„Sammeln“ als Verfahren für den Kunstunterricht
Zusammenfassung
und Totenkammern, in Tempeln und Kirchen – gesammelt wurde in fürstlichen Galerien, aus
denen im 18. Jahrhundert staatliche Museen wurden. Sammeln ist heute neben Forschen und
Öffentlichmachen einer der grundlegenden Aufträge der Museen.
Sammeln ist eine Form der Selbst- und Welterfahrung und es trägt zur Bestimmung und
Erweiterung der Identität bei.
Die Bedeutung eines Sammelobjektes liegt in seiner Beziehung zum Sammler. Der Sammler
projiziert Erinnerungen, Wünsche, Sehnsüchte und Träume auf den Sammelgegenstand. Die
Motive für das Sammeln sind vielfältig. Gesammelt wird aus Genuss, Neugier,
Entdeckerfreude, aber auch aus Besitzgier und Vollständigkeitswahn.
Zwei Arten des Sammelns können unterschieden werden. Die „geschlossene“ Form entspricht
dem, was meist mit dem Begriff einer Sammlung verbunden wird: es existiert ein bestimmter
begrenzter Rahmen, der durch die gesammelten Dinge ausgefüllt wird. Das Ideal einer
solchen Sammlung ist ihre Komplettheit. Sie stellt ihren Besitzer erst dann zufrieden, wenn
sie komplett ist. Ein Beispiel dafür ist die Briefmarkensammlung.
Für den Kunstunterricht ist jedoch die „offene“ Form des Sammelns interessanter. Denn ihr
liegt eine Idee, ein thematischer roter Faden zugrunde, entlang dem Dinge gesammelt werden;
solch eine Sammlung ist wandelbar und hat keine definierte, auszufüllende Figur. Das
Sammeln geschieht dabei beiläufig, mit gestreuter Wahrnehmung, eher spielerisch und vom
persönlichen Gefallen geleitet, oft sogar dem Zufall gehorchend. Beispiele für solches
Sammeln finden sich in der Art und Weise, wie Kinder sammeln oder wie (Erinnerungs-)
Fotos aufbewahrt werden.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Zum Begriff des „Sammelns“
2. Künstler als Sammler
3. Die Bedeutung des Sammelns für Kinder und Jugendliche
4. Sammeln als Methode im Kunstunterricht (Beispiele)
5. Gründe für das Anwenden des Sammelns als Methode im Kunstunterricht
6. Fazit
Literaturverzeichnis:
1. Zum Begriff des „Sammelns“
Das Sammeln ist so alt wie die Menschheitsgeschichte. Gesammelt wurde in Schatzhäusern und Totenkammern, in Tempeln und Kirchen – gesammelt wurde in fürstlichen Galerien, aus denen im 18. Jahrhundert staatliche Museen wurden. Sammeln ist heute neben Forschen und Öffentlichmachen einer der grundlegenden Aufträge der Museen.[1]
Sammeln ist eine Form der Selbst- und Welterfahrung und es trägt zur Bestimmung und Erweiterung der Identität bei.[2]
Die Bedeutung eines Sammelobjektes liegt in seiner Beziehung zum Sammler. Der Sammler projiziert Erinnerungen, Wünsche, Sehnsüchte und Träume auf den Sammelgegenstand. Die Motive für das Sammeln sind vielfältig. Gesammelt wird aus Genuss, Neugier, Entdeckerfreude, aber auch aus Besitzgier und Vollständigkeitswahn.[3]
Zwei Arten des Sammelns können unterschieden werden. Die „geschlossene“ Form entspricht dem, was meist mit dem Begriff einer Sammlung verbunden wird: es existiert ein bestimmter begrenzter Rahmen, der durch die gesammelten Dinge ausgefüllt wird. Das Ideal einer solchen Sammlung ist ihre Komplettheit. Sie stellt ihren Besitzer erst dann zufrieden, wenn sie komplett ist. Ein Beispiel dafür ist die Briefmarkensammlung.[4]
Für den Kunstunterricht ist jedoch die „offene“ Form des Sammelns interessanter. Denn ihr liegt eine Idee, ein thematischer roter Faden zugrunde, entlang dem Dinge gesammelt werden; solch eine Sammlung ist wandelbar und hat keine definierte, auszufüllende Figur. Das Sammeln geschieht dabei beiläufig, mit gestreuter Wahrnehmung, eher spielerisch und vom persönlichen Gefallen geleitet, oft sogar dem Zufall gehorchend. Beispiele für solches Sammeln finden sich in der Art und Weise, wie Kinder sammeln oder wie (Erinnerungs-) Fotos aufbewahrt werden.[5]
Sammeln impliziert Ordnen. Das, was vorher zerstreut war, kommt nun an einem Punkt zusammen. Zum Sammeln gehört auch das Präsentieren. Die Ausstellung ist ein nicht zu unterschätzender Motivationsfaktor für den Sammler. In der Präsentation seiner Sammlung präsentiert der Sammler sich selbst. Das Ordnen und Präsentieren einer Sammlung können also Aufschluss über die Persönlichkeit des Sammlers und seine Lebensbewältigung geben.[6]
2. Künstler als Sammler
In der Kunst ist Sammeln zu einer selbstständigen Gattung geworden. Die Collage etwa ist ohne die vorhergehende Tätigkeit des Sammelns gar nicht denkbar.[7] Es gibt zahlreiche Künstler, die das Sammeln als künstlerische Arbeitsweise betreiben.
Zum Beispiel Kurt Schwitters, der für seine Merzbilder unterschiedliche Dinge auf dem Fußweg gesammelt hat: Zeitungsausschnitte, Busfahrscheine, Bindfäden oder Holzstücke. Diese Fundstücke setzte Schwitters zu seinen Collagen zusammen.
Oder beispielsweise Vertreter der Kunstrichtung Spurensicherung, die ihren Anfang in Deutschland 1974 in einer Ausstellung in Hamburg nahm. Den Künstlern der Spuren-sicherung, zum Beispiel wie Nikolaus Lang und Christian Boltanski, ging es um die Sichtbar-machung und Konservierung von Lebensspuren, um die Rekonstruktion und systematische Erfassung des Verschwindenden, um Beschreibung und Archivierung ephemerer Erschein-ungen.
Auch die Vertreter der Kunstrichtung Land-Art kann man als Sammler bezeichnen. Denn sie stellen ihre Kunstwerke aus gesammelten Naturmaterialien zusammen. Zwei berühmte Repräsentanten dieser Kunstrichtung sind Andy Goldsworthy und Richard Long.
3. Die Bedeutung des Sammelns für Kinder und Jugendliche
Für die Kinder und Jugendliche ist das Sammeln besonders wichtig, weil es die Identitätsbildung fördert. Mit Handlungsweisen wie Sammeln und Ordnen, Spuren-Suchen und -Sichern bilden Kinder Verhaltensweisen aus, die unter anderem der Erforschung und Aneignung der Umwelt dienen. Sammeln und Ordnen von Gegenständen tragen außerdem dazu bei, nicht nur die Umwelt, sondern auch sich selbst zu strukturieren.[8] Das kindliche Ordnen und Sortieren ist dazu auch eine grundlegende Tätigkeit für die Ausbildung von Intelligenz und Kommunikationsfähigkeit.[9]
Kinder sammeln alles Mögliche: Korken, Steine, Überraschungseierfiguren, tote Tiere – zweckfrei und aus eigenem Willen. Die Sammelstücke werden begutachtet, verglichen, getauscht, geordnet und präsentiert. Die Sammeltätigkeit beginnt im spielerischen Umgang mit Gegenständen und Materialien, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sammelobjekte üben häufig einen bestimmten ästhetischen Reiz auf die Kinder aus, weil sie z. B. interessant aussehen, oder außergewöhnlich riechen, oder sich in den Händen gut anfühlen. Das Sammeln ist für Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Gründen bedeutungsvoll: Sammel-gegenstände dienen z. B. als Erinnerungsstücke, die Entdeckungen, Erfahrungen und Handlungen repräsentieren. Sie können Erlebnisse gedanklich wachrufen und dokumentieren zugleich die individuelle Entwicklung. Das Reden über die Sammlungen und Aneignen von Expertenwissen sowie das Tauschen der Sammelstücke auf dem Schulhof verschaffen Achtung und soziales Prestige, das zu Selbstdarstellung und Selbstbehauptung beiträgt.[10]
[...]
[1] Vgl. Otto 1987, S. 109
[2] Ebd., S. 116
[3] Vgl. Uhlig/Kirschenmann 2000, S. 6
[4] Vgl. Schloz 1995, S. 354
[5] Vgl. ebd.
[6] Vgl. Uhlig/Kirschenmann 2000, S. 6
[7] Vgl. Grasskamp 1978, S. 71
[8] Vgl. Kirchner 2005, S. 32
[9] Vgl. Kirchner 2003, S. 7
[10] Vgl. Kirchner 2005, S. 33, 34