In dieser Arbeit wird die Datingshow „Ich weiß, wer gut für dich ist“ analysiert.
Das zu untersuchende Objekt ist eine Dating-Show, das „Werkzeug“ die Methode der Fernsehanalyse. Was letztendlich am Ende dieser Untersuchung stehen soll, sind Erkenntnisse zu folgender Fragestellung:
Welche Rollen von Geschlecht werden in der Dating-Show Ich weiß, wer gut für dich ist medial inszeniert?
Forschungen zu einem ähnlichen Thema gibt es zu Dating-Shows bisher noch nicht. Generell ist dieses Feld in den wissenschaftlichen Publikationen bisher noch recht unberührt. Doch der bisherige Erkenntnisstand zum Thema bedeutet nicht etwa, dass sich eine nähere Untersuchung nicht lohnen würde.
Wie in den folgenden Ausführungen noch näher erläutert wird, ist die Gestaltung von „Ich weiß, wer gut für dich ist“ ein Medienprodukt, stark von gesellschaftlichen Diskursen bestimmt – zum Beispiel zu Geschlecht. Welche Annahmen von Männlich und Weiblich werden denn aufgegriffen? Wie werden sie medial inszeniert? Und inwiefern wird dabei an die gängigen Geschlechterstereotypen angeknüpft?
Um diese Fragen näher zu erläutern, ist es zunächst erforderlich, eine theoretische Basis zu legen. Welche Annahmen von Geschlecht kursieren in der Gesellschaft und den Medien? Und welchen Ursprungs sind sie überhaupt?
Erst dann können eigene Befunde aus Ich weiß, wer gut für dich ist getroffen werden. Die enge Arbeit am Forschungsmaterial ist dabei genauso unerlässlich wie ein strukturiertes Vorgehen. Aus diesem Grund werden die Ergebnisse anhand beispielhafter Szenen aus der Dating-Show verdeutlicht und anhand drei verschiedener Ebenen der Film- und Fernsehanalyse nach Mikos untersucht.
Die vorgenommenen Arbeitsschritte stellen leider nur rudimentäre Ansätze einer umfassenden Analyse dar. Trotzdem wird natürlich stets der eingangs erwähnten Anspruch an wissenschaftliches Arbeiten erhoben – so professionell, wie es innerhalb der Rahmenbedingung dieser Arbeit nur möglich ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort
1.1. Bisheriger Forschungsstand zum Thema Dating-Shows
2. Bisheriger Forschungsstand zum Thema Medien und Geschlecht
2.1. Sozialwissenschaftliche Positionen zum Geschlecht
2.1.1. Natürliche Zweigeschlechtlichkeit
2.1.2. Geschlecht als soziales Konstrukt und die Unterscheidung von sex und gender
2.2. Gesellschaftliche Positionierung zum Geschlecht: Geschlechtsstereotype
2.3. Kommunikationswissenschaftliche Positionen zum Geschlecht
3. Methodik der Analyse von der Dating- Show Ich weiß wer gut für dich ist
3.1. Begründung der Untersuchung und eigene Fragestellung
3.2. Die Methodik der sich am Erkenntnisinteresse orientierenden Analyse
3.3. Durchführung der Analyse
4. Ergebnisse
4.1. Kontexte
4.1.1. Genre
4.1.2. Intertextualität
4.1.3. Diskurse
4.1.4. Lebenswelten
4.2. Figuren und Akteure
4.2.1. Picker
4.2.2. Kuppler
4.2.3. Dates
4.3. Inhalt und Repräsentation
4.3.1. Plot und Story
4.3.2. Raum und Zeit
4.3.3. Interaktionsverhältnisse
4.3.4. Situative Rahmungen
5. Fazit
1. Vorwort
Es gehört zum Tätigkeitsgebiet eines Wissenschaftlers, den Blick auf sein zu untersuchendes Objekt zu vertiefen. Er soll hinterfragen, rundum beleuchten und idealerweise zum Schluss natürlich auch Erkenntnisse formulieren können. Ein ähnlicher Anspruch wird auch in vorliegender Arbeit verfolgt. Das zu untersuchende Objekt ist eine Dating-Show, das „Werkzeug“ die Methode der Fernsehanalyse. Was letztendlich am Ende dieser Untersuchung stehen soll, sind Erkenntnisse zu folgender Fragestellung:
Welche Rollen von Geschlecht werden in der Dating-Show Ich weiß, wer gut für dich ist medial inszeniert?
Forschungen zu einem ähnlichen Thema gibt es zu Dating-Shows bisher noch nicht. Generell ist dieses Feld in den wissenschaftlichen Publikationen bisher noch recht unberührt. Doch der bisheriger Erkenntnisstand zum Thema bedeutet nicht etwa, dass sich eine nähere Untersuchung nicht lohnen würde.
Wie in den folgenden Ausführungen noch näher erläutert wird, ist die Gestaltung von Ich weiß, wer gut für dich ist ein Medienprodukt, stark von gesellschaftlichen Diskursen bestimmt – zum Beispiel zu Geschlecht. Welche Annahmen von Männlich und Weiblich werden denn aufgegriffen? Wie werden sie medial inszeniert? Und inwiefern wird dabei an die gängigen Geschlechterstereotypen angeknüpft?
Um diese Fragen näher zu erläutern, ist es zunächst erforderlich, eine theoretische Basis zu legen. Welche Annahmen von Geschlecht kursieren in der Gesellschaft und den Medien? Und welchen Ursprungs sind sie überhaupt?
Erst dann können eigene Befunde aus Ich weiß, wer gut für dich ist getroffen werden. Die enge Arbeit am Forschungsmaterial ist dabei natürlich genauso unerlässlich wie ein strukturiertes Vorgehen. Aus diesem Grund werden die Ergebnisse anhand beispielhafter Szenen aus der Dating-Show verdeutlicht und anhand drei verschiedener Ebenen der Film- und Fernsehanalyse nach Mikos untersucht.
Die vorgenommenen Arbeitsschritte stellen leider nur rudimentäre Ansätze einer umfassenden Analyse dar. Trotzdem wird natürlich stets der eingangs erwähnte Anspruch an wissenschaftliches Arbeiten erhoben – so professionell, wie es innerhalb der Rahmenbedingung dieser Arbeit nur möglich ist.
1.1. Bisheriger Forschungsstand zum Thema Dating-Shows
Zur ausgewählten Sendung, der Dating-Show Ich weiß, wer gut für dich ist, liegen noch keine Forschungsergebnisse vor, die im Rahmen dieser Hausarbeit erwähnt werden könnten. Aus diesem Grund wird hier lediglich ein Überblick über die Literatur zum übergreifenden Thema Dating-Shows gegeben. Welchem Typ einer Fernsehshow entspricht Ich weiß, wer gut für dich ist ? Welche Merkmale zeichnet die Sendung Ich weiß, wer gut für dich ist aus, die sie mit anderen Sendungen desselben Typs gemein hat? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Bearbeitung vorliegender übergeordneter Fragestellung zu den Rollenbildern in der ausgewählten Dating-Show? Obwohl diese Fragen nicht erschöpfend im Rahmen der Hausarbeit erklärbar sind, stellt dieser Abschnitt wenigstens den Versuch dar, einen angemessenen Überblick zu geben.
Wenn im Folgenden charakterisierende Merkmale der Dating-Show Ich weiß, wer gut für dich ist gesucht werden, so heißt das noch lange nicht, dass anhand dieser Formalia eine definitive Genre-Einordnung möglich ist. Schließlich sind weniger die formalen Merkmale als die Wahrnehmung des Publikums entscheidend, welche medialen Produkte zu demselben Genre zusammengefasst werden. Jedoch kann die Zuordnung einer Sendung zu einem bestimmten Typus hilfreich sein, um die entscheidenden Unterschiede zu anderen Sendungen deutlich zu machen – oder überspitzt formuliert: um das Wesentliche der Sendung zu kennzeichnen.
Was allen Variationen von Beziehungs-Shows gemeinsam ist, ist der von Pohl benannte Swinging-Single-Typ.1 Dem medialen Stereotyp folgend, kommen die Kandidaten solcher Dating-Shows also häufig dem „kontakt- und konsumfreudigen, alleinlebenden unabhängigen bildungsscheuen Großstadtneurotiker der mittleren, ökonomisch unabhängigen Altersgruppe“ nahe2 und zeugen darüber hinaus oftmals auch von körperlicher Attraktivität.3 Dem medialen Stereotyp des Swinging Singles folgend, sehen die Kandidaten von Dating-Shows jedoch in ihrer Teilnahme meist lediglich eine Art Bewährungsprobe, sie „sind aber nicht wirklich auf die möglichen Folgen des Show-Spiels im Leben nach der Show erpicht oder gar angewiesen.“4 Inwieweit die Kandidaten von Ich weiß, wer gut für dich ist diesem Muster entsprechen und wie die eben erwähnten Merkmale der Show im Hinblick auf die übergeordnete Fragestellung dieser Arbeit medial inszeniert werden, wird an anderer Stelle analysiert.
2. Bisheriger Forschungsstand zum Thema Medien und Geschlecht
Die Fragestellung dieser Arbeit setzt voraus, sich auf die bisherigen Forschungsergebnisse zum Thema Medien und Geschlecht zu beziehen. Wie wird Geschlecht eigentlich definiert? Und wie wird es gewöhnlich medial repräsentiert? Welche Stereotypen und Rollenerwartungen herrschen vor, die das Bild vom Mannsein oder Frausein prägen? Diese Fragen müssen zunächst ansatzweise behandelt werden, um die konstruierten Rollenbilder von Mann und Frau bei Ich weiß, wer gut für dich ist überhaupt analysieren zu können.
2.1. Sozialwissenschaftliche Positionen zum Geschlecht
In den kommenden Absätzen soll das Thema Geschlecht zunächst aus wissenschaftlicher Sicht beleuchtet werden. Dabei werden zwei – recht gegensätzliche – Auffassungen wiedergegeben, die für die Analyse der Geschlechterrollen bei Ich weiß, wer gut für dich ist als am interessantesten angesehen werden.
2.1.1. Natürliche Zweigeschlechtlichkeit
Um den Weg zur Auffassung über die natürliche Zweigeschlechtlichkeit und das Geschlecht als Strukturkategorie nachzuvollziehen, ist zunächst ein Blick in das 18. Jahrhundert zu werfen. Nach den allgemeinen Auffassungen erfolgt aus den biologischen Merkmalen die Zuordnung zu einem Geschlecht. Dabei ist die Geschlechtszugehörigkeit eindeutig, naturhaft und nicht veränderbar.5
Die anatomischen Differenzen zwischen Männern und Frauen werden außerdem „als natürlich, die Geschlechterhierarchie als anatomischer Sachverhalt, und Mütterlichkeit zur bio-ethischen Notwendigkeit erklärt.“6 Die Wesensmerkmale der Geschlechter sind daher also aus einer Kombination aus biologischen Eigenschaften und einer Art natürlicher Bestimmung abgeleitet.7 Im Laufe des Jahrhunderts entwickelt sich diese Auffassung allerdings bis hin zu einer grundsätzlichen Differenz im Geschlechterverständnis weiter!8 Mit dem „Aufstieg der weiblichen Sonderanthropologie“9 in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und dem daraus resultierenden wachsenden Stellenwert der Anatomie ergeben sich auch wesentliche Konsequenzen für die Geschlechterforschung. So wird der männliche Körper beispielsweise als Maßstab – als Norm – betrachtet, der weibliche hingegen als Abweichung.10 Außerdem formt sich die Auffassung, dass sich die Geschlechter nicht nur körperlich, sondern auch psychisch – also vollkommen – voneinander unterscheiden.11 Dass es etwas zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit geben kann, wird gar nicht erst berücksichtigt: Das Basisprinzip der Geschlechtlichkeit ist Dichotomie.12 Dabei ist die Wertigkeit von Männern und Frauen jedoch stark asymmetrisch zuungunsten der Frauen, weshalb auch von einer androzentrischen – also männerorientierten – Wirklichkeit gesprochen wird.13 Es wird somit der Boden für einen regelrechten Geschlechterdualismus – eine absolut antithetische Gegenüberstellung von Männlichkeit und Weiblichkeit – genährt.
2.1.2. Geschlecht als soziales Konstrukt und die Unterscheidung von sex und gender
Doch warum folgert man so oft aus dem biologischen Unterschied auch einen sozialen? In der Wissenschaft und auch in der Gesellschaft stellt sich diese Frage in den 1960er und 1970er Jahren verstärkt. 1967 veröffentlicht Garfinkel die sogenannte Agnes-Studie, mit der er den sozialen Code der Geschlechter anspricht. Demnach reicht der biologische Unterschied allein nicht aus, um auch im Alltag als Mann oder Frau wahrgenommen zu werden.14 Goffmann erweitert diesen Blick mit seiner 1977 erschienen Publikation zum Gender Display, wonach man sich im Alltag bestimmten Codes bedient, die einen als das Geschlecht darstellen lassen, als das man erkannt werden will.15
Diesen beiden Erkenntnissen ist demnach gemein, dass es durchaus einen Unterschied zwischen dem biologischen Geschlecht (sex) und dem sozialen Geschlecht (gender) geben kann. Hier zeigt sich der von Simone de Beauvoir geprägte Satz als durchaus treffend: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.“16 Gender ist also keine automatische Folge von sex, wobei das biologische Geschlecht im Unterschied zum vorhin erläuterten Ansatz auch kein Potential für eine gesellschaftliche Benachteiligung des weiblichen Geschlechts hergibt. „Vielmehr basiere gender auf der Wahrnehmung von Unterschieden zwischen Geschlechtern und ihrer Übersetzung in kulturelle Zuschreibungen von ‚Mannsein’ und ‚Frausein’.“17 Gender entspricht also einer „sozial-kulturellen Dimension von Geschlecht“,18 einer sozialen Formung, einem wahrhaftigen Ausdruck von Geschlechtsidentität!
Wie spiegelt sich die Geschlechtsidentität aber im Verhalten der Menschen wider? Garfinkel bringt die grundlegende Antwort auf diese Frage schon in seiner Agnes-Studie, in welcher er das Leben einer Frau dokumentiert, deren biologisches Geschlecht eigentlich männlich ist.19 Demnach sei im alltäglichen Leben eine fortwährende Arbeit zum Geschlechts-Ausdruck nötig, was als doing gender bezeichnet wird. Doing gender kann sich wiederfinden in Kleidung, Sprache, Interaktion mit anderen Menschen und in anderen alltäglichen Verhaltensweisen. Von größerer Bedeutung als die biologischen Geschlechtsunterschiede sind demnach also die für Männer oder Frauen „typischen“ Verhaltensweisen, welche sozusagen die Aufgabe von „kulturellen Genitalien“20 innehaben.
Obwohl die Diskussionen über die Beibehaltung der Trennung von sex und gender immer wieder angeführt werden, bietet diese Trennung zweifellos ein „soziologisches Konzept mit beträchtlichem analytischen Potential“21, aus welchem auch im Rahmen dieser Arbeit geschöpft werden soll.
2.2. Gesellschaftliche Positionierung zum Geschlecht: Geschlechtsstereotype
Ebenfalls von großer Bedeutung – neben dem sozialwissenschaftlichen und kommunikationswissenschaftlichen Kontext zum Thema Geschlecht – sind im Rahmen dieser Arbeit die gesellschaftlichen Stereotype von Mann und Frau. Immerhin muss geschlechtstypisches Verhalten – oder auch geschlechts un typisches Verhalten – zunächst wenigstens ansatzweise definiert werden, um es auf die Analyse der Rollenbilder von Mann und Frau bei Ich weiß, wer gut für dich ist anwenden zu können.
Unter dem generellen Begriff von Stereotypen versteht man die „verbreiteten und allgemeinen Annahmen über die relevanten Eigenschaften einer Personengruppe.“22 Geschlechterstereotype beziehen sich demnach auf die Annahmen über die persönlichen Eigenschaften von Männern und Frauen.23 Der Verwendung von Stereotypen liegt dabei der Prozess der Kategorisierung zugrunde24: Aufgrund des Erkennens von relevanten Eigenschaften einer Person – wie zum Beispiel dem Geschlecht – findet eine Zuordnung in eine bestimmte Kategorie statt – so zum Beispiel in die Kategorie männlich oder weiblich. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht ist also „ein Beispiel für eine Kategorien-Information. Je mehr nun die Urteilsbildung davon gelenkt wird, desto stärker dürften die Geschlechterstereotype die Erwartungen über die Leistungen von Männern und Frauen bestimmen.“25 Die Zugehörigkeit zur selben Kategorie bedeutet dabei Gleichheit, die Zugehörigkeit zu einer anderen dagegen Differenz.26
Vor allem Geschlechterstereotype sind meist mit einer deutlichen Wertung impliziert, wodurch sie die Machtverhältnisse der Gesellschaft reflektieren und stützen.27 So zeigen männliche Stereotype beispielsweise häufig eine enge Verwandtschaft mit den Bereichen Stärke und Aktivität.28 Und da diese Bereiche „wertvoller eingeschätzt werden als Schwäche und Passivität, ist der Eindruck einer höheren Wertigkeit des männlichen Stereotyps leicht erklärlich.“29 Die Ursache für diese Dominanzasymmetrie in den Geschlechterstereotypen ist in den bürgerlichen Familienidealen verwurzelt.30 Dem Mann wird für gewöhnlich die Rolle des Erwerbstätigen und Ernährers zugesprochen – er hat also vor allem einen funktionellen Charakter.31 Die Frauen dagegen haben – abgesehen von den nicht entlohnten (!) Tätigkeiten im Haushalt – eine eher expressive Rolle,32 was bedeutet, dass sie sich tendenziell eher für die „emotionale und soziale Regeneration der Familie“ verantwortlich sehen33 – oder besser gesagt: gesehen werden.
Wie spiegelt sich diese Tatsache nun explizit in den Geschlechterstereotypen wider? Wie von John E. Williams und Deborah L. Best in einer Studie von 1990 festgestellt, sind männliche Stereotype eher geprägt von Stärke, Durchsetzungsfähigkeit und Leistungsstreben.34 Als stereotype maskuline Eigenschaften benennen Williams und Best daher Adjektive wie dominant, klar denkend, rational, abenteuerlustig oder ehrgeizig.35 Als stereotype feminine Eigenschaften erkennen Williams und Best hingegen abhängig, liebevoll, milde, furchtsam, schwach oder träumerisch. Es ist zu zeigen, inwieweit diese und andere Geschlechterstereotype36 bei Ich weiß, wer gut für dich ist Anwendung finden oder vielleicht sogar „widerlegt“ werden.
2.3. Kommunikationswissenschaftliche Positionen zum Geschlecht
Um die Rollenbilder von Mann und Frau bei Ich weiß, wer gut für dich ist zu analysieren, ist es zunächst einmal essentiell, auch einen Blick auf die in der generellen TV-Landschaft repräsentierten Rollenbilder zu werfen. Wie sieht denn die typische Fernsehfrau aus? Und was zeichnet den typischen Fernsehmann aus? Diese Fragen sind besonders interessant, da das medial vermittelte Bild von Mann und Frau nicht ohne Bezug zu den realen Gesellschaftsverhältnissen gesehen werden kann, welche sich schließlich zum einen in den Medieninhalten selbst wieder finden und zum anderen letztendlich auch die Produktionsbedingungen beeinflussen, die eben zu jenen Medieninhalten führen. Daher muss erst der Bereich der kommunikationswissenschaftlichen Positionen zum Geschlecht geklärt werden, bevor in einer weiteren Analyse festgestellt werden kann, inwieweit die Charaktere von Ich weiß, wer gut für dich ist diesen Mustern folgen oder eben damit brechen.
Elisabeth Klaus bezieht sich in ihrem Werk Kommunikationswissenschaftliche Geschlechterforschung. Zur Bedeutung der Frauen in den Massenmedien und im Journalismus. auf bedeutende Studien wie die von Erich Küchenhoff (1975) und Monika Weiderer (1993) und fügt deren Ergebnisse zu einem Gesamtbild zusammen, welches die gängigen Frauen- und Männerportraits in der deutschen Fernsehlandschaft angemessen repräsentiert.37 Einige wesentliche Erkenntnisse, die im Rahmen dieser Arbeit von besonderer Bedeutung erscheinen, sollen im Folgenden kurz erläutert werden.
Generell zu sagen ist, dass sich das deutsche Fernsehen bei der Darstellung von Charakteren – egal ob es sich dabei um weibliche oder männliche handelt – auf eine stark ausgeprägte Zugehörigkeit zur Mittelschicht zu orientieren scheint.38 Zwar werden männliche Charaktere häufiger durch berufliche Selbstständigkeit oder Beamtentum mit einem ranghöheren Status ausgestattet, doch scheint dieses Phänomen trotzdem weniger geschlechtsunabhängig als lediglich typisch für TV-Darstellungen zu sein.39 Diese Erkenntnis wird sowohl von Küchenhoff als auch von Weiderer getroffen.40
Einen bedeutenden Unterschied zu den Ergebnissen von Küchenhoff stellt jedoch die Analyse von Weiderer dar, die zeigt, dass inzwischen auch vermehrt die berufliche Sphäre der Frauen medial in den Fokus gerückt wird.41 „Im Gegensatz zu früheren Befunden [gehört] Berufstätigkeit zum Alltag der weiblichen Fernsehcharaktere.“42 Jedoch spricht dies nicht unbedingt für eine Aufwertung der Frau, denn häufig wird, abgesehen von der Nennung des Berufs, nicht weiter auf dieses Thema eingegangen – es wird „zur Nebensache erklärt“.43 Auch werden kaum berufliche Probleme der Frauen oder gar die Doppelbelastung von Beruf und Familie thematisiert.44 Die Nennung des Berufs diene demnach lediglich „der Zuweisung des sozialen Status und Legitimierung des Lebensstandards.“45
Weiterhin sehr interessantes Analysepotential bieten auch die Leitbilder von Frauen und Männern, die im Fernsehen aufgegriffen werden. So bedient sich die TV-Produktion bei der Darstellung von Frauen häufig zweier sich recht antithetisch gegenüberstehender Leitbilder: dem traditionellen Bild der Hausfrau und Mutter, welches allerdings mehr und mehr in den Hintergrund rückt, und dem der „jungen, schönen und unabhängigen Frau.“46 Vor allem, wenn letztgenannter Typ einer Frau aufgegriffen wird, repräsentiert dieser häufig das gesellschaftstypische Schönheitsideal.47 So erkennt selbst Küchenhoff schon, dass der Großteil solcher weiblichen Charaktere „unter 30, sexuell attraktiv und ledig“ sei.48 Darüber hinaus zeigen sie häufig ein selbstbewusstes Auftreten sowie Unabhängigkeit und Ungebundenheit – sie sind demnach „für den Mann verfügbar“.49
Weiderer fällt außerdem auf, dass die Fernsehfrauen signifikant häufiger das Schönheitsideal der Gesellschaft verkörpern als die Fernsehmänner!50
Als besonders interessant erweisen sich die Ergebnisse Weiderers zum Interaktionsverhalten der Charaktere in TV-Produktionen. Sie kommt zu der Erkenntnis, dass das Interaktionsverhalten von Frauen und Männern vor allem im fiktionalen Fernsehen stark geschlechtsspezifisch ausgeprägt ist. So zeigen Fernsehmänner gegenüber den Frauen häufig ein recht führendes und kontrollierendes Verhalten, wobei sich Frauen gegenüber dem anderen Geschlecht entweder gleichberechtigt oder gar untergeordnet geben.51 Dies spiegelt sich auch in der Gesprächsstrategie wider, wonach Männer im Gegensatz zu Frauen ebenfalls eher dominant handeln. Auch körperliche Kontakte gehen laut Weiderers Analyse tendenziell vom Mann aus – es sei denn, es handelt sich um ehrerbietende Gesten wie die des „respektvollen Händeschüttelns“.52 Insgesamt wird also auch in diesem Bereich das gesellschaftliche Dominanzverhältnis zwischen Mann und Frau aufgegriffen und gefestigt.53
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass trotz der vermehrt auftretenden „‚Ausreißerinnen’ im Sinne von aktiven, dominanten, kompetenten Frauen in statushohen Positionen"54 der Großteil der medial inszenierten Männer- und Frauenbilder den gesellschaftlich vermittelten Stereotypen folgt.55 Inwieweit die Dating-Show Ich weiß, wer gut für dich ist in dieses Muster hineinpasst, gilt es im Rahmen dieser Arbeit noch zu untersuchen.
3. Methodik der Analyse von der Dating- Show Ich weiß wer gut für dich ist
Um die Methodik der Analyse von der Dating - Show Ich weiß wer gut für dich ist gründlich untersuchen und anschaulich darstellen zu können, benötigt man zunächst ein artikuliertes Konzept der Funktionalität von der Film- und Fernsehanalyse und analytischer Methodik an sich, sowie eine Illustration von diversen Instrumenten und Arten der Methodik. Ob es jedoch die exakte Definition gibt, ist fragwürdig. Im Folgenden wird der Versuch angestellt, die Definition von Lothar Mikos56 zu den Methoden der Film- und Fernsehanalyse zu veranschaulichen und auf unsere methodische Herangehensweise an die Analyse der Dating – Show Ich weiß wer gut für dich ist zu übertragen. Relevant ist die Tatsache, dass bei der von uns durchgeführten Analyse der Fokus eher auf die Fernseh- als auf die Filmanalyse gelegt wird.
3.1. Begründung der Untersuchung und eigene Fragestellung
Jede Fernsehanalyse steht laut Mikos mit einem „Erkenntnisinteresse“57 in Verbindung. Das von uns entwickelte Erkenntnisinteresse nach der Konstruktion der Rollenbilder von Mann und Frau in der Dating- Show Ich weiß wer gut für dich ist entspricht gleichzeitig unserer Fragestellung. Unserer „Ministudie“58 lag folgendes „Erkenntnisinteresse“ bzw. lagen folgende Überlegungen zugrunde: Im Gegensatz zu der Vielfalt an Studien und Arbeiten im englischen Sprachraum zu dem Thema „Darstellung der Frauen in den Medien“ ist die Zahl der in Deutschland aktuell durchgeführten Studien und Analysen zu demselben Thema minimal.59
Darüber hinaus steht es noch schlechter um die detaillierten Studien zu dem Thema „Konstruktion der Männlichkeit“ und „Darstellung von Männern“ in den Medien, insbesondere im Fernsehen. Das durch die Medien gezeichnete Männerbild wurde wenn, dann nur am Rande untersucht.60
Um einen fundierten Vergleich der Behandlung und Konstruktion von Männern- und Frauenbildern in den Medien zu ermöglichen, erscheint es notwendig, die Rollen der beiden Geschlechter61 mit denselben Kategorien zu untersuchen.
Für die vorliegende Arbeit werden aufgrund der Aktualität62 die von Mikos (2008) erarbeiteten Kategorien und Ebenen der Film- und Fernsehanalyse als Anhaltspunkt gewählt Aus diesen Vorüberlegungen entstanden folgende konkrete Fragestellungen: Wie wird das Frauen- und Männerbild im Deutschen Fernsehen und in Dating Shows dargestellt? Welche formalen und inhaltlichen Gesichtspunkte vermittelt die Dating- Show Ich weiß wer gut für dich ist über das Frau- bzw. Mann- Sein? Inwiefern unterscheidet sich die Darstellung männlicher und weiblicher Charaktere?
3.2. Die Methodik der sich am Erkenntnisinteresse orientierenden Analyse
Das Ziel unserer Analyse ist es genaue Kenntnis über den möglicherweise wirkenden63 Inhalt zu gewinnen und herauszufinden, wie dieser zwischen dem Zuschauer und dem Fernsehtext „im kontextuellen Rahmen ein kommunikatives Verhältnis“64 gestaltet. Nach Mikos gibt es keinen richtigen Weg der Analyse, denn dieser bedient sich von dem Erkenntnisinteresse abhängiger theoretischer Annahmen und verschiedener Methoden aus unterschiedlichen Disziplinen. Jedoch wird jede Film- und Fernsehanalyse in die wissenschaftlichen diskursiven Kontexte gewählter Disziplinen eingebunden, aus denen heraus der perspektivische Zugriff auf den Untersuchungsgegenstand erfolgt.
Als Untersuchungsgegenstand wird ein konkreter Film oder eine konkrete Sendung verstanden, in unserem Falle die Dating- Show Ich weiß wer gut für dich ist 65. Während die Analyse sich mit dem allgemeinen Interesse beschäftigt, wird der konkrete Untersuchungsgegenstand auf fünf von Mikos vorgeschlagenen Ebenen untersucht:
1) Inhalt und Repräsentation
2) Narration und Dramaturgie
3) Figuren und Akteure
4) Ästhetik und Gestaltung
5) Kontexte
Jeder Film und jede Fernsehsendung kann auf diesen fünf Ebenen, welche in einem engen Bezug zueinander stehen, untersucht werden. In unserer Arbeit beschränken wir uns auf drei Ebenen, die für uns im Rahmen der Analyse relevant erscheinen: Inhalt und Repräsentation, Kontexte, Figuren und Akteure.
Inhalt und Repräsentation haben eine bedeutungsbildende Funktion. Jede Sendung besteht aus einem Inhalt, der eine soziale Welt oder Realität repräsentiert. Doch was genau versteht man unter dem Begriff Inhalt? Mikos knüpft an der ganz einfachen Definition an, und zwar ist Inhalt alles, was in einem Film oder einer Sendung gesagt und gezeigt wird. Betrachtet man jedoch den Begriff auf einer konkreten Ebene, dann setzt sich der Inhalt aus den Themen, über die in Wort- und Bildbeiträgen berichtet wird, zusammen.66 Für unsere Analyse ist jedoch signifikant wie der Inhalt vermittelt wird und wie dieser zur Konstruktion von sozialer und gesellschaftlicher Realität beiträgt. Wenn man sich die Definition des medialen Inhaltes von Wulff anschaut, steht im Zentrum der Analyse, wie die zur sozialen Kommunikation und zum praktischen Sinn hin geöffnete Texte der Sendung zum „sinnhaften Aufbau der sozialen Welt“67 beitragen. Repräsentation steht in unmittelbarer Verbindung zum Inhalt, denn diese steht laut Stuart Hall für „die Produktion der Bedeutung durch Sprache“. Weiterhin stellt diese die Verbindung zwischen den Vorstellungen und Sprache dar, die den Zugang zu einer „realen“ Welt der Objekte, Ereignisse und Menschen einerseits ermöglicht, und andererseits zu den imaginierten Welten der fiktiven Objekte, Ereignisse und Menschen.68 Wenn man die von uns untersuchte Dating- Show auf dieser Ebene behandelt, wäre die Frage, wie die Darstellungsweise der Frauen- oder Männerrolle zur Konstruktion der sozialen Welt beiträgt. Wie etablieren sich diese Rollen in der Gesellschaft und wieso werden sie so interpretiert, wie sie interpretiert werden? Wenn man sich die erste Folge in der ersten Woche anschaut, in der Ilka aus Husum verkuppelt werden sollte, ist ihre Aussage zum Thema Partnerschaft: „Ich bin schon ein Familienmensch – also hätte ich gerne eine feste Partnerschaft.“ Eine mögliche Überlegung wäre, dass mit dieser Aussage das Bild einer Frau konstruiert wird, die auf der Suche nach der großen Liebe ist. Sie wirkt reell und ihre Aussage könnte mit der Aussage jeder anderen Single- Frau in Husum übereinstimmen, also kann man annehmen, dass durch diese mediale Aussage eine reelle soziale Situation erschaffen wird und das Subjekt, also Ilka in diesem Fall, wird in der Gesellschaft positioniert. Jedoch sollte man nicht vergessen, dass die Bedeutungsinterpretation kritisch betrachtet werden sollte, denn was wirklich von RezipientInnen interpretiert wird und welche Bedeutung sie der Aussage schenken, ist eine Frage der Medienwirkungsforschung.
[...]
1 ebd.: 122
2 ebd.
3 Müller 1999
4 ebd.: 124
5 Kessler / McKenna 1978
6 Degele 2008: 60
7 Degele 2008
8 Degele 2008
9 ebd.: 61
10 Degele 2008
11 ebd.
12 Kessler / McKenna 1978
13 ebd.
14 Garfinkel 1967
15 Goffman 1977
16 zitiert nach Degele 2008: 66
17 ebd.: 67
18 ebd.
19 Garfinkel 1967
20 ebd.
21 Degele 2008: 68
22 Alfermann 1996: 9
23 Alfermann 1996
24 ebd.
25 ebd.: 26
26 Alfermann 1996
27 ebd.
28 ebd.
29 Alfermann 1996: 12
30 Alfermann 1996
31 ebd.
32 ebd.
33 ebd.: 22
34 Best / Williams 1990
35 Alfermann 1996: 16
36 ebd.
37 Klaus 2005
38 ebd.
39 Klaus 2005
40 ebd.
41 ebd.
42 ebd.: 227
43 ebd.: 228
44 Klaus 2005
45 ebd.: 227
46 ebd.: 224
47 Klaus 2005
48 ebd.: 225
49 ebd.: 225
50 Klaus 2005
51 Klaus 2005
52 ebd.: 233
53 Klaus 2005
54 Weiderer 1993: 324
55 Klaus 2005
56 Vgl. Mikos, Lothar ( 2008): „Film- und Fernsehanalyse“. Stuttgart: „Uni- Taschenbücher M“ ; Auflage: 2., überarbeitete Auflage.
57 Ebd., S. 37.
58 Die Studie ist nur eine „Ministudie“, weil wir nicht im vollen Rahmen eine intensive und detaillierte Analyse aus Zeit- und Erfahrungsgründen nicht durchführen konnten.
59 Vgl. Weiderer, Monika (1993): „Das Frauen- und Männerbild im Deutschen Fernsehen. Eine inhaltsanalytische Untersuchung der Programme von ARD, ZDF und RTL Plus“. Regensburg: „S. Roderer Verlag“, S. 69.
60 Vgl. Steffen, Therese Frey; Marzahn, Alexander (2002) : „Masculinities/ Maskulinitäten: Mythos- Realität- Repräsentation- Rollendruck“. In: Steffen, Therese Frey (Hg.): „Masculinities- Maskulinitäten. Mythos- Realität- Repräsentation- Rollendruck“. Stuttgart; Weimar: Metzler Verlag. S. vii- ix.
61 Mit den Geschlechtern ist an dieser Stelle das gesellschaftliche Konstrukt „Geschlecht“ („Gender“) gemeint, und nicht das biologische („Sex“).
62 Vgl. Baldwin, Elaine: Introducing Cultural Studies. London: Prentice Hall 1999 ; Faulstich, Werner: Einführung in die Filmanalyse. Tübingen: TBL 1976 ; Kuchenbuch, Thomas: Filmanalyse. Theorien, Modelle, Kritik. Köln: Prometh 1978 ; Hepp, Andreas: Cultural Studies und Medienanalyse: eine Einführung. Opladen, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1999 ; Merten, Klaus; Petra Teipen: Empirische Kommunikationsforschung. Darstellung, Kritik, Evaluation. München: Ölschläger 1991.
63 Über die tatsächliche Wirkung der Medieninhalte kann im Rahmen unserer Arbeit keine Aussage getroffen werden, denn diese Fragestellung wird von der Medienwirkungsforschung (RezipientInnenforschung) untersucht.
64 Vgl. Barker, Martin (2002): „From ANTS to TITANIC. Reinventing Film Analysis. London: Pluto Press. S.175.
65 Vgl. Mikos, Lothar ( 2008),siehe oben, S. 38.
66 Ebd., S. 40.
67 Vgl. Wulff, Hans J. (1999): Darstellen und Mitteilen. Elemente der Pragmasemiotik des Films. Tübingen: Narr, S. 32.
68 Vgl. Hall, Stuart (1997): “Representation. Cultural Representations and Signifying Practices. London: The Open University, S. 28.