In dieser Arbeit ist die Relevanz und Rolle der Kölner Sonderhanse zu betrachten. Zeitlich wird dabei der anglo-hansische Konflikt im 15. Jahrhundert in den Blick genommen.
Wie so häufig haben sich die Erinnerungen der Hanse hauptsächlich auf die positiven Aspekte bezogen, weshalb der Utrechter Friedensvertrag in den Geschichtswissenschaften als „Meilenstein“ in der hansischen Beziehung zu England gesehen wird. Zwar konnte man auf hansischer Seite alle Privilegien im Englandhandel wiedererlangen und die ökonomische Expansion Englands in den Wirtschaftsraum der Hanse aufhalten, als ein „corpus seu universitas“ oder ein „geschlossenes Ganzes […] mit sehr verschiedenartigen Mitgliedern“, wie die Hanse seit diesem wirtschaftlichen Sieg betitelt wurde, kann man sie jedoch nicht bezeichnen: Die Tatsache, dass die Nichtprivilegierung der Kölner Kaufleute sowie der Ausschluss Kölns aus der Hanse, die sogenannte Verhansung, eine der hansischen Hauptforderungen des Friedensschlusses darstellte, lässt vielmehr am wirtschaftspolitischen Potential und an der internen Organisation dieser Korporation zweifeln. Gerade aufgrund des dennoch bestehenden positiven Geschichtsbilds der Hanse bietet es sich an, ihr Wirken und ihren Einfluss im Rahmen des anglo-hansischen Konflikts des ausgehenden 15. Jahrhunderts zu untersuchen.
Im Hochmittelalter wurde England vor allem wegen seiner „güldene[n] Wolle“ als Rohstofflieferant Teil des europäischen Fernhandels und lockte schnell ausländische Kaufmänner an, die sich dort in ebenfalls in dieser Zeit entstehenden wirtschaftlichen Gemeinschaften, die man aus neuzeitlicher Perspektive als eine Vorstufe der Hanse bezeichnen könnte, niederließen. Bereits im 12. Jahrhundert zählten Kölner Kaufleute zu den ersten Kaufmännern aus dem deutschen Raum, die sich im Englandhandel durchsetzen konnten und Handelsprivilegien erhielten. Aufgrund besagter Sonderrechte sollte es ein Jahrhundert später, als sich die Hanse zu einem einflussreichen Wirtschaftsbund zahlreicher deutscher Städte entwickelt hatte und der englische Handel in den hansischen Wirtschaftsraum expandierte, zu einem anglo-hansischen Konflikt kommen, der 1468 in einer Krise und 1469/1470 schließlich in einem Wirtschaftskrieg gipfelte.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Hanse und England bis 1468
2.1 Von der „Gildehalla Theuionicorum" zur Deutschen Hanse
2.2 Die anglo-hansische Wirtschaftsbeziehung bis zum Ausbruch der Krise
3. Handelspolitische Folgen der Kölner Sonderhanse im anglo-hansischen Konflikt
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
5.1 Quellen
5.2 Sekundärliteratur
1. Einleitung
„Sie wollten lieber mit allen Fürsten der Welt als mit den Ratssendeboten [der Hansestädte] verhandeln“1 2 - mit diesem häufig zitierten Satz eines englischen Gesandten lassen sich nicht nur die Utrechter Friedensverhandlungen vom 28. Februar 1474 beschreiben, sondern auch die Komplexität des dem Frieden zugrunde li egenden anglo-hansischen Konflikts erahnen. Doch wie so häufig haben sich die Erinnerungen der Hanse auch in diesem Fall hauptsächlich auf die positiven Aspekte bezogen, weshalb der Utrechter Friedensvertrag in den Geschichtswissenschaften als „Meilenstein“3 in der hansischen Beziehung zu England gesehen wird.4 5 Zwar konnte man auf hansischer Seite alle Privilegien im Englandhandel wiedererlangen und die ökonomische Expansion Englands in den Wirtschaftsraum der Hanse aufhalten, als ein „corpus seu universitas“ oder ein „geschlossenes Ganzes [...] mit sehr verschiedenartigen Mitgliedern“6 7, wie die Hanse seit diesem wirtschaftlichen Sieg betitelt wurde, kann man sie jedoch nicht bezeichnen: Die Tatsache, dass die Nichtprivilegierung der Kölner Kaufleute sowie der Ausschluss Kölns aus der Hanse, die sogenannte Verhansung, eine der hansischen Hauptforderungen des Friedensschlusses darstellte, lässt vielmehr am wirtschaftspolitischen Potential und an der internen Organisation dieser Korporation zweifeln. Gerade aufgrund des dennoch bestehenden positiven Geschichtsbilds der Hanse bietet es sich an, ihr Wirken und ihren Einfluss im Rahmen des anglo-hansischen Konflikts des ausgehenden 15. Jahrhunderts zu untersuchen.
Im Hochmittelalter wurde England vor allem wegen seiner „güldene[n] Wolle“8 als Rohstofflieferant Teil des europäischen Fernhandels und lockte schnell ausländische Kaufmänner an, die sich dort in ebenfalls in dieser Zeit entstehenden wirtschaftlichen Gemeinschaften, die man aus neuzeitlicher Perspektive als eine Vorstufe der Hanse bezeichnen könnte, niederließen. Bereits im 12. Jahrhundert zählten Kölner Kaufleute zu den ersten Kaufmännern aus dem deutschen Raum, die sich im Englandhandel durchsetzen konnten und Handelsprivilegien erhielten. Aufgrund besagter Sonderrechte sollte es ein Jahrhundert später, als sich die Hanse zu einem einflussreichen Wirtschaftsbund zahlreicher deutscher Städte entwickelt hatte und der englische Handel in den hansischen Wirtschaftsraum expandierte, zu einem anglo-hansischen Konflikt kommen, der 1468 in einer Krise und 1469/1470 schließlich in einem Wirtschaftskrieg gipfelte.9
Die Rolle der Stadt Köln ist in diesem Fall wegen der intensiven Verbindung zu England bei gleichzeitiger Distanzierung von der Hanse von besonderer Bedeutung: Zum einen weil in dieser Zeit die Kölner „Sonderhanse“10 gegründet wurde und es zum anderen zur Verhansung kam. Ausgehend von der Analyse einiger Briefe zwischen Köln und Kölner Kaufleuten in London, die Aufschluss über das Verhalten während der Krise von 1468 geben, soll auf die innerhansischen Probleme aufmerksam gemacht und der Einfluss dieser auf den anglo-hansischen Konflikt untersucht werden.
Diese Fragestellung auf Köln und auf diesen spezifischen Zeitraum zu beziehen, eignet sich allerdings nicht nur wegen der umrissenen Sonderstellung während der Krisensituation, sondern auch aufgrund der fast lückenlosen Quellenüberlieferung des Kölner und generell des hansischen Englandhandels, aus der sich die handelspolitischen Problematiken ableiten lassen.11 Dabei wird zuerst auf die Entwicklung der Hanse sowie auf grundlegende Fachtermini eingegangen, um die eingangs erwähnte Definition mithilfe des Kölner Sonderwegs hinterfragen zu können, bevor im anschließenden Kapitel der historische Kontext der anglo-hansischen Wirtschaftsbeziehung bis zum Ausbruch der Krise thematisiert wird. Im Fokus stehen dabei hauptsächlich die Aspekte, die zum Wirtschaftskrieg Englands mit der Hanse führten und die besondere Beziehung Kölns zur englischen Krone begünstigten. Im Analyseteil soll auf den Erkenntnissen des vorherigen Kapitels aufbauend die weitere Handelspolitik der Kölner Kaufleute in London und deren Einfluss auf die anglo-hansische Beziehung untersucht werden, indem überlieferte Anweisungen der Stadt Köln an den Ältermann12 13 des Londoner Kontors, Gerhard von Wesel, sowie eine Mitteilung von letzterem an seine Händler herangezogen werden.
2. Die Hanse und England bis 1468
Da es für das Verständnis der hansischen Geschichte mitsamt ihrer Konfliktsituationen unerlässlich ist, sie „in ihrer Verbundenheit mit der Geschichte des Reiches und der 13 europäischen Staatenwelt zu sehen“ , soll im Folgenden zuerst die Entwicklung der Hanse samt basaler Begrifflichkeiten umrissen werden, bevor die Auseinandersetzung mit der anglo-hansischen Wirtschaftsbeziehung anschließt. Die Rolle der schwachen deutschen Reichsgewalt war zwar auch für den Entstehungsprozess der Hanse mitverantwortlich, wird wegen des Interesses an der Kölner Sonderhanse in dieser Arbeit jedoch außen vorgelassen.14 Gleiches gilt für die Entfaltung des sich an den mittelalterlichen Messen orientierenden hansischen Handels in Flandern und den Niederlanden.
2.1 Von der „Gildehalla Theutonicorum“ zur Deutschen Hanse
Der Begriff hansa beschreibt nach Friedland einen „Zusammenschluß [sic!] [von Kaufleuten] in der Fremde unter dem Schutz einer örtlichen Gilde“15 16. Dass diese Gruppe reisender Kaufleute für die Zugehörigkeit zu einer solchen Gemeinschaft eine Abgabe namens hanse 1 zahlen musste, bedeutet zwar, dass sie über ein Kapital verfügte, allerdings nicht als übergeordnete Instanz. Denn anfangs wurde dieser Terminus nicht explizit für die Deutsche Hanse angewendet, sondern fand erstmals im 12. Jahrhundert in England Verwendung, unter anderem für die „ anse “17 18 19 in Aberdeen. Der erste deutsche Vertreter dieser Kaufmannshanse in England war Köln, dessen Fernhändler sich spätestens 1157 in ihrer Londoner „ gildhalla “20 21 22 23 24 niederließen und bereits erste Freihandelsprivilegien für den Handel nach England besaßen.
Wann genau es jedoch zu der Gründung der „hansa Almanie“ 21, also einem Zusammenschluss einzelner deutscher Hansen zu der deutschen Hanse, kam, ist nicht bekannt. Während die Forschung sich lange Zeit uneinig bezüglich der Unterscheidung der gerade beschriebenen Kaufmannshanse und der sich daraus im 14. Jahrhundert entwickelnden Städtehanse war, scheint es plausibel, dass das Eintreten Lübecks in den bisher hauptsächlich von Köln dominierten Fernhandel über London den Beginn dieser Weiterentwicklung markierte: Denn neben der Form der Kaufmannshanse beschrieb der Terminus hansa ebenfalls Verbindungen von Kaufleuten, die nicht Mitglieder einer Gilde und im Ausland tätig, sondern durch eine Stadt und deren Stadtrecht gebunden und geschützt waren. Diese Form der Städtehanse war im 12. Jahrhundert gehäuft in Flandern und Nord-Frankreich aufzufinden und zudem mittels bestimmter Verträge, die die Freiheit von Haftung für fremde Schuld garantierten, erfolgreich im Handel mit England engagiert. Als Lübeck im Jahr 126722 durch ein kaiserliches Privileg ebenso wie Köln und seit 1266 auch Hamburg über eine Korporation am auswärtigen Markt in London verfügte, konnte es mit dem Erwerb einer eigenen hansa nicht nur von der Freiheit von Haftung für fremde Schuld profitieren, sondern gleichzeitig als Stadt über die Anzahl der Privilegienberechtigten am englischen Markt entscheiden.23 Mit anderen Worten stellte Lübecks Teilhabe am Englandhandel das erste Beispiel für die Verschmelzung der beiden hochmittelalterlichen Formen der hanse dar und war seit 1294 als „caput et principium omnium “24, also als Hauptstadt der Hanse, dazu berechtigt, zu den sogenannten Tagfahrten aufzurufen, auf denen Vertreter der Hansestädte zu Besprechungen zusammenkamen. Das sowie das erweiterte Privileg beim englischen König Eduard II. lassen vermuten, dass die „coplude van dat Dudesche recht“25 in etwa seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts nach lübischem Vorbild, sprich dem Konzept der Städtehanse konform, handelten.26 27 28 29
Kaufmanns- und Städtehanse können also in der Entwicklung der Hanse nicht voneinander getrennt werden, da einerseits die deutsche Ostexpansion und die systematische wirtschaftliche Durchdringung und Erschließung des Ostseeraums durch die östlichen Hansestädte wie Lübeck und andererseits die Verbindung dieser mit den rheinischen Kaufmannshansen im westdeutschen Raum mit zur Entstehung des Handelsmonopols der deutschen Hanse beitrugen. Die Hanse war, besser gesagt, zugleich Produkt der Kaufmänner, den von den Privilegien profitierenden Trägern des Handels, sowie Produkt der Städte, die dem Fernhandel den rechtlichen Rahmen gaben. Nichtsdestotrotz definierte sich die deutsche Hanse im Wesentlichen über ihre auswärtigen Handelsprivilegien und den gegenseitigen Schutz - bis auf die angesprochene Verhansung verfügte sie über keinerlei politische oder institutionelle Mittel oder Merkmale, da die Teilnahme an den Tagfahrten nicht obligatorisch war. Im Gegensatz dazu hatten die hansischen Niederlassungen im Ausland, die sogenannten Kontore, eigene Statuten sowie eine eigene Rechtsprechung, die von den gewählten Ältermännern beaufsichtigt wurden. Diese Entwicklung erfuhr auch die Gildehalle der kölnischen Kaufleute, als sie sich mit dem Beginn des lübischen Englandhandels zum Londoner Kontor und später zum Stahlhof für alle deutschen Kaufleute öffnen musste.
Die daraus resultierenden innerhansischen Konflikte, die durch die fehlende machtpolitische Struktur des städtehansischen Modells begünstigt wurden, können exemplarisch gut anhand der zwei Jahrhunderte später gegründeten Kölner Sonderhanse dargestellt werden. Diese Auseinandersetzung im Hinblick auf die anglo-hansische Wirtschaftsbeziehung zu untersuchen eignet sich nicht nur wegen der besonderen Rolle der Kölner Kaufleute in London, sondern gerade weil der beginnende hansische Englandhandel in etwa mit der Entstehung der deutschen Städtehanse koinzidierte.
2.2 Die anglo-hansische Wirtschaftsbeziehung bis zum Ausbruch der Krise
Bereits bevor es 1468 zu einer Krise in der anglo-hansischen Wirtschaftsbeziehung und zu einem Seekrieg kam, war der gegenseitige Handel von häufigen Konflikten und Handelsboykotten geprägt. Mit dem Vorstoß der englischen Fernhandelskaufleute in den hansischen Wirtschaftsraum um 1380, bei dem die Verbindung der sogenannten Merchant Adventurers eine tragende Rolle spielte, und der stetigen Forderung nach Reziprozität30 war eine Eskalation des Konflikts nur eine Frage der Zeit. Bevor die wichtigsten Ereignisse, die die Entstehung der Kölner Sonderhanse und den Konflikt zwischen England und der Hanse bzw. zwischen Köln und den anderen Hansestädten begünstigten, erläutert werden, folgt eine knappe Schilderung der Ausgangslange für den englischen Fernhandel.31 32 33
Im Gegensatz zu den östlichen Hansestädten konnten die englischen Kaufmänner sich nicht in einem „rückständigen Gebiet“ etablieren und ein Handelsmonopol aufbauen. Und anders als die mittelalterliche Handelsmetropole Köln, die mit ihrer verkehrsgeographisch günstigen Lage am Rhein die europäischen Handelszentren miteinander verband, stellte London den „Schnittpunkt der baltischen und rheinischen Handelsstraße“ dar, weshalb sich dort neben den rheinischen Hansen auch viele andere ausländische Kaufleute niederließen.34 Logischerweise mussten sich die Kölner Kaufleute und auch später das Londoner Kontor der Hanse gegen die Konkurrenz durchsetzen, bevor sie im Englandhandel eine dominante Stellung einnehmen konnten.
Noch im 13. Jahrhundert bestimmte ein Ost-West- und Nord-Süd-Gefälle den europäischen Fernhandel, bei dem der Norden und der Osten die Rohstoffe für den weiterentwickelten Westen bzw. Süden lieferte.35 Demnach dominierten vor allem Kaufleute der flandrischen Tuchstädte gemeinsam mit mächtigen italienischen Kaufmannsfamilien den Londoner Handel. Diese waren ebenso wie die Kölner Kaufleute36 von den Zollvergünstigungen angelockt worden und importierten neben Tüchern auch Wein37 und Metallwaren. Als die Stadt an Autonomie gewann und oligarchisch geführt wurde, beendeten englische Gilden die ersten Privilegien ausländischer Kaufmänner, sodass diese Anfang des 12. Jahrhunderts direkte Verhandlungen mit der englischen Krone aufnahmen. So entstand in England eine wirtschaftliche und gerichtliche Kontrolle durch die Kronbeamten. Eine Entwicklung des zentralisierten englischen Herrschaftsapparats, an der es dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation fehlte und die Entwicklung der Hanse und die starke Stellung der Hansestädte mit Sicherheit begünstigt hätte. Gleichzeitig konnte die englische Krone den Eigenhandel durch die Sonderbehandlung der ausländischen Kaufmänner anheben und mit der im Februar 1303 verabschiedeten „carta mercatorid“38 gab man den Sonderrechten der ausländischen Kaufleute eine rechtliche Grundlage. Auf diese Weise wurden unter anderem die Freihandelsprivilegien der Kölner von 1194 verlängert, aber auch der Freihandel der anderen hansischen Kaufmänner rechtlich geschützt und die hansische Ware von staatlichen Zoll-Subsidien, die als tunnage and poundage39 bekannt waren, befreit.40 Aus diesen Zollfreiheiten resultierte zwar eine florierende Wirtschaft, gleichzeitig geriet der englische Handel aber in Abhängigkeit von den auswärtigen Hansen.41
Dass der im 15. Jahrhundert ausbrechende Seekrieg zwischen England und der Hanse merkantiler Natur war, zeichnete sich bereits über ein Jahrhundert davor anhand der Auseinandersetzung um die Vorherrschaft im englischen Handel ab. Als England sich vom Rohstofflieferanten zum Endproduktlieferanten wandelte, wendete sich auch die bisherige Passivität der Engländer im Fernhandel zum Gegenteil. Die Hanse wurde ebenso wie die italienischen Kaufmannsfamilien zum direkten Konkurrenten der einheimischen Fernhändler. Obwohl die carta mercatoria aufgrund vager Formulierungen als rechtswidrig erklärt wurde, um die Sonderstellung der auswärtigen Kaufleute aufzuheben, hatte es die Hanse im 14. Jahrhundert geschafft, die anderen Kaufmänner aus England zu vertreiben42 und die Privilegien zurückzukaufen, sodass die carta mercatoria samt eines Freibriefs des englischen Königs Heinrich III. als die „tragenden Säulen der hansischen Rechtsposition in England“43 bezeichnet werden können. Ob die Rolle der kölnischen Kaufmänner, die seit jeher am gesellschaftlichen Leben in London teilgenommen hatten und bemüht waren, ihre privilegierte Stellung mithilfe von Schenkungen aufrecht zu erhalten, bereits zu diesem Zeitpunkt ausschlaggebend war, lässt sich nicht sagen.44 Allerdings sollte sich die besondere Rolle Kölns in der anglo-hansischen Wirtschaftsbeziehung bei den aus der Expansion des englischen Fernhandels resultierenden Konflikten während des 15. Jahrhunderts herauskristallisieren: Die Zeit zwischen 1380, dem Beginn des englischen Handels im Ostseeraum und der Forderungen nach Reziprozität, und 1436/7, dem Jahr des Londoner Vertrags, der die Grundlage für den Friedensvertrag von Utrecht stellte,45 ist auch für die hiesige Fragestellung von Bedeutung, da sich einerseits die individuellen Handelsinteressen der Hansestädte offenbaren und sich andererseits die Bedeutung des außenpolitischen Drucks für die anglo-hansische Beziehung verdeutlichen.
[...]
1 Gerhard Neumann: „Hansische Politik und Politiker bei den Utrechter Friedensverhandlungen“, in Hansischer Geschichtsverein (Hrsg.): Frühformen englisch-deutscher Handelspartnerschaft: Referate und Diskussionen des Hansischen Symposiums im Jahre der 500. Wiederkehr des Friedens von Utrecht in London vom 9. Bis 11. September 1974 (Quellen und Darstellungen zur hansischen Geschichte, Bd. 23), Köln 1976 [bearb. Klaus Friedland], S. 25-60, hier S. 43.
2 Mit dem Terminus Hanse ist in dieser Arbeit die Deutsche Hanse gemeint, vgl. dazu Kapitel 2.1.
3 Stuart Jenks: „Die Hansen in England: Die wirtschaftliche und politische Bedeutung ihres Handels (1380-1474) und ihre Versuche zur Bewältigung der Krise von 1468“, in: Volker Henn (Hrsg.): Norwegen und die Hanse: wirtschaftliche und kulturelle Aspekte im europäischen Vergleich (Kieler Werkstücke, Bd. 11), Frankfurt a. M. 1994, S. 109-161, hier S. 132.
4 Vgl. Jörgen Bracker (Hrsg.): Die Hanse - Lebenswirklichkeit und Mythos, Lübeck 31999, S. 13.
5 Klaus Friedland: „Hansische Handelspolitik und hansisches Wirtschaftssystem im 14. und 15. Jahrhundert“, in: Frühformen englisch-deutscher Handelspartnerschaft, S. 87-100, hier S. 97.
6 Ebd., S. 97.
7 Vgl. Nils Jörn: „With money and bloode“: Der Londoner Stahlhof im Spannungsfeld der englischhansischen Beziehungen im 15. Und 16. Jahrhundert (Quellen und Darstellungen zur hansischen Geschichte, Bd. 50), Köln [u.a.] 2000 [hrsg. Hansischer Geschichtsverein], S. 73 f..
8 Hans Joachim Kürtz: Zu Zeiten der Hanse: Handel in den Hansekontoren Bergen, Brügge, London und Nowgorod, Lübeck 1983, S. 88.
9 Vgl. Horst Buszello: „Die auswärtige Handelspolitik der englischen Krone im 15. Jahrhundert“, in: Frühformen englisch-deutscher Handelspartnerschaft, S. 64-87, hier S. 64.
10 Jenks: „Die Hansen in England“, S. 137.
11 Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Quellen des hansischen Englandhandels vgl. dazu Stuart Jenks: England, die Hanse und Preußen: Handel und Diplomatie 1377-1474 (Quellen und Darstellungen zur Hansischen Geschichte, Bd. 38), Köln; Wien 1992 [hrsg. Hansischer Geschichtsverein].
12 Andere Schreibweisen sind Oldermann und Äldermann.
13 Ludwig Beutin: Hanse und Reich: Im Handelspolitischen Endkampf gegen England (Studien zur Geschichte der Wirtschaft und Geisteskultur, Bd. 6), Berlin 1929, S.1.
14 Vgl. Reinhard Paulsen: Die Hanse und England in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, Kiel 1974, S. 190-191.
15 Kürtz: Zu Zeiten der Hanse, S. 88.
16 Friedland: „Hansische Handelspolitik und hansisches Wirtschaftssystem“, S. 89.
17 In der Sekundärliteratur sind beide Schreibweisen hansa und hanse für die mittelalterliche Beschreibung aufzufinden.
18 Vgl. Volker Henn: „Was war die Hanse?“, in: Lebenswirklichkeit und Mythos, S. 14-23, hier S. 16.
19 Friedland: „Hansische Handelspolitik und hansisches Wirtschaftssystem“, S. 89.
20 Heinz Stoob: Die Hanse, Graz 1995, S. 91.
21 Henn: „Was war die Hanse?“, S. 19.
22 Laut Heinz Stoob kam es bereits 1226 zu diesem Privileg und somit zur Gleichberechtigung Lübecks im Englandhandel; s. Stoob: Die Hanse, S. 92.
23 Vgl. Friedland: „Hansische Handelspolitik und hansisches Wirtschaftssystem“, S. 89-91.
24 Henn: „Was war die Hanse?“, S. 21.
25 Friedland: „Hansische Handelspolitik und hansisches Wirtschaftssystem“, S. 91.
26 Vgl. ebd., S. 91.
27 Vgl. Franz Irsigler: „Fernhandel, Märkte und Messen in vor- und frühhansischer Zeit“, in: Lebenswirklichkeit und Mythos, S. 23-34, hier S. 32-33.
28 Näheres dazu siehe Jörn: „With money and bloode“.
29 Vgl. Henn: „Was war die Hanse?“, S. 21-22.
30 Siehe Jenks: „Die Hansen in England“, S. 123: „Einräumung von Rechten [in Preußen], die den hansischen Gerechtsamen in England entsprachen“.
31 Stuart Jenks: „Köln - Lübeck - Danzig. Von der Unvereinbarkeit der Interessen im Englandhandel“, in: Lebenswirklichkeit und Mythos, S. 141-151, hier S. 150.
32 Paulsen: Die Hanse und England in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, S. 193.
33 Buszello: „Die auswärtige Handelspolitik der englis chen Krone“, S. 65.
34 Vgl. Horst Buszello: „Köln und England (1468-1509)“, in: Edith Ennen/Hugo Stehkämper: Köln, das Reich und Europa: Abhandlungen über weiträumige Verflechtungen der Stadt Köln in Politik, Recht und Wirtschaft im Mittelalter (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln, Bd. 60), Köln 1971, S., hier S. 431-432.
35 Vgl. Paulsen: Die Hanse und England in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, S. 189-191.
36 Laut Stoob handelte es sich nicht nur um Kölner Kaufleute; er erwähnt Tiel als Vorgänger Kölns und der rheinischen Kaufmänner im Englandhandel. Vgl. Stoob: Die Hanse, S. 88-89.
37 Zur Bedeutung des Kölner Weinhandels siehe Klaus Militzer: „Köln - das ,Weinhaus der Hanse‘“, in: Lebenswirklichkeit und Mythos, S. 282-299.
38 Stuart Jenks: „Der Englandhandel: Erfolge und Rückschläge“, in: Lebenswirklichkeit und Mythos, S. 86-95, hier S. 88.
39 Jenks: „Die Hansen in England“, S. 119: Tunnage stellte einen zusätzlich nach dem Gewicht der gehandelten Ware berechneten Zoll und poundage eine „ad-valorem-Abgabe von 5%“ dar.
40 Vgl. Stoob: Die Hanse, S. 91.
41 Vgl. Buszello: „Die auswärtige Handelspolitik der englischen Krone“, S. 66.
42 Die Italiener waren in das Kreditgeschäft des englischen Königs, der für den Hundertjährigen Krieg gegen Frankreich finanzielle Unterstützung brauchte, eingestiegen und ließen sich mit Zollprivilegien bezahlen. Näheres dazu und zu Kölns Kreditzahlung s. Jenks: „Der Englandhandel“, S. 89-91 & Kürtz: Zu Zeiten der Hanse, S. 94-96.
43 Jenks: „Der Englandhandel“, S. 91.
44 Vgl. Kürtz: Zu Zeiten der Hanse, S. 100-102.
45 Vgl. Jenks: „Die Hansen in England“, S. 132.