lässt, dass Frauen, unabhängig vom Einkommen, eine längere Lebenszeit genießen als Männer (vgl. RKI, 2005, S. 27).
4.2 Gesundheitsverhalten und Gesundheitsversorgung
Viele der gesundheitlichen Probleme der Personengruppen mit niedrigerem Einkommen und sozialem Satus sind auf ein gesundheitsriskanteres Verhalten zurückzuführen (vgl. Lampert et al, 2016, S. 155f). Besonders das Rauchen, ungesunde Ernährung und das mangelnde Sport- bzw. Bewegungsverhalten sind als Faktoren des riskanteren Gesundheitsverhaltens zu nennen. Obwohl in den letzten Jahren generell ein Rückgang im Tabakkonsum zu beobachten ist, lassen sich dennoch eindeutige Einkommensdisparitäten im Rauchverhalten feststellen (vgl. RKI, 2005, S. 30). Das Sozio-ökonomische Panel erlaubt sogar zu sagen: „Je niedriger das Einkommen, desto höher ist der Anteil der Raucher bzw. Raucherinnen.“ (ebd. S. 30). Festzustellen ist auch, dass sich diese Unterschiede besonders bei Männern im Alter von 18 bis 44 Jahren abzeichnen. Da das Rauchen der wesentliche Risikofaktor für Lungenkrebs ist, wird deutlich, weshalb die ökonomisch benachteiligten Bevölkerungsgruppen, vor allem aber Männer im Alter von 40 bis 60 Jahren, deutlich häufiger von Lungenkrebs betroffen sind (vgl. RKI, 2005, S. 23f.). Für den Faktor Alkoholkonsum lässt sich hingegen keine so eindeutige Beobachtung machen. Für die höheren Statusgruppen zeigt sich sogar, dass gerade Frauen ähnlich oft oder gar häufiger Alkohol konsumieren. Jedoch zeigen sich, zumindest bei Männern, signifikante Unterschiede bei der Alkoholabhängigkeit und auch bei alkoholbedingten Krankheiten (vgl. Lampert, 2018a, S. 228). Der Risikofaktor Alkoholkonsum steht, ähnlich wie das Rauchen, in einem direkten Bezug zur Lebererkankung Leberzirrhose. Nach Angaben der GEK sind männliche Pflichtversicherte, also ökonomisch schlechter Gestellte, sogar doppelt so häufig von einer Leberzirrhose betroffen als freiwillig Versicherte (vgl. RKI, 2005, S. 25). Auch im Bewegungs- und Sportverhalten lassen sich Einkommensdisparitäten feststellen. Personen aus einkommensstärkeren Gruppen treiben zwar häufiger Sport, sind dafür aber im Alltag weniger körperlich aktiv, was sich auf die primär sitzenden Berufstätigkeiten in den ökonomisch besser gestellten Bevölkerungsgruppen zurückführen lässt (vgl. Lampert et al, 2016, S. 156). In den einkommensschwachen Gruppen ist der Anteil sportlich Inaktiver 1,5 bis 2-mal höher als in den einkommensstarken Gruppen und stellt somit einen deutlichen Einkommensgradienten im Faktor Sport- und Bewegungsverhalten dar (vgl. RKI, 2005, S. 30). Entgegen der mangelnden sportlichen Betätigung weisen Personen der einkommensschwachen Gruppe eine deutlich höhere Alltagsaktivität auf. Diese geht oftmals mit körperlicher Über- und Fehlbelastung einher und stellt für die Gesundheit der Betroffenen häufig Risiken dar (vgl. Lampert et al, 2016, S. 156). Festzustellen ist ebenfalls, dass sich Personen aus niedrigen Statusgruppen ungesünder, kalorienreicher, fett- und zuckerreicher und vor allem unausgewogener ernähren. Die Ernährung, ähnlich wie der Tabak- und Alkoholkonsum, ist als unmittelbarer Risikofaktor für bestimmte Krankheiten zusehen. So ist eine ungesunde Ernährungsweise ein direkter Indikator für die sozial ungleiche Verteilung der Adipositas. Das Risiko an Adipositas zu erkranken ist für Personen aus einkommensschwachen Gruppen etwa drei-mal höher (vgl. Lampert, 2018a, S. 228). Neben dem Erkrankungsrisiko für Adipositas, sind auch die Folgen der Adipositas sozioökonomisch bedingt. So sind ökonomisch schlechter gestellte von Adipositas betroffene Personen häufiger auch von Diabetes mellitus, Hypertonie oder Herzinfarkten betroffen (vgl. Kroll, 2010, S. 22). Auch die subjektive Wahrnehmung der eigenen Gesundheit unterliegt Einkommensdisparitäten. Während die Zufriedenheit mit der eigenen Gesundheit bei Männern und Frauen aus einkommensschwachen Gruppen eher als schlechter eingeschätzt wird, sind Personen mit einem höheren Einkommen generell zufriedener. Das Sozio-ökonomische Panel stellt außerdem fest, dass die Gesundheitszufriedenheit „mit der Höhe des Einkommens sukzessive zu [nimmt]“ (RKI, 2005, S. 29).
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