Die vorliegende Arbeit hat die Zielsetzung einen Überblick über die umfangreiche Wissenschaftsdisziplin der Geragogik zu geben. Um dieses Ziel zu erreichen erfolgt zuerst eine Begriffsbestimmung der relevantesten Begriffe. Danach werden die Rahmenbedingungen und die Ziele der Geragogik erläutert. In dem darauffolgenden Kapital steht das Thema Lernen im Fokus. Zuerst wird dazu die Veränderung der kognitiven Fähigkeiten im Alter, sowie die Lernfähigkeit im Alter thematisiert. Außerdem werden die verschiedenen Lernfelder der Geragogik und ein Beispiel zu einer geragogischen Maßnahme vorgestellt. Abschließend erfolgt eine Schlussbetrachtung.
Der Begriff Geragogik deckt Wissenschaft und Praxis zugleich ab. So werden Lern- und Bildungsprozesse im Alter aus verschiedenen Blickwinkeln thematisiert. Aus der Sicht der älteren Menschen selbst, die ihren eigenen Alterungsprozess dadurch reflektierend ausgestalten sollen, sowie aus der Sicht der Personen die mit den Älteren interagieren und ihnen Lernen und Bildung ermöglichen sollen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Zielsetzung
2. Begriffsbestimmung
2.1 Geragogik
2.2 Lernen und Bildung
3. Rahmenbedingungen und Ziele der Geragogik
3.1 Rahmenbedingungen
3.2 Ziele der Geragogik
4. Typologie von Bildungsteilnehmern
5. Lernen im Alter
5.1 Veränderung der Kognitiven Leistungsfähigkeit im Alter
5.2 Lernfähigkeit im Alter
5.3 Lernfelder im Alter
6. Beispiel: Motogeragogik
7. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung und Zielsetzung
Der Alterungsprozess ist mit Chancen und Risiken verbunden und erfordert die Bereitschaft und die Fähigkeit zu Lernen um die entstehenden Herausforderungen in der Lebensphase Alter zu meistern. Diese Thematik findet Platz in der Geragogik.1 Die vorliegende Arbeit hat die Zielsetzung einen Überblick über diese umfangreiche Wissenschaftsdisziplin zu geben. Um dieses Ziel zu erreichen erfolgt zuerst eine Begriffsbestimmung der relevantesten Begriffe. Danach werden die Rahmenbedingungen und die Ziele der Geragogik erläutert. In dem darauffolgenden Kapital steht das Thema Lernen im Fokus. Zuerst wird dazu die Veränderung der kognitiven Fähigkeiten im Alter sowie die Lernfähigkeit im Alter thematisiert. Außerdem werden die verschiedenen Lernfelder der Geragogik und ein Beispiel zu einer geragogischen Maßnahme vorgestellt. Abschließend erfolgt eine Schlussbetrachtung.
2. Begriffsbestimmung
2.1 Geragogik
Der Begriff Geragogik deckt Wissenschaft und Praxis zugleich ab. So werden Lern- und Bildungsprozesse im Alter aus verschiedenen Blickwinkeln thematisiert. Aus der Sicht der älteren Menschen selbst, die ihren eigenen Alterungsprozess dadurch reflektierend ausgestalten sollen, sowie aus der Sicht der Personen die mit den Älteren interagieren und ihnen Lernen und Bildung ermöglichen sollen.2
Diese Merkmale spiegeln sich auch in der Definition von Bubolz-Lutz u.a. wieder:
„Als Geragogik wird eine wissenschaftliche Disziplin bezeichnet, die sich am Leitbild von Menschenwürde und Partizipation im Alter orientiert, Bildungsprozesse in der zweiten Lebenshälfte erforscht, Bildungskonzepte mit Älteren und für das Alter entwickelt und erprobt und diese in die Aus- Fort- und Weiterbildung für die Arbeit mit Älteren einbringt.“3
2.2 Lernen und Bildung
Unter dem Begriff Lernen werden Prozesse bezeichnet die dem Erwerben und Ausbauen von Wissen, Fähig- und Fertigkeiten sowie Erfahrungen dienen. Die Prozesse wirken sich in einer Änderung des Verhaltens oder in Möglichkeiten von Verhaltensänderungen aus und bilden die Grundlage von Bildung. 4
Lernen lässt sich in verschiedene Formen einteilen: Formales Lernen, non formales Lernen und informelles Lernen. Das formale Lernen spielt sich im institutionellen Kontext ab und ist durch unter anderem genaue Lernziele fest strukturiert. Das non formale Lernen ist wie das formale Lernen auch bewusstes Lernen, jedoch nicht durch eine feste Struktur, sondern durch das Lernen aus Erfahrungen im Kontext von Arbeit wie z.B. einem Praktikum. Bei dem informellen Lernen wird kein Lernerfolg beabsichtigt. Hierunter fallen Lernprozesse außerhalb von Bildungseinrichtungen, die sich in allen Lebensbereichen vollziehen. Ein Beispiel hierfür ist der Erfahrungsaustausch im sozialen Kon- text.5
Mit dem Begriff Bildung wird ein handlungsbezogener Prozess bezeichnet, indem sich das Individuum bewusst, aktiv und rückbezüglich mit sich selbst und seiner Umwelt beschäftigt. Bei dem Prozess entfalten sich das Verständnis des Individuums über sich Selbst und die Welt sowie dessen Sozial- und Handlungskompetenzen.6
3. Rahmenbedingungen und Ziele der Geragogik
3.1 Rahmenbedingungen
- Demographische Entwicklung
Die Geragogik wird durch verschiedene Rahmenbedingungen bestimmt. So lassen sich zuerst die durch den demographischen Wandel veränderten Bedürfnisse und Hoffnungen älterer Menschen anführen. Durch die allgemeine, stark gestiegene Lebenserwartung und die Veränderung der sozialen Strukturen ergibt sich die Gefahr für den Einzelnen bestimmte Rollen zu verlieren, oder in solchen eingeengt zu werden. Auf der anderen Seite führt eine verlängerte Lebenserwartung aber auch zur Möglichkeit Beständigkeit und Entfaltung für die eigene Identität zu erlangen. Der demographische Wandel ist außerdem von einem zunehmenden Anteil der Frauen bei steigendem Alter gekennzeichnet. Dadurch ist die Geragogik mit einer Anpassung an die geschlechtstypischen Bedürfnisse und Herausforderungen konfrontiert.7 Die beschriebene Bevölkerungsentwicklung fordert also folglich jedes Mitglied der Gesellschaft zum kontinuierlichen Lernen auf und lässt sich zudem nur durch Lernvorgänge im Alter, hinsichtlich des Alterns und im Umgang mit Älteren gestalten.8
- Verschiedene Ansprüche an die Geragogik
Durch die zunehmenden sozialen Erwartungen an die Älteren sowie aus den Bedürfnissen der Älteren heraus ist eine neue, eigene Lebensphase Alter entstanden. Diese Lebensphase beginnt mit dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und beansprucht durch die spezifischen Bedürfnisse der Älteren einen eigenen Zugang zur Bildung, wodurch die Geragogik herausgebildet wurde. Neben den Bedürfnissen älterer Menschen ist die Lebensphase auch von ei- ner zunehmenden Diversität durch Gruppen verschiedener Gesundheitszustände und Kulturkreise gekennzeichnet, wodurch folglich auch verschiedene Ansprüche innerhalb des Personenkreises an die Geragogik entstehen.9
- Das Bildungs- und Wissenssystem
Bildung hat in der heutigen Gesellschaft einen sehr hohen Stellenwert eingenommen. Sie ist die zentrale Voraussetzung für die Weiterentwicklung der Gesellschaft und entscheidet über die langfristigen Lebenschancen des Einzelnen. Außerdem ist Bildung ist ein wichtiger Faktor für Entwicklungen in den verschiedenen Bereichen des Lebens und Voraussetzung zur kulturellen Teilhabe. Durch durchschnittlich geringere Bildungsabschlüsse einerseits und kürzerem Verbleib in schulischen Strukturen andererseits besteht eine strukturelle Bildungsbenachteiligung älterer Menschen gegenüber jüngerer Generationen. Aufgrund der wichtigen Bedeutung der Bildung in unserer Gesellschaft sowie derer demographischen Entwicklung ist es folglich notwendig Bemühungen zu initiieren, die älteren Menschen einen Anreiz zur Bildung ge- ben.10
3.2 Ziele der Geragogik
Die Zielsetzung der Geragogik leitet sich von den beschriebenen Rahmenbedingungen ab. Laut Bubolz-Lutz u.a. ist die Grundintention der Geragogik daher:
„[...] Bildungskonzepte für die Herausforderungen der jeweils höchst unterschiedlichen individuellen Lebenssituationen im Prozess des Älterwerdens - im sog. Dritten wie im Vierten Alter - zu entwickeln und zu erproben und an einer Vision mitzuarbeiten, durch Lernprozesse in allen Lebensaltern den demografischen Wandel konstruktiv mitzugestalten.“11
Die Zielsetzungen dieser Bildungskonzepte wurden von Kalbermatten genauer formuliert. Die Bildungsangebote sollen demnach:
- Eine Teilnahme des Individuums an der Gesellschaft ermöglichen. Hierunter versteht er die Ermöglichung der Auseinandersetzung des Einzelnen mit dem Fortschritt des alltäglichen Lebens.
- Die kognitiven und geistigen Anlagen der Älteren im präventiven Rahmen fördern und einer Verschlechterung der Fähigkeiten entgegenwirken.
- Dem Individuum die Möglichkeiten der Sinnesfindung und der Persönlichkeitsentwicklung eröffnen.
- Den Älteren ermöglichen Wissen über das eigenständige Leben im Alter zu erwerben und die Qualität ihres Lebens zu verbessern.
- Den Älteren die Möglichkeit geben Aufarbeitung ihrer Wünsche und Bedürfnisse zu betreiben und diese in der Gesellschaft durchzubringen.
- Soziale Aufgaben behandeln.12
4. Typologie von Bildungsteilnehmern
Um die bereits genannten, verschiedenen Ansprüche an die Geragogik näher zu erläutern folgt in diesem Teil die Vorstellung verschiedener Bildungsteilneh mer-Typen. Tippelt u.a. haben diese verschiedene Typen durch eine typologische Analyse von Tiefeninterviews identifiziert:13
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Typologie von Bildungsteilnehmern.
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Tippelt u.a. (2009), S. 175.
- Sozial emotionaler Typ
Bildung ist für den sozial emotionalen Typ an positive Gefühle gekoppelt. Er sieht sie als zweckhaft für sich selbst an und verspricht sich einen Eigenwert davon. Der Typus ist unter anderem auch dadurch gekennzeichnet, dass er Bildung mit Persönlichkeitsentwicklung assoziiert, ein hohes Bildungsbestreben seit seiner Schulzeit aufweist und einen erfolgreichen Bildungsweg bestritten hat. Für den sozial emotionalen Typ ist Weiterbildung ein Synonym zu sozialer Eingliederung. Es gibt keine Aspekte neben externen Faktoren wie Zeit oder Mobilität die ihn an der Teilnahme von Bildung hindern.14
- Gemeinwohlorientierter solidarischer Typ
Für den gemeinwohlorientierten, solidarischen Typus steht das Potenzial von Bildungsaktivitäten zur Integration und Gemeinschaftsförderung im Vordergrund. Der Zweck von Weiterbildung wird in der Weitergabe von erworbenem Wissen an die nachfolgenden Kohorten und die Gemeinschaft gesehen. In dieser Kategorie befinden sich zudem Menschen mit hohen und niedrigen Bildungsabschlüssen, die sehr häufig an formalen Weiterbildungsangeboten teilnehmen. In dem Ausführen von freiwilligem und bürgerschaftlichen Aktivitäten sieht dieser Typ einen Teilaspekt eines erfüllten Lebens. 15
- Utilitaristischer Typ
Der utilitaristische Typ sieht in der Möglichkeit angeeignetes Wissen direkt anwenden zu können eine Bedingung zur Teilnahme an Weiterbildung. Zudem partizipiert er sich nur an Bildungsangeboten, die ein einem bestimmten Ziel (z.B. Urkunde) zugrunde liegen. In dieser Kategorie befinden sich Menschen mit mittleren und niedrigen Abschlüssen. Im Gegensatz zum sozial emotionalen Typ ist dieser Typus durch ein niedriges Bildungsbestreben und eine mit negativen Gefühlen und Fehlschlägen verbundene Schulzeit gekennzeichnet. Das Ausnutzen der eigenen Potenziale und informelles Lernen steht im Vordergrund.16
- Selbstabsorbierend-kontemplativer Typ
Der selbstabsorbierend-kontemplative Typ will mithilfe von Bildung Wissen ansammeln und sich intensiv damit auseinandersetzen. Desweitern ist dieser Typus von einem hohen Bildungsabschluss und hohen Weiterbildungsanstrengungen gekennzeichnet. Bildung ist in dieser Kategorie Mittel zur Erreichung persönlicher Ziele und zur Ausformung der eigenen Persönlichkeit. Außerdem sind Personen des selbstabsorbierenden-kontemplativen Typs ehrenamtlich engagiert und sehen in der eigenen Integration in der Gemeinschaft einen Zweck zur eigenen Weiterentwicklung und Zielerreichung.17
[...]
1 Vgl.Bubolz-Lutz u.a. (2010), S. 9
2 Vgl.Bubolz-Lutz u.a. (2010), S. 11 f.
3 Bubolz-Lutz u.a. (2010), S.14
4 Vgl.Bubolz-Lutz u.a. (2010), S. 20 f.
5 Vgl.BMFSFJ (2005), S. 125 f.
6 Vgl.Bubolz-Lutz u.a. (2010), S. 27
7 Vgl.Kolland (2010), S. 10
8 Vgl.Bubolz-Lutz u.a. (2010), S. 11
9 Vgl.Kolland (2010), S. 10 f.
10 Vgl.Kolland (2010), S. 11
11 Bubolz-Lutz u.a. (2010), S. 10
12 Vgl.Kalbermatten (2004), S. 115 ff.
13 Vgl.Tippelt u.a. (2009), S. 174 f.
14 Vgl.Tippelt u.a. (2009), S. 176 f.
15 Vgl.Tippelt u.a. (2009), S. 179
16 Vgl.Tippelt u.a. (2009), S. 181 f.
17 Vgl.Tippelt u.a. (2009), S. 184 f.