Diese Arbeit soll einen Einblick in die Theorie der Entscheidungsheuristiken geben. Vorab wird das Verständnis von Entscheidungen und Urteilen vermittelt, um zu verstehen, was für einen Stellenwert Entscheidungen und Heuristik in unserem Alltag haben sollten. Zentraler Punkt ist die theoretische Beleuchtung der verschiedenen Arten von Entscheidungsheuristiken. Der Leser soll über Chancen und Risiken der mentalen Abkürzungen durch Heuristiken aufgeklärt werden. Anhand von Beispielen soll klar werden, welche Verzerrungen auftreten können, die zu fehlerhaften Entscheidungen führen können.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Entscheidungen & Urteile im Alltag
1.2 Definition und Bedeutung von Heuristiken
2. Entscheidungen & Urteile
2.1 Unterschied zwischen Entscheidung und Urteil
2.2 Von der Wahrnehmung zum Urteil
3 Heuristiken
3.1 Traditionelle Heuristiken nach Kahneman & Tversky
3.1.1 Verfügbarkeitsheuristik
3.1.2 Heuristik der Repräsentativität
3.1.3 Anker- und Anpassungsheuristik
3.2 Neue heuristische Ansätze
3.2.1 Rekognitionsheuristik (Gigerenzer & Goldstein 1999)
3.2.2 Take-the-Best (Gigerenzer Forschungsgruppe)
3.2.3 Markenvertrautheit (Hoyer & Brown 1990)
4. Schluss
4.1 Rolle der Heuristik in der Marktforschung
4.2 Zusammenfassung und Fazit
Quellenverzeichnis
Abstract
Diese Arbeit soll einen Einblick in die Theorie der Entscheidungsheuristiken geben. Vorab wird das Verständnis von Entscheidungen und Urteilen vermittelt, um zu verstehen, was für einen Stellenwert Entscheidungen und Heuristik in unserem Alltag haben sollten. Zentraler Punkt ist die theoretische Beleuchtung der verschiedenen Arten von Entscheidungsheuristiken. Der Leser soll über Chancen und Risiken der mentalen Abkürzungen durch Heuristiken aufgeklärt werden. Anhand von Beispielen soll klar werden, welche Verzerrungen auftreten können, die zu fehlerhaften Entscheidungen führen können.
1. Einleitung
1.1 Entscheidungen & Urteile im Alltag
Wir treffen tagtäglich rund 20.000 Entscheidungen und Urteile.1 Einige davon sind kaum der Rede wert, andere wiederum sind mit einer möglicherweise schwerwiegenden Konsequenz behaftet.
Was würden Manager tun, wenn es darum geht, ob ein Produkt weiterhin im Sortiment bleiben oder eingestellt werden soll? Sie beurteilen die gesamte Entwicklung des Produktes und versuchen den Markt bzw. Bedarf vorherzusagen. Was würde ein angehender Student tun, wenn es darum geht, ob er Architektur oder doch lieber Marketing studieren sollte? Er versucht so gut es geht, die eigene Situation und zukünftige Chancen einzuschätzen, um die bestmögliche Entscheidung zu treffen. Was würden Verbraucher tun, um das richtige Smartphone zu finden? Sie beurteilen das aktuelle Angebot auf dem Markt und entscheiden sich durch den Vergleich der Angebote und ihrer Anforderung an das Gerät.
Diese Beispiele verdeutlichen uns, dass das menschliche Leben voller Entscheidungen und Urteile steckt. Wichtig hierbei ist auch das Ziel, eine Entscheidung bzw. Urteil zu treffen, welches mit möglichst wenig Fehleranteil behaftet ist. Es ist sehr selten der Fall, dass wir beim Entscheidungsprozess auf eine vollständige und komplett transparente Informationsbasis zurückgreifen können. In der Regel liegen uns statistisch nicht hinzureichend aussagekräftige Daten vor, ein hoher Grad an Komplexität und unzureichende Informationen. Wir unterliegen zusätzlich oft noch dem Zwang einer Entscheidung unter Zeitdruck, was eine fehlerfreie Beurteilung noch weiter erschwert.
In einigen Situationen kann es von ökonomischem Vorteil sein, Urteilsprozesse abzukürzen. Es scheint völlig paradox und ineffizient, vorab alle Details und Informationen einzuholen und langwierig separat zu prüfen. Die Lösung um diesen erheblichen Aufwand einzusparen, ist das zurückgreifen auf mentale Abkürzungen.2
Der Fokus dieser Arbeit ist die Betrachtung, dieser mentalen Abkürzungen und die Klärung der folgenden Fragen: Wie treffen wir Entscheidungen? Was sind Entscheidungsheuristiken? Welche Bedeutung haben Heuristiken in unserem Alltag? Welche Arten von mentalen Abkürzungen bzw. Heuristiken beeinflussen unser Urteil/Entscheidung?
1.2 Definition und Bedeutung von Heuristiken
Die Heuristik wurde maßgeblich durch die Forschungen von den Psychologen Amos Tversky und Daniel Kaheman geprägt, die im Jahr 1974 im Science einen Artikel veröffentlichten.3 Dieser Artikel „Judgement under uncertainty“, erlangte innerhalb kürzester Zeit weltweite Bekanntheit und ist bis heute noch eine gern genannte Quelle. Der Begriff der Heuristik in Urteilen oder Entscheidungen hat seinen Ursprung in der Forschung der sozialen Kognition. Wenn ein Urteil gefällt wird oder eine Entscheidung getroffen wird, geht man von einer kognitiven Leistung aus. Wenn man den Prozess einer Urteilsbildung oder Entscheidungsfindung im Allgemeinen betrachtet, ist eine grobe Gliederung in drei Schritte möglich. Es beginnt mit der Auswahl der entsprechenden Informationen und wird mit der Interpretation der selektierten Informationen fortgeführt. Der letzte Schritt ist das Fällen eines Urteils bzw. die Entstehung einer Entscheidung. Wie man zwischen Urteilen und Entscheidungen differenzieren kann, wird im nächsten Kapitel genauer erläutert. Automatische Prozesse, die für diesen letzten dritten Schritt notwendig sind, ist die Verwendung von vorhandenen Schemata und kognitiver Strukturen und sind stark von der selektiven Wahrnehmung abhängig. Heuristiken entstehen vornehmlich in dem späteren Teil der beschriebenen drei Teilprozesse.4
Was genau bedeutet nun eigentlich Heuristik? Der Begriff Heuristik stammt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie „entdecken“ oder „finden“.5 In der Psychologie bezeichnet man unter Entscheidungsheuristiken, jene (unterbewusste) Maßnahmen oder Strategien, die durch Vereinfachung den Entscheidungsprozess beschleunigen und zu einer raschen Lösung des Problems führen können. Sie stellen eine vereinfachende Entscheidungsregel dar, die eine Urteilsbildung ermöglichen, ohne dass die verfügbaren Informationen erschöpfend und logischen Regeln folgend systematisch verarbeitet werden müssen.6 Noch genauer genommen, kann man sagen, dass Entscheidungsheuristiken dem Teilgebiet der kognitiven Täuschungen zuzuordnen sind.7 Auch sogenannte kognitive Verzerrungen entstehen dadurch, dass wir in vielen Situationen, gewisse Entscheidungen und Urteile treffen müssen unter schlechten Rahmenbedingungen. Das könnte unter anderem zum Beispiel Zeitmangel oder Zeitdruck sein, zu wenige oder qualitativ mangelhafte Informationen oder ein hohes Maß an Komplexität.8 Wenn wir in uns gehen, werden wir erkennen, dass diese genannten Faktoren im Grunde alltäglich und allgegenwärtig bei unseren Entscheidungen vorhanden sind. Es zeigt uns die Wichtigkeit über das Bewusstsein der Existenz von kognitiver Verzerrung.
Wie bereits zu erahnen ist, dient die Heuristik dazu, dass wir in relativ kurzer Zeit eine situativ angemessene Entscheidung fällen bzw. ein Urteil bilden. Der große Vorteil ist die Effizienz der Urteilsbildung oder Entscheidungsfindung, die es uns erlaubt mit den gegebenen Informationen ökonomisch zu einer Lösung zu gelangen. Die Entscheidung unter diesen statistisch schlechten Bedingungen, geht mit einer erhöhten Anfälligkeit für logische Fehler einher.9
Ein klassisches Beispiel im Bereich der Werbung sind die Rabattangebote. Produkte werden reduziert beworben, wobei man den angeblich reduzierten Preis einfach als Anker höher setzt. Unerfahrene Kunden ohne Vergleichspreise im Kopf wird ein Preis suggeriert, welcher stark reduziert scheint. Dann wird das Angebot noch künstlich verknappt, um Zeitdruck zu erzeugen. Sollte der Kunde sich für den Kauf entscheiden, unterliegt er einer klassischen Entscheidungsheuristik. Warum keiner Urteilsheuristik? Den Unterschied zwischen Entscheidung und Urteil wird im nächsten Kapitel behandelt.
2. Entscheidungen & Urteile
Im umgänglichen Sprachgebrauch unterscheiden wir zwischen den beiden Begriffen „Entscheidung“ und „Urteil“ kaum. Ob Urteil oder Entscheidung, spielt auf dem ersten Blick so gesehen kaum eine Rolle. Genauer betrachtet gibt es jedoch klare Unterschiede, die einen weiteren Schärfegrad der Differenzierung erlauben und für das Marketing erheblich sein können.
2.1 Unterschied zwischen Entscheidung und Urteil
Wenn in einer Situation mindestens zwei verschiedene Handlungsoptionen vorliegen und ein gewisser Grad an Wahlfreiheit besteht, dann spricht man von einer Entscheidung. Der „freie Wille“ ist damit nicht gemeint, sondern, dass nicht zwingend konsistent einer der beiden Optionen gewählt werden muss und man stattdessen vor der Wahl überlegt.
Urteile hingegen sind Ergebnisse von Prozessen des Nachdenkens, auf die sich später Entscheidungen stützen. Die Denkprozesse, die einem Urteil vorgeschalten sind, sind für die Heuristik nicht relevant.10
Jeder Mensch hat sozusagen anhand der Erfahrungen und Denkprozesse die bereits vollzogen wurden, ein Pool an Urteilen gebildet worauf die Entscheidungen später zurückgreifen. Wenn wir also von Heuristiken sprechen, können es Urteilsheuristiken oder auch Entscheidungsheuristiken sein, da Urteil und Entscheidung in einem logischen Zusammenhang stehen.
2.2 Von der Wahrnehmung zum Urteil
Wahrnehmungen bilden die Basis von Urteilsprozessen. Der Begriff bezieht sich im weitesten Sinne auf den allgemeinen Prozess, Ereignisse zu erkennen und zu begreifen. Der Ursprung kann aus dem kognitiven System oder auch aus der externen Umwelt stammen. Hierbei geht es um die sinnliche Empfindung, das Verständnis, die Identifikation und die Klassifizierung und die entsprechende Vorbereitung von Reaktionen auf diese Umweltreize.11
„Wahrnehmung wird definiert als perzeptiv-kognitive Integration von Informationen und ist ein Prozess, bei dem äußeren Reizen, die entsprechend ihrer physikalischen Eigenschaften sowie interner physiologischer und psychologischer Vorgänge in organismisch relevante Informationen übersetzt werden, spontan Bedeutung IQ zugewiesen wird.“12
Es existiert eine Korrelation zwischen diesen kognitiven Bedeutungszuweisungen zu internen Reizmustern, die externe Umweltreize abbilden. Dieser Prozess ist natürlich sehr aufwendig und komplex. Um die Informationsverarbeitung maßgeblich zu erleichtern, folgt diese Bedeutungszuweisung einfachen Faustregeln und Strategien.13
Diese kurze Exkursion zum Verständnis von Entscheidungen und Urteile soll als Einstieg in die Welt der Heuristiken dienen. Das Entscheidung und Urteil oft auf eine Stufe mit der selben Bedeutung gestellt wird, zeigt uns deutlich, wie unbewusst wir leben. Erst durch aktives Auseinandersetzen können wir selbst solche schwammige Differenzen klar voneinander trennen. Um Heuristik zu verstehen und zu erleben, muss man sich auch hier ständig das Unbewusste bewusst vor Augen halten.
[...]
1 Vgl. http://karrierebibel.de/10-ueberraschende-fakten-ueber-unsere-entscheidungen/
2 Vgl. ARONSON, E. / WILSON, T.D. / AKERT, R.M., Sozialpsychologie, 2004, S.76
3 Vgl. TVERSKY, A. & KAHNEMAN, D., Judgment under uncertainty: Heuristics and biases, 1982
4 Vgl. ARONSON, E. / WILSON, T.D. / AKERT, R.M., Sozialpsychologie, 2004, S.97
5 Vgl. ARONSON, E. / WILSON, T.D. / AKERT, R.M., Sozialpsychologie, 2004, S.76
6 Vgl. BIERHOFF, H. & FREY, D., Handbuch der Sozialpsychologie und Kommunikationspsychologie, 2006, S. 294
7 Vgl. FREY, D. & IRLE, M., Theorien der Sozialpsychologie, Band III, Motivations- und Informationsverarbeitungstheorien, 1985, S. 240
8 Vgl. FREY, D. & IRLE, M., Theorien der Sozialpsychologie, Band III, Motivations- und Informationsverarbeitungstheorien, 1985, S. 239
9 Vgl. FREY, D., VON ROSENSTIEL, L. & GRAF HOYOS, C., Wirtschaftspsychologie, 2005, S. 364
10 Vgl. Prof. Dr. BECKER, J., Urteilen und Entscheiden, WS 2004/05 ,S. 1
11 Vgl. ZIMBARDO, P.G. & GERRIG, R.J., Psychologie, 2004, S. 157
12 zitat nach FREY, D., VON ROSENSTIEL, L. & GRAF HOYOS, C., Wirtschaftspsychologie, 2005, S. 364
13 Vgl. FREY, D., VON ROSENSTIEL, L. & GRAF HOYOS, C., Wirtschaftspsychologie, 2005, S. 364