Target Costing in Zeiten einer fallpauschalierten Krankenhausvergütung
Hausarbeit 2019 19 Seiten
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Target Costing
2.1 Ursprung und Anwendungsbereiche des TC
2.2 Ziele von TC
3 Krankenhausfinanzierung
3.1 Das G-DRG-System
3.2 Beispielhafte Ermittlung der Fallpauschale D30B (Tonsillektomie)
4 Anwendung von TC an einer Tonsillektomie
4.1 Zielkostenermittlung
4.2 Zielkostenspaltung
4.3 Zielkostenrealisierung
5 Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Anwendungsbereiche des Target Costing
Abb. 2: Der Target Costing-Prozess (Market into Company-Methode)
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Ermittlung der Zielkosten
Tab. 2: Ermittlung der relativen Kostenanteile
Tab. 3: Zielkostenspaltung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Bei einer repräsentativen Befragung von 150 Krankenhausgeschäftsführern ergab sich, dass es der Mehrheit der deutschen Krankenhäusern nicht besonders gut geht. Nach eigener Aussage der Befragten befindet sich in etwa jede dritte Klinik in einer finanziell schwierigen Lage - insbesondere die öffentlich-rechtlichen Kliniken sind davon betroffen. Nur etwa jedes zehnte Krankenhaus sieht sich als in finanzieller Hinsicht ohne Einschränkung als gesund. Diese Lage dürfte nach der Studie in den kommenden Jahren auch kaum entspannen.1
Auch die Wettbewerbsorientierung nahm in den letzten Jahren stetig zu und der Krankenhaussektor entwickelt sich nach und nach zu einem echten Markt, in dem die Gesundheitsdienstleister zunehmend in einer Konkurrenzsituation zueinander stehen - durch eine erhöhte Transparenz können sich Patienten informieren, vergleichen und entscheiden. Wesentliches Entscheidungsmerkmal hierfür ist die Leistungsqualität.2
Durch den erhöhten Kostendruck und die Marktausrichtung ist es entscheidend, dass neue Möglichkeiten des Kostenmanagements ausgeschöpft werden, die den aktuellen Ansprüchen gerecht werden. Ein moderner Ansatz der strategischen Kostenplanung ist das Target Costing, durch das Kostenstrukturen im Hinblick der Marktanforderungen gestaltet werden können.3
Diese Arbeit soll einen kurzen Überblick über das Controllinginstrument Target Costing im deutschen Kliniksektor geben. Hierzu wird zunächst im ersten Teil an die theoretischen Grundlagen des TC herangeführt. Der zweite Abschnitt beinhaltet die Grundlagen zur Entgeltabrechnung (Fallpauschalensystem) in deutschen Krankenhäusern. Im letzten Teil werden die Themen anhand eines Beispiels in Form der Abrechnung einer Tonsillektomie (operative Entfernung der Gaumenmandeln) verknüpft. Hierbei werden Möglichkeiten der Kosteneinsparung in den einzelnen Teilbereichen der Behandlung aufgezeigt. Abschließend werden die Erkenntnisse zusammengefasst und ein Fazit gezogen.
2 Target Costing
Target Costing ist seinem Ansatz nach ein einfaches Konzept, denn es wird nicht die Frage gestellt: „Was wird unser Produkt kosten?“, sondern: „Was darf das Produkt kosten?“. Somit orientiert sich die gesamte Produktentwicklung an den vom Markt erlaubten Kosten, bzw. an den Anforderungen der künftigen Kunden. Diese Orientierung führt dazu, dass die Kostenplanung nicht erst in der Produktionsphase, sondern bereits sehr früh in der Entwicklungsphase eines Produkts einsetzt.4
Eine einheitliche Definition von Target Costing gibt es nicht, allerdings stammt eine gängige Definition im deutschsprachigen Raum von Horvath, Niemand und Wolbold aus dem Jahr 1993: Unter Target Costing verstehen sie ein „umfassendes Bündel von Kostenpla- nungs-, Kostenkontroll-, und Kostenmanagementinstrumenten, die schon in den frühen Phasen der Produkt- und Prozeßgestaltung zum Einsatz kommen, um die Kostenstrukturen frühzeitig im Hinblick auf die Marktanforderungen gestalten zu können.“5
2.1 Ursprung und Anwendungsbereiche des TC
Der Ansatz des Target Costing wurde im Jahr 1965 vom japanischen Automobilhersteller Toyota entwickelt und findet seit den 70er Jahren in diversen japanischen Unternehmen Anwendung.6 TC hat also seinen Ursprung in der Fertigungsindustrie (z.B. Automobile, Elektronik, etc.), aber es findet bereits seit einigen Jahren vermehrt Anwendung in Dienstleistungsunternehmen.7 Das Target Costing ist seinen Funktionsweisen nach eher ein Managementinstrument als ein Standartkostenrechnungssystem. Es ist also weitgehend unabhängig von den in den Unternehmen eingesetzten Kostenrechnungssystemen, da es sich auf die Marktanforderungen bezieht.8
2.2 Ziele von TC
Wie bereits eingangs erwähnt, wird also unter Zielkostenmanagement ein Verfahren zur Kostenplanung verstanden, dessen Aufgabe es nicht ist, die Kostenminimierung während der Produktion oder Erbringung einer Dienstleistung zu steuern. Es zielt stattdessen darauf ab, bereits während der Entwicklungsphase des Produkts/ der Dienstleistung die Kosteneinsparungspotenziale zu realisieren. Somit bestimmen der Endpreis und die von den Kunden erwünschten Produktmerkmale die Kostenstruktur.9 Es wurde entwickelt, um die Produktrentabilität auch bei einer steigenden Wettbewerbsintensität zumindest zu steigern, bzw. mindestens zu erhalten. Dabei werden nicht nur Kostenziele gesetzt, sondern das gesamte Unternehmen und dessen Beziehung zur Umwelt (insbesondere Kunden und Lieferanten) wird mit einbezogen.10
In Abb. 1 können die verschiedenen Anwendungsbereiche des TC entnommen werden. Vor allem in der Konzeptions- und Entwicklungsphase sollte es eingesetzt werden, da in diesen frühen Stadien die nachhaltigsten Beiträge zur Entwicklung kostenoptimierter Produkte/ Prozesse geleistet werden können11.
Allerdings kann es auch als Instrument zur Rationalisierung von bereits bestehenden Produkten dienen. Hierbei liegt der Fokus v.a. auf jenen Produktkomponenten, die im Wesentlichen für Erfüllung der Kundenanforderungen verantwortlich sind. Da das Grundgerüst eines bereits bestehenden Produkts nur selten geändert werden kann, und somit bereits feste Kostenstrukturen vorliegen, sind die zu erwartenden Auswirkungen des TC in diesem Sektor begrenzt.12
Auch zur Kostensenkung, bzw. zur Produktivitätssteigerung im Produktionsprozess kann das TC beitragen. Dies geschieht durch die Umsetzung der Kundenanforderungen bezüglich der Produktvielfalt/ Flexibilität, welche in einer Gestaltung von effektiven Produkti- ons- und Montagesysteme resultieren.13,14
Auch in den Bereichen, die nur indirekt mit dem Produkt in Verbindung stehen, kann das TC dazu beitragen, dass die Marktanforderungen durch Hilfe des Prozesskostenmanagements in einer marktorientierten Prozessgestaltung umgesetzt werden.15
3 Krankenhausfinanzierung
In Deutschland gibt es 1.592 somatische Krankenhäuser, deren voll- und teilstationäre Leistungen über das DRG-System (Diagnosis Related Groups) vergütet werden. Die Grundlage hierfür befindet sich in §17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG). Die Einzelheiten der Vergütungsstruktur sind im KHG, im Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und in der Fallpauschalenvereinbarung der Selbstverwaltungspartner geregelt. Die Entgeltvergütung bezieht sich nur auf die laufende Betriebskostenfinanzierung und nicht auf die Investitionskosten, welche von den Ländern zu tragen sind.16
3.1 Das G-DRG-System
Ab dem Jahr 2003 war ein "durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem"17 für alle somatischen Krankenhäuser freiwillig, ab 2004 verpflichtend anzuwenden. Nach einer Übergangsphase rechnen seit dem 01.01.2010 alle allgemeinen Krankenhäuser in jedem Bundesland ihre Leistungen über einen landeseinheitlichen Landesbasisfallwert ab.18
DRGs (Diagnosis Related Groups), auch diagnosebezogene Fallgruppen genannt, sind ein ökonomisch-medizinisches Patientenklassifikationssystem, durch das die Fälle der Kliniken auf Basis ihrer Hauptdiagnosen, Nebendiagnosen und erfolgten Behandlungen in Fallgruppen klassifiziert werden. Sie sind nach ihrem für die Behandlung erforderlichen ökonomischen Ressourcenverbrauch bewertet. DRGs unterscheiden sich nach ihrem klinischen Inhalt und ihrem Aufwand und sind die Finanzierungs-, Budgetierungs- und Abrechnungsgrundlage von Klinikleistungen. Für jedes Berichtsjahr gibt es einen aktuell geltenden G-DRG Fallpauschalenkatalog, der in Verbindung mit den entsprechend gültigen Diagnose- und Prozedurenschlüsseln zur Abrechnung genutzt wird.19 Jeder Fall wird somit einer speziellen DRG zugeordnet. Diese Zuordnung erfolgt durch einen Grouper - eine Software, welche anhand von definierten Parametern (Hauptdiagnose nach ICD-10- GM, Nebendiagnose(n) nach ICD-10-GM, Geschlecht, Alter, Aufnahmegewicht (bei Neugeborenen), Beatmungsstunden, Entlassungsgrund und Verweildauer) und einem vorgegebenen Algorithmus genau eine DRG bestimmt. Mitberücksichtigt werden auch die angewandten Operationen und Prozeduren nach Ressourcenverbrauch. Durch Einbezug all dieser Parameter lassen sich auch unterschiedliche Schweregrade der Fälle ermitteln, welche dementsprechend in unterschiedlicher Höhe vergütet werden.20
3.2 Beispielhafte Ermittlung der Fallpauschale D30B (Tonsillektomie)
Im Folgenden wird der Erlös für eine Tonsillektomie bei einer chronischen Tonsillitis (operative Entfernung der Gaumenmandeln) bei einem 30-jährigen Patienten ohne schwere Komplikationen dargestellt. Die Verweildauer (in diesem Fall) beträgt 5 Tage, wobei die untere Grenzverweildauer 2 Tage und die obere Grenzverweildauer 8 Tage beträgt. Die mittlere Verweildauer für die DRG D30B beträgt laut Fallpauschalenkatalog 2019 4,3 Tage. Wenn der Patient außerhalb dieser Grenzen entlassen wird, ändert sich die Vergütung der DRG. Das kann dazu führen, dass der stationäre Aufenthalt nicht mehr kostendeckend durchgeführt werden kann.
Die relevanten Variablen werden in einen Grouper21 eingegeben. Die Formel zur Berechnung des Erlöses der DRG D30B im Abrechnungsjahr 2019 ergibt sich folgendermaßen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Bewertungsrelation wird dem Fallpauschalenkatalog entnommen, der jährlich auf der Homepage des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) veröffentlicht wird.22
4 Anwendung von TC an einer Tonsillektomie
Aus der eingangs erwähnten Definition lässt sich ableiten, dass Target Costing zur Lösung von Fragestellungen der Strategie, v.a. in den Bereichen der strategischen Kostenplanung und -kontrolle, nützlich ist. Durch die umfassende Markt-, bzw. Kundenorientierung des TC können die Ressourcen der Kliniken an den erforderlichen Stellen des Behandlungsprozesses eingesetzt werden, an denen ein gewisser Qualitätsstandard erforderlich bzw. wünscht ist. Dies ist ebenfalls im Sinne der Forderung von Porter/Guth für ein Gesundheitssystem, das am Patientennutzen ausgerichtet ist.23
Aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs und Kostendrucks im Gesundheitssektor ist es ratsam, auch mit Methoden vorzugehen, die aus ärztlicher Sicht unkonventionell erscheinen. Denn genauso wie im produzierenden Gewerbe herrscht hier die Notwendigkeit der Qualitätssicherung, der Kostensenkung und der Schaffung einer erhöhten Kostentransparenz. Da Target Costing auch für bestehende Dienstleistungen anwendbar ist, soll im Folgenden ein praxisorientierter Ansatz nach Zapp/ Oswald von TC in Verbindung mit den Kostenstrukturen einer Tonsillektomie erläutert werden.24
Die Vorgehensweise des Target Costing orientiert sich am Planungsprozess eines neuen Produkts und wird in drei Basisschritte gegliedert: (1) Festlegung der Gesamtzielkosten, (2) Zielkostenspaltung, bzw. Bestimmung der Zielkostenanteile für die unterschiedlichen Produktbestandteile und (3) Zielkostenrealisierung.25 Diese Schritte werden im Folgenden anhand der DRG D30B erläutert.
[...]
1 Vgl. Viering, S./ Söhnle, N. (2010) S.5.
2 Vgl. Viering, S./ Söhnle, N. (2010) S.15.
3 Vgl. Horvath, P./ Niemand, S./ Wolbold, M. (1993) S.4.
4 Vgl. Zapp. W./ Oswald, J. (2009) S.166.
5 Horvath, P./ Niemand, S./ Wolbold, M. (1993) S.4.
6 Vgl. Horvath, P./ Niemand, S./ Wolbold, M. (1993) S.3.
7 Vgl. Zapp. W./ Oswald, J. (2009) S.167.
8 Vgl. Horvath, P./ Niemand, S./ Wolbold, M. (1993) S.3.
9 Vgl. Weber, J. (2018) o.S.
10 Vgl. Horvath, P. (2015) S.228f.
11 Vgl. Horvath, P./ Niemand, S./ Wolbold, M. (1993) S.5.
12 Vgl. Horvath, P./ Niemand, S./ Wolbold, M. (1993) S.5.
13 Vgl. Horvath, P./ Niemand, S./ Wolbold, M. (1993) S.5.
14 Anm. d. Verf.: Horvath bezieht sich auf die Serienfertigung in großen Produktionsunternehmen wie z.B. Toyota, wo das Target Costing seinen Ursprung hat. Die Anwendung im Bereich der DRG-Vergütung wird in Kap. 4 erläutert.
15 Vgl. Horvath, P./ Niemand, S./ Wolbold, M. (1993) S.5.
16 Vgl. Bundesministerium für Gesundheit (2019), o.S.
17 §17b Abs. 1 Satz 1 KHG
18 Vgl. Bundesministerium für Gesundheit (2019, o.S.).
19 Vgl. Gesundheitsberichterstattung des Bundes (2019) o.S.
20 Vgl. GKV-Spitzenverband (2019) o.S.
21 z.B. Webgrouper der DRG Research Group der Universität Münster: http://drg.uni-muenster.de
22 Vgl. InEK GmbH (2019a) S.17.
23 Vgl. Porter, M./ Guth, C. (2012) S.31
24 Vgl. Zapp, W./ Oswald, J. (2009) S.170-171; Horvath, P./ Niemand, S./ Wolbold, M. (1993) S.5.
25 Vgl. Horvath, P. (2015) S. 230.
Details
- Seiten
- 19
- Jahr
- 2019
- ISBN (eBook)
- 9783346300539
- ISBN (Buch)
- 9783346300546
- Sprache
- Deutsch
- Katalognummer
- v956346
- Institution / Hochschule
- Hochschule Ravensburg-Weingarten
- Note
- 1,4
- Schlagworte
- Controlling Krankenhaus DRG Fallpauschale Target Costing Krankenhausvergütung Medizincontrolling