Die Arbeit befasst sich mit dem gesellschaftlichen Phänomen der Anerkennung und wie diese mit dem Ich und der Identität zusammenhängt. Der Autor stützt sich auf die Theorie von Axel Honneth, der den Anerkennungsgedanken unter anderem auf der Basis der meadschen Identitätsentwicklung definiert.
Da Anerkennung ein wichtiges Grundbedürfnis des Menschen ist, eröffnet sich die Frage, wie mit diesem intimen Phänomen in der Schulzeit umgegangen werden sollte und inwiefern man Schüler/Schülerinnen durch Anerkennung auf dem schwierigen Weg zu einer ausgebildeten Identität unterstützen kann. Sowohl Anerkennung als auch Identität und Ich sind Begriffe, die sehr schwer definiert werden können. Um diese Begriffe näher zu manifestieren, werden die Theorien von Mead und Honneth, die diese Begriffe als Kernthemen beinhalten, erläutert.
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2. Anerkennung und Ich
2.1 Der symbolische Interaktionismus
2.2 Identität nach Mead
2.3.Der Anerkennungsgedanke nach Honneth
3. Anerkennung im Ethikunterricht
3.1 Teilrahmenplan Ethik in der Grundschule
3.2 Anerkennung in der Schule
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
7. Abbildungsverzeichnis
1.Einleitung
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem gesellschaftlichen Phänomen der Anerkennung und wie diese mit dem Ich und der Identität zusammenhängt. Die Arbeit stützt sich auf die Theorie von Axel Honneth, der den Anerkennungsgedanken unter anderem auf der Basis der meadschen Identitätsentwicklung definiert.
In einem Artikel für die Zeit online schreibt Katrin Zeug, dass „soziale Anerkennung wie eine Droge wirkt“ (Zeug 2013, S.1). Sie geht davon aus das wir als Person wahrgenommen und bestätigt werden wollen, da soziale Anerkennung ein Grundbedürfnis, ähnlich wie die Nahrungsaufnahme ist, ohne dass der Mensch nicht existieren kann (vgl. Zeug 2013, S.1). Mit dieser Annahme liegt sie richtig, schaut man sich das Krankheitsbild Hospitalismus an, dass auftritt, wenn Menschen zulange ohne soziale Kontakte überleben müssen. Trotz ausreichender medizinischer Versorgung und ausgewogener Ernährung kann bei Betroffenen ein unzureichendes Gesundheitsbild festgestellt werden (Schäfer, Thompson 2010, S.7).
Da Anerkennung also ein wichtiges Grundbedürfnis des Menschen ist, eröffnet sich die Frage, wie mit diesem intimen Phänomen in der Schulzeit umgegangen werden sollte und inwiefern man Schüler/Schülerinnen durch Anerkennung auf dem schwierigen Weg zu einer ausgebildeten Identität unterstützen kann.
Sowohl Anerkennung als auch Identität und Ich sind Begriffe, die sehr schwer definiert werden können. Um diese Begriffe näher zu manifestieren werden im Folgenden die Theorien von Mead und Honneth, die diese Begriffe als Kernthemen beinhalten, erläutert.
Meads Theorie befasst sich mit der Identitätsbildung, während sich darauf aufbauend, die Theorie von Honneth mit dem Begriff der Anerkennung auseinandersetzt.
Anschließend werden die Bestandteile des rheinland-pfälzischen Teilrahmenplan Ethik für die Grundschule, die Übereinstimmungen mit diesen beiden Theorien aufweisen, näher beschrieben, um anhand dieser Punkte festzustellen, ob oder inwiefern Anerkennung und damit einhergehend, das Ich und die Identität bereits in den Unterricht einbezogen werden. Abschließend soll anhand einiger ausgewählter Autoren der Stellenwert von Identität und Anerkennung in der Schule erläutert werden.
2. Anerkennung und Ich
Eine mögliche Bedeutungserklärung für das Wort Ich liefert der Duden: „das Selbst, dessen man sich bewusst ist und mit dem man sich von der Umwelt unterscheidet“ (Dudenredaktion (o.J.)).
Viele Autoren setzten sich in ihren Theorien mit dem Ich auseinander, darunter unter anderem George Herbert Mead. Der am 27.02.1963 in Massachusetts geborene Mead, beschäftigte sich in seinen Vorlesungen mit der Ausbildung der Identität. Sein Hauptwerk, auf welches in dieser Arbeit eingegangen wird, trägt den Titel Mind, Self and Society zu deutsch Geist, Identität und Gesellschaft, und wurde aus mehreren seiner Vorlesungen zusammengetragen, da er selbst nie ein Buch veröffentlichte (vgl. Mead 1995, S.9ff). Die Theorie soll eine Erklärung über die Beschaffenheit des Ichs bieten, aus welchem sich dann die Identität ausbildet. Im weiteren Verlauf der Arbeit soll diese Theorie als Grundlage für die Definition der Begriffe Ich und Identität dienen.
Die Theorie Meads wird von Honneth aufgefasst, welcher sich mit dem gesellschaftlichen Phänomen der Anerkennung beschäftigt. Anerkennung wird im Duden mit den Worten Würdigung, Achtung, Lob sowie Bestätigung, Erklärung der Gültigkeit oder Billigung, Zustimmung erklärt (Dudenredaktion (o.J.)). Ähnlich wie bei dem Begriff Ich, reicht diese Erklärung allerdings nicht aus, um den Begriff zu verstehen und verwenden zu können. Deshalb soll auch an dieser Stelle auf eine renommierte Theorie zurückgegriffen werden, um den Begriff beanstandungsfrei im weiteren Verlauf nutzen zu können. Der Begriff der Anerkennung besteht schon lange und wurde in der Vergangenheit besonders in der Philosophie verwendet. In der Gegenwart lässt sich der Begriff in verschiedenen Diskursen finden, unter anderem in der Pädagogik. Auf diesen Diskurs wird auch im Folgenden eingegangen.
2.1 Der symbolische Interaktionismus
Die Kernthese von Meads Theorie lautet folgendermaßen: „Der Prozeß, aus dem heraus sich die Identität entwickelt, ist ein gesellschaftlicher Prozeß, der die gegenseitige Beeinflussung der Mitglieder der Gruppe, also das vorherige Bestehen der Gruppe selbst voraussetzt“ (Mead 1995, S.207)
Mead geht davon aus, dass sich die Identität eines Menschen im Laufe seines Lebens entwickelt. Dies geschieht, indem er mit anderen Personen interagiert. Die Interaktion zwischen Personen erfolgt laut ihm immer symbolisch, also z.B. durch Sprache, Gesten und Zeichen. Mead nimmt an, dass sowohl die menschliche Intelligenz als auch die tierische größtenteils keine Identität voraussetzt, erst durch die Möglichkeit symbolische Interaktion zu betreiben unterscheiden wir uns von den Tieren und erhalten die Möglichkeit eine Identität auszubilden (vgl. Mead 1995, S. 177). Kommunikation läuft nicht zufällig ab, sondern in einer Sammlung situationsspezifischer Handlungsweisen. Diese nennt Mead soziale Rolle. Laut Mead kann eine Identität nicht unabhängig von der Gesellschaft entstehen, da sie das Produkt ständiger Anpassung an das Gegenüber ist. Somit „hängt es von den auftretenden gesellschaftlichen Reaktionen ab, welche Identität wir haben“ (Mead 1995, S.185). Davon ausgehend führt Abels das Beispiel an, dass man als Schüler/Schülerin eine andere Rolle verkörpert, als die eines Sohnes oder einer Tochter (vgl. Abels 2017, S.214). Mead betont, dass der Einzelne „sich nicht direkt sondern nur indirekt aus der besonderen Sicht anderer Mitglieder der gleichen gesellschaftlichen Gruppe oder aus verallgemeinerter Sicht der gesellschaftlichen Gruppe als Ganzer, zu der er gehört“ (Mead 1995, S.179) erfährt. Wir versetzen uns also in die Rolle des anderen hinein und stellen uns vor, wie diese auf uns reagieren. Indem wir dies tun, beobachten wir unsere eigene Reaktion (vgl. Abels 2017, S.204). „Wir sehen uns mit den Augen des Anderen und erst auf diesem Umweg werden wir uns selbst bewusst“ (Abels 2017, S.204). Diese Fähigkeit muss allerdings erlernt werden. Deshalb geht Mead von zwei Entwicklungsphasen aus, die man als Kind durchlebt, dem play und dem game. Im pla y, dem nachahmenden Spiel, spielt das Kind „einfach vor sich hin, ohne dass dabei eine grundlegende Organisation erreicht würde“ (Mead 1995, S.193). In dieser Form des Spiels übernimmt das Kind eine bestimmte Rolle, anders als im game, indem es mehrere Rollen gleichzeitig einnehmen muss, um das Spiel spielen zu können (vgl. Mead 1995, S.193). Ein oft genanntes Beispiel ist das Fußballspiel. Um sich in diesem Spiel zurechtzufinden, muss das Kind nicht nur seine eigene Rolle einnehmen, sondern auch die der anderen Spieler, das heißt, dass es dazu in der Lage sein muss die nächsten Schritte, zum Beispiel des Verteidigers, nachvollziehen zu können um beim Angriff auf das Tor den Schuss in diesem zu versenken. Im game erlernt das Kind also zunehmend sich in andere hineinzuversetzen und erwirbt somit die Fähigkeit zur Kommunikation (vgl. Abels 2012, S.209).
2.2 Identität nach Mead
Die Identität ist, wie bereits erwähnt, nach Mead gesellschaftlich konstruiert und liegt im Inneren des Menschen. Da jeder Mensch unterschiedliche gesellschaftliche Kontakte erfährt und somit auch unterschiedliche soziale Rollen einnimmt weißt auch jede Identität spezifische Merkmale auf. Die Gründe, dass jedes Individuum unterschiedlich ist hängt mit dessen aktiver Rolle in der Gesellschaft zusammen. Zum einen kommt diese Aktivität aus „dem Inneren des Menschen, und zum anderen entwickelt sie sich in der Auseinandersetzung zwischen Individuum und Gesellschaft“ (Abels 2017, S.211). Diese beiden Aktivitäten werden auf zwei eng miteinander verknüpfte Seiten verteilt, dass I 1 und das me (vgl. Abels 2017, S.211-212). Das I ist „vorsozial und unbewusst“ (Abels 2017, S.211). Laut Mead ist es die Instanz unserer Identität, die uns selbst ausmacht und mit der wir uns identifizieren (vgl. Mead 1995, S.218). Kersten Reich betont in ihrer Monographie, dass vor allem das I dafür zuständig ist gegenüber der Außenwelt eine eigene Subjektivität auszubilden (vgl. Reich 2009, S.281). In Opposition dazu, steht das me hierbei für die Sammlung aller vom Menschen einnehmbaren Rollen, also beispielsweise die, des Schülers/der Schülerin oder die des Enkelkindes. Abels bezeichnet das me als „soziale Identität“. (Abels 2017, S.213) Es ist eine Sammlung verschiedener Bilder, die im Laufe der Zeit durch soziale Kontakte und den Umgang mit anderen Individuen verinnerlicht wurden. Da jeder im Laufe seines Lebens mit vielen verschiedenen Personen in Kontakt steht und unterschiedliche Zwischenmenschliche Beziehungen aufbaut, besitzt jedes Individuum eine große Vielfalt an mes, auf die dann in Interaktionen zurückgegriffen werden kann. Das I hingegen kommt nur in der Einzahl vor (vgl. Abels 2017, S.211-213). Abels sieht die Relation der beiden Instanzen in einer ständigen, kontrollierenden Wechselwirkung. Das I verändert die unzähligen mes oder reagiert mit Widerstand auf diese. Allerdings dienen die mes umgekehrt als soziale Kontrolle des I. Aus diesem Grund durchlebt das Individuum laut Abels unterschiedlichste soziale Erfahrungen und somit auch immer die Reaktionen anderer auf sich selbst. Um diese Erfahrung zu machen muss es den Standpunkt des anderen einnehmen und diesen verinnerlichen. Dies führt zu neuen mes. Infolgedessen werden die mes immer zahlreicher, aber auch differenzierter und divergieren untereinander (vgl. Abels 2017, S.214).
Aus diesen Gründen kann das me in zwei Bereiche gegliedert werden, denn wie bereits von Abels erwähnt, gibt es mes die gegensätzlicher Natur sind, da ein Individuum im Laufe seines Lebens nicht nur eine, sondern mehrere Bezugspersonen hat. Hier kommt nun die „angeeignete Bewertungsinstanz“ (Reich 2009, S,282) ins Spiel, die es einem möglich macht, reflektiert, sein eigenes Selbstbild integriert, dass erlebte zu strukturieren und zu bewerten. Diese Eigenschaft wird von Mead als self bezeichnet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1:Das Kommunikationsmodell von Mead (Reich 2009, S.283)
In dem Schaubild von Reich (Abbildung 1) ist das Zusammenspiel von I, me, self und dem Anderen, graphisch veranschaulicht. Besonders, die Rolle des Anderen kann gut nachvollzogen werden. Es ist zu erkennen, dass dieser auf das self keinen direkten Einfluss hat. Aus diesem Grund wird das self oftmals auch mit Identität übersetzt; andere nutzen den Begriff Ich-Identität. Mead legt in seinen Überlegungen eine Differenzierung an, weshalb beide Begriffe gleichzeitig zutreffen. Man kann laut Abels self mit Identität übersetzen, wenn die wechselseitige Wirkung von I und me betont werden soll. Ich-Identität ist die zutreffendere Übersetzung, wenn der ständige reflexive Dialog mit den Bezugspersonen und den Anderen thematisiert werden soll (vgl. Abels 2017, S.215).
2.3 Der Anerkennungsgedanke nach Honneth
Honneth knüpft an Meads Theorie an. Er hat sich in vielen seiner Publikationen mit dem sozialen Phänomen der Anerkennung befasst. Das bekannteste seiner Werke „Kampf um Anerkennung“ bezieht sich auf die Denkmodelle zur Anerkennung von Hegel und auf die, wie obengenannt, Sozialpsychologie von Mead. Honneth stellt die Verknüpfung zwischen dem Anerkennungsgedanken nach Mead her, „indem er darauf hinweist, dass die Herausbildung von Identität bzw. Selbstbewusstsein nach Mead keine rein epistemische Angelegenheit im Sinne des Kennenlernens der Perspektive der anderen auf mich ist“ (vgl. Schäfer Thompson 2010, S.15).
Den Berührungspunkt zwischen Hegel und Mead sieht Honneth im Ausgangspunkt dieser beiden Gesellschaftstheorien:
„Die Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens vollzieht sich unter dem Imperativ einer reziproken Anerkennung, weil die Subjekte zu einem praktischen Selbstverhältnis nur gelangen können, wenn sie sich aus der normativen Perspektive ihrer Interaktionspartner als deren soziale Adressaten zu begreifen lernen“ (Honneth 2018, S.148).
Das Subjekt kann nur dann zu einer anwendbaren Selbstwahrnehmung gelangen, wenn es die Fähigkeit besitzt sich in die Rolle des Adressaten hineinzudenken. Aus diesem Grund ist die Erinnerung an das frühere gesellschaftliche Leben immer unter dem Gebot einer wechselseitigen Anerkennung zu betrachten. Die Parallele zu Mead drückt sich hier darin aus, dass die Individuen am gesellschaftlichen Handeln durch Auseinandersetzung mit bestehenden normativen Erwartungen und Werten eingehen und sich somit als eigenständige Person erfahren (vgl. Schäfer, Thompson 2010, S.16). Anerkennung ist also der essentiellste Teil gemeinsamer Interaktion, nach dem alle Individuen streben, da ohne sie keine zwischenmenschlichen Beziehungen gebildet werden können. Honneth geht davon aus, dass die Individuen schrittweise zu dieser reziproken Anwendung genötigt werden. Deshalb ist der „gattungsgeschichtliche Prozess der Individuierung an die Voraussetzung einer gleichzeitigen Erweiterung der Verhältnisse wechselseitiger Anerkennung gebunden“ (Honneth 2018, S.149).
Ähnlich wie Hegel und Mead nuanciert Honneth drei unterschiedliche Bereiche der Interaktion, die auf verschiedene Personenkonzepte abzielen (vgl. Honneth 2018, S.151).
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1 In dem Werk Mind, Self and Society spricht Mead von I und me, diese Begriffe werden in der Literatur häufig unterschiedlich übersetzt. Die deutsche Übersetzung des genannten Werks Geist Identität und Gesellschaft übersetzt die Begriffe als ich, ICH (für me) und ich (für I); ich habe mich dazu entschieden in meiner Arbeit die englischen Begriffe zu benutzen, da dies meiner Meinung das Verständnis erleichtert