Lade Inhalt...

Ethik im Kontext der Straffälligenhilfe

Ein fiktiver Dialog

©2018 Essay 10 Seiten

Zusammenfassung

Über Straftaten, Strafen und noch viel mehr über Hilfen für straffällig gewordene Menschen lässt sich eindeutig streiten. Werte, Normen und Meinungen können hier wie in allen anderen ethischen Belangen durchaus verschieden sein. Auch ich bin gedanklich schon häufiger auf die Frage gestoßen, ob es denn gerechtfertigt ist, einem Straftäter zu helfen. Häufig bekomme ich in den Nachrichten von erschreckenden Straftaten wie brutalen Morden, Vergewaltigungen, terroristischen Handlungen oder Kindesmisshandlungen mit. Immer wieder stoße ich im Internet oder in den Nachrichten auf Informationen über solche Taten.

Da ich mir bewusst darüber geworden bin, dass ich in meiner beruflichen Zukunft einmal in die Situation kommen könnte, dass ich Menschen zu unterstützen habe, welche straffällig geworden sind, will ich mich im Rahmen des fiktiven Dialoges nun näher mit der ethischen Problematik in diesem Kontext auseinandersetzen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

I. Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Hauptteil

Fazit

II. Quellenverzeichnis

Ethik im Kontext der Straffälligenhilfe: Ein fiktiver Dialog

„Wieso hilft man solchen Leuten?!“ – Lukas ist empört.

Mit seiner Freundin Lisa sieht er im Fernsehen eine Dokumentation über das Leben von Häftlingen und Exhäftlingen. Markus, heute 25 Jahre alt, hat vor sechs Jahren unter Einfluss von Alkohol im Streit seine Freundin Hannah getötet. Er wurde nach dem Jugendstrafrecht wegen Totschlages zu sechs Jahren Haft verurteilt. Nun hat Markus seine Haftstrafe abgesessen. Er soll durch Wiedereingliederungsmaßnahmen zurück in das gesellschaftliche Leben finden. Von Sozialarbeitern wird er bei der Suche nach Wohnraum und Arbeitsplatz unterstützt.

Das Problem aus Lukas Sicht? Markus hat eine Straftat begangen. Eine ziemlich furchtbare noch dazu. „Der hat es doch verdient nie wieder einen Job zu bekommen!“, denkt er sich.

„Naja, er hat seine Strafe abgesessen…“, entgegnet ihm seine Freundin Lisa, die Soziale Arbeit studiert. „Außerdem hat er die Tat ja von Anfang an bereut, es war eine Tat aus dem Affekt heraus.“

„Na und, dann muss man ihn ja nicht gleich dabei unterstützen, wieder in ein gutes Leben zurückzufinden. Er hat sich das ja schließlich selbst eingebrockt“, entgegnet ihr Lukas.

Über Straftaten, Strafen und noch viel mehr über Hilfen für straffällig gewordene Menschen lässt sich eindeutig streiten. Werte, Normen und Meinungen können hier wie in allen anderen ethischen Belangen durchaus verschieden sein. Auch ich bin gedanklich schon häufiger auf die Frage gestoßen, ob es denn gerechtfertigt ist, einem Straftäter zu helfen. Häufig bekomme ich in den Nachrichten von erschreckenden Straftaten wie brutalen Morden, Vergewaltigungen, terroristischen Handlungen oder Kindesmisshandlungen mit. Immer wieder stoße ich im Internet oder in den Nachrichten auf Informationen über solche Taten.

Da ich mir bewusst darüber geworden bin, dass ich in meiner beruflichen Zukunft einmal in die Situation kommen könnte, dass ich Menschen zu unterstützen habe, welche straffällig geworden sind, will ich mich im Rahmen des fiktiven Dialoges nun näher mit der ethischen Problematik in diesem Kontext auseinandersetzen.

Lukas verspürt Wut und Fassungslosigkeit: „Markus hat das Leben anderer Menschen zerstört und nachhaltig negativ beeinflusst. Die Familie und die Freunde von Hannah werden vermutlich ihr ganzes Leben lang durch seine Straftat leiden. Wie kann man es mit seinem Gewissen vereinbaren, einem solchen Menschen Hilfe anzubieten?!“

Lisa: „Ich kann nachvollziehen, dass du dafür kein Verständnis besitzt. Wenn ich von solchen Straftaten höre, bin ich auch erstmal fassungslos, wütend und enttäuscht. Solche Taten kann man ja auch unmöglich gutheißen…“

Lukas: „Was ist denn dann bitte das Motiv der Straffälligenhilfe?!“

Lisa: „Naja, in meinem Studium habe ich so einige Interessante Theorien kennengelernt. Da lernt man schon, ganz andere Perspektiven einzunehmen. Ich kann ja mal versuchen dir zu erklären, was das Motiv der Sozialen Arbeit und der Straffälligenhilfe ist…“.

Lukas: „Na, da bin ich aber mal gespannt.“

Lisa: „Zentrales Ziel der Sozialen Arbeit ist die Hilfe zur Selbsthilfe. Das bedeutet, es soll Menschen bei der Bewältigung sozialer Problemlagen so geholfen werden, dass sie dazu befähigt werden, im Anschluss (wieder) selbstbestimmt und ohne fremde Hilfe leben zu können.“1

Lukas: „Das heißt, dass es dem Straftäter im Prinzip ermöglicht wird, erneut Straftaten zu begehen?!“

Lisa: „Nein, das ist natürlich nicht der Sinn des Ganzen. Das vorrangige Ziel der Straffälligenhilfe ist es, einen ´Resozialisierungsgedanken` umzusetzen. Ganz allgemein versteht man hierunter die Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Das bedeutet, den Menschen die Chance zu geben, (wieder) am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Hier ist es auch ganz interessant, die juristische Bedeutung des Resozialisierungsgedankens zu betrachten - der Resozialisierungsprozess im juristischen Sinne zielt nämlich darauf ab, den Gefangenen im Vollzug der Freiheitsstrafe dazu zu befähigen, ´künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen`.“2

Lukas: „Das bedeutet, diese Hilfe wird nur Menschen angeboten, die den Eindruck machen, dass sie keine Straftaten mehr begehen werden?“

Lisa: „Naja, ich denke mal, die Menschen, die als gefährlich eingeschätzt werden, werden bestimmt nicht einfach wieder ohne Sicherheitsmaßnahmen auf freien Fuß gelassen. So genau kenn ich mich da aber auch nicht aus. Ich denke mal, dass die Wiedereingliederungsmaßnahmen aber nur den Menschen angeboten werden, die sich in der Haft gut anstellen und einen zuversichtlichen Eindruck machen, sodass man ihnen zutraut, dass sie wieder in die Gesellschaft entlassen werden können. Letzten Endes weiß man aber natürlich nie, ob ein ehemalig straffällig gewordener Mensch erneut eine Straftat begehen wird oder in Zukunft straffrei leben wird. Das Risiko ist natürlich immer da.“

Lukas: „Hm, das hört sich ja schon mal etwas beruhigend an. Ich verstehe aber immer noch nicht so ganz, wieso man solchen Menschen etwas Gutes tun sollte.“

Lisa: „Natürlich ist es schwer, so etwas mit seinem Gewissen zu vereinbaren. Teilweise wird das einem vielleicht auch gar nicht gelingen. Dann muss man aber die Dinge in Betracht ziehen, die für die Straffälligenhilfe sprechen.“

Lukas: „Was wäre das denn zum Beispiel?“

Lisa: „Wie ich dir eben erklärt habe, ist es Ziel des Strafvollzuges, Menschen dazu zu befähigen, in Zukunft ein Leben ohne Straftaten zu führen. Fakt ist, dass Menschen, die von der Gesellschaft ausgegrenzt werden, eher dazu neigen, Straftaten zu begehen.3 Wenn man Menschen bei ihrer Haftentlassung dabei unterstützt, zurück in das gesellschaftliche Leben zu finden, kann das Risiko für das Begehen neuer Straftaten also gesenkt werden.“

Lukas: „Okay, das klingt überzeugend. Bleibt da aber nicht trotzdem immer der Hintergedanke, dass die Person die Hilfe prinzipiell gar nicht verdient hätte?“

Lisa: „Wie ich bereits gesagt habe, ist es immer schwierig, zu einem ethischen Konsens zu gelangen. Doch ich stelle mir folgende Frage: Haben wir nicht alle schon einmal ´Fehler` begangen? Uns entgegen gesellschaftlicher Normen verhalten? Und es furchtbar bereut? Um eine zweite Chance gebangt? Beteuert, es in Zukunft besser zu machen?“

Lukas: „Natürlich begehen wir alle Fehler, aber die kann man doch nicht miteinander vergleichen, oder?!“

Lisa: „Selbstverständlich kann man diese ´Fehler` ethisch nicht alle auf ein und dieselbe Ebene stellen. Geht es aber nicht viel mehr um das Prinzip? Hat nicht jeder Mensch eine zweite Chance verdient?“

Lukas: „Du bist nicht ernsthaft der Meinung, dass jemand, der für den Tod eines anderen Menschen verantwortlich ist, eine zweite Chance verdient hat?!“

Lisa: „Ich weiß, es scheint nahezu unmöglich, so etwas zu befürworten. Was wäre aber, reintheoretisch, wenn du eine solche Straftat begehen würdest? Dir klar darüber bist, dass dies nicht in Ordnung war und es womöglich zutiefst bereust? Und die Chance haben möchtest, wieder ein normales Leben zu führen?“

Lukas: „Das hätte ich mir dann ja selbst zuzuschreiben. Irgendwo hat man seine Strafe dann doch auch verdient. Aber du hast schon Recht… Ich meine, wenn jemand sowieso wieder in die Gesellschaft entlassen wird, und mit den Hilfsangeboten das Risiko für das Begehen erneuter Straftaten vermindert werden kann, hat das ja schon etwas Gutes. Verdient hat man das dann ja aber eigentlich nicht.“

Lisa: „Wenn es einem in diesem Sinne um Gerechtigkeit geht, kann man es ja auch so sehen, dass der Betroffene ja schon insofern seine Strafe bekommen hat, dass er die Haftstrafe absitzen musste. Das ist bestimmt keine schöne Sache. Außerdem wird die Person vermutlich ihr Leben lang mit Diskriminierung kämpfen müssen und mit der Angst leben, Opfer von Gewalt- und Rachetaten zu werden.“

Lukas: „Du hast schon Recht. Ich meine, ob man diese ´Strafe` dann als angemessen und genügend betrachtet, ist ja wieder etwas, wo man ohne Ende drüber diskutieren kann. Aber wenn man an der Situation sowieso nicht viel ändern kann, sind das ja schon mal Ansätze, mit denen man sich eventuell etwas anfreunden kann. Oh man, das Ganze kann man ja sehr viel komplexer betrachten als ich je gedacht hätte…“

Wie zu erkennen ist, kann die Straffälligenhilfe unter zahlreichen Perspektiven beleuchtet werden. Im Folgenden möchte ich nochmal kurz ein paar juristische Aspekte hervorheben und die ethische Problematik genauer aus der sozialarbeiterischen Perspektive betrachten.

[...]


1 vgl. DBSH 2016

2 vgl. Kawamura-Reindl/Schneider 2015, 67ff.

3 vgl. ebd., 84

Details

Seiten
Jahr
2018
ISBN (eBook)
9783346313157
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule RheinMain
Erscheinungsdatum
2020 (Dezember)
Note
1,0
Schlagworte
Soziale Arbeit Sozialarbeit Straffälligenhilfe Ethik
Zurück

Titel: Ethik im Kontext der Straffälligenhilfe