Diese Arbeit wird sich zur Aufgabe machen anhand eines expliziten Beispiels zu untersuchen, inwiefern Superhelden als "moderne Ritter" angesehen werden können. Die klassischen Ritter des Mittelalters in den sogenannten Artusromanen waren, abgesehen von ihren herausragenden Fähigkeiten im Kampf und ihrer makellosen äußeren Schönheit, auch hervorragende Menschen – sie verkörperten das menschliche Ideal. Durch die Erfüllung von Tugenden wie Tapferkeit, Weisheit, Selbstlosigkeit und den Frauendienst, sowie den Schutz von Bedürftigen, waren Ritter Vorbilder für die Gesellschaft. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass auch die modernen Superhelden weitestgehend über dieselben Eigenschaften verfügen. Sowohl die irdischen wie auch die außerirdischen Superhelden setzen im Kampf für die Gerechtigkeit und die Sicherheit der Menschen ihr Leben aufs Spiel. Nicht umsonst ist beispielsweise der Beiname von Batman "the dark knight", zu Deutsch "der dunkle Ritter", welcher als Verfechter der Gerechtigkeit agiert. Auch Gott Thor etabliert sich als Beschützer der Erde und riskiert sein Leben für "die Erdlinge". Nicht selten müssen die Superhelden erst selbst eine Veränderung durchlaufen und zu Erkenntnissen kommen, die ihr Verhalten prägen, was sie deutlich menschlicher und nahbarer macht.
Inhaltsverzeichnis
1) Einleitung
2) Definition „Thor“
3) „Erec“ und die Doppelwegstruktur
4.1) 1. Handlungszyklus: „Erec“ und „Thor“ im Vergleich
4.2) Zwischenfazit
4.3.) 2. Handlungszyklus im „Erec“: erste âventiuren-Reihe
4.3.1) 2. Handlungszyklus im „Erec“: zweite âventiuren-Reihe
4.3.2) 2. Handlungszyklus im „Thor“
5) Enite und Jane im Vergleich
6) Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
1) Einleitung
Diese Arbeit wird sich zur Aufgabe machen anhand eines expliziten Beispiels zu untersuchen inwiefern Superhelden als „moderne Ritter“ angesehen werden können. Die klassischen Ritter des Mittelalters in den sogenannten Artusromanen waren, abgesehen von ihren herausragenden Fähigkeiten im Kampf und ihrer makellosen äußeren Schönheit, auch hervorragende Menschen - sie verkörperten das menschliche Ideal. Durch die Erfüllung von Tugenden wie Tapferkeit, Weisheit, Selbstlosigkeit und den Frauendienst, sowie den Schutz von Bedürftigen, waren Ritter Vorbilder für die Gesellschaft. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass auch die modernen Superhelden weitestgehend über dieselben Eigenschaften verfügen. Sowohl die irdischen wie auch die außerirdischen Superhelden setzen im Kampf für die Gerechtigkeit und die Sicherheit der Menschen ihr Leben aufs Spiel. Nicht umsonst ist beispielsweise der Beiname von Batman „the dark knight“, zu Deutsch „der dunkle Ritter“, welcher als Verfechter der Gerechtigkeit agiert. Auch Gott Thor etabliert sich als Beschützer der Erde und riskiert sein Leben für „die Erdlinge“. Nicht selten müssen die Superhelden erst selbst eine Veränderung durchlaufen und zu Erkenntnissen kommen, die ihr Verhalten prägen, was sie deutlich menschlicher und nahbarer macht. Trotz ihrer Fiktivität vermitteln sowohl die Ritter in den Artusromanen, als auch die Superhelden in Comics und Filmen, wichtige moralische Werte und fungieren als Verhaltensvorbilder. Man kann also davon sprechen, dass die Superhelden der heutigen Zeit und deren Eigenschaften stark mit dem Ritterlichen des Mittelalters zusammenfallen. Superhelden können durch ihre zusätzlichen Kräfte als eine Weiterentwicklung von Rittern gesehen werden. Die Werte, für die beide „ Heldenarten“ einstehen, sind dieselben.
Betrachtungspunkt dieser Arbeit sollen der Ritter Erec aus dem gleichnamigen Artusroman Hartmanns von Aue und der Superheld Thor aus der ebenfalls gleichnamigen Verfilmung sein. Beide Figuren sind junge, unerfahrene Männer mit viel Potential. Sie begehen jedoch folgenschwere Fehler und können ihre Fähigkeiten erst am Ende ihrer Abenteuer durch die neu gewonnenen Erkenntnisse entfalten. Diese Abenteuer bestreiten die Helden nicht allein, sondern mit ihren „Herzensdamen“, wobei der Umgang mit ihren Begleiterinnen, besonders im „Erec“ sehr fragwürdig oder schlecht ist. Die Arbeit wird unter Betrachtung der sogenannten Doppelwegstruktur die Veränderungen, die die Protagonisten im Laufe ihrer Abenteuer durchlaufen, untersuchen, sowie die Parallelen der Handlung herausarbeiten. Zudem wird ein weiterer Fokus auf den Beziehungen der Protagonisten zu ihren Frauen liegen. Ein weiterer Betrachtungspunkt werden die weiblichen Hauptfiguren Enite im „Erec“ und Jane in „Thor“ sein.
2) Defintion „Thor“
Zu Beginn dieser Arbeit möchte ich kurz erläutern, um wen es sich bei der Figur Thor handelt. Thor stammte aus der skandinavischen Mythologie und ist der Donnergott, Sohn des Göttervaters Odin und Bekämpfer der Riesen (vgl. Simek 1995: 403). Er gilt als Verteidiger der Götter und Menschen gegen die bedrohlichen Mächte (vgl. ebd. 404). In seinem Besitz befindet sich der magische Hammer Mjöllnir, welcher beim Werfen Blitze und Donner erzeugt und wie ein Bumerang in Thors Hand zurückkehrt. Thor ist der Einzige, der Mjöllnir heben kann (vg. ebd. 227).
Die Figur Thor wurde 1962 erstmals in den Comics von Marvel adaptiert und durch Stan Lee und Jack Kirby zum Leben erweckt. Die erste Verfilmung stammte aus dem Jahr 2011. In ihr verkörpert der australische Schauspieler Chris Hemsworth den Thor.
3) „Erec“ und die Doppelwegstruktur
„Erec“ war der erste Artusroman Hartmanns von Aue. Seine Wirkungszeit wird nach Bumke (2006) in den Zeitraum von 1180-1200/1210 eingeordnet. Wann genau der Roman entstanden ist, weiß man jedoch nicht (vgl. 8). „Erec" basiert auf der französischen Vorlage Chrétiens „Erec et Enide“ (vgl. ebd.) und folgte als erster Artusroman im Aufbau der sogenannten Doppelwegstruktur, den man wie folgt definieren kann:
Der strukturelle Sinn der Romanhandlung erfüllt sich im Gedanken des doppelten Weges. Der Held, ausgezogen, um sich 'einen Namen zu machen', erobert sich mit der Gewinnung der Frau und in ritterlicher Tat die ére und den Glanz der Welt. Artus nimmt ihn unter die Seinen auf; er erfüllt den Anspruch, den die Institution stellt. Blitzartig brechen Schuld, Schulderkenntnis oder Beschuldigung über den Erhobenen herab, und auf einem zweiten Wege 'des longues études', sinnerfüllter aventiure und tiefgreifenden Selbstverständnisses muss das Verlorene - Frau, Herrschaft und Heil - noch einmal erworben werden, nun zu immerwährendem Besitz. (Fromm 1969: 65)
„Durch diese Doppelung mit Steigerung zerfällt die Handlung in zwei Hälften: Man spricht von einem Doppelweg, bestehend aus einem ersten und einem zweiten Handlungszyklus.“ (Achnitz 2012: 55). Kennzeichnend für diese Struktur ist der Artushof als Ausgangs-, Mittel- und Endpunkt (vgl. ebd.). Eine Darstellung des Schemas findet sich im Anhang (Abbildung 1). Der erste Handlungszyklus im Roman ist durch die Einführung von vier Themen costume, ère, reht und minne gekennzeichnet, die nach der Verlobung Erecs mit Enite in umgekehrter Reihenfolge abgehandelt werden (vgl. ebd. 57). Dieser Handlungszyklus soll im Folgenden näher betrachtet werden.
4.1) 1. Handlungszyklus: „Erec" und „Thor“ im Vergleich
Die Handlung des „Erec“ setzt bei der Jagd auf den Weißen Hirschen ein. Wer ihn erlegt, darf die schönste Dame des Hofes küssen. Auch die Königin Ginover folgt der Hofgesellschaft, begleitet von dem jungen Ritter Erec. An dieser Stelle wird das Thema der costume eingeleitet. Als sie einem fremden Ritter (später erfährt man, dass es sich um Ritter Iders handelt) begegnen, wird erst die Hofdame der Königin und dann Erec selbst vom Zwerg des Königs geschlagen (V.104 ff.) Mit der Schmähung durch den Zwerg verliert Erec seine ère und macht sich daraufhin, nur mit einem Schwert ausgerüstet, in seine erste âventiure auf. Er verfolgt den Ritter, um das Verlorene zurückzuerlangen. Wetzlmair (1997) sieht in der mangelnden Ausrüstung noch keine persönliche Schuld Erecs, sondern spricht von „eine[r] nur objektiv 'schuldige[n]' Ausgangssituation“ (50). Bei der Verfolgung gerät Erec zur Burg Tulmein (V.172 ff.). Man erfährt, dass dort ein Turnier stattfindet, bei dem die schönste Frau den Sperber gewinnt (V.200 ff.), womit Erec das reht erhält, seine verlorene ère zurück zu erobern . Durch sein abruptes Verschwinden von der Jagd steht Erec nun absolut habelos (V.238), sowie wiselos (V.250) dar, er kann aber Unterschlupf bei Koralus und seiner Tochter Enite finden, die, trotz adeliger Abstammung, in ärmlichen Verhältnissen leben. Enites Schönheit ist so vollkommen und immens, dass selbst ihre zerrissene und alte Kleidung diese nicht verstecken kann (V.324 ff.), ganz im Gegenteil, sie kontrastiert ihre Schönheit und betont sie umso mehr (vgl. ebd. 53). Wie die ère für den Ritter, so fungierte die Schönheit der Frau als Messlatte ihres Ansehens und ihrer Stellung im Mittelalter (vgl. ebd. 54), sodass Enite für Erec die perfekte Wahl für das Turnier darstellt. Aus diesem Grund bittet Erec Koralus um eine Rüstung und die Erlaubnis Enite zum Sperberkampf mitnehmen zu dürfen, im Falle eines Sieges verspricht er sie zur Frau zu nehmen (V.503 ff.). Erec handelt äußerst pragmatisch, Enite ist „Mittel zum Zweck“, dies steht aber nicht im Widerspruch mit der feudalen Eheauffassung des Mittelalters, da sie häufig „durch materielle und soziale Interessen bestimmt“ (ebd. 55) war. Die ersten Anzeichen von minne kommen jedoch bereits im Turnier gegen Iders auf. Enites Schönheit gibt Erec einen Kraftschub, der den Sieg für ihn bringt (V.948 f.). Iders wird zur Strafe an den Artushof geschickt, um von Erecs Sieg zu berichten, womit reht und ère wiederhergestellt sind. Auch die minne Erecs und Enites nimmt zu (V.1322 ff.) und spätestens auf dem Weg zum Artushof sind beide wirklich in einander verliebt (V.1490 f.). Durch den Kuss Enites von König Artus, der inzwischen den Weißen Hirsch erlegt hat, erfüllt sich der Kussbrauch (V.1784 ff.) und das Thema der costume wird abgeschlossen. Es folgt die prunkvolle Hochzeit des Liebespaares an Pfingsten (V.900 f.), was als Neubeginn interpretiert werden kann (vgl. Söllinger 2015: 20). Söllinger (2015) sieht darin 4 ebenfalls eine Andeutung der folgenden Handlung und der Veränderungen, die Erec durchlaufen wird (vgl. ebd. 21). Im Anschluss folgt ein Turnier, bei dem Artus Erec vollends ausstattet, jedoch reitet Erec ohne Rüstung (V.2505) in den Kampf und geht zwar als Sieger hervor, handelt dabei aber sehr töricht, unbesonnen und setzt sein Leben aufs Spiel (vgl. Bumke 2006: 33), was seine „Unreife“ betont.
Nach dem Turnier brechen Erec und Enite nach Karnant auf (V.2861 ff.), wo Erecs Vater ihn zum Mitregenten macht (vgl. Bumke 2006: 36). Doch statt sich seinen Pflichten zu widmen, verligt sich Erec, indem er den ganzen Tag mit Enite im Bett verbringt (V.2935 ff.). Daraus resultiert „ein gesellschaftliches Fehlverhalten: die Verweigerung der Teilhabe am Zusammenleben am Hof und die Verantwortungslosigkeit des Herrschers“ (ebd. 99). Erecs Problem liegt letztendlich darin, dass er die Verpflichtungen des Rittertums und die minne, nicht ins Gleichgewicht bringen kann (vgl. Smrdel 2013: 16), das Gleichgewicht ist labil und führt zu einer Krise (vgl. Haug 1992: 94), wodurch auch die vreude des Hofes verschwindet (V.2989). Das Volk sieht Enite als Schuldige für diese Entwicklung (V.2996 ff.). Als sie sich leise im Bett darüber beklagt, glaubend, dass Erec schliefe und Erec dies hört, beschließt er den Hof sofort zu verlassen und droht seiner Ehefrau mit dem Tod, wenn sie ein weiteres Wort sprechen sollte (V.3093 ff.). Damit endet der erste Handlungszyklus des „Erec“. Dass Erec Enite mit auf seine âventiure-Fahrt nimmt, ist außergewöhnlich (vgl. Bumke 2006: 104), denn normalerweise reitet der Held ohne seine Dame los. Dieser Sachverhalt macht diesen Artusroman zu einem Paarroman.
Betrachen wir nun die Handlung in „Thor“. Der Film beginnt mit der Erzählung Odins1 über die Eisriesen, die einst die Erde bedrohten. Odin konnte sie jedoch besiegen und nahm ihnen die Quelle ihrer Macht: den Tesserakten (3:30-5:30)2. Nach dem Ende der Erzählung folgt ein Gespräch zwischen den jungen Brüdern Thor und Loki3. Sie seien beide bereit König zu sein und wie ihr Vater gegen die Riesen zu kämpfen, wobei auffällt, dass Loki Thor nur nacheifert (7:05). Ebenfalls auffällig ist, dass Thor sich schon in jungen Jahren als zukünftiger Herrscher versteht. Genau diese Selbstsicherheit wird ihm im späteren Verlauf zum Verhängnis.
Die Handlung springt einige Jahre in die Zukunft, zu Thors prunkvoller Krönungsfeier. Wie im „Erec“ bei der Hirschjagd und dem Kussbrauch, könnte man hier von costume sprechen. Bei den Feierlichkeiten geht es um eine jahrtausendealte prunkvolle Tradition der Krönung, bei der sich Thor, mittlerweile ein großer, muskulöser Krieger, selbst inszeniert und vor Selbstbewusstsein strotzt (7:30). Odin hält eine Ansprache, bei der er unter anderem Mjöllnir erwähnt und ihn als passenden Gefährten für einen König bezeichnet (8:56). Thor schwört den Frieden zu wahren, sich allen selbstsüchtigen Taten abzuwenden und sich ganz dem Wohle der neuen Welt zu verschreiben (9:55). Die Feierlichkeiten werden durch den Einbruch einiger Eisriesen in die Waffenkammer unterbrochen, der jedoch abgewehrt werden kann. Thor sieht in dem Angriff eine Verletzung des Waffenstillstandes mit den Eisriesen und ist rasend vor Wut, er möchte in Jotunheim (Heimatplanet der Eisriesen) einmarschieren. Odin ist dagegen, da dies nicht das Denken eines Königs sei, sondern das eines Kriegers (11:43). Man kann durchaus davon sprechen, dass Thors Verständnis von Ehre und Recht durch den Einbruch verletzt werden und ein Krieg seiner Auffassung von Gerechtigkeit eine passende Lösung scheint. Thor frevelt, da er von sich als König von Asgard spricht, welcher er aber noch nicht ist. Er widersetzt sich seinem Vater und überredet seine Gefährten Lady Sif, Volstaag, Hogun und Fandral mit ihm gemeinsam in Jotunheim gegen den König Laufey zu kämpfen (14:00). Allein an dieser Tat erkennt man, dass Thor noch nicht bereit ist, über Asgard zu herrschen. Er übergeht seinen gerade erst abgelegten Schwur aus der Zeremonie und bringt so sich selbst, seine Freunde und das ganze Volk in Gefahr. Auf dem Weg ins Abenteuer werden sie von Heimdal4 gewarnt, dass er ihnen den Bifröst5 nicht öffnen werde, sollten sie Gefahr mit sich bringen (16:25). Thor reagiert wieder sehr selbstsicher und sagt, dass er nicht vorhabe heute zu sterben.
In Jotunheim eingetroffen spricht Thor mit König Laufey, übergeht aber dessen Aussage, dass es in Odins Haus einen Verräter gäbe (19:05), weil er für sich im König bereits den Schuldigen gefunden hat. Letztendlich eskaliert die Situation durch die Aussage Laufeys: „Lauf nach Hause, kleine Prinzessin!“ (20:30) und es beginnt eine Schlacht. Thor handelt hier in doppelter Hinsicht falsch, er glaubt dem König nicht und lässt sich provozieren, statt besonnen zu handeln - absolut kein weises oder königliches Verhalten. Nach wenigen Minuten wird Fandral verletzt (22:30), Thor reagiert sehr rücksichtslos und weigert sich zurückzuziehen. Seine Freunde versuchen zu fliehen und werden von einem Monster verfolgt, welches Thor im letzten Moment töten kann (24:45). Odin kommt zur Rettung und versucht mit Laufey zu verhandeln, dieser erklärt ihm aber den Krieg und Odin fliegt mit Thor und seinen Freunden wieder nach Asgard. Dort angekommen ist sich Thor noch immer keiner Schuld bewusst, er widerspricht Odin, welcher ihn als habgierigen, eitlen und grausamen Jungen bezeichnet (26:55). Aus seiner Wut heraus beschimpft Thor Odin, er sei alt und einfältig. Odin ist sichtlich enttäuscht und bemerkt, dass Thor durch seine Überheblichkeit und Dummheit einen Krieg hervorgerufen habe und damit der Liebe derjenigen, die er verriet und seines Titels unwürdig geworden sei (28:00). Als Konsequenz wird Thors Kraft entzogen und in den Bifröst geschleudert. Mit den Worten „wer auch immer diesen Hammer hält, wenn er seiner würdig ist, möge er die Kraft Thors besitzen“ wirft Odin auch Mjöllnir in den Bifröst.
Meines Erachtens nach endet hier im Film der erste Handlungszyklus. Thor erweist sich bis hierher als unwürdig und entehrt sich selbst. Im weiteren Verlauf muss Thor seine verlorene Ehre und seine Kräfte durch die ihm bevorstehenden Abenteuer zurückerlangen.
4.2) Zwischenfazit
Sowohl Erec als auch Thor sind beide jung und haben weniger Erfahrung als sie glauben. Beide sollen einst Königreiche regieren, doch bei den Fehlern, die sie begehen, ist es noch ein weiter Weg, bis sie so weit sind. Meiner Ansicht nach, hat Erec Thor aber insofern etwas voraus, dass er sich nach der Schmähung durch den Zwerg, seiner Schuld bewusst ist und sich sofort auf den Weg macht, seine Würde und Ehre zurückzuerlangen. Dabei ist er recht erfolgreich, da er zugleich auch eine Ehefrau findet. Lediglich aus Unerfahrenheit geraten die äußeren und inneren Pflichten Erecs ins Ungleichgewicht, wofür er sich sofort selbst bestraft. Allerdings verhängt er ungerechterweise ein Redeverbot über die ihm treu ergebene Enite und behandelt sie außerordentlich schlecht, was zeigt, dass deren Beziehung, wie auch Erecs Ritterlichkeit noch stark optimiert werden müssen. Bei Thor taucht bis dato das Thema der minne noch nicht auf, die anderen Themen sind aber wie bereits dargestellt durchaus auch vertreten. Thor ist ein arroganter, impulsiver und respektloser junger Mann, der lernen muss, sein Temperament zu zügeln, das Gemeinwohl seines Volkes im Blick zu behalten und die Weisheit seines Vaters wertzuschätzen und nicht zu verschmähen. Im Gegensatz zu Erec ist Thor rechthaberisch und ist sich keiner Schuld bewusst, wofür er bestraft wird. Während im „Erec“ die Handlung in einem Bogen verläuft (Schmähung durch den Zwerg, Zurückerlangen der ère, Hochzeit), der dann durch das verligen erneut abfällt, beginnt die Handlung in „Thor“ im Positiven und fällt durch Thors Verhalten immer weiter ins Negative, ohne dass der Protagonist dies wahrnimmt.
4.3) 2. Handlungszyklus im „Erec“: erste âventiuren-Reihe
Mit dem zweiten Handlungszyklus im „Erec“ beginnt auch die erste âventiuren-Reihe Erecs, diese „führt ihn in eine Gegenwelt, d.h. in eine Welt antiarthurischer Figuren und Verhaltensformen. Der Held begegnet hier natürlichen oder übernatürlichen Feinden [...], die er bezwingt, um wieder an den Hof [...] zurückzukehren“ (Haug 1992: 98f.) und die vreude des Hofes wiederherzustellen (vgl. ebd. 99).
Erecs erste Begegnung, nachdem er gemeinsam mit Enite überstürzt aufgebrochen ist, findet mit Räubern statt. Da Enite nach kurzem Abwägen der Meinung ist, dass ihr Leben weniger wert sei (V.3173 f.) bricht sie ihr Redeverbot, um Erec vor den Angreifern zu warnen. Die Räuber sind schlecht gerüstet und Erec ist ihnen kämpferisch überlegen, weshalb es ihm ein Leichtes ist, sie zu besiegen, jedoch bringt dies Erec keinerlei ère ein (vgl. Wetzlmair 1997: 68), da Räuber als Ausgestoßene der Gesellschaft gelten und somit keine würdigen Gegner darstellen. Besonders negativ ist Erecs Reaktion Enite gegenüber: statt Dankbarkeit zu zeigen, scheltet er sie und trägt ihr auf, die Pferde zu führen (V.327 ff.). Mit diesem Verhalten verstößt er klar gegen die ethisch-sozialen Normen (vgl. ebd. 70). Am nächsten Morgen gelangt das Paar an die Burg des Grafen Galoain, der sie zu sich einlädt, aber Erec besteht darauf in einer Herberge zu verweilen. Dort sitzen Enite und er an getrennten Tischen (V.3363 ff.) und schlafen in getrennten Betten (V.3951), womit „eine völlige Aufhebung der Ehegemeinschaft mit Enite“ eintritt (ebd. 71). Der namenlose Graf aber ist so von Enites Schönheit gebannt, dass er Enite heiraten möchte. Da sie nicht einwilligt, möchte er sie entführen (V.3675 ff.). Enite jedoch überlegt sich eine List, um Zeit zu gewinnen und bricht ihr Redeverbot erneut, um Erec vorzuwarnen, sodass er mit ihr gemeinsam die Burg verlassen kann. Hier wird deutlich, dass Enite ihre Ehe als wichtigstes Gut ansieht, für das sie bereit ist trotz der schlechten Behandlung bei ihrem Ehemann zu bleiben (vgl. Bumke 2006: 41). Während des erneuten Ausschimpfens Enites nimmt sie war, dass Galoain sie verfolgt und spricht zur Vorwarnung Erecs wieder ohne Erlaubnis. An dieser Stelle ist ein humorvoller Erzählerkommentar eingebaut, der sich fragt, wieso Enite besser sehen und hören kann als Erec (V.4150 ff.). Auch den Kampf mit dem Grafen kann Erec für sich entscheiden (V.4229). Wieder schimpft Erec mit Enite, jedoch gibt es dieses Mal keine Bestrafung für sie, vermutlich weil er beginnt einzusehen, dass sie ihm bereits zum dritten Mal das Leben gerettet hat.
Der nächste Gegner, dem das Paar begegnet, ist der Zwergenkönig Guivreiz, welcher Erec zu einem ritterlichen Kampf herausfordert. Erec möchte diesem aus dem Weg gehen, er wirkt sehr passiv und ängstlich (V.4407 f.). Diese defensive Haltung zieht als Konsequenz eine schwere Verwundung Erecs nach sich, trotz derer Erec Guivreiz 8 besiegen kann. Dies ist der erste Sieg, aus dem Erec ère ziehen kann (vgl. Wetzlmair 1997: 76), da Guivreiz der erste ritterliche und würdige Gegner ist. Der erste Kampf gegen Guivreiz ist insofern für die Beziehung des jungen Paares wichtig, da hier zum ersten Mal seit langem auch Erecs Liebe zum Vorschein kommt, indem er sagt, dass Enites Verlust für ihn ein großes Unglück gewesen wäre (V.4431). Erecs Egoismus beginnt sich zurück zu entwickeln und dem Einsatz für die Umgebung und Enite zu weichen - das „Du“ rückt statt des „Ich“ in den Vordergrund (vgl. Wetzlmair 1997: 74). Ab hier wird Enites Redeverbot indirekt aufgehoben, indem es nicht mehr zur Sprache kommt.
Ein weiterer Kampf, der aber nicht von großer Bedeutung für unsere Untersuchung ist, findet mit dem Truchsess Keie statt, den Erec besiegt und an den Artushof schickt, um davon zu berichten (V.4836). Artus wiederum lässt als Antwort mit einem Boten nach Erec schicken. Anfänglich weigert sich Erec zurückzukehren, er begründet dies mit den Worten: „ich hân ze disen ziten gemaches mich bewegen gar“ (V.4977 f.), jedoch kehrt er für einen kurzen Aufenthalt an den Artushof zurück. Da dieser aber ein idealer Ort ist und Erec seine ère und auch vreude noch nicht vollständig zurückerlangt hat und somit noch kein idealer Ritter ist und auch seine Beziehung noch nicht vollkommen hergestellt wurde, bricht er, nach der Heilung seiner Wunde durch das Pflaster (V.5132 ff.) der Zauberin Famurgan, mit Enite wieder auf.
Die Zwischeneinkehr am Artushof bildet einen bedeutenden Einschnitt im zweiten Handlungsteil des Werkes. Rein formal betrachtet ist sie 'die Achse spiegelbildlicher Zuordnungen einzelner Episoden' durch die die Ausfahrt des Paares in zwei Aventuirentraiden geteilt wird. (ebd. 78)
Auffällig ist, dass Erec in diesem Teil förmlich in die Konflikte „stolpert“. Er bestreitet alle Kämpfe nur, weil er ihnen nicht aus dem Weg gehen kann und ausschließlich Enites Warnungen retten ihn in den ersten beiden Begegnungen vor dem Tod. Betrachtet man die Gegner, so lässt sich eine Steigerung, sowohl im Schwierigkeitsgrad als auch in der daraus gewonnenen ère erkennen , während die Räuber reine „quantitative“ Rivalen ohne Ehrgewinn für Erec darstellen, steht der Ritter Guivreiz für einen „qualitativen“ Gegner, dessen Besiegung Erec ère einbringt.
[...]
1 Göttervater, König von Asgard, Vater von Thor (vgl. Simek 1995: 302)
2 alle Zeitangaben erfolgen in: Minuten:Sekunden
3 „Ist die vielschichtigste, aber auch negativste Gestalt des german. Pantheons“ (ebd. 245), im Film Thors (adoptierter) Bruder
4 ist der Wächter der Götter, wohnt auf dem Bifröst (vgl. ebd. 170)
5 Regenbogenbrücke, die Asgrad mit Mitgard (der Erde) verbindet (vgl. ebd. 49)