Die Verbindung beschäftigt sich mit der Verbindung von Martin Luther und Helius Eobanus Hessus. Genauer soll dabei auf das Wechselverhältnis von Reformation und Humanismus in Erfurt eingegangen werden. Hessus ist einer der bedeutendsten deutschen neulateinischen und vom Humanismus geprägten Dichter. Er wurde zu Lebzeiten und darüber hinaus als bester Dichter Deutschlands anerkannt und trug den Titel "Dichterkönig". Sein Lebenswerk, sein Intellekt und seine geistigen Errungenschaften sind als reich und vielfältig anzusehen. Neben der stets zielstrebigen Förderung seiner literarischen Talente, folgte er mit dem Beginn seines Studiums in Erfurt der Gepflogenheit und der Idee des Humanismus. Doch mit dem Thesenanschlag Luthers 1517 und der darauffolgenden Reformationsbewegung in Erfurt zwischen 1521 und 1525 trat ein spannungsvolles Wechselverhältnis von Humanismus und der reformierten Glaubensrichtung ein.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
2 Von der Glaubenstreue zur Papstkritik – Hessus Entwicklung in Erfurt
2.1 Erster Aufenthalt – Studium in Erfurt 1504 bis 1509
2.2 Zweiter Aufenthalt – Berufliche Erfolge bis zur Reformationsbewegung ab 1514
3 Hessus‘ Relations- und Sympathieentwicklung zu Martin Luther
3.1 Die Luther-Elegien
3.2 Turbulenzen der frühen Erfurter Reformationsgeschichte
4 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1 Einführung
Helius Eobanus Hessus ist einer der bedeutendsten deutschen neulateinischen und vom Humanismus geprägten Dichter. Er wurde zu Lebzeiten und darüber hinaus als bester Dichter Deutschlands anerkannt und trug den Titel „Dichterkönig“. Sein Lebenswerk, sein Intellekt und seine geistigen Errungenschaften sind als reich und vielfältig anzusehen. Neben der stets zielstrebigen Förderung seiner literarischen Talente, folgte er mit dem Beginn seines Studiums in Erfurt der Gepflogenheit und der Idee des Humanismus. Hessus war das Haupt des Erfurter Humanistenkreises in den Jahren von 1515 bis 1526, die die glücklichsten Jahre seines Lebens waren. Als Humanist und Professor an der Universität Erfurt wirkte er als geselliger und herzlicher Mensch, der zu seiner Berufung und Weltanschauung stand. Doch mit dem Thesenanschlag Luthers 1517 und der darauffolgenden Reformationsbewegung in Erfurt zwischen 1521 und 1525 trat ein spannungsvolles Wechselverhältnis von Humanismus und der reformierten Glaubensrichtung ein.
Der Humanistenkreis war bereits ab dem 16. Jahrhundert ein bewegendes Element innerhalb der Erfurter Universitätsgeschichte. Und durch ihre aufkommende national-antiklerikale und sozialkritische Einstellung boten die Humanisten einen sicheren Auftritt Martin Luthers, ohne jegliche Partei gegenüber der Reformationsbewegung zu ergreifen. (Vgl. Abe & Entner, 1996) Die Erfurter Humanisten teilten Ansichten Luthers in national-gesellschaftlichen Gesichtspunkten und waren zum Teil den theologischen Weltbildanschauungen überlegen. Sie suchten die neue humanistische Ethik, „deren Prinzip der „reinen Menschlichkeit“ keine Unterschiede des Glaubens, der Rasse und der Volkszugehörigkeit mehr duldete“. (Abe & Entner, 1996) Die Humanisten legten somit achtbare Grundsteine für eine bürgerliche Aufklärungsphilosophie.
Hessus mischte sich zunächst in das kirchliche Spannungsfeld nicht ein. In Erfurt nahm 1517 auch noch niemand Notiz am Geschehen in Wittenberg. Doch spätestens nach der Leipziger Disputation 1519, bei der der gesamte Gelehrtenstand wegen Luther in Aufregung gerat, aber die auch gleichermaßen grundlegende geistliche Erneuerungen mit sich zog, wurde auch in Hessus allmählich eine Papstkritik entfacht. (Vgl. Eberbach, 1993) Er wandte sich ab 1521 Martin Luther voller Inbrunst zu und sympathisierte mit den Lutheranern. Durch diese Sympathiesierungen entstanden auch die von Hessus‘ in Latein verfassten sechs Luther-Elegien.
Jedoch schwankte er in Erfurt bis 1526 stets zwischen der protestantischen Konfessionstreue und seinen altbewährten humanistischen Moralvorstellungen. (Vgl. Abe & Entner, 1996)
Wie sich erstmals dieses euphorische und dennoch zwiegespaltene Verhalten Helius Eobanus Hessus‘ gegenüber der Glaubensreform entwickelt hat, soll zunächst sein beruflicher Werdegang in Erfurt von 1504 bis 1509 und von 1514 bis 1526 aufzeigen. Des Weiteren besteht eine Vertiefung in die Entwicklung und den Inhalt der Luther-Elegien sowie eine Erläuterung zu den folgeschweren Turbulenzen der Reformation in Erfurt, die Hessus miterlebte.
2 Von der Glaubenstreue zur Papstkritik – Hessus Entwicklung in Erfurt
2.1 Erster Aufenthalt – Studium in Erfurt 1504 bis 1509
Helius Eobanus Hessus wurde am 06. Januar 1488 in Hessen geboren. Er war ein sprachlich begabter Schüler, dessen geistige Richtung durch die lateinische Sprache bestimmt wurde. Er war ein Menschenfreund von gewinnender Liebenswürdigkeit, der schon früh bemüht war, den ärmlichen Alltag durch Poetik einen antiken Glanz zu verleihen.
Mit 16 Jahren bricht er 1504 zum Studium nach Erfurt auf. Schnell wurden seine Dichtkünste vom Humanist Conrad Mutian lobgepriesen und Hessus erhielt Zusicherung für seine anstehenden Studienjahre. Hessus fand früh Anschluss am Erfurter Humanistenkreis, in dem sich Poeten vereinigten und der gelehrten Scholastik entgegenstanden. Er war fortan ein Vertreter der neuen humanistischen Richtung. Er sprach und schrieb Latein tadellos und befasste sich mit der Antike, indem er gelegentlich Verse nach antikem Vorbild verfasste.
Überblickt man die fünf Studienjahre von Hessus, ist er ein Vorzeigestudent, der zielstrebig alle Kollegs besuchte und Prüfungen ohne Zeitverschwendung ablegte. Sein Leben außerhalb der Erfurter Universität fand hauptsächlich im Kreise Mutians statt. Hier war er in Freundschaft mit gleichgesinnten Studenten und Geistlichen, die vom humanistischen Idealbild geleitet wurden. (Vgl. Eberbach, 1993) Dies war die beste Voraussetzung, seine literarischen Talente, seine Lebensfreude und Geselligkeit zu entwickeln. So hatte er als junger Mann in Erfurt eine reiche und liberale Weltanschauung, die sein Gemüt und Geist beeinflusste. Professoren lobten seinen lebendigen und eleganten Ausdruck und die beliebten mythologischen Überlieferungen. Er schrieb eine Menge an lateinischen Gedichten in verschiedensten Textformen, darunter sehr viele Gelegenheitsdichtungen. Diese sollten seine persönlichen Ereignisse oder die seiner Freunde beschreiben. (Vgl. Ludwig, 1998) Es dauerte nicht lange und Hessus‘ größere Werke „Pugna“ und „Recessus“, die inhaltlich auf Homer und Vergil zurückzuführen sind, gingen im Herbst 1506 in Druck. 1509 erhielt Hessus seinen Magistertitel. Gleich darauf erschien sein weiterer Erfolg „Bucolicon“. Hessus blieb seinem christlichen Glauben treu, das zeigen die elf Eklogen des Bucolicons. Er thematisiert die Versöhnung tradierter Gegensätze, wie die griechische Mythologie mit der christlichen Glaubenslehre. So setzt er Jupiter mit Christus und Demeter mit Maria in eins. (Vgl. Eberbach, 1993)
Aufgrund des „tollen Jahres“ 1509, schlug Hessus für mehr als drei Jahre eine neue Richtung ein. Er verließ Erfurt mit 21 Jahren und arbeitete als Sekretär am Hof im preußischen Riesenburg.
2.2 Zweiter Aufenthalt – Berufliche Erfolge bis zur Reformationsbewegung ab 1514
Helius Eobanus Hessus kehrte 1514 gestärkt durch gesammelte Erfahrungen in Riesenburg, Frankfurt an der Oder und Leipzig zurück nach Erfurt in Mutians Humanistenkreis. Nach der Hochzeit mit Catharina Spater und folgend mehrerer Geburten, erwarb er den Gutsbesitz Engelsburg, das zum Versammlungsort Erfurter Poeten umfunktioniert wurde.
1517 erfüllte sich mit fast 30 Jahren Hessus‘ Lebensplan. Er wurde Professor für Latein, Poetik und Rhetorik an der Universität Erfurt. Er las in Kollegs und thematisierte vor allem römische und griechische Dichter unter Betrachtung eigener Werke und lehrte die Gesetze der Verskunst. Er förderte gleichermaßen die hohe Anerkennung der Humanisten in Europa. Die humanistisch- wahre Wissenschaft erhob sich über die Scholastik und in Erfurt öffnete sich zunehmend ein neuer Geist. Diese neuen geistigen Perspektiven wurden in den darauffolgenden Jahren auf die Probe gestellt, denn Europa begann sich in zwei feindliche Lager aufzuspalten. Martin Luther schlug 1517 seine 95 Thesen in Wittenberg an und das Christentum begann sich zu entzweien. Hessus, der sich von Kirchenkritik zunächst fernhielt, schenkte dem revolutionären Geschehen 1517 keine Beachtung. Es erschien ihm wichtiger, sich mit humanistischen Studien und mit gleichgesinnten Freunden zu beschäftigen. Doch es war abzusehen, dass die Humanisten nicht ohne Einfluss der beginnenden Reformation blieben. Erst im Herbst 1518 bei einer Pilgerreise nach Löwen wurde auch Hessus auf Luther allmählich aufmerksam. (Vgl. Eberbach, 1993) Aufgrund der Unterstützung des Erfurter Humanisten Philipp Melanchthon für Luther, entfachte sich auch in Hessus eine kritische Perspektive gegenüber der alleinigen Lehrautorität des Papstes. Dies nahm Ausmaß bis zu schriftlichen Bezeichnungen, der Papst sei ein „Unruhestifter“ und „Kirchenfeind“. (Vgl. Eberbach, 1993)
3 Hessus‘ Relations- und Sympathieentwicklung zu Martin Luther
3.1 Die Luther-Elegien
Während seines Reiseaufenthalts in Löwen, der Erasmus von Rotterdam gewidmet war, beeindruckte Luthers dortiges Auftreten Hessus und seine Gefolgschaft. Mit der Nachricht, dass Luther im April 1521 auf seiner Reise nach Worms zwei Nächte in seiner vertrauten Stadt Erfurt verbringen werde, plante man nicht nur einen triumphalen Willkommensgruß. Angesichts der intensiven Sympathieentwicklung gegenüber Luther, veröffentlichte Hessus einen Gedichtzyklus, die Luther-Elegien1. Diese zeigten in literarischen Stilisierungen genau auf, wie die Auffassungen bei den Luther-Anhängern standen.
„Nun frohlocke, erhabenes Erfurt, bekränze mit festlichem Laubwerk dein Haupt, denn siehe es kommt, der dich vom Schmutze2 reinigt, unter dem du so lange geseufzet.“ (Knape, 2017) Dies schrieb Hessus in seiner ersten Elegie, in der er einen poetischen Empfang Luthers thematisiert. „Jener Mann hat als erster erkannt, dass zu unserer Zeit eine furchtlose Zeit eine furchtlose Saat auf dem Feld Christi aufgeht. Er sah es und hat es gewagt, die Hacke schonungslos anzuwenden und alles Unkraut mit kunstreicher Hand auszureise.“ (Knape, 2017) Hessus stellt Luther auf eine bemerkenswerte Weise noch über die anerkanntesten Häupter des europäischen Humanismus. Schließlich lässt er mit antikem Hintergedanken den Flussgott der Gera „Hieras“3 sprechen und durch diesen Luther weiterhin loben. Hieras trägt obligate Attribute. Die symbolisierten Stierhörner und der Schilfskranz von Hieras verneigen sich vor Luther und als dieser sich dem Flussufer nähert, so schrieb Hessus, wurde der ungestüme, wilde Flussgott allmählich ruhiger und reiner. Des Weiteren prophezeit ihm Hieras, dass Musen ihn zum Erfolg begleiten werden und spricht zu ihm: „Ziehe nun, langersehnter Martin, in unsere Mauern ein, der du das reine Gotteswort wiederhergestellt und gleichsam die Decke des Antlitz Mosis hinweggenommen hast. Christus segne deinen Eingang und schütze dich vor deinen grimmen Feinden.“ (Knape, 2017) Diese Prophezeiung bewahrheitete sich, so schrieb Hessus in seiner zweiten Elegie nieder, als der Universitätsrektor Rubeanus Crotus mit 40 Universitätsmitgliedern Luther feierlich entgegenritten. Hessus bezeichnet diese als „musische Schar“ (Ludwig, 1998), die der Prophezeiung auf menschlicher Ebene gerecht wurden.
Wie in bereits früher verfassten Distichen, verwendet Hessus in der ersten Elegie auch Symbolfiguren, wie den Hirten, stehend für den Poeten und die Wölfe, zutreffend auf sophistische Kritiker. „Die Hirten der Schafe Christi hätten sich als Wölfe erwiesen, Luther fordere auch von den obersten Hirten in Rom Rechenschaft über ihren Diebstahl und ihren Betrug.“ (Ludwig, 1998) Hessus beschrieb in der ersten Elegie seine eigenen Ansichten über Luthers Handlungen. Daher betont er auch, dass seiner Auffassung nach Martin Luther die Heilige Schrift beleuchten und enthüllen wird sowie „den ersten Weg zu den himmlischen Schätzen“ (Ludwig, 1998) weisen wird. Zwar überhöht Hessus Luthers Erscheinen in Erfurt sehr poetisch, jedoch weist dies eine ungemeine Erregung und Erwartung Hessus auf, mit der er auf Luther blickt.
Luther wohnte während seines Aufenthalts im Augustinerkloster bei seinem alten Studienfreund Johannes Lang. In der Augustinerkirche predigte er auf größtem Wunsch. Zu dieser Predigt erschienen hunderte Erfurter, die sich vor dem Eingang zusammenstauten, um etwas mitzubekommen. Die Freude über den Besuch des Mönchs war in der Stadt und in der Kirche so feierlich, sodass es zur Überlastung der Kirchenemporen kam und eine Massenpanik auszubrechen drohte. Doch selbst da erwies sich Luther, so schrieb Hessus in seiner dritten Elegie, als „machtvoller Exorzist“ (Kaufmann, 2012). „Nichts wirst du ausrichten mit deinen Tücken, höllischer Feind. [Und weiter sprach Luther zur Masse] Euch droht keine Gefahr; der hinterhältige Nachsteller treibt nur seine gewöhnlichen Kunststücke.“ (Kaufmann, 2012) Hessus beschreibt Luther während der Predigt als einen bewegenden Redner. Luther sprach eindrücklich und beherrscht. In der dritten Elegie wird metaphorisch vom Schneeschmelzen mit einem Hauch des Frühlings aus Luthers Mund gesprochen. Die Predigt wird sehr energisch von Hessus geschildert, das teils seiner Sympathie zu Luther geschuldet ist. Er setzt Luther sogar über die großen Dichter der alten Zeit. „Weder Demosthenes noch Cicero, ja, kaum Paulus habe so die Herzen der Hörer rühren können wie Luther in seiner Erfurter Predigt.“ (Knape, 2017)
Die vierte Elegie, auch Abschiedselegie genannt, richtete sich auf den 08. April 1521. Luther setzte an diesem Tag seine Reise nach Worms fort. Hessus bedürfte es, Luther mit der Elegie zu ermutigen und ihn zur Standhaftigkeit zu ermahnen. „Decke Du auf die römischen Ränke, die Schmach des Erdkreises. Das große Deutschland wird für Dich in den heiligen Kampf treten. Ziehe hin und fürchte Dich nicht.“ (Knape, 2017) Nach dem auftrumpfenden Zuspruch und der herzlichen Hinwendung zum „Soldat Christi“ (Kaufmann, 2012), die Hessus im Gedichtzyklus niederschrieb, zeigt die Stimmung einen elegischen Tonfall. In der fünften und sechsten Elegie wechselte Hessus die Perspektive zu Luthers Neidern und deren Bosheit. Hessus schrieb sorgenvoll von seinen Gedanken beim bevorstehenden Resultat in Worms, beteuert aber auch den Beistand ganz Deutschlands. Es waren Hessus‘ Ängste über den Fall, die Verbannung und sogar den Tod Luthers, die er poetisch verfasste. „Jetzt nach Gelüsten, o Neider, jetzt platze und bläke und tobe,/ Jetzo zu Ärger und Qual findest du Grundes genug./ Ewig ist Martins Ruhm, für Christi Ehre errungen,/ Mag er das Leben ihm nun, mag er den Tod ihm verleihn.“ (Knape, 2017)
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1 Lat. „In evangelici doctoris Martini Lutheri laudern defensionemque Elegiae IV“ (Ludwig, 1998)
2 Hier ist der Schmutz Roms gemeint, den Luther beseitigen soll. Eng mit diesem „Schmutz“ steht die Problematik des Ablasshandels. Luther soll den von Erasmus bereits aufgezeigten wahren Glauben aufleben lassen. Der Schmutz wird von Hieras, der sich vor Luther verneigt, an den Hörnern getragen. (Knape, 2017)
3 Im Namen „Gera“ lässt sich geschichts- und sprachwissenschaftlich das griechische Wort „Hiera“ wiederfinden.